Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. März 2002
Aktenzeichen: 20 W (pat) 15/00

(BPatG: Beschluss v. 26.03.2002, Az.: 20 W (pat) 15/00)

Tenor

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Das Patentamt - Patentabteilung 31 - hat das Patent, welches aus einer durch Teilung der Patentanmeldung P 34 08 506.8-31 (Stammanmeldung) entstandenen Teilanmeldung P 34 48 459.0-31 hervorgegangen ist, mit Beschluß vom 25. Februar 2000 mit der Begründung widerrufen, der Patentanspruch 1 sei nicht bestandsfähig, weil sein Gegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Zum Stand der Technik ist dabei ua auf (1) DE 30 19 480 A1 Bezug genommen worden. Die im Einspruch ebenfalls vorgebrachte Ansicht, der Gegenstand des Patents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, § 21 Abs 1 Nr 4 PatG, treffe dagegen nicht zu Im Beschwerdeverfahren beantragt die Patentinhaberin, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten: Patentanspruch 1 gemäß Schriftsatz vom 4. Oktober 2000, im übrigen gemäß Patentschrift, hilfsweise, das Patent aufrechtzuerhalten mit folgenden Unterlagen: Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung, im übrigen gemäß Patentschrift mit Korrekturen in der Beschreibungseinleitung gemäß überreichtem Korrekturblatt.

Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"1. Bildverarbeitungsgerät mit

(a) einer ersten Eingabeeinrichtung (210) zur Eingabe unkomprimierter Bilddaten einer Vorlagenleseeinrichtung,

(b) einer zweiten Eingabeeinrichtung 157) zur Eingabe komprimierter Bilddaten, die von einer externen Einrichtung zugeführt werden,

(c) einer Kodiereinrichtung (152) zur Komprimierung von Bilddaten von der Leseeinrichtung,

(d) einer Dekodiereinrichtung (163) zur Dekomprimierung von Bilddaten von der zweiten Eingabeeinrichtung,

(e) einer Speichereinrichtung (154) für komprimierte Bilddaten von der zweiten Eingabeeinrichtung und der Kodiereinrichtung,

(f) einer ersten Ausgabeeinrichtung (156) zur Ausgabe komprimierter Bilddaten an eine externe Einrichtung, und

(g) einer zweiten Ausgabeeinrichtung (141) zur Ausgabe dekomprimierter Bilddaten an eine Bilderzeugungseinrichtung,

(h1) wobei in einer ersten Betriebsart über die erste Eingabeeinrichtung eingegebene Bilddaten über die zweite Ausgabeeinrichtung der Bilderzeugungseinrichtung zugeführt werden,

(h2) wobei in einer zweiten Betriebsart über die erste Eingabeeinrichtung eingegebene Bilddaten über die Kodiereinrichtung, die Speichereinrichtung und die erste Ausgabeeinrichtung in komprimierter Form an eine externe Einrichtung ausgegeben werden,

(h3) wobei in einer dritten Betriebsart über die zweite Eingabeeinrichtung eingegebene komprimierte Bilddaten über die Speichereinrichtung, die Dekodiereinrichtung und die zweite Ausgabeeinrichtung in unkomprimierter Form der Bilderzeugungseinrichtung zugeführt werden und

(i) wobei eine Umschaltung von der ersten in die zweite Betriebsart manuell und von der ersten oder zweiten in die dritte Betriebsart automatisch durchführbar ist."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag lautet wie die erteilte Fassung, ergänzt durch weitere Angaben im Merkmal (i). Vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag unterscheidet er sich in den Merkmalen (a), (c) bis (e) und (i). Diese Merkmale haben im Anspruch folgenden Wortlaut:

"1. Bildverarbeitungsgerät mit

(a) einer ersten Eingabeeinrichtung (210) zur Eingabe unkomprimierter Bilddaten,

(b) .....

(c) einer Kodiereinrichtung (152) zur Komprimierung von Bilddaten,

(d) einer Dekodiereinrichtung (163) zur Dekomprimierung von Bilddaten,

(e) einer Speichereinrichtung (154) für komprimierte Bilddaten,

(f) ....

(g) ....

(h1) ....

(h2) ....

(h3) .... zugeführt werden,

(i) wobei eine Umschaltung von der ersten in die zweite Betriebsart manuell und von der ersten oder zweiten in die dritte Betriebsart automatisch durchführbar ist, wobei die zweite Eingabeeinrichtung (157) zum Empfang von lauflängenkodierten Bilddaten (MH) und nicht lauflängencodierten Zeichendaten (AS) desselben Bildes eingerichtet ist undwobei die Bild- und Zeichendaten desselben Bildes vor Ausgabe mittels der zweiten Ausgabeeinrichtung zusammengeführt werden.

Hinsichtlich des Teilmerkmals "automatisch" im Merkmal (i) betreffen die Umschaltung von der ersten oder zweiten in die dritte Betriebsart geht der Gegenstand des Patentes über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie ursprünglich eingereicht worden ist."

Die Einsprechende hält an ihrer Auffassung fest, im Merkmal (i) sei das Teilmerkmal "automatisch" ursprünglich nicht offenbart worden und die beanspruchten Gegenstände beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Zu der hilfsweisen Anspruchsfassung weist sie in der mündlichen Verhandlung noch auf die DE 27 36 573 A1 - nachfolgend (2) genannt - hin, zu der sie das Deckblatt sowie Seiten 1, 16, 17, 62, 63, 73, 78 und 79 vorlegt.

Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, der Merkmalsinhalt des Anspruchs 1 sei in beiden beantragten Fassungen in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart worden - hiervon nimmt sie nur das Teilmerkmal "automatisch" in der hilfsweisen Anspruchsfassung durch einen entsprechenden Hinweis aus -, und der jeweilige Anspruchsgegenstand sei auch gegenüber dem Stand der Technik patentfähig.

II.

Die Beschwerde führt nicht zum Erfolg. Das Patent kann in keiner der beantragten Fassungen aufrechterhalten werden.

Der für die nachstehend erörterten Fragen der ursprünglichen Offenbarung und der Patentfähigkeit zu berücksichtigende Fachmann hat eine nachrichtentechnische Hoch- oder Fachhochschulausbildung absolviert und verfügt über mehrjährige Entwicklererfahrungen auf dem Gebiet der Bildverarbeitungsgeräte.

A) Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist nicht rechtsbeständig. Er geht hinsichtlich des schon im erteilten Wortlaut enthaltenen Teilmerkmals "automatisch" im Merkmal (i) über den Inhalt der Stammanmeldung P 34 08 506.8 in der Fassung hinaus, in der diese ursprünglich beim Patentamt eingereicht worden ist (§ 21 Abs 1 Nr 4 PatG).

1) Das Teilmerkmal des Merkmals (i), wonach eine Umschaltung von der ersten oder zweiten Betriebsart in die dritte Betriebsart automatisch durchführbar ist, ist aus den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen der Stammanmeldung nicht als zur Erfindung gehörend zu entnehmen.

Die Patentinhaberin beruft sich zur ursprünglichen Offenbarung der Merkmale des Anspruchs 1 auf die Beschreibung eines Bildverarbeitungsgeräts gemäß Figur 9 und Seiten 31 bis 37 der ursprünglichen Unterlagen der Stammanmeldung.

In diesem Teil der ursprünglichen Unterlagen werden drei verschiedene Betriebsarten des Geräts erörtert, nämlich Drucken, Übertragen und Empfangen, die der ersten bzw zweiten bzw dritten Betriebsart gemäß Anspruchsmerkmalen (h1) bis (h3) entsprechen. Umschaltungen zwischen den Betriebsarten erfolgen dort über Schalter 150, 153 und 155 und einen Wähler 163, die von Signalen a bzw b bzw c gesteuert werden.

Für die dritte Betriebsart (Empfangen) muß in Figur 9 der Schalter 155 in die gestrichelte Stellung und der Wähler 163 auf Auswahl des unteren Eingangs eingestellt sein. Beide Schalteinrichtungen werden vom Signal c gesteuert. Dazu heißt es auf Seite 33, Zeilen 8 bis 13:

"Mit 155 ist ein Schalter bezeichnet, der die Daten des Speichers 154 zu einer Übertragungseinheit MOD oder einer Druckeinheit schaltet. Er wird in eine Stellung entsprechend einer unterbrochen gezeichneten Linie durch das Signal b geschaltet." Aus dem Zusammenhang ist offensichtlich, daß mit "Signal b" gemeint ist "Signal c".

Auf Seite 34, Zeilen 10 bis 14 heißt es weiter: "Mit 163 ist eine Wählvorrichtung bezeichnet, welche die decodierten Daten oder die Vorlagenabtastdaten auswählt, die zur Druckeinheit zu senden sind. Diese Vorrichtung wählt die empfangenen Daten durch ein Empfangssignal c aus."

Aus diesen Angaben und insbesondere dem Ausdruck "Empfangssignal c" konnte der Fachmann jedoch nicht, wie die Patentinhaberin meint, schließen, daß das Signal c aus den von einer externen Einrichtung empfangenen Daten abgeleitet ist und demzufolge die Umschaltung in die dritte Betriebsart (Empfangen) automatisch erfolgt. Das "Empfangssignal c" mußte der Fachmann vielmehr vorrangig als ein Signal verstehen, das der Benutzer selbst zum Umstellen des Geräts auf Empfang auslöst, wie es analog für das zur Umschaltung in die zweite Betriebsart (Übertragen) dienende Signal a auf Seite 32, Zeilen 6 bis 8 und 24 bis 26 zu entnehmen ist, das den Namen "Übertragungsbefehlssignal a" trägt.

Auf Seite 33, Zeilen 24 bis 28 sind zwar Befehlsdaten erwähnt, die dem Kopfabschnitt der empfangenen Daten hinzugefügt sind. Jedoch ist dort lediglich zu entnehmen, daß die Befehlsdaten den Typ der empfangenen Daten angeben und eine Trennstufe 158 eine dementsprechende Ausgangsleitung auswählt. Von empfangenen Befehlsdaten, die eine automatische Umschaltung in die dritte Betriebsart bewirken, ist dort nicht die Rede.

2) Das Fehlen einer Offenbarung des Teilmerkmals "automatisch" in den ursprünglichen Unterlagen ohne eine hierauf hinweisende Erklärung in den von der Patentinhaberin vorgelegten Unterlagen führt dazu, daß der Widerrufsgrund des § 21 Absatz 1 Nr 4 PatG gegeben ist.

In seiner Entscheidung "Zeittelegramm" (GRUR 2001, 140 = Mitt 2001, 25, II.2.f) führt der BGH zwar aus, bei bloßer Einschränkung des angemeldeten Gegenstandes Ñ dies ist vorliegend beim Merkmal "automatische Umschaltung" gegenüber "Umschaltung" der Fall Ñ sei eine Nichtigerklärung weder aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit noch aufgrund einer gesetzlichen Regelung geboten. Es sei lediglich notwendig, die Erkenntnisse, die erst die nachträgliche Änderung vermittle, nicht zur positiven Beantwortung der Frage der Patentfähigkeit heranzuziehen. Ob wegen dieser Notwendigkeit ein entsprechender erläuternder Hinweis im Patent erforderlich sein könne, könne im vorgelegenen Fall dahinstehen.

Dieser Ñ im Rahmen einer Kostenentscheidung geäußerten Ñ Auffassung vermag sich der Senat für das Einspruchsverfahren nicht anzuschließen.

a) § 21 Abs 1 Nr 4 PatG bestimmt, das Patent werde widerrufen, wenn der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist. Das gleiche gilt, wenn das Patent Ñ wie hier Ñ auf einer Teilanmeldung beruht und der Gegenstand des Patents über den Inhalt der früheren Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie bei der für die Einreichung der früheren Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist. Gegenstand des Patents ist die durch die Patentansprüche definierte Lehre (BGH Mitt 1996, 204, 206 - Unzulässige Erweiterung). Inhalt der ursprünglichen (früheren) Anmeldung ist das, was der Durchschnittsfachmann den ursprünglichen Unterlagen als zur angemeldeten Erfindung gehörend entnehmen kann (BGH "Unzulässige Erweiterung" aaO). Dies ist, wie dargelegt, für das Merkmal im Patentanspruch 1, wonach eine Umschaltung von der ersten oder zweiten in die dritte Betriebsart automatisch durchführbar ist, nicht der Fall.

Es liegt somit ein Widerrufsgrund vor, der allerdings nur einen Teil des Patents betrifft. Hierfür bestimmt § 21 Abs 2 PatG, das Patent werde mit einer entsprechenden Beschränkung aufrechterhalten. Die Beschränkung kann in Form einer Änderung der Patentansprüche, der Beschreibung oder der Zeichnungen vorgenommen werden. Eine beschränkte Aufrechterhaltung ohne Änderung des Patents scheidet mithin aus, so auch § 61 Abs 3 PatG.

b) Der BGH hat wiederholt betont, dass auch im Einspruchsbeschwerdeverfahren eine strenge Bindung an die Anträge des Patentinhabers gilt mit der Folge, dass das Patent schon dann, wenn es nicht so aufrechterhalten werden kann wie der Patentinhaber dies beantragt, in vollem Umfang zu widerrufen ist (beispw. BGH GRUR 1989, 103 - Verschlussvorrichtung für Gießpfannen, GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät). Wertungen und Gewichtungen einzelner Merkmale eines Anspruchsgegenstandes bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit mögen zwar grundsätzlich zulässig sein. Dies kann aber nicht dazu führen, dass ein Ñ wie hier Ñ technisches Merkmal im Einspruchsbeschwerdeverfahren vollkommen unberücksichtigt bleiben darf (dazu auch EPA G 1/93 GRUR Int. 1994, 842 - Beschränkendes Merkmal), wenn der Patentinhaber dies nicht beantragt. Nach § 34 Abs 3 Nr 3 PatG ist in den Patentansprüchen anzugeben, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll. Dazu gehören Ñ ohne gegenteilige Erklärung Ñ alle Merkmale in einem Patentanspruch. Gleiches folgt aus § 14 PatG, wonach der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt wird. Deswegen muß der Gegenstand der Patentansprüche patentfähig sein, § 9 iVm § 1 PatG. Ein Weglassen eines Merkmals des Anspruchsgegenstands bei der Prüfung auf Patentfähigkeit kommt daher ohne Einwilligung des Patentinhabers nicht in Betracht.

c) Eine Nichtberücksichtigung des fraglichen Merkmals bei der Prüfung auf Patentfähigkeit erfordert aber nicht nur das Einverständnis des Patentinhabers, sondern auch eine entsprechende Änderung des Patents, ohne die der Widerrufsgrund Nr 4 nicht beseitigt ist, § 21 Abs 1 und 2 PatG. Es reicht nicht aus, lediglich die Erkenntnisse, die erst durch die engere Anspruchsfassung vermittelt werden, nicht bei der Prüfung auf Patentfähigkeit heranzuziehen. Die notwendige Beschränkung kann in Form einer Erklärung im Patentanspruch oder der Patentbeschreibung zum Ausdruck gebracht werden, daß es sich bei diesem Merkmal um eine unzulässige Änderung im Sinne von § 21 Abs 1 Nr 4 PatG handle. Eine solche Erklärung ("Disclaimer- oder Fußnotenlösung"), die ebenfalls der Antragsbindung unterliegt, hat der Patentinhaber in den Unterlagen nach Hauptantrag nicht eingefügt.

An seiner Auffassung, eine solche Erklärung würde nicht zu einem gewährbaren Anspruch führen, weil das unzulässige Merkmal im Patentanspruch verbleibe, und es sei vielmehr eine Streichung erforderlich sowie auch zulässig (Mitt 1998, 221, 223, 224 - Steuerbare Filterschaltung), hält der Senat nicht länger fest. Sie hat in der Rechtsprechung überwiegend keine Zustimmung gefunden (BGH "Zeittelegramm" aaO; BPatGE 42, 57 - Fernsehgerätebetriebsparameteranzeige; BPatGE 42, 105 - Streuverfahren).

Auch diese einschlägigen Entscheidungen des BPatG haben aber einen erläuternden Hinweis ("Disclaimer") im Patent für erforderlich gehalten, um dadurch eine beschränkte Aufrechterhaltung bzw. teilweise Nichtigerklärung des Inhalts zum Ausdruck zu bringen, daß das unzulässige Merkmal die Patentfähigkeit nicht stützt (so auch BPatG GRUR 1990, 114 - Flanschverbindung; BPatG 19 W (pat) 38/98 vom 27. 9. 2000 unter II.3. und 4.; vergl auch Rogge GRUR Int. 1998, 208; zur teilweisen Nichtigerklärung siehe noch BGH GRUR 1979, 224, 227 - Aufhänger; BPatG 2 Ni 42/99 vom 21. 3. 2001, BPatGE 44, 123, 129 - Eindringalarmsystem).

d) Die Kennzeichnung eines ursprünglich nicht offenbarten Merkmals im Patentanspruch durch einen entsprechenden Hinweis im Patent, selbst wenn es eine bloße Beschränkung beinhaltet, erscheint im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren schließlich auch wegen der Pflicht zur Information der Öffentlichkeit geboten. Wird das Patent beschränkt aufrechterhalten, so ist die Patentschrift entsprechend zu ändern, und die Änderung der Patentschrift ist zu veröffentlichen, § 61 Abs 3 PatG. Wäre es zulässig, ein verengendes, aber im Einspruch zutreffend als unzulässig gerügtes Merkmal ohne Änderung der Patentunterlagen lediglich bei der Prüfung auf Patentfähigkeit außer Betracht zu lassen und dies nicht als Beschränkung im Sinne von § 21 Abs 2 PatG anzusehen, müßte bei gegebener Patentfähigkeit das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten werden, und eine Veröffentlichung bliebe aus. Dadurch könnte der unrichtige Eindruck erweckt werden, der Einspruch sei vollständig erfolglos geblieben, und das unzulässige Merkmal sei auch für die Patentfähigkeit von Bedeutung.

B) Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag ist mangels Patentfähigkeit seines Gegenstands nicht rechtsbeständig (§ 21 Abs 1 Nr 1 PatG).

Für die Prüfung auf Patentfähigkeit bleibt das gemäß den vorstehenden Ausführungen ursprünglich nicht offenbarte und von der Anmelderin in einem Zusatz zum Anspruch 1 entsprechend gekennzeichnete Teilmerkmal "automatisch" unberücksichtigt.

Die Frage, ob der Anspruch 1 auch hinsichtlich weiterer Merkmale über den Inhalt der ursprünglichen Fassung der Stammanmeldung hinausgeht sowie auch die Frage der Neuheit des Anspruchsgegenstandes können dahinstehen. Jedenfalls beruht der Anspruchsgegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Er ergab sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach (1) und (2) in Verbindung mit seinem Fachwissen.

Aus (1) Figur 1 und dem zugehörigen Text ist bereits ein Bildverarbeitungsgerät bekannt, welches einen großen Teil der Merkmale des Anspruchs 1 aufweist. So sind dort eine erste Eingabeeinrichtung 12, 14, 15 zur Eingabe unkomprimierter Bilddaten und eine zweite Eingabeeinrichtung 19 zur Eingabe von Bilddaten, die von einer externen Einrichtung (Kommunikationsnetz 4) zugeführt werden, eine erste Ausgabeeinrichtung 19 zur Ausgabe von Bilddaten an eine externe Einrichtung (Kommunikationsnetz 4) und eine zweite Ausgabeeinrichtung 17 zur Ausgabe von Bilddaten an eine Bilderzeugungseinrichtung 18, 13 vorgesehen (Merkmal (a), jeweils Teil von Merkmalen (b), (f) und (g)). Außerdem ist eine Speichereinrichtung 10 für Bilddaten vorhanden (Teil von Merkmal (e)).

Bei dem bekannten Gerät können ebenfalls die drei Betriebsarten Drucken, Übertragen und Empfangen durchgeführt werden, vgl dort Seite 10, Zeilen 21 bis 31 bzw Seite 11, Zeilen 30 bis 35 bzw Seite 12, Zeilen 1 bis 7, wobei in den beiden letztgenannten Betriebsarten die Bilddaten jeweils über die Speichereinrichtung 10 und damit zwangsläufig auch über eine Steuerung 16 geführt werden.

Die Steuerung 16 dient gemäß Seite 8, Zeilen 6 bis 11 dazu, die Bilddaten an das Format der Rasterzeile 18 oder an Formate, wie sie zur Übertragung über das Kommunikationsnetz 4 benötigt werden, anzupassen. Bei der für das Kommunikationsnetz 4 benötigten Formatanpassung zieht der Fachmann aufgrund seines Fachwissens ohne weiteres das für derartige Anwendungen bekannte Verfahren der Bilddatenkomprimierung durch Lauflängenkodierung in Betracht, während zur Zuführung zu der - einen Teil der Bilderzeugungseinrichtung bildenden - Rasterzeile 18 offensichtlich nur dekomprimierte Bilddaten in Frage kommen. Für das Einschreiben in die Speichereinrichtung 10 war dem Fachmann schon aus Gründen der Speicherplatzersparnis eine vorherige Komprimierung der Bilddaten mittels der gemäß Figur 1 der Speichereinrichtung 10 vorgeschalteten Steuerung 16 nahegelegt.

Die Steuerung 16 hat damit die Funktionen einer Kodiereinrichtung und einer Dekodiereinrichtung im Sinne der Anspruchsmerkmale (c) und (d), und die vorerwähnten drei Betriebsarten des bekannten Geräts entsprechen bei Berücksichtigung der vorstehenden dem Fachmann nahegelegten Überlegungen vollständig der ersten, zweiten und dritten Betriebsart gemäß Anspruchsmerkmalen (h1) bis (h3). Auch die noch verbliebenen Teile der Merkmale (b), (e), (f) und (g) betreffend die Kompression und Dekompressionen der Bilddaten ergeben sich aus der vorstehenden Erörterung von (1), wie ohne weiteres ersichtlich.

Da das bekannte Gerät in den erwähnten drei Betriebsarten arbeiten kann, ist es selbstverständlich, daß eine manuelle Umschaltung von der ersten Betriebsart (Drucken) in die zweite Betriebsart (Übertragen) möglich sein muß, dh der Benutzer bestimmen können muß, ob er das Bild eines aufgelegten Originals ausdrucken oder an eine externe Einrichtung übertragen will (erster Teil von Merkmal (i)) und daß auch - in irgendeiner Weise, dh benutzergesteuert oder automatisch - eine Umschaltung von der ersten oder zweiten Betriebsart (Drucken oder Übertragen) in die dritte Betriebsart (Empfangen) möglich sein muß (2. Teil von Merkmal (i)).

In (1) bleibt es offen, ob neben Bilddaten auch Zeichendaten empfangen werden können. Der Fachmann konnte aber aus der ein vergleichbares Bildverarbeitungsgerät betreffenden Druckschrift (2) die Anregung entnehmen, neben Zeichendaten auch Bilddaten in die Übertragung einzubeziehen, "wobei Bilder vermischt mit Text durch die Kopiermaschine verarbeitet werden können" (S 63 1. Abs letzter Satz).

Diese Anregung konnte den Fachmann dahin führen, auch bei dem Gerät nach (1) einen Empfang von in dieser Weise gemischten Daten als wünschenswert in Betracht zu ziehen. Damit gelangte er aber im wesentlichen bereits zu den beiden letzten Anspruchsmerkmalen.

Die zweite Eingabeeinrichtung muß dann nämlich sowohl Bilddaten, die gemäß Obigem lauflängenkodiert sind, als auch zeichenkodierte, dh nicht lauflängenkodierte Zeichendaten desselben Bildes empfangen können (vorletztes Anspruchsmerkmal). Ferner müssen die empfangenen Bild- und Zeichendaten zwangsläufig einer unterschiedlichen Verarbeitung unterzogen werden, um dann in einem dekomprimierten Format der Bilderzeugungseinrichtung zugeführt zu werden, und zwar am zweckmäßigsten gemeinsam, dh die Bild- und Zeichendaten desselben Bildes müssen vor der Ausgabe mittels der zweiten Ausgabeeinrichtung an die Bilderzeugungseinrichtung zusammengeführt werden (letztes Anspruchsmerkmal).

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist veranlaßt durch die Frage, ob bei fehlender ursprünglicher Offenbarung eines verengenden Anspruchsmerkmals ein entsprechender Hinweis in den Patentunterlagen erforderlich ist (§ 100 Abs 2 Nr 1 PatG).

Dr. Anders Obermayer Kalkoff Dr. van Raden Pr






BPatG:
Beschluss v. 26.03.2002
Az: 20 W (pat) 15/00


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