Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Juli 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 235/02

(BPatG: Beschluss v. 30.07.2003, Az.: 28 W (pat) 235/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß des DPMA - Markenstelle für Klasse 10 vom 20. August 2002 aufgehoben.

Wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 090 846 wird die Löschung der angegriffenen Marke 399 47 090 angeordnet.

Gründe

I.

Gegen die für "Medizinische Instrumente, Apparate und Geräte, insbesondere Katheter und Sonden" am 23. November 1999 eingetragene Wortmarke Humahat die Inhaberin der prioritätsälteren Wortmarke Nr. 2 090 896 HUMAJECT die seit dem 2. Februar 1995 für "Ärztliche Apparate und Instrumente, insbesondere zur Verabreichung von Insulin" eingetragen ist und unstreitig für "Fertigspritzen" benutzt wird, Widerspruch erhoben. Eine weitergehende Benutzung ist bestritten und wird auch nicht geltend gemacht.

Die Markenstelle für Klasse 10 des Deutschen Patentamts hat den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, die Marken hielten auch bei sich gegenüberstehenden identischen Waren zumindest im Gesamteindruck einen ausreichenden Abstand zueinander ein. Da auf dem Warengebiet der Klasse 10 zahlreiche ähnlich gebildete Marken mit dem Wortanfang "Huma" für andere Mitbewerber im Register eingetragen seien, komme eine Verkürzung der Widerspruchsmarke auf "Huma" genauso wenig in Betracht wie die Eignung dieses Wortbestandteils als Stamm einer Serienmarke, so dass auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr ausscheide.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie auf den Umstand verweist, daß die Widerspruchsmarke nicht nur identisch in der angegriffenen Marke enthalten sei, sondern seit langem Teil einer Reihe von Serienmarken sei, die sämtlich intensiv benutzt würden. Vor dem Hintergrund identischer Waren müssten daher an den Markenabstand strenge Anforderungen gestellt werden, die vorliegend nicht eingehalten seien. Letztlich werde der Verkehr, falls er nicht ohnehin schon den Bestandteil "ject" als beschreibenden Hinweis auf "Inject" erkennt und als nicht kennzeichnend einstuft, zumindest denken, er habe es bei der angegriffenen Marke mit einer Abwandlung der Widerspruchsmarke zu tun.

Die Widersprechende beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die angegriffene Marke zu löschen Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie geht weiterhin davon aus, daß die Marken im Gesamteindruck ausreichend unterschiedlich seien und die Gefahr einer assoziativen Verwechslung daran scheitere, dass sich die Folge "huma" als beschreibender Hinweis auf "human" nicht als Stammbestandteil für Serienmarke eigne und im übrigen schon angesichts der Drittzeichenlage kein Hinweis auf die Widersprechende sein könne Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die patentamtlichen Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Nach Auffassung des Senats kommt die angegriffene Marke der Widerspruchsmarke verwechselbar nahe im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach dieser Vorschrift ab von der Identität oder Ähnlichkeit der Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der durch diese Marken erfaßten Waren. Daneben sind alle Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, vor allem die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Nach diesen Grundsätzen muß vorliegend eine Verwechslungsgefahr bejaht werden.

Was die Warenlage anbetrifft, ist von der Markeninhaberin zunächst die Benutzung in zulässiger Weise bestritten worden. Nach Einreichung von Unterlagen zur Glaubhaftmachung ist zwischen den Beteiligten unstreitig, daß die Widerspruchsmarke für Fertigspritzen (Fertigpens zur Insulinabgabe) rechtserhaltend benutzt wird und diese Waren unter den Oberbegriff "medizinische Instrumente und Apparate" im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke fallen, so dass sich letztlich identische Waren gegenüberstehen können. Kollisionsfördernd ist ferner der Umstand, daß es sich die Waren nicht nur an ausgesprochenen Fachverkehr, sondern auch an Endverbraucher richten können, die sich im Rahmen einer Zuckererkrankung selbst mit Insulin versorgen, allerdings erfahrungsgemäß im Umgang mit ihren Medikamenten und medizinischen Gerätschaften eher Sorgfalt walten lassen und diese nicht wie etwa Massenartikel des täglichen Bedarfs mit einer gewissen Flüchtigkeit und Unaufmerksamkeit gegenüber den Kennzeichnungen erwerben. Vor diesem Hintergrund wird man an den zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr noch einzuhaltenden Abstand der Marken mithin zumindest durchschnittliche Anforderungen stellen müssen, die vorliegend allenfalls im direkten Markenvergleich eingehalten werden, nicht aber unter dem Blickwinkel eines gedanklichen Inverbindungbringens der Marken.

Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit steht zwischen den Beteiligten im Grunde außer Streit, daß die Marken in ihrer Gesamtheit deutliche Unterschiede aufweisen, weil sie unterschiedliche Wortlänge, Buchstaben- und Silbenzahl, Vokal- und Konsonantenfolge zeigen, was auch bei einem flüchtigen Verhalten weder überhört noch übersehen werden kann. Eine die Verwechslungsgefahr begründende Markenähnlichkeit wäre allenfalls über die identische Silbenfolge "Huma" in Betracht zu ziehen, was sich aber schon deshalb verbietet, weil der Verkehr Zeichen regelmäßig so auffaßt, wie sie ihm entgegentreten, d.h. als als einheitliches und eigenständiges Gebilde. Hinzukommt, dass bei einem zusammengeschriebenen Markenwort wie "Humaject", das nicht (ausnahmsweise) aufgrund besonderer Umstände als mehrgliedrig empfunden wird, auch nicht ohne weiteres auf "Bestandteile" abgestellt werden darf, die den "Gesamteindruck" des einheitlichen Wortes prägen und insoweit für sich gesehen eine unmittelbare Verwechslungsgefahr mit anderen Marken begründen könnten. Gegen die Übernahme dieser ausschließlich zu mehrteiligen Kombinationsmarken entwickelten Grundsätze auf einteilige Marken bestehen um so größere Bedenken, als dadurch eine sichere Abgrenzung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Verwechslungsgefahr unmöglich würde und die bewußt hoch angesetzten Anforderungen an die Bejahung einer mittelbaren Verwechslungsgefahr umgangen werden könnten (vgl. auch BGH GRUR 1999, 735, 736 "MONOFLAM/POLYFLAM"). Eine Verkürzung der Widerspruchsmarke im Sinne einer "Abspaltung" wäre allenfalls denkbar, wenn es sich bei "ject" um ein geläufiges beschreibendes Kürzel handeln würde, wie man es auf dem Arzneimittelsektor mit Wörtern wie "soft, forte, plus" usw. häufig antrifft. Für eine solche Annahme fehlt es jedoch an jeglichen tatsächlichen Feststellungen. Gleichermaßen wäre es rechtsfehlerhaft, ohne weiteres eine Zeichenkollision lediglich deshalb feststellen zu wollen, weil sich ein Teil des älteren Zeichen wie hier identisch in dem jüngeren Zeichen wiederfindet. Mangels ausreichender Markenähnlichkeit nach dem Gesamteindruck scheidet damit sowohl eine unmittelbare klangliche wie schriftbildliche Verwechslungsgefahr aus, die von der Widersprechenden ohnehin nicht ernsthaft behauptet worden ist.

Nach Auffassung des Senats besteht indes die Gefahr, daß die Marken im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, auch wenn unter diese Formulierung des Gesetzes nicht jede wie auch immer geartete gedankliche Assoziation fällt (vgl EuGH GRUR 1998, 387 Springende Raubkatze), sondern primär die zum früheren Warenzeichenrecht entwickelten Grundsätze zur mittelbaren Verwechslungsgefahr und zur Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne Eingang in das neue Markenrecht finden sollen. Da es sich bei der mittelbaren Verwechslungsgefahr um einen Ausnahmetatbestand handelt, ist bei seiner Anwendung Zurückhaltung geboten, und auch das neue Recht gibt keinen Anlaß, etwa für die Feststellung einer mittelbaren Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens neue Maßstäbe anzulegen. Trotz dieser Vorbehalte muß vorliegend die Gefahr des gedanklichen Inverbindungbringens der Marken bejaht werden, weil der Verkehr die Verwendung der Widerspruchsmarke in dem jüngeren Zeichen als Herkunftshinweis auf die Widersprechende werten wird. Zwar kann das bloße Vorhandensein eines übereinstimmenden Wortbestandteils allein noch nicht die Annahme einer gedanklichen Verwechslungsgefahr rechtfertigen. Dem Bestandteil muß auch im Rahmen des Gesamtzeichens ein derartiger Hinweischarakter auf den Geschäftsbetrieb der Widersprechenden zukommen. Dies muß dem Verkehr Anlaß geben, trotz des unterschiedlichen Gesamteindrucks der Zeichen aus der bloßen Übereinstimmung einzelner Zeichenteile irrigen Schlußfolgerungen auf die Herkunft entsprechend gekennzeichneter Waren zu unterliegen. Dazu ist nicht zwingend erforderlich, daß die Widersprechende bereits über eine Reihe von Zeichen mit dem relevanten Bestandteil in Form einer Serienbildung verfügt. Besteht aber wie vorliegend eine solche Serie mit den Eingangssilben "huma" (zB Humalog, Humapen, Humatrope) und ist deren Benutzung dargetan, wie die Rote Liste und der Internet-Auftritt der Widersprechenden mit der Darstellung ihrer Produktpalette belegen, ist hinreichend zu erkennen gegeben, daß das Stammzeichen für sie umfassenden Hinweischarakter haben soll. Bedenkt man schließlich, daß bei der assoziativen Verwechslungsgefahr der Verkehr nicht bloß aus der Erinnerung heraus einen Zeichenvergleich vornimmt, sondern ihm beide Zeichen vollständig gegenwärtig sind, wird sich ihm bei der angegriffenen Marke der Zusammenhang mit der Widerspruchsmarke zwangsläufig aufdrängen.

Eine andere rechtliche Beurteilung wäre allenfalls denkbar, wenn die Eingangssilben "huma" als Stammbestandteil einer Serienmarke deshalb ungeeignet wären, weil es sich hierbei entweder um einen deutlichen beschreibenden Hinweis auf den Begriff "human" handelt, dem der Verkehr keinerlei Hinweisfunktion entnimmt, oder dieses Kürzel durch Verwendung in Drittmarken anderer Anbieter seine Eignung als Hinweis auf die Widersprechende verloren hätte. Diese beiden Gesichtspunkte sind von der Markeninhaberin zwar behauptet, jedoch nicht ausreichend belegt worden. Weder konnten tatsächliche Feststellungen getroffen werden, dass es sich bei "huma" um eine (ggfls. sogar gebräuchliche) Abkürzung für "human" handelt, noch hat die Markeninhaberin vergleichbar gebildete benutzte Drittmarken benannt, da der bloße Rollenstand - worauf auch die Markenstelle zu Unrecht abstellt - letztlich nicht relevant ist (vgl BGH GRUR 2002,626 IMS) .

Bei Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte ist der Senat daher der Auffassung, daß bei einem Zusammentreffen beider Marken zwar die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen, nicht jedoch die einer gedanklichen Verbindung auszuschließen ist, so daß die Beschwerde Erfolg haben mußte, ohne daß der Senat für die Auferlegung von Kosten Veranlassung hatte (MarkenG § 71 Abs 1).

Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Hu






BPatG:
Beschluss v. 30.07.2003
Az: 28 W (pat) 235/02


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