Landgericht Hamburg:
Urteil vom 28. Juni 2006
Aktenzeichen: 315 O 372/06

(LG Hamburg: Urteil v. 28.06.2006, Az.: 315 O 372/06)

Tenor

I. Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 15. Mai 2006 wird bestätigt.

II. Die Antragsgegner tragen auch die weiteren Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist die Zulässigkeit der Benutzung der Bezeichnung "WM 2006 Deutschland" auf Schlüsselbändern (sog. Lanyards) wie gemäß Anlage EVK 14 geschehen.

Die Antragstellerin ist Inhaberin u. a. der am 4. Juni 2001 angemeldeten Gemeinschaftswortmarke "WM 2006" (Registernummer ...), die u. a. für dekorative Schlüsselketten in Bezug auf oder im Zusammenhang mit Fußballmeisterschaften eingetragen ist und hinsichtlich derer das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt mit Beschluss vom 28. Oktober 2005 einen Löschungsantrag zurückwies (vgl. Anlagen EVK 9 und EVK 10 ).

Die Antragsgegnerin zu 1 bot unter der Domain "sp....net" am 10. Mai 2006 im Rahmen eines Onlineshops, der als Plattform betrieben wird (vgl. insoweit die Anlagen EVK 15 und EVK 16), Schlüsselbänder (sog. Lanyards) mit der Aufschrift "WM 2006 DEUTSCHLAND " an (vgl. Anlage EVK 14).

Die Antragsgegner zu 2 bis 4 sind die jeweils alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1 (vgl. Anlage EVK 17 ).

Unter dem 12. Mai 2006 gab die Antragsgegnerin zu 1 gegenüber der Antragstellerin die aus Anlage AG 1 ersichtliche strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ab.

Mit Beschluss vom 15. Mai 2006 hat die Kammer den Antragsgegnern im Wege einer einstweiligen Verfügung bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel auf Antrag der Antragstellerin verboten,

die Bezeichnung

"WM 2006 Deutschland"

für Schlüsselbänder (sog. Lanyards) zu benutzen, insbesondere das Zeichen auf diesen Waren oder deren Aufmachung oder Verpackung anzubringen, unter dem Zeichen die genannten Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen, unter dem Zeichen die genannten Waren einzuführen oder auszuführen und/oder das Zeichen in Geschäftspapieren oder in der Werbung zu benutzen, insbesondere in nachstehend eingeblendeter Weise:

[ s. Anlage ].

Hiergegen richten sich die Antragsgegner mit ihrem Widerspruch.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, die hier in Rede stehende Verwendung der Bezeichnung "WM 2006" durch die Antragsgegner sei unter den Gesichtspunkten des Behinderungswettbewerbs und der Rufausbeutung unlauter. Zudem beruft sich die Antragstellerin auf ihre Kennzeichenrechte an der Bezeichnung "WM 2006".

Die Antragstellerin beantragt:

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 15.05.2006 (Az. 315 O 372/06) wird bestätigt.

Die Antragsgegner beantragen,

die einstweilige Verfügung vom 15.05.2006 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragsgegner sind der Auffassung, die Wiederholungsgefahr sei in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 1 aufgrund der von dieser unter dem 12. Mai 2006 gegenüber der Antragstellerin abgegebenen strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung entfallen. Die Antragsgegner zu 2 bis 4 seien für die Zuwiderhandlungen unter der Plattform "sp....net" der Antragsgegnerin zu 1 nicht verantwortlich, wozu auch auf die Anlagen AG 2 bis AG 5 verwiesen werde.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Widerspruchsverhandlung) vom 28. Juni 2006 verwiesen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 15. Mai 2006 ist auch in Ansehung der Widerspruchsbegründung zu bestätigen (§§ 925 Abs. 1 und 2, 936 ZPO).

Der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt jedenfalls aus § 15 Abs. 2, 4 und 6 MarkenG.

I.

Die Antragstellerin ist Inhaberin der besonderen Geschäftsbezeichnung "WM 2006" für die im Jahre 2006 in Deutschland veranstaltete Fußballweltmeisterschaft (§ 5 Abs. 2 MarkenG).

Insoweit wird auf den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 7. Februar 2005 (Az. 3 W 14/05; GRUR-RR 2005, S. 223 f.) und dessen Gründe verwiesen, in denen es u. a wie folgt heißt (S. 223-224):

"Die Fußballweltmeisterschaft 2006 wird von der Ast. mit einer eigens dafür geschaffenen Organisationskommission unter Assistenz des nationalen Verbandes und dessen eigens gebildeter Organisationskommission durchgeführt. Aus Sicht des Publikums ist die Veranstaltung also ein organisatorisch abgegrenzter Teil des Unternehmens der Ast., die daneben auch noch diverse andere Veranstaltungen durchführt, als da etwa sind: die Ausscheidungsrunden für die WM 2006, der Konföderationen Pokal, die Junioren-, U 17-, Frauenfußball und Hallenfußballweltmeisterschaften.

Die Begriffskombination 'WM 2006' bezeichnet in Deutschland allein die Fußballweltmeisterschaft 2006. Möglicherweise mag das Begriffspaar von Haus aus für dieses Ereignis nicht unter-scheidungskräftig gewesen sein, da in diesem Jahr in Deutschland auch andere Sportarten ihre Weltmeisterschaften hätten austragen können und dies möglicherweise sogar tun. Die Ast. hat mit der im Herbst 2003 durchgeführten Meinungsbefragung aber dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie mit dieser Bezeichnung kraft Verkehrsdurchsetzung Kennzeichenschutz erlangt habe. Jedenfalls ist dies überwiegend wahrscheinlich. So hat die Umfrage einen Bekanntheitsgrad von 69% aller Befragten und 99% der Fußballinteressierten, einen Kennzeichnungsgrad von 67% aller Befragten und 96% der Fußballinteressierten und einen Zuordnungsgrad von 58% aller Befragten und 92% der Fußballinteressierten ergeben. Damit hält es der Senat für überwiegend wahrscheinlich, dass die streitgegenständliche Kombination aus der Abkürzung des Wortes 'Weltmeisterschaft' mit der Jahreszahl eine Veranstaltung dergestalt individualisiert, dass die für das Publikum von anderen Ereignissen gleicher Art unterscheidbar wird. Dies reicht für die Entstehung einer besonderen Geschäftsbezeichnung nach § 5II MarkenG aus."

Diese zutreffenden Ausführungen macht sich die erkennende Kammer vollen Umfanges zu Eigen.

II.

Durch die Verwendung der Bezeichnung "WM 2006" auf von ihr vertriebenen Schlüsselbändern (sog. Lanyards) hat die Antragsgegnerin zu 1 das geschützte Zeichen der Antragstellerin kennzeichenmäßig und im geschäftlichen Verkehr identisch benutzt. Der - auf den Schlüsselbändern von der Angabe "WM 2006" etwas beabstandete - Zusatz "Deutschland" führt aus dem Tatbestand des § 15 Abs. 2 und 4 MarkenG nicht hinaus.

Es besteht auch eine hochgradige Branchennähe. Die Leute werden Schlüsselbänder, wenn sie mit "WM 2006" bezeichnet sind, entweder unmittelbar dem so bezeichneten Geschäftsbetrieb der Antragstellerin zuordnen oder - aufgrund des dem Publikum geläufigen Phänomens des Sponsoring bei Großveranstaltungen wie der Fußballweltmeisterschaft - annehmen, dass der Gebrauch des Zeichens von dem Veranstalter der "WM 2006" im Wege der Lizenzierung erlaubt worden sein wird (vgl. hierzu HansOLG a. a. O., S. 224).

Um einen bloß beschreibenden Gebrauch der Bezeichnung "WM 2006" geht es hier nicht. Insoweit wird auf das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 26. Mai 2005 (Az. 5 U 147/04; NJOZ 2005, S. 3678 ff. - "Junge Pioniere") verwiesen, in dessen Gründen es - in Bezug auf den Aufdruck "Seid bereit JP" auf der Frontseite von T-Shirts - u. a. wie folgt heißt (a. a. O., S. 3682-3683):

"Dominierender Bestandteil des Zeichens sind die großen Buchstaben 'JP'. Im Warenbereich der Oberbekleidung ist der Verkehr nicht nur damit vertraut, dass vollständige Namen von Modeschöpfern im Brust- oder Rückenbereich von T-Shirts und Pullovern angebracht werden - s. die in der Entscheidung 'Zicke II' aufgeführten Beispiele - sondern auch damit, dass die Namen von Modeschöpfern oder Marken mit den Initialen abgekürzt werden (z.B. JP für Jean Pascale; JJ für Jette Joop; CK für Calvin Klein; TT für Tom Tailor; H. I. S. für Henry I. Siegel usw.).

Das Motiv der Flamme erscheint gegenüber den großen Initialen JP eher als dekoratives Beiwerk.

Zweifel mögen nun allerdings die Worte 'Seid Bereit' zwischen den Buchstaben 'JP' und dem Flammenmotiv wecken, die auf Grund ihres Appellcharakters eine politische Lösung sein könnten (und es tatsächlich ja auch waren). Andererseits sind einfache Aufforderungen und kurze und griffige Formeln dem Verkehr auch als Werbeslogans vertraut (s. die verschiedenen Beispiele aus der Eintragungspraxis des DPMA bei Ingerl/Rohnke, § 8 MarkenG Rdnrn. 144-148). Als Werbeslogan etwa eines Sportartikelherstellers wäre 'Seid Bereit' durchaus denkbar.

In diesem Zusammenhang ist an den markenrechtlichen Grundsatz zu erinnern, dass der Verkehr ein Zeichen keiner analysierenden Betrachtung unterzieht, sondern es so wahrnimmt, wie es ihm entgegentritt. Der Gesamteindruck wird - wie ausgeführt - von den Buchstaben 'JP' maßgeblich geprägt und an diesen wird sich überwiegend wahrscheinlich jedenfalls ein maßgeblicher Teil des Verkehrs orientieren. Die Worte 'Seid bereit' mögen dann zwar dem einen oder anderen an eine Bedeutung des Zeichens außerhalb eines Herkunftshinweises denken lassen, wie auch das LG meint. Insgesamt reicht dies jedoch nicht aus, um ein herkunftsmäßiges Verständnis des Zeichens für einen noch beachtlichen Teil des angesprochenen Verkehrs auszuschließen. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass dem Verkehr auch keine sonstige Herkunftshinweise auf dem T-Shirt angeboten werden, neben denen das Zeichen dann nur noch als reine Dekoration erscheinen könnte. Wie schon in der Entscheidung 'Zicke II' ausgeführt, genügt es nach der Rspr. für die Bejahung eines markenmäßigen Gebrauchs, wenn die objektive, nicht völlig fern liegende Möglichkeit besteht, dass jedenfalls ein rechtlich beachtlicher Teil des Verkehrs ein Zeichen als Herkunftshinweis ansieht. Dies kann hier im Ergebnis nicht verneint werden."

Diese zutreffenden Ausführungen macht sich die erkennende Kammer auch für den hier zu entscheidenden Fall des Aufdrucks "WM 2006" auf Schlüsselbändern zu Eigen.

III.

Die Antragsgegner zu 2 bis 4 haften als jeweils alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1 neben letzterer. Für das rechtsverletzende Verhalten der Antragsgegnerin zu 1 haben die Antragsgegner zu 2 bis 4 als deren Geschäftsführer zum Verletzungszeitpunkt nach allgemeinen Grundsätzen einzustehen. Sie sind neben der von ihnen vertretenden GmbH ebenfalls "Störer". "Störer" ist jeder, von dem ernstlich zu befürchten ist, dass er an der Verletzungshandlung eines eigenverantwortlichen Dritten willentlich und adäquat kausal mitgewirkt hat, vorausgesetzt, der als Mitstörer in Anspruch Genommene hat die rechtliche Möglichkeit besessen, die Handlung zu verhindern. Dabei geht die Rechtsprechung davon aus, dass der Geschäftsführer einer GmbH nicht nur rechtlich verpflichtet, sondern auch in der Lage ist, für die Einhaltung von Rechtsvorschriften durch das von ihm vertretene Unternehmen zu sorgen (vgl. BGH GRUR 1964, S. 88 ff. (S. 89 f.); HansOLG , Urteil vom 17. April 2002 (Az. 5 U 24/01), zitiert nach juris Rn. 57 ff.). Dass die Antragsgegner zu 2 bis 4 keine Kenntnis von den auf die Webseite der von ihnen vertretenen GmbH eingestellten Inhalten gehabt hätten, haben die Antragsgegner nicht substantiiert vorgetragen. Die rechtliche Möglichkeit, das Einstellen solcher Informationen auf die Webseite "sp....net" zu verhindern, hatten die Antragsgegner zu 2 bis 4, wie sich dies auch aus den Anlagen AG 2 bis AG 5 ergibt, die indes allenfalls im Rahmen eines Ordnungsmittelverfahrens von Relevanz sein können.

IV.

Es besteht Wiederholungsgefahr in Bezug auf sämtliche Antragsgegner.

Aufgrund der einschränkenden Formulierungen sowohl in Ziff. 1 als auch in Ziff. 2 der nur von der Antragsgegnerin zu 1 gegenüber der Antragstellerin abgegebenen strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung hat letztere die Wiederholungsgefahr in Bezug auf die hier in Rede stehende Unterlassungsverpflichtung der Antragsgegnerin zu 1 nicht zu beseitigen vermocht.

Die Antragsgegnerin zu 1 ist als Betreiberin des Onlineshops "sp....net" und alleinige Vertragspartnerin von Käufern, die in auf der Plattform "sp....net" eingestellten Einzelshops kaufen (vgl. Anlagen EVK 15 und EVK 16 (dort § 1)), verantwortlich für etwaige Schutzrechtsverstöße unter der Domain "sp....net". Gegenüber Schutzrechtsinhabern entfaltet insbesondere auch § 2 Abs. 3 Satz 1 der Allgemeinen Geschäfts- und Lieferbedingungen der Antragsgegnerin zu 1 keine Wirkung, wobei im Übrigen auch zu berücksichtigen ist, dass der Verantwortlichkeitsausschluss gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 der Allgemeinen Geschäfts- und Lieferbedingungen der Antragsgegnerin zu 1 für den Fall des Eingangs einer Bestellung und die damit zusammenhängende Warenproduktion auch gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 der All-gemeinen Geschäfts- und Lieferbedingungen der Antragsgegnerin zu 1 nicht mehr greift.

Eine Haftung der Antragsgegnerin zu 1 scheitert auch nicht an den §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 11 Satz 1 TDG, handelt es sich bei den von Shopbetreibern unter "sp....net" eingestellten Informationen doch - wegen § 1 der Allgemeinen Geschäfts- und Lieferbedingungen der Antragsgegnerin zu 1 - nicht um für die Antragsgegnerin zu 1 "fremde" Informationen, so dass § 8 Abs. 1 TDG greift (vgl. hierzu auch OLG Köln CR 2002, S. 678 ff. (S. 678-679)).

Mag die Antragsgegnerin zu 1 gemäß § 10 ihrer Allgemeinen Geschäfts- und Lieferbedingungen bei ihren Kunden Rückgriff nehmen.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.






LG Hamburg:
Urteil v. 28.06.2006
Az: 315 O 372/06


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