Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. März 2001
Aktenzeichen: 10 W (pat) 35/00

(BPatG: Beschluss v. 26.03.2001, Az.: 10 W (pat) 35/00)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse F 16 M des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. April 2000 aufgehoben.

2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Verfahrens an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I Beim Deutschen Patentamt ist am 16. November 1995 ein Patent mit der Bezeichnung "Gestell für Vorrichtungen" angemeldet worden. Am 18. Februar 2000 hat die Anmelderin auf einen Prüfungsbescheid des Patentamts neu gefaßte Erteilungsunterlagen mit 18 Ansprüchen eingereicht, von denen Ansprüche 1 bis 17 ein Gestell für einen höherverstellbaren Bügeltisch und Anspruch 18 einen Bügeltisch mit einem Gestell nach einem der Ansprüche 1 bis 17 betrafen.

Durch Beschluß vom 12. April 2000 hat das Patentamt - Prüfungsstelle für Klasse F 16 M - ein Patent mit Ansprüchen erteilt, das gegenüber den am 18. Februar 2000 eingereichten Erteilungsunterlagen Änderungen aufweist. Einen Teil der Änderungen hat der Prüfer in einer in den Akten befindlichen Gesprächsnotiz vom 28. Februar 2000 als Ergebnis einer telefonischen Vereinbarung mit dem anwaltlichen Vertreter der Anmelderin wie folgt vermerkt:

"Anpassung der Überschrift an den geltenden Anspruch 1 Streichung des Anspruchs 18 (weil bereits im Anspruch 13 enthalten)

Änderung der Rückbeziehung des Anspruchs 14".

Gegen den am 17. April 2000 zugestellten Erteilungsbeschluß wendet sich die Patentinhaberin mit der am 11. Mai 2000 erhobenen Beschwerde. Zur Begründung macht sie geltend, daß sie durch den Beschluß beschwert sei, weil in den Anmeldeunterlagen Änderungen und Streichungen vorgenommen worden seien. Gleichzeitig hat sie die Teilung der Anmeldung auf der Basis der Ansprüche 16 und 17 erklärt, für die Stammanmeldung und die Teilanmeldung jeweils die Beschreibung und die Zeichnungen eingereicht und am 17. Mai 2000 die Gebühren für die Teilanmeldung gezahlt.

Die Anmelderin beantragt, 1. den angefochtenen Beschluß aufzuheben;

2. die Stammanmeldung mit den Unterlagen gemäß Anlage zu erteilen.

II Die nach § 73 Abs. 3 PatG gebührenfreie Beschwerde ist gemäß § 73 Abs. 1 PatG form- und fristgerecht eingelegt (§ 73 Abs. 2 PatG). Sie ist auch zulässig im übrigen. Die Anmelderin hat mit der Darlegung, daß der angefochtene Beschluß abweichend von ihrem Erteilungsantrag ergangen sei, auch eine Beschwer geltend gemacht. Dies reicht für die Bejahung der Zulässigkeit der Beschwerde aus. Ob die behauptete Beschwer tatsächlich vorliegt, ist im Rahmen der Begründetheit der Beschwerde zu prüfen (vgl BPatGE 26, 120 mwNachw).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Ein Patent darf grundsätzlich nur so erteilt werden, wie es vom Anmelder beantragt ist (stRspr., vgl. BGH GRUR 1966, 85 "Aussetzung der Bekanntmachung"; 1979, 220, 221 "ß-Wollastonit"; BPatGE 16, 13). Jede Änderung der Erteilungsunterlagen, die nicht nur in geringfügigen redaktionellen Verbesserungen, wie der Berichtigung von Schreibfehlern oder offensichtlichen grammatikalischen oder sprachlichen Unrichtigkeiten besteht, setzt das Einverständnis des Anmelders voraus. Die Änderungen, die die Prüfungsstelle vorliegend in den von der Anmelderin am 18. Februar 2000 eingereichten Unterlagen vorgenommen hat, mögen zwar zum Teil lediglich redaktioneller Natur sein, wie die - nicht notwendig erscheinende - Ergänzung der Beschreibung durch die in Klammern gesetzte Nummer der jeweils zugehörigen Patentansprüche. Dagegen können Änderungen, welche die Bezugsziffern von Anspruchsmerkmalen betreffen, für die Auslegung des betreffenden Merkmals von Bedeutung sein und daher den Rahmen einer nur redaktionellen Überarbeitung der Erteilungsunterlagen überschreiten. Inwieweit dies bei den von der Prüfungsstelle vorliegend vorgenommenen Einfügungen und Umstellungen von Bezugsziffern der Fall ist, bedarf jedoch keiner abschließenden Beurteilung. Jedenfalls handelt es sich bei der Weglassung des Anspruchs 18 und des zugehörigen Teils der Beschreibung sowie der Änderung der Rückbeziehung in Anspruch 14 (statt "Gestell nach einem der Ansprüche 1 bis 13" nunmehr "Gestell nach Anspruch 13") um materiellrechtliche Änderungen, die grundsätzlich des Einverständnisses des Anmelders bedürfen.

Das Einverständnis des Anmelders mit rechtlich relevanten Änderungen der Erteilungsunterlagen muß in schriftlicher Form vorliegen. Lediglich mündlich erfolgte Vereinbarungen mit der Prüfungsstelle hinsichtlich der Fassung der Erteilungsunterlagen sind unwirksam und haben keine den Anmelder bindende Wirkung, denn das Patenterteilungsverfahren wird im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit von dem Grundsatz der Schriftlichkeit beherrscht. Der Patenterteilung dürfen daher nur Unterlagen zugrundegelegt werden, die schriftlich eingereicht oder deren mündlich erklärte Änderungen schriftlich bestätigt worden sind (vgl Busse, PatG, 5. Aufl., vor § 34 Rdn 59, 60; BPatGE 25, 141, 143; 34, 151). Eine entsprechende Anweisung enthalten auch die Prüfungsrichtlinien in Abschnitt III Nr 9 (vgl BlPMZ 1981, 263, 274). Die Prüfungsstelle durfte den Erteilungsbeschluß vorliegend daher nicht auf die in der Aktennotiz vom 28. Februar 2000 vermerkte mündliche Vereinbarung mit dem anwaltlichen Vertreter der Anmelderin stützen, selbst wenn sie zustandegekommen sein sollte, was sich der Nachprüfung entzieht, weil die Aktennotiz den Inhalt des Ferngesprächs nur aus der subjektiven Wahrnehmung des Prüfers wiedergibt.

Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben. Die Prüfungsstelle wird nunmehr die Erteilung des Patents, für die der Juristische Beschwerdesenat nicht zuständig ist (§ 49 Abs. 1 PatG), nach Maßgabe der von der Anmelderin gestellten Anträge und genehmigten Unterlagen erneut zu beschließen haben. Dabei wird die von der Anmelderin zugleich mit der Einlegung der Beschwerde unter Abtrennung der Ansprüche 16 und 17 erklärte Teilung der Anmeldung zu berücksichtigen sein, die nach der "Graustufenbild"-Entscheidung (BGH GRUR 2000, 688) während des gesamten Erteilungsverfahrens bis zum Eintritt der Rechtskraft des Erteilungsbeschlusses zulässig ist. Ergibt die Prüfung, daß die Teilungserklärung den formellen Erfordernissen nach § 39 Abs. 3 PatG entspricht - wogegen wegen der fehlenden Einreichung der Zusammenfassung gemäß § 36 PatG Bedenken bestehen - und auch materiellrechtlich wirksam ist, wird das Patentamt der von der Anmelderin beantragten Erteilung eines Patents auf der Grundlage der für die Stammanmeldung eingereichten Unterlagen stattzugeben haben.

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Az: 10 W (pat) 35/00


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