Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Juni 2003
Aktenzeichen: 20 W (pat) 18/02

(BPatG: Beschluss v. 04.06.2003, Az.: 20 W (pat) 18/02)

Tenor

Der Beschluss des Patentamts vom 12. Dezember 2001 wird aufgehoben.

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 1 bis 11, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 3 Seiten Zeichnungen (Figuren 1 bis 3) wie Patentschrift.

Gründe

I.

Das Patentamt hat das Patent widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt in der mündlichen Verhandlung, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den im Tenor genannten Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.

Sie erklärt außerdem: "Ich teile das Patent."

Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der in der mündlichen Verhandlung überreichte Patentanspruch 1 lautet:

"Schlackenprobennehmer mit einer Probenkammer (2), einem Kokilleneinlauf (3), der unterhalb der Probenkammer (2) angeordnet ist und einen geringeren Durchmesser als die Probenkammer aufweist, und einem unterhalb des Kokilleneinlaufs angeordneten Einlauftrichter (4), wobei das Volumen des Einlauftrichters (4) größer ist als das Volumen der Probenkammer (2) und wobei sich beim Eintauchen des Schlackenprobennehmers der Einlauftrichter (4) mit Schlacke füllt, welche durch den Kokilleneinlauf (3) in die Probenkammer (2) gelangt, wobei ein entnehmbar in der Probenkammer (2) angeordneter Probenring (7) die Seitenwände der Probenkammer (2) auskleidet."

Zum Wortlaut der Patentansprüche 2 bis 7 wird auf die Akte verwiesen.

Folgende Druckschriften wurden in Betracht gezogen:

(1) JP 61-271452 A

(2) JP-GM 50 - 25192

(3) SU 1252041 A1

(4) DE 1 773 163 A

(5) DE 74 05 180 U

(6) DE 26 09 945 B1

(7) DE 73 36 649 U1

(8) AT 0 140 512 B1

(9) DE 34 02 818 A1

(10) US 3 824 837

(11) EP 0 107 219 A1

(12) DE 32 03 505 A1

(13) DE 29 46 429 C2

(14) JP 2-16449 A (Abstract)

(15) JP 7-333213 A (Abstract)

(16) EP 0 345 395 A2

(17) DE 15 98 469 C2

(18) US 5 435 196.

Die Patentinhaberin führt aus, der Gegenstand des neuen Patentanspruches 1 sei patentfähig.

Die Einsprechende ist dagegen der Ansicht, der Gegenstand des neuen Patentanspruches 1 beruhe gegenüber den Druckschriften (1) und (2) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie führt zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents.

1. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 7 sind unbestritten zulässig. Die Merkmale des neuen Patentanspruchs 1 ergeben sich aus den erteilten Patentansprüchen 1 und 6 sowie aus den ursprünglichen Patentansprüchen 1, 3, 5 und 7.

2. Stand der Technik Aus Druckschrift (1) (Fig 3) ist ein Schlackenprobennehmer bekannt, der eine Probenkammer (cavity 3) und einen Kokilleneinlauf aufweist. Der Kokilleneinlauf besitzt einen geringeren Durchmesser als die Probenkammer. Unterhalb des Kokilleneinlaufs befindet sich ein Einlauftrichter 14 (Fig 3), dessen Volumen jedoch im Gegensatz zum Gegenstand des Patentanspruches 1 kleiner ist als das Volumen der Probenkammer. Weiter abweichend vom Gegenstand des Patentanspruches 1, bei dem der Kokilleneinlauf unterhalb der Probenkammer angeordnet ist, ist der Kokilleneinlauf innerhalb der Probenkammer in deren unteren Bereich angeordnet, wie sich aus Figur 3 entnehmen lässt. Beim Eintauchen des Schlackenprobennehmers füllt sich der Einlauftrichter mit Schlacke, welche durch den Kokilleneinlauf in die Probenkammer gelangt. Innerhalb der Probenkammer ist ein die Seitenwände der Probenkammer auskleidender Ring 6 angeordnet, der der Probenkammer entnommen werden kann. Dies lässt sich daraus schließen, dass der Ring zur Entnahme der Probe zerschnitten oder zerteilt wird, was offensichtlich nur möglich ist, wenn er zuvor aus der Probenkammer entnommen wurde (englische Übersetzung S 5 Abs 2).

Die Druckschrift (2) betrifft eine Vorrichtung zur Entnahme von Metallschmelzeproben mit einer Probenkammer und einem unterhalb der Probenkammer angeordneten Kokilleneinlauf 2' (Fig 2). Der Kokilleneinlauf weist einen geringeren Durchmesser als die Probenkammer auf. Unterhalb des Kokilleneinlaufs ist ein Einlauftrichter angeordnet, wobei in der schematischen, nicht mit Maßen versehenen Figur 4 das Volumen des Einlauftrichters größer als das Volumen der Probenkammer dargestellt ist. Das Eindringen von Schlacke in die Probenkammer wird durch eine Schutzkappe 4 verhindert, so dass die Vorrichtung nicht für die Entnahme von Schlacke geeignet ist. Die Schutzkappe wird in der Metallschmelze zerstört, so dass sich der Einlauftrichter mit Metallschmelze füllen kann, welche dann durch den Kokilleneinlauf in die Probenkammer gelangt. Im Unterschied zum Gegenstand des Patentanspruches 1 ist ein entnehmbar in der Probenkammer vorgesehener Ring nicht vorgesehen.

Die Druckschrift (3) beschreibt eine Vorrichtung zum Entfernen von Schlacke von der Oberfläche von Metallschmelzen mit einem kegelförmigen Schirm 1 und einem Hals 2. Beim Absenken der Vorrichtung in die Metallschmelze sammelt sich die auf der Schmelze schwimmende Schlacke in dem Schirm, um dann durch den Hals in um die Oberseite des Halses herum angeordnete Überlaufnuten 5 zu fließen. Eine Probenkammer und ein Kokilleneinlauf sind nicht vorgesehen.

Die Druckschrift (7) betrifft eine Vorrichtung zur Herstellung von Schöpfproben aus einer Metallschmelze. Dabei wird zunächst mit einem Löffel Schmelze aus dem Schmelzbad entnommen und dann in eine Probenkammer (Kokille 4) gegossen. Hierzu befindet sich vor der Einfüllöffnung 5 ein Einfülltrichter 7, dessen Volumen größer ist als das Volumen der Probenkammer. Die Einfüllöffnung befindet sich jedoch oberhalb der Probenkammer und der Einfülltrichter ist oberhalb der Einfüllöffnung angeordnet. Die Entnahme von Schlackenproben ist mit dieser Vorrichtung nicht möglich, weil die Schlacke sofort im Löffel erstarrt und daher nicht mehr in die Probenkammer eingefüllt werden kann (S 2 Abs 1).

Die Druckschriften (4) bis (6) und (8) bis (18) haben in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt und bringen hinsichtlich der Beurteilung der Patentfähigkeit keine neuen Gesichtspunkte.

3. Neuheit Der zweifelsfrei gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruches 1 ist neu, denn keine der Druckschriften zeigt alle seine Merkmale, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Stand der Technik ergibt.

4. Erfinderische Tätigkeit Der Fachmann, ein in der Eisenhüttentechnik tätiger, mit Entwicklungsaufgaben betrauter Diplomingenieur, gelangt nur durch erfinderische Tätigkeit zu einer Vorrichtung mit der Gesamtheit der im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale.

Es mag sich ihm zwar anbieten, den aus Druckschrift (2) bekannten Probennehmer für Metallschmelzeproben auch zur Entnahme von Schlackeproben einzusetzen. Einen Hinweis hierauf erhält er aus der Beschreibung (englische Übersetzung S 1 Abs 2), in der angegeben ist, dass die Schutzkappe, die die Schlacke daran hindern soll, in die Probenkammer einzudringen, lediglich vorzugsweise vorgesehen ist. Auf Grund seiner fachlichen Erfahrung auf dem Gebiet der Probenentnahme erkennt der Fachmann ohne weiteres, dass der in (2) beschriebene Probennehmer ohne Schutzkappe auch für die Entnahme von Schlackenproben eingesetzt werden kann, zumal ihm aus Druckschrift (1) bereits nach dem gleichen Prinzip arbeitende Schlackenprobennehmer bekannt sind. Weiter mag für ihn auch noch die weitere anspruchsgemäße Maßnahme - die für den Fachmann aus (2) allein auf Grund der lediglich schematischen, nicht mit Maßen versehenen Zeichnung nicht als wesentlicher Bestandteil des beschriebenen Probennehmers entnehmbar ist - nahe liegen, das Volumen des Einlauftrichters größer als das Volumen der Probenkammer zu gestalten, denn es liegt im Rahmen des fachmännischen Könnens, die Volumenverhältnisse in geeigneter Weise aufeinander abzustimmen.

Dagegen sieht der Fachmann keine Veranlassung, innerhalb der Probenkammer einen entnehmbaren Ring anzuordnen, der die Seitenwände der Probenkammer auskleidet. Zwar ist aus Druckschrift (1) ein in einer Probenkammer befindlicher Ring bekannt, der dazu dienen mag, die Probe geschützt aus der Sonde entnehmen und transportieren zu können. Ein solcher Ring lässt sich aber schon deshalb nicht ohne weiteres bei der Vorrichtung nach (2) einsetzen, weil dem die dort kugelförmige Form der Probenkammer entgegensteht. Selbst wenn man unterstellt, es stünde im Belieben des Fachmanns, auch andere Probenformen - beispielsweise zylindrische oder scheibenförmige Probenformen - bei der Vorrichtung nach (2) zu verwenden, würde er die Anregung aus (1), einen Ring in die Probenkammer einzusetzen, nicht aufgreifen. Um einen geschützten Transport der Probe zu ermöglichen, bietet es sich ihm nämlich stattdessen eher an, die auf das Kokilleneinlaufrohr aufgesteckte Probenkammer zusammen mit der Probe aus der Sonde zu entnehmen.

Einen Hinweis auf das den Ring betreffende Merkmal erhält der Fachmann auch nicht aus den weiter abliegenden Druckschriften (3) und (7). Die Druckschrift (3) betrifft eine Vorrichtung zur Entfernung von Schlacke und zeigt noch nicht einmal eine Probenkammer und daher auch keinen in einer Probenkammer angeordneten Ring. Bei der Vorrichtung zur Herstellung einer Schöpfprobe nach (7) ist zwar eine Probenkammer vorgesehen, diese weist jedoch keinen die Innenwände der Probenkammer auskleidenden Ring auf.

Auch ausgehend von dem in Figur 3 der Druckschrift (1) dargestellten Schlackenprobennehmer gelangt der Fachmann nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruches 1. Bei dem Schlackenprobennehmer nach (1) besteht in der Praxis ersichtlich das Problem, dass bei dünnen Schlackenschichten auch Metallschmelze in die Probenkammer gelangen kann. Auch wenn der Einlauftrichter nach (1) ausschließlich dazu dient, das Herausfallen der erstarrten Probe zu verhindern, erkennt der Fachmann auf Grund seines Fachwissens dennoch, dass durch geeignete Wahl der Volumen von Einlauftrichter und Probenkammer das Eindringen von Metallschmelze erschwert wird. Es mag daher im Rahmen des fachmännischen Handelns liegen, das Volumen des Einlauftrichters größer zu wählen als das Volumen der Probenkammer. Falls sich der Fachmann dazu entschließt, neben einer möglichen Verkleinerung der Probenkammer auch den Einlauftrichter zu vergrößern, bietet es sich ihm in seinem Streben nach möglichst einfachen konstruktiven Lösungen zunächst an, die Wandung des Trichters nach unten zu verlängern. Diese Lösung hat nämlich den Vorteil, dass sie ohne Änderungen an der Befestigung des Einlauftrichters am Sondenrohr auskommt.

Damit gelangt der Fachmann jedoch nicht zu der anspruchsgemäßen Lösung, bei der der Einlauftrichter unterhalb des Kokilleneinlaufs angeordnet ist. Ein unterhalb eines rohrförmigen Kokilleneinlaufs angebrachter Einlauftrichter ist zwar aus Druckschrift (2) (Fig 4) bekannt, der Fachmann hat jedoch keine Veranlassung, dieses Merkmal bei der Vorrichtung nach (1) einzusetzen, weil dies erhebliche konstruktive Änderungen, wie z. B. ein zusätzliches Kokilleneinlaufrohr, mit sich brächte, ohne dass dem ein ersichtlicher Vorteil gegenüber stünde. Auch die Druckschrift (3) kann dem Fachmann keinen Hinweis auf die anspruchsgemäße Anordnung des Einlauftrichters geben, denn die aus (3) bekannte Vorrichtung zum Entfernen von Schlacke umfasst weder eine Probenkammer noch einen Kokilleneinlauf. Bei der Vorrichtung zur Entnahme von Schöpfproben nach Druckschrift (7) ist der Einlauftrichter oberhalb des Kokilleneinlaufs angeordnet. Den Gedanken, diese Vorrichtung auf den Kopf zu stellen und entgegen ihrer Zweckbestimmung als Eintauchsonde in die Schmelze einzutauchen, faßt der Fachmann nicht. Hierfür fehlen nämlich die konstruktiven Voraussetzungen wie beispielsweise Belüftungsöffnungen.

5. Die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 haben mit dem Patentanspruch 1 Bestand. Sie betreffen über das Selbstverständliche hinausgehende Ausgestaltungen des Gegenstandes des Patentanspruches 1.

6. Die Beschreibung genügt den an sie nach Änderung des Patents nach § 34 PatG zu stellenden Anforderungen.

Dr. Anders Richter Obermayer ist in Urlaub und daher gehindert zu unterschreiben.

Dr. Anders Martens Dr. Zehendner Pr






BPatG:
Beschluss v. 04.06.2003
Az: 20 W (pat) 18/02


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