Landgericht Aschaffenburg:
Urteil vom 19. August 2011
Aktenzeichen: 2 HK O 1/11, 2 HK O 1/11

(LG Aschaffenburg: Urteil v. 19.08.2011, Az.: 2 HK O 1/11, 2 HK O 1/11)

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Hauptsache erledigt ist.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist bezüglich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Streitwert wird bis 03.06.2011 auf 20.214 € (Ziffer 1. und 2. des ursprünglichen Klageantrages) festgesetzt, ab 03.06.2011 auf 7000 €.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage Feststellung, dass sich die Hauptsache, Bewerbung, durch die Beklagte, von Neufahrzeugen ohne Angaben von Verbrauchs- und Emissionswerten zu unterlassen, erledigt hat.

Der Kläger ist ein Umwelt- und Verbraucherschutzverband.

Die Beklagte ist Fahrzeughändlerin.

Im Auftrag der Beklagten wurde in der Ausgabe der Tageszeitung "..." vom ... 2010 folgende Anzeige abgedruckt:

"VW New Beetle Cabrio 1,0 I TDI, platinum grey-met., 77 kW, EZ 8/10, 100km, ESP inkl. ABS, EDS, u. ASR, Servo, ZV m. Funk, Airbags, el. ASP, el. WFSp, CD-Vorber.i. Mittelearmlehne u.v.m.,€ 26.890.-. ..., Tel. ...".

Die Anzeige enthält durch die Angaben "77 kW" Angaben zur Motorisierung. Angaben zum Kraftfahrstoffverbrauch und den CO2 Emissionen waren nicht enthalten.

Mit Schreiben des Klägers vom 07.10.2010 wurde die Beklagte aufgefordert, eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben.

Mit Schreiben vom 13.10.2010 teilte die Beklagte mit, dass sie bereits anderweitig abgemahnt worden sei und eine Unterlassungserklärung abgegeben habe.

Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28.12.2010, bei Gericht eingegangen am 07.01.2011, erhob der Kläger Klage auf Unterlassen der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für neue Personenkraftwagen der Marke Volkswagen unter Angabe von Werten zur Motorisierung in Zeitungen zu werben, ohne dabei Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen CO2 Emissionen zu machen.

Weiter erfolgte Klageerhebung auf Verurteilung zur Zahlung von 214 € Abmahnpauschale.

Mit Verfügung vom 22.03.2003 wurde das schriftliche Vorverfahren angeordnet, die Klage wurde der Beklagten am 25.03.2011 zugestellt.

Mit Klageerwiderungsschriftsatz vom 12.05.2011 hat die Beklagte vorgetragen, sie sei bereits im Jahre 2008 von der Firma ..., einen Wettbewerber, aufgefordert worden, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen und zwar wegen der fehlenden CO2 Angaben in Werbungen. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung sei am 20.06.2008 abgegeben worden.

Mit Schreiben vom 29.09.2010 sei die Beklagte von der Fa... wegen der auch hier streitgegenständlichen Werbung zur Zahlung der versprochenen Vertragsstrafe aufgefordert worden. Gleichzeitig sei mit weiterem Schreiben 29.09.2010 eine weitere Unterlassungserklärung durch die Fa... gefordert worden.

Diese Unterlassungserklärung sei von der Beklagten am 29.09.2010 unterschrieben worden. Die Unterlassungserklärung wurde als Anlage zum Klageerwiderungsschriftsatz vorgelegt.

Daraufhin erklärte der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 31.05.2011, bei Gericht eingegangen am 03.06.2011, den Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs für erledigt und nahm den Klageantrag zu 2 bezüglich der Abmahnpauschale zurück.

Die Beklagte widersprach der Erledigungserklärung.

Der Kläger trägt vor, die Klage sei zulässig und begründet gewesen.

Das Vorgehen des Klägers sei nicht missbräuchlich. An das Vorliegen begründeter Zweifel im Sinne des § 4 Abs. 4 Unterlassungsklagengesetz seien strenge Anforderungen zu stellen. Diese lägen hier nicht vor. So sei der Kläger zuletzt am 10.01.2010 vom Bundesamt für Justiz auf das Vorliegen seiner Eintragungsvoraussetzungen untersucht worden und ihm sei an diesem Tag mitgeteilt worden, dass gegen das Vorliegen der Voraussetzung für eine Eintragung in die Liste keine Bedenken bestünden.

Es handele sich hier um eine Neuwagenwerbung. Im Sinne des § 2 Nr. 1 PKW-EnVKV seien Neuwagen alle diejenigen Fahrzeuge, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs veräußert worden seien. Daher käme es nicht darauf an, dass es nach Angaben der Beklagten ein Vorführwagen gewesen sei, der beworben worden wäre.

Die Beklagte habe ihre Aufklärungspflicht gegenüber dem Kläger verletzt, erst dadurch sei es zur Klage gekommen. Der Abgemahnte sei verpflichtet, für den Fall, dass er bereits eine Drittunterwerfung abgegeben habe, dem Abmahnenden innerhalb der dort gesetzten Frist mitzuteilen, dass eine solche Unterwerfung vorliegt, wem gegenüber sie abgegeben wurde und welchen Inhalt diese Unterlassungserklärung hat. Dieser Pflicht sei die Beklagte nicht nachgekommen.

Die Beklagte trägt vor, die Klage sei von Anfang an unberechtigt gewesen. Die Beklagte habe nach ihrer Mitteilung an den Kläger, dass sie bereits eine strafbewehrte Unterlassungserklärung unterzeichnet habe, keinerlei weitere Aufforderung mehr erhalten. Weitere Aufforderungen seien nicht erfolgt.

Die Behauptungen des Klägers, es habe sich um eine Neuwagenwerbung gehandelt, seien falsch. Dies bestätigte sich allein dadurch, dass das Fahrzeug heute noch von der Beklagten als Vorführwagen benutzt werde. Das Fahrzeug existiere so wie es angeboten worden sei tatsächlich nicht. Hierauf sei das ... auch hingewiesen worden.

Der Kläger sei darüber hinaus nicht aktivlegitimiert, da keinerlei örtlicher Bezug zur geografischen Region der beiden Firmensitze der Klägerin vorläge.

Der Kläger würde Massenabmahnungen vornehmen.

Bezüglich des Parteivortrags im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten mit Angaben verwiesen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

Es war festzustellen, dass die Hauptsache des Rechtsstreits erledigt ist.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert.

Der Kläger ist ein nach dem Wettbewerbsrecht klagefähiger Umwelt- und Verbraucherschutzverband. Er ist seit dem ... in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetz mit Wirkung zum 11. Oktober 2004 eingetragen, gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG. Es besteht kein Anlass, das Verfahren gem. § 4 Abs. 4 Unterlassungsklagengesetz zur nochmaligen Klärung der Frage auszusetzen, ob die Klägerin die einschlägigen Eintragungsvoraussetzungen erfüllt.

An das Vorliegen begründeter Zweifel im Sinne des § 4 Abs. 4 Unterlassungsklagegesetz sind strenge Anforderungen zu stellen, weil andernfalls die effektive Durchsetzung der Ansprüche aus §§ 1, 2 Unterlassungsklagengesetz gefährdet wäre. Hier hat die Klägerin vorgetragen, ihr sei zuletzt am 10.06.2010 mitgeteilt worden, dass gegen das Vorliegen der Voraussetzung für eine Eintragung in die Liste durch das Bundesamt für Justiz keine Bedenken bestünden. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass nach diesem Zeitpunkt ein geändertes Abmahnverhalten des Klägers eingetreten ist, so dass neue Voraussetzungen vorliegen würden, begründete Zweifel an den einschlägigen Eintragungsvoraussetzungen zu haben. Die Klägerin ist damit klagebefugt.

Der Einwand der Beklagten, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, da sein Vorgehen missbräuchlich sei, weil keinerlei örtlicher Bezug zur geografischen Region der beiden Firmensitze des Klägers vorläge, greift nicht durch.

Hier ergibt sich schon aus der Bezeichnung des Klägers, ..., sowie aus dessen Satzung, dass es der Kläger bezweckt, aufklärende Verbraucherberatung sowie den Umweltschutz in der Bundesrepublik Deutschland zu fördern. Ein örtlicher Bezug der Firmensitze des Klägers zur Beklagten ist daher für eine Aktivlegitimation nicht erforderlich, da diese Satzungsvoraussetzungen bereits durch das Bundesamt für Justiz für die Eintragung in die Liste qualifizierter Einrichtungen geprüft wurden.

Der Kläger ist damit gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG als Wettbewerbsverband zur Geltendmachung des Anspruchs aktivlegitimiert.

Die Beklagte hat mit der Schaltung der Anzeige unlauter im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG gehandelt, weil sie gegen eine gesetzliche Vorschrift nach § 4 Nr. 11 UWG verstoßen hat.

Die den Herstellern und Händlern in der Pkw-EnVKV auferlegte Verpflichtung sicherzustellen, dass verwendete Werbung Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die CO2 Emissionen neuer Fahrzeuge enthalten, stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar.

36Die Beklagte hat gegen die Kennzeichnungsverpflichtungen der §§ 2 Abs. 2, 1; 5 Pkw EnVKV verstoßen, indem sie für einen neuen Personenkraftwagen ohne die erforderlichen Angaben zu Kraftstoffverbrauch und Schadstoffausstoß in ihrer Kleinverkaufsanzeige, in der Ausgabe des ... vom ... für den VW New Beetle Cabrio geworben hat.

Unerheblich ist es dabei, ob der Pkw, so wie in der Anzeige beworben, wegen der Angabe 1,0 Liter, nicht existiert. Entscheidend ist dabei lediglich, dass erkennbar ein VW New Beetle mit einer Motorleistung von 77 kw und 100 Kilometer Laufleistung, ohne die erforderlichen Angaben zu Kraftstoffverbrauch und Emissionen beworben wird.

Entscheidend ist allein, dass ein bestimmter Typ beworben wird (vgl. BGH, Entscheidung vom 04.02.2010, Aktz.: 1 ZR 66/09, WRP 2010, 1143).

Dass die erforderlichen Verbrauchs- und Emissionsangaben eventuell aufgrund eines Versehens bei der Tageszeitung "..." nicht abgedruckt worden sind, hat sich die Beklagte gem. § 278 BGB zurechnen zu lassen.

Es kann auch unterstellt werden, dass die Beklagte von Anfang an beabsichtigt hatte, das Fahrzeug als Vorführwagen zu benutzen und es auch heute noch als Vorführwagen benutzt. Hierauf kommt es nicht an.

41Maßgeblich für die Einordnung des Fahrzeugs als Neuwagen nach § 2 Nr. 1 Pkw EnVKV ist ausschließlich der Zweck, zu dem das Fahrzeug bislang veräußert wurde. Nach dem Wortlaut der Norm scheiden daher Kriterien wie das Alter des Fahrzeugs, dessen Laufleistung, dessen Erstzulassung oder die Anzahl der Vorbesitzer aus. Ein Anliegen der Norm ist es, durch Verbraucherinformation einen nachhaltigen Beitrag zu sparsamer und rationeller Energieverwendung und damit zum Umweltschutz zu leisten, in dem die Entscheidung der Verbraucher zugunsten des Erwerbs eines sparsameren Fahrzeugs beeinflusst werden soll. Zugleich sollen mit den Regelungen Anreize für die Automobilhersteller zur Verringerung des Kraftstoffverbrauches, der von ihnen hergestellten Fahrzeuge gegeben werden (Bundesrat Drucksache 14304 vom 18.02.2004, S. 13 ff.).

Damit fallen unter diesen Zweck auch Vorführwagen. Das Ziel der Aufklärung des Käufers, über den Verbrauch und den Schadstoffausstoß des zu erwerbenden Fahrzeuges, kann nicht erreicht werden, wenn der Händler ein Fahrzeug aus dem Geltungsbereich der Pkw-EnVKV auf einfache Weise dadurch herausnehmen könnte, dass er es als Vorführwagen nutzt. Auch ein Vorführwagen wird vorrangig zum Zweck des Weiterverkaufs vorgehalten. Deshalb ist er ja auch mit der entsprechenden Anzeige zum Verkauf beworben worden. Darüber hinaus ist auch als Indiz zu werten, dass die Beklagte bezüglich derselben Werbung am 29.09.2010 eine Unterlassungserklärung gegenüber einem Mitbewerber abgegeben hat.

Es lag auch nicht lediglich ein Bagatellverstoß vor, zwar ist die beanstandete Werbung in einer Kleinanzeige enthalten, sie ist aber erschienen in einer Wochenendausgabe der Tageszeitung "...", die regional weite Verbreitung findet.

Das beanstandete Verhalten war geeignet, die Interessen der Mitbewerber und Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen, § 3 Abs. 1 UWG, da wesentliche Informationen vorenthalten werden.

Ist es zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, streitet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr. Diese hat die Beklagte auch nicht widerlegt, da eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zunächst nicht vorgelegt wurde.

Bezüglich der zulässigen und begründeten Klage ist ein erledigendes Ereignis während der Rechtshängigkeit eingetreten.

Unstreitig hat die Beklagte mit Schreiben vom 13.10.2010 den Eingang des Abmahnschreibens des Klägers vom 07.10.2010 bestätigt und in diesem Schreiben vorgetragen, dass in dieser Angelegenheit bereits eine Unterlassungserklärung gegenüber einem örtlichen Mitbewerber abgegeben worden sei. Mit Schreiben vom 15.10.2010 hat der Kläger die Beklagte aufgefordert, diese anderweitig abgegebene Unterlassungserklärung und das Abmahnschreiben bis zum 19.10.2010 zu übersenden.

Der Kläger hat sodann ein Schreiben der Beklagten vom 19.10.2010 vorgelegt, wonach die Beklagte den Eingang des Schreibens des Klägers vom 15.10.2010 bestätigt und mitteilt, der Geschäftsführer befinde sich auf einer Geschäftsreise, er werde sich nach Rückkunft mit dem Kläger in Verbindung setzen. Damit ist belegt, dass innerhalb der gesetzten Frist, die anderweitig abgegebene Unterlassungserklärung nicht vorgelegt wurde. Es fällt in den Verantwortungsbereich der Beklagten, dass sie nach Rückkunft des Geschäftsführers die entsprechende Unterlassungserklärung nicht nachgereicht hat, so dass es zur Klageerhebung vom 28.12.2010 kam. Weitere Fristsetzungen seitens des Klägers waren nicht erforderlich, da die Beklagte in ihrem Schreiben vom 19.10.2010 mitgeteilt hat, der Geschäftsführer werde sich mit dem Kläger in Verbindung setzen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 92 Abs. 2 ZPO entsprechend. § 92 Abs. 2 ZPO entsprechend ist bei Teilklagerücknahme anzuwenden (vgl. BGH, Entscheidung vom 19.10.1995, Aktz.: 3 ZR 208/94). Bei der geltend gemachten Abmahnpauschale von 214 € handelt es sich um eine geringfügige Mehrforderung von ca. 1 %, die auch keinen Gebührensprung auslöste.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

Der Streitwert war bis 03.06.2011 auf 20.000 € festzusetzen. Bei Unterlassungsklagen von Verbraucherverbänden ist das satzungsmäßig wahrgenommene Interesse der Verbraucher maßgebend, es kommt also auf die gerade den Verbrauchern drohenden Nachteile an. Dieses Interesse kann höher liegen als das Interesse des Mitbewerbers. Dieses Interesse wird im vorliegenden Fall auf 20.000 € geschätzt.

Ab dem Zeitpunkt des Eingangs der Erledigungserklärung am 03.06.2011 war der Streitwert aus den Kosten des Rechtsstreits zu bemessen, damit war er ab diesem Zeitpunkt auf 7.000 € festzusetzen.






LG Aschaffenburg:
Urteil v. 19.08.2011
Az: 2 HK O 1/11, 2 HK O 1/11


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