Landgericht Köln:
Urteil vom 7. September 2011
Aktenzeichen: 91 O 162/09

(LG Köln: Urteil v. 07.09.2011, Az.: 91 O 162/09)

Tenor

Das Versäumnisurteil der Kammer vom 16.02.2011 wird zu Ziffer 1. a), b) und d des Tenors aufrecht erhalten.

Zu Ziffer 1. c) und e) des Tenors wird es aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist Aktionärin der Beklagten und ficht die Tagesordnungspunkte 3 bis 6 der Hauptversammlung vom 28.08.2009 an. Zu dieser Hauptversammlung wurde durch Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger am 17.07.2009 eingeladen. Auf Antrag der Aktionärin A AG wurde ein weiterer Tagesordnungspunkt (TOP 8) am 27.07.2009 nachträglich bekannt gemacht, der in einem anderen bei der Kammer anhängigen Verfahren Gegenstand einer Anfechtungsklage des Vorstands war.

Über den Verlauf der Hauptversammlung, die von Herrn W, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates geleitet wurde, fertigte der Notar Prof. Dr. C3 das Protokoll, auf welches wegen der Einzelheiten des Ablaufs der Hauptversammlung Bezug genommen wird.

In der Hauptversammlung waren 5.053.739 Stückaktien - entsprechend 67,01 Prozent des Grundkapitals - erschienen. An den Abstimmungen nahmen unter anderem Teil die Aktionärinnen Brown Brothers Harriman & Co., Boston, USA (im folgenden: Z) mit 949.999 stimmberechtigten Aktien (entsprechend 12,6 Prozent des Grundkapitals) und die Y U.K. AG, Schweiz (im folgenden Y) mit 1.114.150 Stimmen (entsprechend 14,77 Prozent des Grundkapitals).

Zu Tagesordnungspunkt 3 (Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats) findet sich bezüglich der Entlastung des Aufsichtsratsmitgliedes W folgender Eintrag im Hauptversammlungsprotokoll:

"Die Beschlussfassung über die Entlastung von Herrn W erfolgte gegen 1.505.460 Nein-Stimmen, ohne Stimmenthaltung, mithin 2.583.585 Ja-Stimmen, das entspricht 63,18 Prozent.

Bei dieser Abstimmung betrug die Präsenz 4.089.045 Stimmen.

Der Vorsitzende gab das Ergebnis der Abstimmung bekannt und verkündete den Beschluss, dass Herr W als Mitglied des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2008 Entlastung erteilt ist." (vgl. Blatt 11 R des Anlagenhefters)

Zu Tagesordnungspunkt 4 (Wahl des Abschlussprüfers) hatte der Vorstand in der Einladung die Wahl der Firma E2 and U2 GmbH vorgeschlagen. Hierzu hatte der Vertreter der Klägerin, der Zeuge F ausweislich des Versammlungsprotokolls den Gegenantrag gestellt, die Firma L Köln GmbH zu beauftragen. Die Abstimmung über den Vorschlag der Verwaltung (Wahl der Firma E2) ergab eine Mehrheit der anwesenden Stimmen von 54,78 Prozent, wobei die Zählung im Subtraktionsverfahren erfolgte. Den Gegenantrag der Klägerin stellte der Versammlungsleiter W "als erledigt" nicht mehr zur Abstimmung.

Zu TOP 6 (Wahl zum Aufsichtsrat) hatte der Aufsichtsrat in der Einladung die Wahl der Herren B und O vorgeschlagen. Herr F hatte für die Klägerin beantragt, stattdessen die Herren T und U zu wählen. Ausweislich des Protokolls wurden die Verwaltungsvorschläge zu TOP 6 mit 54,58 Prozent (B) und 54,76 Prozent (O) der anwesenden Stimmen bei jeweils etwa 45 Prozent Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen angenommen. Auch hier stellte der Versammlungsleiter den Gegenantrag des Herrn F als "insgesamt erledigt" nicht mehr zur Abstimmung.

Die Klägerin ficht die vorgenannten Beschlüsse an.

Sie meint, die Beschlussfassung zu Tagesordnungspunkt 3) sei gemäß § 241 Nr. 2 in Verbindung mit § 130 Abs. 1 und 2 AktG nichtig, denn der Notar habe das Beschlussergebnis falsch protokolliert. Herr W sei nämlich in Wahrheit die Entlastung versagt worden.

Abgesehen hiervon seien sämtliche Beschlüsse nichtig, jedenfalls aber anfechtbar, weil die Stimmen der Aktionäre Z und Y mitgezählt worden seien, obwohl diese einem Stimmrechtsausschluss gemäß § 28 Satz 1 WPHG in Verbindung mit § 21 Abs. 1 WPHG unterlegen hätten. Beide Aktionäre hätten nämlich nicht ihrer Mitteilungspflicht gemäß § 21 WPHG genügt, obwohl sie die Schwellen von 3, 5 und 10 Prozent überschritten hätten. Die irrtümliche Zählung dieser Stimmen sei kausal für die Beschlussfassungen, denn ohne sie wäre Herr W auch nach den im Protokoll mitgeteilten Zahlen nicht entlastet, wäre die Firma E2 nicht zur Abschlussprüferin bestellt und wären die Verwaltungsvorschläge zu TOP 6 abgelehnt und die Herren B und O nicht gewählt worden. Die Gegenanträge der Klägerin zu TOP 4 und 6 hätten dann zur Abstimmung gestellt werden müssen.

Als weiteren Anfechtungsgrund führt die Klägerin an, der Versammlungsleiter habe ihm das Teilnahmerecht der Aktionäre eingegriffen, weil er ausweislich des Hauptversammlungsprotokolls Folgendes angeordnet habe:

"Diejenigen Aktionäre und Aktionärsvertreter, die die Hauptversammlung vorzeitig verlassen möchten, können einen anderen Teilnehmer der Hauptversammlung oder den Stimmrechtsbevollmächtigten der Gesellschaft mit der Vertretung ihrer Aktien beauftragen. Hierzu steht ein Vordruck auf dem stillen Abschnittsbogen zur Verfügung. Die Vollmacht sei am Aktionärsempfang abzugeben, damit das Teilnehmerverzeichnis entsprechend berichtigt werden kann."

Hierin liege ein Verstoß gegen § 134 Abs. 3 AktG, wonach zum einen die bloße Textform für die Vollmacht genüge und zudem für die Legitimation des Vertreters ausreiche, dass dieser seine Vollmacht vorlege. Aushändigung der Vollmachtsurkunde könne nicht verlangt werden. Genau dies aber habe der Versammlungsleiter angeordnet. Weil durch diese Anordnung gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht der Aktionäre verstoßen worden sei, sei der Fehler auch relevant.

Im Wege der positiven Beschlussfeststellungsklage begehrt die Klägerin Feststellung, dass die Hauptversammlung ihren Vorschlägen zu TOP 4 und 6 gefolgt wäre.

Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, die Beschlüsse zu 3 bis 6 für nichtig zu erklären. In Bezug auf den Tagesordnungspunkt 5 (Beschlussfassung über die Aufhebung der Bestehenden Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien und über die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien) hat sie die Klage zurückgenommen (Blatt 59 der Gerichtsakte).

In der Sitzung vom 16.02.2011 ist Versäumnisurteil ergangen, wonach die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 28.08.2009 zu den Tagesordnungspunkten 3, 4, 5 und 6 für nichtig erklärt worden sind. Ferner ist im Wege der positiven Beschlussfeststellungsklage festgestellt worden,aa) dass statt des vom Versammlungsleiter verkündeten Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 4 die L Köln GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft zum Abschlussprüfer und Konzernabschlussprüfer gewählt worden ist undbb) dass statt des vom Versammlungsleiter verkündeten Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 6 die Herren T und U zu Aufsichtsratsmitgliedern gewählt worden seien.Gegen dieses der Beklagten am 23.02.2011 zu gestellt Versäumnisurteil hat die Beklagte mit Schriftsatz 08.03.2011 (bei Gericht am selben Tage eingegangen) Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil der Kammer vom 16.02.2011 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, dass das Beschlussergebnis zu Tagesordnungspunkt 3 falsch protokolliert worden sei.

Im Übrigen sieht die Beklagte keine Rechtsverletzungen in Bezug auf die Vollmachten oder die Anzeigepflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz.

Die klägerseits beanstandete Formulierung des Versammlungsleiters bezüglich der Abgabe von Vollmachten zur Vertretung der Aktien greife nicht in Teilnahmerechte der Aktionäre ein. Im Übrigen fehle es an der Relevanz dieser Anordnung für die gefassten Beschlüsse.

Was die Meldepflichten anbetreffe, so sei die Z Fremdbesitzer der Aktien der Firma C2 und als solcher Legitimationsaktionär, der keiner Mitteilungspflicht nach § 21 ff WPHG unterliege.

Y sei eine Depot-Bank und als Platzhalter gemäß § 67 Abs. 4 AktG im Aktienregister der Beklagten eingetragen. Als solcher erwüchsen ihr ebenfalls keine Meldepflichten gemäß WPHG. Soweit Y Stimmrechte ausübe, agiere sie als Legitimationsaktionärin, wie das auch bei der Hauptversammlung 2009 geschehen sei. Die Bezeichnung der 1.114.150 Aktien als "Eigenbesitz" im Gesamtteilnehmerverzeichnis der Beklagten (Blatt 41 des Anlagenhefters) sei irrtümlich erfolgt.

Die positive Beschlussfeststellungsklage hält die Beklagte für unbegründet, weil die genannten Punkte nicht zur Abstimmung gestellt worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt die Kammer Bezug auf die Gerichtsakte.

Gründe

Das Versäumnisurteil ist teilweise, nämlich zu den Punkten 1.a) (TOP 3), b) (TOP 4) und d) (TOP 6) aufrecht zu erhalten. Zu Ziffer 1.c) des Tenors (TOP 5) ist das Versäumnisurteil aufzuheben, weil die Klage insoweit zurückgenommen worden war. Zu 1.e) des Tenors (positive Beschlussfeststellungsklage) ist das Versäumnisurteil aufzuheben, weil die Klage insoweit nicht begründet ist.

1.

Die Klage ist rechtzeitig, nämlich am 28.09.2009 und damit innerhalb der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 Aktiengesetz eingegangen.

Die Zustellung an die Beklagte sowie an die Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten ist "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt.

Die Antragsbefugnis der Klägerin ist unproblematisch. Ein unzulässiger Insichprozess liegt ersichtlich nicht vor.

2.

Sämtliche angefochtenen Hauptversammlungsbeschlüsse (Tagesordnungspunkte 3, 4 und 6) sind für nichtig zu erklären, weil die Anordnung des Versammlungsleiters zur Stimmrechtsvertretung gegen die Satzung der Beklagten verstieß.

Nach § 134 Abs. 3 AktG alter Fassung - die hier gemäß § 20 Abs. 1 EGAktG zur Anwendung gelangt, weil zu der streitgegenständlichen Hauptversammlung vor dem 31. Oktober 2009 einberufen wurde - gilt für die Vollmacht die schriftliche Form, wenn die Satzung keine Erleichterung bestimmt. Nach § 15 Abs. 2 der Satzung der Beklagten können bei Stimmrechtsvertretung durch andere Stimmrechtsvertreter als ein Kreditinstitut oder eine Aktionärsvereinigung Stimmrechtsvollmachten schriftlich, per Telefax oder auf eine vom Vorstand jeweils zu bestimmende Weise auch unter Nutzung elektronischer Medien erteilt werden. Die Einzelheiten der Erteilung der Vollmacht werden zusammen mit der Einberufung der Hauptversammlung in den Gesellschaftsblättern bekannt gemacht. Seinem Bestimmungsrecht hat der Vorstand in der Einladung zur streitgegenständlichen Hauptversammlung Gebrauch gemacht. Unter III. (1) der Einladung heißt es:

"Aktionäre, die im Aktienregister eingetragen sind und sich angemeldet haben, können ihr Stimmrecht auch durch Bevollmächtigte, zum Beispiel ein Kreditinstitut oder eine Aktionärsvereinigung, ausüben lassen. Vollmachten, die nicht an ein Kreditinstitut, eine Aktionärsvereinigung oder eine andere der in § 135 AktG bezeichneten Personen erteilt werden, sind schriftlich, per Telefax oder per E-Mail (unter Angabe des vollständigen Namens des Aktionärs und seiner Adresse) zu erteilen. Die Aktionäre können die entsprechenden Vordrucke verwenden, die sich zusammen mit der Einladung/der Eintrittskarte erhalten." (vgl. Blatt 5 Rück des Anlagenhefters)."

Zu dieser Mitteilung der Teilnahmebedingungen des Vorstandes, die mit der Regelung in § 15 Abs. 2 der Satzung der Beklagten im Einklang steht, verstieß der Versammlungsleiter, indem er diejenigen Aktionäre und Aktionärsvertreter, die die Hauptversammlung vorzeitig verlassen und einen anderen Teilnehmer der Hauptversammlung zu Stimmrechtsvertretung bevollmächtigen wollten, auf einen Vordruck auf dem Stimmabschnittsbogen verwies und anordnete, die Vollmacht sei am Aktionärsempfang abzugeben. Diese Anordnung ist bereits deshalb rechtswidrig, weil eine Pflicht zur Abgabe, damit das Teilnehmerverzeichnis entsprechend geändert werden könne, entweder im Gesetz noch in der Satzung noch in den Anordnungen des Vorstandes in der Einladung zur Hauptversammlung eine Grundlage findet. Nach Änderung des früheren Wortlauts des § 134 Abs. 3 AktG kann in der für die streitgegenständliche Hauptversammlung maßgeblichen Fassung dieser Vorschrift eine Herausgabe der Vollmachtsurkunden nicht mehr verlangt werden (Hüffer, Aktiengesetz, 9. Auflage, § 134 Randnr. 24; Münchener Kommentar zum Aktiengesetz - Volhard, § 134 Randnr. 72; Schmidt/Lutter-Spindler, Aktiengesetz, 2. Auflage § 134 Randnr. 51). Auch der Verweis auf den Vordruck auf dem Stimmabschnittsbogen und damit auf die Schriftform verstößt gegen die Satzung der Beklagten, den danach ist in Verbindung mit den Anordnungen des Vorstands in der Einladung zur Hauptversammlung die bloße Textform ausreichend.

Die hierin liegenden Rechtsverstöße sind auch für den Verlauf der Hauptversammlung relevant. Der Wortlaut des § 243 Abs.1 AktG, nach dem jeder Verfahrensverstoß zur Anfechtbarkeit eines Hauptversammlungsbeschluss führen würde, ist nach einhelliger Auffassung zu weit gefasst und bedarf daher der Einschränkung, um Fehler von der Möglichkeit einer Anfechtung auszuschließen, die auf das Ergebnis der Beschlussfassung keinerlei Einfluss hatten. Maßgeblich ist dabei nach der ständigen Rechtsprechung des BGH die Relevanz des Verfahrensverstoßes für das Mitgliedschaftsrecht bzw. Mitwirkungsrecht des Aktionärs. Relevant ist ein Verfahrensfehler immer dann, wenn es bei wertender Betrachtungsweise nicht ausgeschlossen ist, dass sich der Verfahrensfehler auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat (BGHZ 149, 158 ff.; Hüffer, in MünchKomm-AktG, 2. Aufl. 2004, § 243 Randnr. 30, 32ff.; Karsten Schmidt in Großkomm. AktG, § 243 Randnr. 24f., 31ff.). Die Vollmachterteilung hat sich einzig nach den § 167 Abs. 1 BGB und § 134 Abs.3 AktG in Verbindung mit den Regelungen der Satzung der Beklagten zu richten. Hiernach darf die Vollmacht bei Stimmrechtsvertretung nicht heraus verlangt und in ihrer Form erschwert werden. § 134 Abs. 3 AktG liegt sowohl die gesetzliche als auch die Wertung des Satzungsgebers zu Grunde, dass solche Mängel, die die Erteilung einer Vollmacht erschweren, für das Teilhaberecht des Aktionärs von Bedeutung sind, weil die Möglichkeit der Vollmachtserteilung in Bezug auf die Stimmrechtsabgabe zu den elementaren Aktionärsrechten gehört. Ein Aktionär muss sein Stimmrecht nicht zwingend selbst ausüben, sondern er kann sich bei der Stimmabgabe vertreten lassen. Das ist auch nötig, weil der Aktienbesitz eines durchschnittlichen Anlegers den mit der Teilnahme an einer Hauptversammlung verbundenen Aufwand in der Regel nicht rechtfertigt (BGH NJW 2009, 2207; BGH NZG 2009, 1270; Vollhard in MünchKomm-AktG, 2.Aufl. 2004, § 134 Rn.34). Bei dieser Sachlage ergibt die wertende Betrachtung die Relevanz des von der Klägerin gerügten Formfehlers.

Damit sind sämtliche angefochtenen Beschlüsse für nichtig zu erklären. Auf die Frage, ob dies auch deshalb der Fall ist, weil die mitstimmenden Aktionäre Z und Y Stimmrechtsverboten § 28 WPHG unterlagen, kommt es deshalb nicht mehr an.

3.Soweit mit dem Versäumnisurteil die positive Feststellungsklage zugesprochen worden ist, ist das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Es entspricht zwar herrschender Meinung, dass ein Anfechtungsantrag um einen (positiven) Feststellungsantrag ergänzt werden kann mit dem Ziel, die Feststellung eines Beschlusses mit einem näher bezeichneten Inhalt als zustande gekommen feststellen zu lassen. Grund hierfür ist, dass die erfolgreiche Anfechtung einen bestimmten Beschlussantrag ablehnender Hauptversammlungsbeschlüsse nur den angefochtenen Beschluss beseitigt. In den Fällen, in denen ein bestimmter Gegenstand zur Abstimmung gestellt worden ist, und der Antrag etwa wegen eines Zählfehlers, einer unrichtigen Beurteilung eines Mehrheitserfordernisses oder einer Nichtbeachtung von Stimmrechtsausschlüssen als abgelehnt festgestellt worden ist, hat der Anfechtende ein Interesse daran, dass richtige Abstimmungsergebnis gerichtlich feststellen zu lassen. Ansonsten bliebe dem Kläger in einem derartigen Fall lediglich die Möglichkeit, den ablehnenden Beschluss anzugreifen, was zur Folge hätte, dass der Beschluss von der Hauptversammlung erneut herbeigeführt werden müsste (siehe Hüffer, Aktiengesetz, 9. Auflage, § 246 Randnr. 42; Englisch in Hölters, Aktiengesetz, 1. Auflage, § 246 Randnr. 65; Dörr in Sindler/Stilz, Aktiengesetz, 2. Auflage, Randnr. 58f.). Wird hingegen ein zur Abstimmung gestellter Antrag angenommen, steht nach allgemeiner Auffassung eine positive Beschlussfeststellungsklage neben der Anfechtung dieses Beschlusses nicht zur Verfügung (Hüffer a. a. O.).

Dem ist zu folgen. Die positive Feststellungsklage stellt entgegen ihrem Wortlaut einen Beschluss nicht bloß fest, sondern führt diesen herbei. Sie ist eine Gestaltungsklage. Daher kann sie nur zulässig sein, wenn das Ergebnis des Beschlusses ohne das fehlerhafte Ereignis zweifelsfrei festgestellt werden kann. Nur dann kann es in Betracht kommen, gerichtlich den beantragten Beschluss an die Stelle des ursprünglichen Beschlusses zu setzen (vgl. Dörr in Sindler/Stilz, Aktiengesetz, 2. Auflage, Randnr. 58f.; Englisch in Hölters, Aktiengesetz, 1. Auflage, § 246 Randnr. 66). Wird in der Hauptversammlung nicht festgestellt, dass und mit welchem Ergebnis ein Beschluss zustande gekommen sei, existiert überhaupt kein Beschluss, der umgestaltet werden kann. Eine positive Beschlussfeststellung kommt indessen nur dort in Betracht, wo sich eine Willensbildung der Aktionäre in diese Richtung feststellen lässt. Bei Anträgen, die gar nicht zur Abstimmung der Aktionäre gestellt worden sind, lässt sich ein solches Fazit nicht ziehen. Andernfalls würde das Gericht seine Willensbildung an die Stelle der Willensbildung der Aktionäre setzen. Eine dem Feststellungsantrag entsprechende Willenserklärung der Hauptversammlung, die vom Gericht bestätigt werden könnte, liegt allerdings nicht vor. Aus diesen Gründen hat es nach Auffassung der Kammer dabei zu verbleiben, dass eine positive Beschlussfeststellung nur dort in Betracht kommt, wo ein Antrag in Folge eines Zählfehlers oder wegen der fehlerhaften Berücksichtigung von nichtigen Stimmen etc. als abgelehnt festgestellt wurde, während bei richtiger Zählung etc. der Antrag als angenommen hätte festgestellt werden müssen.

Ein solcher Fall liegt hier wie ausgeführt nicht vor, denn weder ist über die Firma L noch über die Vorschläge der Klägerin zur Wahl der Herren U und T zu Aufsichtsratsmitgliedern abgestimmt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Streitwert:

bis zum 08.02.2010 (Teilklagerücknahme): 150.000,00 Euro.

ab dann 125.000,00 Euro.

Bei der Streitwertfestsetzung hat die Kammer für jeden angefochtenen Tagesordnungspunkt einen Streitwert von 25.000,00 Euro in Ansatz gebracht, ebenso für jeden der im Wege der positiven Beschlussfeststellungsklage verfolgten Gegenstände.






LG Köln:
Urteil v. 07.09.2011
Az: 91 O 162/09


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