Landgericht Wuppertal:
Beschluss vom 30. Mai 2005
Aktenzeichen: 6 T 308/05

(LG Wuppertal: Beschluss v. 30.05.2005, Az.: 6 T 308/05)

Tenor

Die angefochtene Entscheidung wird teilweise, soweit Kosten der Zwangsvollstreckung in Höhe von 854,22 EUR brutto abgesetzt worden sind, aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen, das angewiesen wird, von seiner in der an-gefochtenen Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffas-sung Abstand zu nehmen und diese Kosten hinzuzusetzen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Schuldner auferlegt.

Gründe

Die 50 Gläubiger der im Rubrum bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft vollstrecken wegen einer Geldforderung in Höhe von 10.294,01 EUR gegen den Schuldner. Die die Gläubiger vertretenden Rechtsanwälte beantragten den Erlaß eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, in dem sie die Festsetzung von Rechtsanwaltsgebühren wie folgt begehrten:

0,3 ZV-Gebühr, Nr. 3309 VV aus 10.294,01EUR 157,80 EUR

2,0 Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV 1.052,00 EUR

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR

Zwischensumme 1.229,80 EUR

16 % Umsatzsteuer 196,77 EUR

Summe 1.426,57 EUR.

In dem am 29. April 2005 erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß setzte das Amtsgericht - Rechtspflegerin - Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 572,34 EUR fest. Zur Begründung führte die Rechtspflegerin aus, die Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV (Vergütungsverzeichnis zum RVG) könne sich auf maximal 0,6 Gebühren (= 315,60 EUR netto) belaufen.

Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Gläubiger, dem das Amtsgericht - Rechtspflegerin - nicht abgeholfen hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten erwiesen.

Das gemäß §§ 788 Abs. 2 Satz 1, 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO als sofortige Beschwerde zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Den von den Gläubigern beauftragten Rechtsanwälten steht eine Erhöhungsgebühr von 2,0 Gebühren zu, was 1.052,00 EUR netto nach dem hier vorliegenden Gegenstandwert in Höhe von 10.294,01 EUR entspricht.

Gemäß Nr. 1008 VV erhöht sich die in der Zwangsvollstreckung gemäß Nr. 3309 VV entstehende Verfahrensgebühr von 0,3 Gebühren für jede weitere Person, die der Rechtsanwalt vertritt, um eine Gebühr von 0,3. Gemäß der Anmerkung in Absatz 3, 1. Halbsatz zu Nr. 1008 VV dürfen mehrere Erhöhungen einen Gebührensatz von 2,0 nicht übersteigen. Dieser höchste Gebührensatz wird vorliegend erreicht, weil 50 Gläubiger, nämlich die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft, anwaltlich vertreten werden. Dabei kann dahinstehen, ob die Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV stets (also unabhängig von der Höhe der Ausgangsgebühr) 0,3 Gebühren beträgt, oder ob die Erhöhungsgebühr auf die Ausgangsgebühr zu beziehen ist, und somit bei der Zwangsvollstreckungsgebühr gemäß Nr. 3309 VV lediglich 0,09 Gebühren beträgt. Denn auch im letzteren Fall würde der Höchstsatz von 2,0 Gebühren noch überschritten.

Das Amtsgericht - Rechtspflegerin - ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV bei der vorliegenden Ausgangsgebühr von 0,3 Gebühren gemäß Nr. 3309 VV höchstens 0,6 (also das Doppelte der Ausgangsgebühr) betragen darf. Denn die Regelung gemäß Anmerkung Abs. 3, 2. Halbsatz zu Nr. 1008 VV, wonach bei Festgebühren die Erhöhungen das Doppelte der Festgebühr nicht übersteigen dürfen, ist nicht anwendbar. Bei der Gebühr gemäß Nr. 3309 VV handelt es sich nämlich nicht um eine Festgebühr, sondern um eine sog. Wertgebühr. Festgebühren sind nur solche Gebühren, bei denen ein (fester, d. h. vom Gegenstandswert unabhängiger) Gebührenbetrag in Euro bestimmt ist (Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., Einleitung II A Rz. 14). Danach verbleibt es aber für Wertgebühren bei der Regelung in Nr. 1008 VV Abs. 3 1. Halbsatz, wonach mehrere Erhöhungen einen Gebührensatz von 2,0 nicht übersteigen dürfen (vgl. LG Frankfurt, NJW 2004, S. 3642; Schuschke, NZM 2005, S. 84; Drasdo, NJW-Spezial 2004, S. 289).

Eine analoge Anwendung der Regelung in Anmerkung Abs. 3, 2. Halbsatz zu Nr. 1008 VV auf Wertgebühren ist nicht möglich (anderer Ansicht AG Offenbach, DGVZ 2005, S. 47). Zwar ist nicht ersichtlich, warum der Gesetzgeber - in Abweichung der nach der BRAGO geltenden Regelung - bei Wertgebühren keine Begrenzung auf das Doppelte der jeweiligen Gebühr angeordnet hat, wohl aber bei Fest- und Betragsrahmengebühren. Einer analogen Anwendung widerspricht aber die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 15/1971, S. 205), in der es heißt:

Der nunmehr vorgeschlagene Erhöhungsfaktor von 0,3 erhöht jede Gebühr unabhängig von ihrem Gebührensatz um diesen Faktor. So erhöht sich z.B. eine Gebühr von 1,0 auf 1,3 und eine Gebühr von 0,5 auf 0,8. Mehrere Erhöhungen dürfen nach Abs. 3 der Anmerkung aber höchstens zu einer Erhöhung um 2,0 führen.

Danach geht der Gesetzgeber ersichtlich davon aus, daß auch bei einer (Ausgangs-) Gebühr von 0,5 eine Erhöhungsgebühr von bis zu 2,0 Gebühren entstehen kann. Dies steht einer analogen Anwendung von Anmerkung Abs. 3, 2. Halbsatz zu Nr. 1008 VV entgegen. Denn würde diese Regelung analog angewendet, so könnte die Erhöhungsgebühr bei einer Ausgangsgebühr von 0,5 maximal 1,0, nämlich das Doppelte der Ausgangsgebühr, betragen.

Nicht zu entscheiden ist vorliegend, ob die Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV möglicherweise deshalb nicht berechnet werden darf, weil der Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft als gewillkürter Prozeßstandschafter der Wohnungseigentümer im eigenen Namen hätte klagen und vollstrecken können, wodurch die Erhöhungsgebühr vermieden worden wäre (vgl. hierzu OLG München, ZMR 2003, S. 451; OLG Schleswig NJW-RR 2004, S. 804; Schuschke, NZM 2005, S. 84 f.; Drasdo, MDR 2003, S. 1387; Hartmann, Kostengesetze, 34. Auflage, § 7 RVG Rz. 23). Es sind bereits keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der Verwalter zu einer Klage im eigenen Namen von den Wohnungseigentümern - etwa durch den Verwaltervertrag - ermächtigt war oder eine solche Ermächtigung vor Klageerhebung tunlich gewesen wäre. Auch sonst hat der Schuldner nicht dazu vorgetragen, daß die Gläubiger gegen ihre Verpflichtung zur Kostenersparnis verstoßen haben könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 854,23 EUR.

Dr. Rodemann Richter am Landgericht






LG Wuppertal:
Beschluss v. 30.05.2005
Az: 6 T 308/05


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