Oberlandesgericht Oldenburg:
Beschluss vom 6. Januar 2006
Aktenzeichen: 3 UF 45/05

(OLG Oldenburg: Beschluss v. 06.01.2006, Az.: 3 UF 45/05)

Die Beiordnung eines beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts, der seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht am Ort des Prozessgerichts hat, kann seit Inkrafttreten des RVG nicht dahin eingeschränkt werden, dass sie nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts erfolgt.

Tenor

Auf die Gegenvorstellung des Beklagten wird der Senatsbeschluss vom 16. Juni 2005 dahin geändert, dass die Einschränkung der Beiordnung von Rechtsanwältin S. €zu den Bedingungen eines in Oldenburg ansässigen Rechtsanwalts€ entfällt.

Gründe

Durch Beschluss des Senats vom 16. Juni 2005 ist dem in Aurich wohnenden Beklagten für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe gewährt worden. Gleichzeitig ist ihm Rechtsanwältin S., die ihren Kanzleisitz ebenfalls in Aurich hat und auch beim Oberlandesgericht Oldenburg zugelassen ist, €zu den Bedingungen eines in Oldenburg ansässigen Rechtsanwalts€ beigeordnet worden.

Gegen diese Einschränkung wendet sich der Beklagte mit seiner Gegenvorstellung. Diese ist begründet.

3Der hilfsbedürftigen Partei ist gemäß § 121 Abs. 1 ZPO grundsätzlich ein Rechtsanwalt ihrer Wahl beizuordnen. Im Kosteninteresse der Staatskasse bestimmt § 121 Abs. 3 ZPO lediglich, dass ein nicht beim Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch keine höheren Kosten entstehen. Unter Zulassung im Sinne der kostenrechtlichen Vorschriften, z.B. §§ 91, 121 ZPO, 126 BRAGO, ist dabei die Zulassung i. S. v. § 18 ff BRAO zu verstehen (zuletzt BGH NJW 2003, 898, 900 m.w.N.; Baumbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 121 Rz. 59; Musielak/Wolst, ZPO, 4. Aufl., § 91 Rz. 17), nicht hingegen die Postulationsfähigkeit i. S. v. § 78 ZPO. Auch für eine Uminterpretation des Begriffs in €Niederlassung€ oder €Ortsansässigkeit€ ist nach Auffassung des Senats angesichts des klaren Wortlauts kein Raum. Danach war und ist ein beim Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt grundsätzlich beizuordnen. Für eine Einschränkung der Beiordnung €zu den Bedingungen eines beim Prozessgericht ortsansässigen Rechtsanwalts€ fehlt es nach Inkrafttreten des RVG an einer Rechtsgrundlage.

Unter der Geltung der BRAGO konnte der beim Prozessgericht zugelassene Rechtsanwalt allerdings Mehrkosten, die dadurch entstanden, dass er beim Prozessgericht zwar zugelassen war, dort aber weder Wohn- noch Kanzleisitz hatte, aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung weder gegenüber dem Gegner (§ 91 Abs. 2 S. 2 ZPO a. F.) noch gegenüber der Staatskasse (§ 126 Abs. 1 S. 2 HS. 1 BRAGO) abrechnen. Eine eingeschränkte Beiordnung war daher möglich, wenngleich es ihrer nach ständiger Rechtsprechung des Senats - anders als bei nicht beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwälten, bei denen eine Erstattung grundsätzlich in Betracht kam (vgl. zu Prüfungsanforderungen insoweit BGH FamRZ 2004, 1362) - nicht bedurfte.

Mit der Einführung des RVG ist § 126 Abs. 1 S. 2 BRAGO - wie auch § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO a. F. - ersatzlos weggefallen. Damit ist der beim Prozessgericht zugelassene aber nicht ortsansässige Rechtsanwalt grundsätzlich nicht mehr gehindert, seine Reisekosten geltend zu machen. Soweit es in der Gesetzesbegründung zu § 46 RVG lapidar heißt:

€Die Regelung des § 126 Abs. 1 S. 2 BRAGO soll nicht übernommen werden, weil diese Vorschrift wegen § 121 Abs. 3 ZPO entbehrlich erscheint. Nach dieser Vorschrift kann ein bei dem Prozessgericht nicht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen€ (BT-Drs. 15/1971 S. 200),

trifft dies zwar für die nicht zugelassenen Rechtsanwälte zu, lässt aber gleichzeitig erkennen, dass in diesem Zusammenhang seinerzeit übersehen worden ist, welche Auswirkungen der Wegfall der Norm auf die Kosten der zugelassenen Rechtsanwälte hatte.

Es ist auch keine andere Norm ersichtlich, die die Gerichte berechtigen könnte, die Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten eines zugelassenen, aber nicht ortsansässigen Rechtsanwalts von der Erforderlichkeit gerade seiner Beauftragung abhängig zu machen und bei deren Verneinung die Beiordnung einzuschränken.

Nach § 46 Abs. 1 RVG, der inhaltlich § 126 Abs. 1 S. 1 BRAGO entspricht, werden Auslagen, insbesondere Reisekosten, des beigeordneten Rechtsanwalts zwar nicht vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren. Die Wahrnehmung eines Gerichtstermins durch den beigeordneten Rechtsanwalt ist aber zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit stets erforderlich.

Der Rückgriff auf die allgemeinen Kostengrundsätze nach § 91 ZPO führt - so man ihn für zulässig halten wollte - ebenfalls nicht weiter. Zwar ergibt sich insoweit aus der Gesetzesbegründung explizit, dass der Gesetzgeber die unterschiedliche Erstattungsfähigkeit von Reisekosten für nicht ortsansässige Rechtsanwälte je nachdem, ob sie bei dem Prozessgericht zugelassen sind oder nicht, in dem Sinne beseitigen wollte, dass auch der zugelassene Rechtsanwalt künftig Erstattung seiner Reisekosten verlangen können sollte, allerdings - wie seine nicht zugelassenen Kollegen - nur soweit seine Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war (BT-Drs. 15/1971 S. 233). Dieses Vorhaben ist aber gesetzestechnisch misslungen. Nachdem der früher in S. 2 enthaltene völlige Ausschluss der Erstattungsfähigkeit der Reisekosten zugelassener, aber nicht ortsansässiger Rechtsanwälte gestrichen worden ist, erfährt nunmehr der in § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 ZPO festgehaltene Grundsatz, wonach die Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten sind, in Hs. 2 nur noch insoweit eine Einschränkung, als es dort heißt:

€...Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht bei dem Prozessgericht zugelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war.€

Diese Einschränkung bezieht sich ausschließlich auf nicht beim Prozessgericht zugelassene Rechtsanwälte. Es ist nach Auffassung des Senats nicht Aufgabe der Rechtsprechung, Fehler im Gesetzgebungsverfahren durch extensive Interpretation von Gesetzen entgegen deren klaren Wortlaut zu korrigieren. Eine Auslegung dahin, dass § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO analog auch auf beim Prozessgericht zugelassene Rechtsanwälte anzuwenden sei, kommt daher nicht in Betracht.






OLG Oldenburg:
Beschluss v. 06.01.2006
Az: 3 UF 45/05


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