Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Februar 2000
Aktenzeichen: 29 W (pat) 13/00

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Oktober 1999 und vom 14. Juli 1999 aufgehoben.

Gründe

I.

Als Bildmarke sollgeo_linefür zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 7, 9, 37, 38 und 42, insbesondere für den Bereich des Vermessungs- und Bauwesens, in das Markenregister eingetragen werden.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Bei dem angemeldeten Begriff handele es sich um eine sprachliche Wortneubildung, die sich in einer beschreibenden Gesamtaussage erschöpfe. "Geo" sei die im vorliegenden Waren- und Dienstleistungsbereich relevante Abkürzung für "geodesy" oder "Geodäsie"; "line" bedeute "Linie, Reihe" und werde in Kombinationen mit anderen Begriffen zur Bezeichnung bestimmter Produktlinien, Produktserien oder Baureihen werbemäßig benutzt. Der Marke könne daher ein eindeutiger Begriffsinhalt dahingehend zugeordnet werden, daß die so gekennzeichneten Waren einer bestimmten Produktreihe mit gemeinsamen Konstruktions- und Ausstattungselementen im Bereich der Geodäsie angehörten. Daneben weise die Bezeichnung auf die Zugehörigkeit der Dienstleistungen zu einer bestimmten Serie mit dem gemeinsamen Anwendungsbereich Geodäsie hin. Die graphische Gestaltung wirke lediglich als werbegraphisch gewöhnliches Ausschmückungs- und Hervorhebungsmittel und sei daher nicht schutzbegründend.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Anmelderin geltend, daß "geo" keine aus sich heraus verständliche Abkürzung, sondern ein Wortbestandteil sei, der als Präfix Verwendung finde. Es gebe eine Vielzahl von Worten, die mit "geo" begännen, die aber je nach Sachbereich unterschiedliche Bedeutungen hätten. Auch das Wort "line" habe neben "Linie, Reihe" eine Vielzahl von Bedeutungen, z.B. "Leine, Schlange, Kette, Fließband, Leitung, Pfeile, Branche". Daraus folge, daß die angemeldete Wortkombination jedenfalls keinen eindeutigen Bedeutungsgehalt habe. Auch sei die Wortschöpfung sprachunüblich, da "geo" in der Regel mit einem sehr konkreten Begriff zu einem Gesamtwort verbunden werde.

Die Anmelderin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 22. November 1999 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und sie hat auch in der Sache Erfolg. Für die angemeldete Marke "geo_line" läßt sich weder ein ernsthaftes Freihaltebedürfnis, noch das Fehlen der erforderlichen Unterscheidungskraft mit der für eine Zurückweisung der Anmeldung erforderlichen Sicherheit feststellen (§ 8 Abs 2 Nr 2 und 1 MarkenG).

Einen gegenwärtigen beschreibenden Gebrauch der Wortzusammensetzung für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen kann der Senat nicht belegen.

Der als Bildmarke angemeldete Begriff ist aus der Vorsilbe "geo", die für Wortkompositionen mit der Bedeutung "Erde, Erdboden, Land" im weitesten Sinne Verwendung findet und dem englischen Wort "line" gebildet, das eine Vielfalt von Bedeutungen hat. Es kann - wie auch die Anmelderin zutreffend vorgetragen hat - in verschiedenen Kontexten im Deutschen bspw. "Leine, Schlange, Kette, Fließband, Leitung, Zeile, Branche" entsprechen, wird in der Zusammensetzung mit bestimmten Waren allerdings meist im Sinne einer bestimmten Produktlinie verwendet.. Die Kombination aus der Vorsilbe "geo" und dem Substantiv "line" ist, auch ohne die graphische Darstellung, lexikalisch nicht nachweisbar. Eine Internetrecherche belegt den (als ein Wort geschriebenen) Begriff u.a. als Bezeichnung einer (Literatur)Datenbank bzw. eines "Liner Systems" (liner = u.a. Futter, Buchse, Einsatzstück, vgl. Langenscheidts Handwörterbuch Englisch, 1988), das offenbar zur Abdichtung von Abfall-, Schlamm- und Wasserdepots dienen kann. Als beschreibende Angabe ist der Begriff damit gegenwärtig nicht nachweisbar. Er hat in bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen auch keinen konkret beschreibenden Inhalt. Diese haben im Wesentlichen mit Vermessungstätigkeiten zu tun. So beansprucht die Anmelderin z.B. "Software für Ingenieurleistungen u.a. zur Weiterverarbeitung geodätischer Informationen" oder auch "Ermittlung und Speicherung " derartiger Informationen. Der angemeldete Begriff erhält in diesem Zusammenhang durch die Vorsilbe "geo" zwar einen beschreibenden Anklang, konkrete Merkmale der angemeldeten Waren und Dienstleistungen beschreibt er aber nicht. Insbesondere ist "geo" nicht ohne weiteres als Abkürzung für "geodätisch" (Geodäsie = Lehre von der Erdvermessung) zu verstehen, die betreffende Abkürzung lautet vielmehr "geod." (vgl. DUDEN, Wörterbuch der Abkürzungen, 1994). Die Verwendung von "geo" deutet lediglich darauf hin, daß die Waren und Dienstleistungen im weitesten Sinne mit "Erde, Erdboden" oder "Land" zu tun haben. Selbst wenn man die Bedeutungsvielfalt des Wortes "line" außer Acht läßt und es schlicht mit "Linie" übersetzt, beschreibt der dann in ganz freier Übersetzung entstehende Begriff "Erdlinie" nicht die Art, Beschaffenheit, Bestimmung oder sonstige Merkmale oder Eigenschaften der hier beanspruchten Maschinen, der Software oder gar der Bau- Ermittlungs- oder Entwicklungsdienstleistungen, so daß auch kein Bedürfnis besteht, den Begriff für diese Waren und Dienstleistungen als beschreibende Angabe freizuhalten Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß Dritte künftig ein legitimes Interesse an der werblichen Verwendung des angemeldeten Wortes für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen haben könnten. An ein solches künftiges Freihaltebedürfnis sind strenge Anforderungen zu stellen. Es müssen konkrete Anzeichen für eine entsprechende Entwicklung vorliegen, die bloße theoretische Möglichkeit genügt nicht (vgl. BGH GRUR 1990, 517, 518 "SMARTWARE"; 1992, 515, 516 "VAMOS"). Die als Bildmarke ausgestaltete Wortkombination "geo_line" hat, wie oben dargelegt, keine Bedeutung, die konkrete Merkmale der angemeldeten Waren und Dienstleistungen bezeichnen könnte. Die konkrete Bedeutung des Gesamtbegriffs, dessen Bestandteile für sich zwar allgemein bekannt, aber in der Bedeutung schillernd sind, für das jeweilige Produkt ist damit für den Verkehr nicht eindeutig erkennbar. Es sind vielmehr detaillierte Überlegungen erforderlich, welche Bedeutung der Wortzusammensetzung gerade im Zusammenhang mit dieser Ware oder Dienstleistung zukommen mag. Bei derartig inhaltsreichen Begriffen fehlt es aber an Anhaltspunkten dafür, daß sie vom Verkehr zur sinnvollen Beschreibung in einem bestimmten Sinn benötigt werden (vgl. BGH GRUR 1995, 269 "U-Key"; 1997, 627 "à la carte"; 1997, 468, 469 "NetCom").

Bei dieser Ausgangslage ist auch die erforderliche Unterscheidungskraft gegeben. Der Verkehr kann mit der angemeldeten Marke zwar bestimmte Bedeutungsinhalte verbinden, die wegen der Vielzahl möglicher Interpretationen des Wortes eine mögliche Bestimmung der Waren und Dienstleistungen nach Art einer sprechenden Marke zwar andeuten mögen, in Bezug auf die konkreten Produkte letztlich aber vage bleiben. Der Verkehr wird deshalb die Marke nicht als reinen Sachhinweis, sondern als betriebliche Herkunftskennzeichnung auffassen.

Meinhardt Dr. Vogel von Falckenstein Schuster Na






BPatG:
Beschluss v. 21.02.2000
Az: 29 W (pat) 13/00


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