Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. November 2004
Aktenzeichen: 26 W (pat) 182/02

(BPatG: Beschluss v. 24.11.2004, Az.: 26 W (pat) 182/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren

"Möbel, Spiegel, Rahmen; Waren, soweit in Klasse 20 enthalten, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutter, Meerschaum oder anderen Ersatzstoffen oder aus Kunststoffen"

unter der Nummer 300 63 391 eingetragene Wort-Bild-Markeist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 396 35 819 die für Waren und Dienstleistungen der Klassen 20, 21, 24, 27, 35, 41 und 42, u.a.

"Möbel, Spiegel und Rahmen, soweit in Klasse 20 enthalten", eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 20 hat diesen Widerspruch zurückgewiesen. Zwischen den Marken bestehe keine Verwechslungsgefahr. Bei der Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr könnten die graphischen Elemente der Zeichen außer Betracht bleiben. Die Vergleichswörter stimmten zwar in den Auslauten "-werk" überein, die Anlaute "STAB-" bzw "stil-" unterschieden sich jedoch wegen der im Ton erheblich differierenden Vokale so markant, daß Verwechslungen in klanglicher Hinsicht ausgeschlossen werden könnten. Auch der unterschiedliche Sinngehalt der Wörter "STAB-" und "stil-" trage erheblich zur Unterscheidbarkeit bei. Dabei sei, entgegen der Auffassung der Widersprechenden, das Wort "STAB" keineswegs gleichzusetzen mit "Stecken, Stiel, Stange". Ebensowenig werde das Wort "stil" auf dem hier einschlägigen Waren- und Dienstleistungsgebiet mit einem Stecken, Stab oder einer Stange in Verbindung gebracht. Vielmehr würden die beteiligten Verkehrskreise diesen Begriff in entscheidungserheblichem Umfang in seinem eigentlichen Sinne, nämlich als Hinweis auf eine bestimmte Art des Verhaltens, eine bestimmte Richtung in der Baukunst, der Musik, der Literatur etc auffassen. Aus diesem Grunde bestehe auch keine Gefahr, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Die miteinander zu vergleichenden Waren seien identisch. Vor diesem Hintergrund halte die angegriffene Marke keinen ausreichenden Abstand ein. Das Wort "stil" habe einmal die Bedeutung "Art" oder "Weise", in klanglicher Hinsicht handle es sich aber auch um ein Homonym im Sinne von "Besenstiel". Somit wiesen die Markenworte "stabwerk" und "stilwerk" insbesondere in sinngehaltlicher und schriftbildlicher Hinsicht eine erhebliche Ähnlichkeit auf. Hinzu komme, daß "stilwerk" sich infolge großer Bekanntheit gerade im Möbel- und Designbereich eines gesteigerten Schutzumfangs erfreue. Der Verkehr werde wegen der signifikanten Überschneidungen zwischen beiden Marken davon ausgehen, daß mit den unter der Bezeichnung "stabwerk" in den Verkehr gebrachten Waren ein organisatorischer oder wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Widersprechenden und ihrer Marke bestehe. Mithin sei jedenfalls eine mittelbare Verwechslungsgefahr gegeben. Auf die von der Inhaberin der jüngeren Marke erhobene Einrede mangelnder Benutzung legt sie Unterlagen vor. In den mit "stilwerk" gekennzeichneten Designzentren würden Möbel und hochpreisige Designstücke vertrieben. Außerdem habe die Firma Thonet die Lizenz einen Stuhl zu vertreiben, der mit der Widerspruchsmarke ("edition stilwerk") gekennzeichnet sei. Dies werde eidesstattlich versichert; zwischen Abschluß des Lizenzvertrages im Dezember 2001 und der Abgabe der Erklärung im März 2003 seien 22 Stühle verkauft worden.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und der Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Sie bestreitet die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke. Im übrigen macht sie sich die Begründung des angefochtenen Beschlusses zu eigen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke besteht, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, nicht die Gefahr von Verwechslungen i.S.d. § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Frage der Verwechslungsgefahr i.S. der genannten Vorschrift ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma; GRUR 1998, 922, 923 - Canon). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH aaO - Canon).

Die vorgelegten Unterlagen zur Benutzung der Widerspruchsmarke in Lizenz für einen Stuhl legen eine mögliche Identität der beiderseitigen Waren nahe. Hiervon ausgehend bedarf es eines deutlichen Abstandes der Marken. Dieser wird von der angegriffenen Marke jedoch in jeder Richtung eingehalten, selbst wenn zugunsten der Widersprechenden eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unterstellt wird.

Zwischen den beiderseitigen Marken besteht keine klangliche Verwechslungsgefahr. Dabei mißt der Verkehr bei einem Zusammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen idR dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zu. Zwar kommt es für den klanglichen Gesamteindruck einer Marke regelmäßig auf die Silbenanzahl, die Silbengliederung und die Vokalfolge an. Hinsichtlich Silbenanzahl und Silbengliederung sind die Übereinstimmungen der beiden Markenwörter nicht zu verkennen. Jedoch weisen sie gerade an den in der Regel stärker beachteten Wortanfängen hinreichend deutliche Unterschiede auf. Hier unterscheiden sich die Marken insbesondere durch die deutlich voneinander abweichenden Vokale "i" bzw "a". Diese sind in ihrem Klangcharakter einmal hell-, dagegen im anderen Fall dunkelklingend und tragen damit aufgrund ihrer Stellung zu einer sicheren Unterscheidbarkeit der Zeichenwörter bei. Hinzu kommen die - allerdings nicht allzu klangintensiven - unterschiedlichen Konsonanten "b" und "l". Zusätzlich weisen die Wortanfänge beider Marken einen unterschiedlichen Begriffsgehalt auf, der einen etwa noch bestehenden Rest an klanglicher Verwechslungsgefahr entscheidungserheblich reduziert.

Der Umstand, dass eine Marke einen Begriffsgehalt aufweist, läßt den Leser oder Hörer bildliche oder klangliche Unterschiede wesentlich schneller und besser erfassen, so dass es erst gar nicht zu Verwechslungen kommt (BGH GRUR 1959, 182, 185 - Quick; GRUR 2000, comtes/ComTel). Eines Bezugs des betreffenden Begriffs zu den einschlägigen Waren bedarf es insoweit nicht (BGH GRUR 1992, 130, 132 - Bally/BALL). Voraussetzung für eine Reduzierung der Verwechslungsgefahr durch einen abweichenden Sinngehalt ist lediglich, dass dieser vom Verkehr auch bei flüchtiger Wahrnehmung sofort erfasst wird und keinen weitergehenden Denkvorgang erfordert.

Bei dem ersten Teil der angegriffenen Marke ("STAB-") handelt es sich um einen Hinweis auf einen länglichen, schmalen Gegenstand, während das erste Wortelement der Widerspruchsmarke ("stil-") für eine bestimmte Verhaltens- oder Darstellungsweise steht. Ohne weitere Assoziationen ist eine Gleichsetzung des Begriffs "Stil" mit dem zusätzlich mit dem Vokal "e" geschriebenen (Besen-)Stiel nicht wahrscheinlich. Meistens wird sich das Wort "Stiel" in Wortzusammensetzungen ohnehin an zweiter Stelle befinden. Im übrigen sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten auch auf dem Möbelsektor Begriffe und Schlagworte wie Trend, Lifestyle, Design und Stil geläufig geworden. Ursprünglich dürften diese Schlagworte auf anderen Warengebieten eine größere Rolle gespielt haben (Mode, Bekleidung), sie sind jedoch dann sozusagen auch zu anderen Waren gewandert. Bestes Beispiel für diese Entwicklung bietet die Widersprechende selbst, weil sie in ihren Zentren Kunden ansprechen will, die "eine hohe Affinität zu Einrichtung, Design und Kultur" haben (vgl Geschäftsbericht 2001, S. 9). In diesem Zusammenhang wird daher niemand an den (Besen-)Stiel denken, sondern bereits aufgrund des Anspruchs der Widersprechenden selbst immer nur an das mit einem einfachen "i" geschriebene Wort "Stil". Beide Wortanfänge haben damit einen eigenständigen Begriffsgehalt, der auch die jeweilige Geschäftsphilosophie ("Stil") bzw die Art der Warenherstellung (mittels Stäben, vgl www.stabwerkdesign.de) wiedergibt. Damit werden die inländischen Verkehrskreise die beiderseitigen Marken auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sie sich regelmäßig nicht gleichzeitig nebeneinander begegnen, klanglich nicht verwechseln.

Auch in schriftbildlicher Hinsicht besteht zwischen den Markenwörtern keine Verwechslungsgefahr. Insoweit fallen zunächst die Abweichungen an den Wortanfängen ins Auge, die bei jeder zu berücksichtigenden Schreibweise eine gewisse Einprägsamkeit besitzen. Da sich die Unterschiede an den Wortanfängen befinden, ist auch nicht zu befürchten, daß sie sich bei einer gegen Wortende hin undeutlichen Handschrift nicht mehr erkennen lassen. Eine weitere, entscheidungserhebliche Reduzierung der Verwechslungsgefahr wird auch in schriftbildlicher Hinsicht aus den bereits dargelegten Gründen durch die leicht erfassbaren Sinngehalte beider Marken bewirkt.

Auch begriffliche Verwechslungen sind entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht ersichtlich. Zwar lauten die Wortenden beider Marken gleich ("-werk") und das Wort "Stil" entspricht in klanglicher Hinsicht dem Wort "Stiel". Aus den bereits dargelegten Erwägungen scheint jedoch eine gedankliche Verbindung zunächst von dem Wortelement "Stil-" hin zu dem (eher banalen) Begriff "Stiel-", der dann noch mit dem Begriff "Stab-" gleichgesetzt werden müsste, so gut wie ausgeschlossen. Zum einen nämlich ist der Begriff "Stil" gerade auch auf dem Möbelsektor zu einem gängigen Ausdruck geworden, zum anderen ist eine solche Gedankenkette auch bei eher hochpreisigen Waren, die regelmäßig nach gründlicherer Überlegung erworben werden, nahezu ausgeschlossen, da sie einerseits fernliegt und andererseits ein Ausmaß an sprachlicher und semantischer Analyse voraussetzt, das im Geschäftsleben und der Werbewelt regelmäßig zu zeitaufwendig ist.

Auch für die Annahme einer Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung der Marken liegen keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vor. Die als Hauptfall der sog assoziativen Verwechslungsgefahr zu beurteilende mittelbare Verwechslungsgefahr setzt voraus, daß die beteiligten Verkehrskreise zwar die Unterschiede zwischen den Vergleichszeichen erkennen, gleichwohl einen in beiden Marken übereinstimmend enthaltenen Bestandteil als Stammzeichen des Inhabers der älteren Marke werten. Dabei kann die Annahme eines Stammbestandteils sowohl durch mehrere eigene Serienmarken des Inhabers der älteren Marke als auch (u.a.) dadurch nahegelegt sein, daß es sich bei dem fraglichen Element um einen als Firmenkennzeichnung verwendeten Bestandteil handelt (Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 471 ff). Das Vorliegen einer Serienmarke hat die Widersprechende nicht dargetan. Die Widerspruchsmarke ist zwar gleichzeitig die Firmenkennzeichnung der Widersprechenden, nicht aber der nur als Stammbestandteil in Betracht kommende Wortteil "-werk", der iü, da glatt beschreibende Angabe, als Stammbestandteil einer Markenserie völlig ungeeignet wäre.

Da die Beschwerde der Widersprechenden schon wegen fehlender Verwechslungsgefahr der Marken keinen Erfolg hat, konnte die Frage der von der Markeninhaberin bestrittenen rechtserhaltenden Benutzung der Marke im einzelnen dahingestellt bleiben, wenn auch sehr fraglich sein mag, ob der hier von der Widersprechenden dargelegte Umfang noch als ausreichend angesehen werden kann.

Besondere Gründe, einer der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs 1 MarkenG aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen, sind nicht gegeben. Das Markengesetz geht davon aus, daß grundsätzlich jeder Beteiligte die ihm entstandenen Kosten selbst zu tragen hat. Für ein Abweichen von diesem Grundsatz bedarf es stets besonderer Umstände. Diese sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse an dem Erhalt oder dem Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht (Ströbele/Hacker, aaO, § 71 Rdnr 23 ff). Die vorliegend zu beurteilende Sachlage ist aber wegen der - auch - bestehenden Übereinstimmungen jedenfalls nicht so eindeutig, daß das Verlangen einer Überprüfung durch die Rechtsmittelinstanz als Verstoß gegen die prozessuale Sorgfalt anzusehen wäre.

Albert Kraft Eder Bb






BPatG:
Beschluss v. 24.11.2004
Az: 26 W (pat) 182/02


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