Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Januar 2011
Aktenzeichen: 24 W (pat) 61/10

(BPatG: Beschluss v. 11.01.2011, Az.: 24 W (pat) 61/10)

Tenor

Die Beschwerde des Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 9. Dezember 2005 angemeldete Bezeichnung PATENTANWALT wurde am 11. Januar 2006 als Kollektivmarke der Patentanwaltskammer, Körperschaft des öffentlichen Rechts, unter der Nr. 305 73 827 für die Dienstleistungen

"42: Rechtsberatung nach Maßgabe der Patentanwaltsordnung"

in das Markenregister des Deutschen Patentund Markenamts eingetragen.

Widerspruch erhoben hat der Inhaber der prioritätsälteren deutschen Marke 303 56 967 (angemeldet am 03. November 2003 und eingetragen am 27. April 2004) patentadie u. a. für die Dienstleistungen

"Rechtsberatung und -vertretung"

Schutz genießt. Der Widerspruch ist nur auf diese Dienstleistungen gestützt.

Seitens der Markenstelle für Klasse 42 ist der Widerspruch mit Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes vom 15. Dezember 2009 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen worden. Den angesichts der vorhandenen Identität der beanspruchten Dienstleistungen hohen Anforderungen an den Abstand der sich gegenüberstehenden Marken werde das jüngere Zeichen gerecht. Das Wort "PATENTANWALT" sei erheblich länger als das Gegenzeichen und weise einen geläufigen Begriffsinhalt auf, während "patenta" eher als Phantasiebegriff verstanden werde. Zudem stünden dem Widersprechenden keine Verbietungsrechte gegen die den Berufsstand beschreibende Gattungsbezeichnung "PATENTANWALT" zu, welche nicht als "normale Marke" -als solche wäre sie schutzunfähig -, sondern als Kollektivmarke registriert sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Widersprechenden.

Seiner Auffassung nach sind die im Wesentlichen normativen Erwägungen der Markenstelle nicht zutreffend (was im Einzelnen näher ausgeführt wird).

Zumindest eine klangliche Verwechs lungsgefahr könne nicht sicherausgeschlossen werden.

Der Widersprechende stellt den Antrag, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patentund Markenamts vom 15. Dezember 2009 aufzuheben und die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs aus der deutschen Marke 303 56 967 zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der jedermann geläufige Sinngehalt der angegriffenen Marke "PATENTANWALT" sowie die unterschiedliche Länge der sich gegenüberstehenden Zeichen schlössen eine Ähnlichkeit und somit die Gefahr einer markenrechtlichen Verwechslung aus.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre gegensätzlichen Standpunkte aufrechterhalten und weiter vertieft.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Inhalt der Amtsund Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Widersprechenden ist zulässig (§ 66 MarkenG), jedoch in der Sache nicht begründet, weil die sich gegenüberstehenden Marken nicht der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegen.

Ob Verwechslungsgefahr im Sinne dieser Vorschriften vorliegt, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Identität bzw. Ähnlichkeit der Dienstleistungen, des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke, des Grades der Ähnlichkeit der Zeichen sowie der Art der Dienstleistungen und der bei der Auftragsvergabe zu erwartenden Aufmerksamkeit des beteiligten Verkehrs umfassend zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387 -Sabèl/Puma; GRUR 2008, 343, Nr. 48 -BAINBRIDGE; BGH GRUR 2008, 903, Nr. 10 -SIERRA ANTIGUO; zur Wechselwirkung der genannten Einzelfaktoren s. auch Hacker in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 Rdn. 32, 33).

Zwar sind vorliegend die jeweils registrierten Dienstleistungen identisch, jedoch sprechen die sonstigen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr relevanten Faktoren sämtlich gegen die Annahme von Verwechslungsgefahr.

Zunächst ist klarzustellen, dass die Frage, ob die Bezeichnung "PATENTANWALT" zu Recht als Kollektivmarke der Patentanwaltskammer registriert worden ist -d. h. ob die Schutzhindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, und der unmittelbar dienstleistungsbeschreibenden Angabe, § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, (jeweils in Verbindung mit § 97 MarkenG) seitens der Markenstelle im absoluten Verfahren der Anmeldung ordnungsgemäß geprüft worden sind -, nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist (was den Beteiligten, wie der Gang der mündlichen Verhandlung gezeigt hat, auch durchaus bewusst ist). Es bleibt dem Widersprechenden unbenommen, diese Frage in den dafür vorgesehenen Verfahren einer Klärung zuzuführen. Weiterhin besteht kein Anlass, dass der Senat sich -gleichsam prophylaktisch -zum Schutzumfang der Kollektivmarke "PATENTANWALT" äußert, etwa im Hinblick auf den vom Widersprechenden möglicherweise befürchteten Fall, dass aus der angegriffenen Marke später gegen eine im Verhältnis zu dieser prioritätsjüngeren, mit der vorliegenden Widerspruchsmarke identischen (oder leicht abgewandelten) Nachanmeldung des Widersprechenden vorgegangen wird. Im vorliegenden Kollisionsfall ist ausschließlich der Schutzumfang der Widerspruchsmarke von Bedeutung, nicht aber der der jüngeren Marke (Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 28, 149).

Was die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke von Haus aus, d. h. vor und unabhängig von jeder Benutzung, anbetrifft -für eine Steigerung infolge umfangreicher Benutzung liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor -, so beruht diese nicht auf der für die registrierten Dienstleistungen beschreibenden Buchstabenfolge "patent", sondern ausschließlich auf der durch den Endvokal "a" bewirkten Verfremdung zu einem in der deutschen Sprache nicht enthaltenen Kunstwort. Es liegt auf der Hand, dass aus diesem "sprechenden" Zeichen nicht gegen eine beschreibende Verwendung von in ihrer Bedeutung feststehenden Begriffen, welche mit "Patent" beginnen (wie etwa "Patentanmeldung" oder "Patentanspruch"), vorgegangen werden kann.

Ob vorliegend für das von Haus aus ebenfalls glatt beschreibende Wort "PATENTANWALT" etwas Anderes gilt, weil dieses als Kollektivmarke Schutz genießt, bedarf keiner abschließenden Beurteilung. Denn die sich gegenüberstehenden Zeichen sind sich bereits aufgrund ihrer Wortstruktur und Länge nicht in einer Verwechslungsgefahr begründenden Weise ähnlich, und zwar weder schriftbildlich, noch -wie der Widersprechende meint -klanglich oder begrifflich.

Der viersilbige Begriff "PATENTANWALT" unterscheidet sich deutlich von dem dreisilbigen Markenwort "patenta". Dieser Unterschied erschließt sich nicht nur bei einem unmittelbaren -visuellen wie phonetischen -Vergleich der Zeichen, sondern tritt auch unter ungünstigen Übermittlungsbedingungen oder in der Erinnerung nicht zurück. Eine zusätzliche Unterscheidungshilfe bietet dabei der -gerade angesichts der konkret beanspruchten Dienstleistungen -leicht erfassbare Sinngehalt der jüngeren Marke (vgl. BGH GRUR 1992, 130 Bally/BALL; GRUR 2010, 235 -AIDA/AIDU; EuGH GRUR 2006, 237 -PICASSO).

Unbeschadet des Umstands, dass beide Vergleichszeichen jeweils das übereinstimmende Eingangselement "PATENT" enthalten, besteht wegen der abweichenden weiteren Wortbzw. Buchstabenbestandteile auch in begrifflicher Hinsicht keine Verwechslungsgefahr, und zwar weder unmittelbar noch unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung.

Dienstleistungen der Rechtsberatung und -vertretung, auch auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und durch Patentanwälte, können zwar grundsätzlich von jedermann nachgefragt und in Anspruch genommen werden; jedoch gilt bereits generell das in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelte Verbraucherleitbild des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittskunden (vgl. Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 173 m. w. Nachw.). Hinzu kommt, dass die Vergabe derartiger Dienstleistungen im Allgemeinen eher mit einer erhöhten Aufmerksamkeit verbunden ist. Dieser Gesichtspunkt spricht daher ebenfalls gegen die Annahme einer Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall.

Nach allem ist der Beschwerde des Widersprechenden der Erfolg zu versagen.

Für die Auferlegung von Verfahrenskosten (gem. § 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.

Werner Paetzold Viereckbr/Bb






BPatG:
Beschluss v. 11.01.2011
Az: 24 W (pat) 61/10


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