Verwaltungsgericht Hannover:
Urteil vom 19. Juli 2007
Aktenzeichen: 18 A 2484/06

(VG Hannover: Urteil v. 19.07.2007, Az.: 18 A 2484/06)

Disziplinarrecht: Zur Zulässigkeit der Überprüfung der dienstlichen Telefonate des Beamten durch den Dienstherrn im Vorfeld der Einleitung des Disziplinarverfahrens.Kein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 I GG)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durchSicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden,wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit ingleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der E. Kläger ist Beamter, Kriminaloberkommissars (BesGr A 10 (Anlage I zum BBesG) F. im Polizeidienst des Landes Niedersachsen.

Mit der Klage wendet er sich gegen die Disziplinarverfügung der Polizeidirektion G. mit der gegen ihn wegen eines Dienstvergehens eine Gehaltskürzung in Höhe von 1/20 auf die Dauer von 6 Monaten verhängt wurde.

Zum beruflichen Werdegang und den persönlichen Verhältnissen des Klägers....H.

In der Vergangenheit ist der Kläger bereits ein Mal disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten. Mit Verfügung der Polizeidirektion I. war gegen ihn eine Geldbuße von 200,00 Euro verhängt worden. Er hatte sich eines Dienstvergehens schuldig gemacht, indem er seine Dienstpflicht zu uneigennützigen Amtsführung (§ 62 S. 2 NBG) und seine Pflicht zur vertrauensvollem Zusammenwirken mit seinem Vorgesetzten und ihm gleich- und nachgeordneten Mitarbeitern (§ 63 S. 1 NBG) dadurch verletzt hatte, dass er einen Mitarbeiter seiner damaligen Dienststelle, veranlasst hatte, für seine Ehefrau, J., einen Bundeszentralregisterauszug anzufordern. Die Disziplinarverfügung ist bestandskräftig geworden. Die Geldbuße hat der Kläger bezahlt.

Das vorliegende Disziplinarverfahren hat folgenden Hintergrund.

Mit Verfügung vom K. teilte der Polizeipräsident der Polizeidirektion L. dem Kläger im Wesentlichen folgendes mit:

€...mit sofortiger Wirkung ist der ausschließliche Kontakt zu der Person - A - (Name geändert u. abgekürzt) auf den - B - übertragen (Name geändert u. abgekürzt) worden. Jeglicher Kontakt mit anderen Mitarbeitern gefährdet das Vertrauensverhältnis und ist der derzeitigen Entwicklung abträglich.

Ich bitte Sie daher ausdrücklich, zukünftig jeden Kontakt zu der Person - A - zu unterbinden, eingehende Telefonate dieser Person unverzüglich abzubrechen und sie ausschließlich an - B - zu verweisen.

Mit diesem Schreiben verbinde ich die Erwartung, dass Sie sich der Sensibilität der Situation bewusst sind.

Aufgrund der besonderen Situation bitte ich daher um Verständnis, dass bei Zuwiderhandlungen umgehende personalwirtschaftliche sowie dienst- bzw. disziplinarrechtliche Maßnahmen erforderlich sein werden.€

Nachdem ein Beamter M. die Polizeidirektion N. davon unterrichtet hatte, dass der Kläger O. auf seinem Handy einen Anruf erhalten habe, aus dessen Gesprächsverlauf der eindeutige Eindruck entstanden sei, dass es sich bei dem Anrufer um die Person - A - gehandelt habe, ordnete der Polizeipräsident P. die Einleitung beamtenrechtlicher Ermittlungen gegen den Kläger an. Im Weiteren forderte der mit der Ermittlung beauftragte Zentrale Kriminaldienst die Abteilung €IT-Service ISDN€ auf, in dem noch vorhandenen Datenbestand (Regelfall 90 Tage) der Telekommunikationsanlage der Liegenschaften Polizeistation Q. und Polizeikommissariat R. nach zu- und abgehenden Telefonaten zwischen dem Kläger und den bekannten Erreichbarkeiten der Person - A - zu suchen und das Ergebnis an den Zentralen Kriminaldienst zu übermitteln.

Nach Vorlage des Ergebnisses der Telefonrecherche leitete der Polizeipräsident der Polizeidirektion S. gegen den Kläger disziplinarrechtliche Vorermittlungen ein. Dem Beamten wurde vorgeworfen, die ihm mit dienstlicher Verfügung T. erteilte Weisung missachtet zu haben. Eine Überprüfung des Datenbestandes der dienstlichen Telekommunikationsverbindungen hinsichtlich der bekannten Erreichbarkeiten der Person - A -, habe ergeben, dass von dem Dienstapparat U. des Beamten V., zwischen W. Uhr und X. Uhr in drei Fällen die Person - A -, unter ihren bekannten Erreichbarkeiten angerufen worden sei. Während die Gespräche zu den Mobilfunkanschlüssen lediglich 25 bzw. 45 Sekunden betragen habe, hätte das um Y. Uhr begonnene Gespräch 20 Minuten und 55 Sekunden gedauert. Ferner sei auf dem Dienstapparat des Klägers am Z., um AA. Uhr vom Festnetzanschluss der Person - A - ein Gespräch eingegangen, welches 5 Minuten und 43 Sekunden gedauert habe. Der Sachverhalt rechtfertige den Verdacht der Verletzung der Pflicht des Beamten zur vertrauensvollen Zusammenarbeit und der Pflicht, Anordnungen des Dienstvorgesetzten zu befolgen und damit den Verdacht eines Verdacht eines Dienstvergehens.

Die Einleitungsverfügung wurde dem Beamten AB. zugestellt.

Dem Beamten wurde Gelegenheit gegeben, sich zu den Vorwürfen zu äußern.

Mit Disziplinarverfügung vom AC. verhängte der Polizeipräsident der Polizeidirektion L. gegen den Kläger wegen eines Dienstvergehens eine Gehaltskürzung in Höhe von 1/20 auf die Dauer von 6 Monaten. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, durch die im Zuge der Überprüfung des Datenbestandes der Telekommunikationsanlage festgestellten Kontakte zu der Peron - A - habe der Kläger gegen die ihm erteilte Weisung verstoßen. Mit seinem Verhalten habe er vorsätzlich gegen die ihm obliegende Dienstpflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit und zur Ausführung von Weisungen des Dienstvorgesetzten (§ 63 S. 1 und 2 § NBG) verstoßen. Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe lägen nicht vor. Der Kläger habe vorsätzlich gehandelt und damit ein Dienstvergehen nach § 85 Abs. 1 NBG begangen. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sei erschwerend zu berücksichtigen, dass der Kläger vorsätzlich gehandelt und bereits am AD. mit einer Disziplinarmaßnahme in Form einer Geldbuße wegen eines anderen Dienstvergehens belegt worden sei. Die nun verhängte Gehaltskürzung erscheine sowohl von dem Kürzungsbruchteil als auch von der Laufzeit, auf Grund des erneuten Fehlverhaltens, als zwingend erforderlich, aber in der Höhe zunächst auch ausreichend, um den Kläger nochmals eindringlich zu warnen und erneut darauf hinzuweisen, sein Verhalten zu ändern und die Wiederholung eines solchen Fehlverhaltens auszuschließen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Disziplinarverfügung Bezug genommen.

Der Kläger hat am AE. Klage erhoben.

Mit der Klagebegründung wendet er sich gegen die Rechtmäßigkeit der Disziplinarverfügung. Im Wesentlichen trägt der Kläger folgendes vor:

Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, dem Kläger den privaten Kontakt zu der Person - A - zu untersagen.

Die Disziplinarverfügung beruhe zudem auf einer unzulässigen Beweiserhebung.

Der Beklagte sei schon deshalb nicht zur Überprüfung der Telekommunikationsverbindungen berechtigt gewesen, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung der Überprüfung ein für die Anordnung der Ermittlungen notwendiger, hinreichender Verdacht für ein Dienstvergehen nicht vorgelegen habe (§ 26 NDO/§ 18 NDiszG).

Die Überprüfung der Telefonverbindungen sei ferner rechtswidrig, weil sie gegen die Regelung des § 88 Abs. 3 Satz 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) verstoße und den Kläger in seinem Recht auf Unverletzlichkeit des Telekommunikations-Fernmeldegeheimnisses und auf informationelle Selbstbestimmung verletzte.

Auch die für die Beweiserhebung maßgeblichen Voraussetzungen der Regelungen der §§ 100g, 100h Strafprozessordnung (StPO) und des § 25 NDO bzw. § 27 NDiszG hätten nicht vorgelegen. Die Maßnahme sei zu keinem Zeitpunkt einer richterlichen Anordnung und Kontrolle unterworfen worden. Sie sei auch nicht im Sinne von § 27 NDiszG von einem Behördenleiter oder einem Vertreter, der die Befähigung zum Richteramt habe, angestellt worden.

Da die Beweiserhebung unzulässig gewesen sei, unterliege das Ergebnis der Beweiserhebung einem Beweisverwertungsverbot.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Klagebegründung wird auf die Klageschrift und die weiterführenden Schriftsätze vom AF. Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

die Disziplinarverfügung vom AC. aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Klageerwiderung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom AG. nebst den jeweiligen Anlagen Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringen der Beteiligten im Übrigen, wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Personalakten einschließlich der zwei Unterordner der beiden Disziplinarverfahren Bezug genommen.

Gründe

In der Sache entscheidet die Kammer für Disziplinarrecht des Verwaltungsgerichts Hannover, die mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des niedersächsischen Disziplinarrechts am 01.01.2006 (zukünftig abgekürzt: NDiszG), beim Verwaltungsgericht gebildet worden ist (§§ 41, 42 NDiszG).

Für die Entscheidung ist die Rechtslage nach dem Gesetzes zur Neuordnung des niedersächsischen Disziplinarrechts (NDiszG) maßgeblich, weil die Disziplinarverfügung erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes ergangen ist (vgl. Art. 11 der Übergangsvorschriften des Gesetzes zur Neuordnung des niedersächsischen Disziplinarrechts (NDiszG)).

Danach bleibt die zulässige Klage in der Sache ohne Erfolg.

Eine Aufhebung der Disziplinarverfügung kommt nicht in Betracht, weil die Disziplinarverfügung rechtmäßig und zweckmäßig ist (§ 55 Abs. 3 NDiszG).

Der Kläger hat sich eines Dienstvergehens (§ 85 NBG) schuldig gemacht. Er hat seine Dienstpflichten, zur vertrauensvollen Zusammenarbeit und zur Beachtung und Ausführung von Weisungen seines Dienstvorgesetzten (§ 63 Satz 1 und 3 NBG) verletzt, indem er entgegen der Weisung seines Dienstvorgesetzten am AH. und Z. telefonisch Kontakt zu der Person - A - hatte und den Kontakt nicht unverzüglich abgebrochen und die Person an den in der dienstlichen Weisung benannten Kollegen verwiesen hat.

Der Sachverhalt steht zur Überzeugung der Disziplinarkammer auf Grund der Verfügung des Dienstvorgesetzten vom AI. und dem Ergebnis der Überprüfung des gespeicherten Datenbestandes der dienstlich geführten Telefonate des Klägers fest. Der Kläger handelte auch vorsätzlich. Er hat bewusst und gewollt gegen die Weisung verstoßen.

Das Vorbringen des Klägers führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.

Soweit der Kläger geltend macht, ihm könne eine Verletzung der Dienstpflicht durch die Missachtung der Weisung nicht vorgeworfen werden, weil die Weisung rechtswidrig gewesen sei, soweit ihm auch private Kontakte zur Person - A - untersagt worden seien, vermag die Kammer seiner Auffassung nicht zu folgen.

Es kommt bereits nicht darauf an, ob die Weisung, soweit sie private Kontakte betraf, rechtswidrig war, denn bei den Kontakten des Klägers zu der Person - A - handelte es sich zur Überzeugung der Kammer um dienstliche Kontakte, die ihm durch die Weisung, unter Hinweis auf übergeordnete dienstliche Interessen, zu Recht untersagt worden sind.

Dass es sich bei den Kontakten zu - A - um dienstliche Kontakte handelte, ergibt sich aus den Erläuterungen der Beteiligten zu den dienstlichen Aufgaben des Führers einer Kontaktperson. Danach umfasst diese - wie im Fall der Person - A - regelmäßig auch die erforderliche Nachsorge, d.h. die ausschleichende Betreuung der Person, nach Abschluss des Zweckes des Kontaktes. Dass die Kontakte im Fall der Person - A - dem Dienst zuzuordnen waren, ergibt sich auch aus der Weisung des Dienstherrn, mit der der Kontakt zu - A -, obgleich die Person nicht mehr als aktive Kontaktperson fungierte, unter Hinweis auf dienstliche Interessen, auf einen anderen Kollegen übertragen worden ist. Zwar war der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Betreuung der Person nicht mehr sachlich zuständig, dies ändert aber nichts an dem Umstand, dass die Kontakte, nach ihrem Inhalt, dem dienstlichen Bereich zuzuordnen waren.

Letztlich kann es aber auch dahinstehen, ob die dienstliche Weisung aus diesem oder aus anderen Gründen rechtswidrig war.

Selbst wenn zu Gunsten des Klägers unterstellt würde, dass die Weisung rechtswidrig war, so war der Kläger von der Befolgung der Weisung nicht befreit. Von der Befolgung der dienstlichen Anordnung eines Dienstvorgesetzten ist der Beamte nur dann befreit, wenn er nach besonderer gesetzlicher Vorschrift an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen ist (§ 63 Satz 3, 2. Halbsatz NBG). Dies war hier nicht der Fall.

Soweit der Kläger die Weisung für rechtswidrig hielt, oblag es ihm, dies unverzüglich gegenüber seinem unmittelbaren Vorgesetzten im Wege der Remonstration (§ 64 Abs. 2 NBG) geltend zu machen, um auf diesem Weg evtl. die Befreiung von der Weisung zu erreichen. Dies hat der Beamte nicht getan. Er war damit nicht von der Befolgung der dienstlichen Anordnung entbunden, mit der Folge, dass die Missachtung der Weisung den Tatbestand der Verletzung der Dienstpflichten aus § 63 Satz 1. und 3. NBG erfüllt.

Ohne Erfolg macht der Kläger weiter geltend, die Disziplinarverfügung sei rechtswidrig, weil sie auf einer unzulässigen Beweiserhebung und Beweisverwertung beruhe.

Entgegen der Auffassung des Klägers, verstößt die Überprüfung des dienstlichen Datenbestandes der Telekommunikationsanlage nicht gegen § 88 Abs. 3 TKG.

Die Regelung des § 88 Abs. 3 Satz 1 TKG, die eine einfachgesetzliche Ausprägung des Schutzes des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) enthält, findet hier keine Anwendung.

Zwar bestimmt §88 TKG,

(1) Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war. Das Fernmeldegeheimnis erstreckt sich auch auf die näheren Umstände erfolgloser Verbindungsversuche.

(2) Zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses ist jeder Diensteanbieter verpflichtet. Die Pflicht zur Geheimhaltung besteht auch nach dem Ende der Tätigkeit fort, durch die sie begründet worden ist.

(3) Den nach Absatz 2 Verpflichteten ist es untersagt, sich oder anderen über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Systeme erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen. Sie dürfen Kenntnisse über Tatsachen, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, nur für den in Satz 1 genannten Zweck verwenden. Eine Verwendung dieser Kenntnisse für andere Zwecke, insbesondere die Weitergabe an andere, ist nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge bezieht. Die Anzeigepflicht nach § 138 des Strafgesetzbuches hat Vorrang.

Die Beklagte ist aber kein €Diensteanbieter€ im Sinne des § 88 Abs. 2 TKG. Dies ergibt sich aus der Begriffsbestimmung des § 3 Ziffer 6 TKG. Danach ist

€Diensteanbieter jeder, der ganz oder teilweise geschäftsmäßig

a) Telekommunikationsdienste erbringt oder

b) an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt.€

Die Beklagte erbringt weder €geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste€ noch wirkt sie an der Erbringung solcher Dienste mit. Nach der Begriffsdefinition des § 3 Zif. 10 TKG ist

€geschäftsmäßiges Erbringen von Telekommunikationsdienste€ das nachhaltige Angebot von Telekommunikation für Dritte mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht€.

Der Beamte ist aber im Dienst, bei der Ausübung der ihm obliegenden Dienstaufgaben, im Verhältnis zu seinem Dienstherrn weder €Dritter€ noch erbringt der Dienstherr ihm gegenüber das nachhaltige Angebot von Telekommunikation. Der Dienstherr wirkt auch nicht an der Erbringung solcher Dienste mit. Der Dienstherr hat dem Beamten im vorliegenden Fall die Telekommunikationsanlage und ein mobiles Telefon ausschließlich zu dienstlichen Zwecken, als Hilfsmittel der Erfüllungen der dienstlichen Aufgaben zur Verfügung gestellt. Eine sonstiges Angebot zur Nutzung, insbesondere €als Dritter€ zu privaten Zwecken im Sinne eines €nachhaltigen Angebots von Telekommunikation€, besteht nicht.

Dies ergibt sich auch aus der Dienstanordnung des Polizeipräsidenten der Polizeidirektion L. über die Abwicklung von Telefongesprächen von Dienstapparaten und die Gebührenabrechnung für private Telefonate vom AJ. die der Beamte AK. unterzeichnet hat. Danach dient die Telekommunikationsanlage ausschließlich dienstlichen Zwecken. Private Telefonate von dienstlichen Telefonapparaten sind nur ausnahmsweise, in dringenden Fällen gestattet.

Die Ausnahmeregelung erfüllt nach ihrem Umfang und ihrer inhaltlichen Ausgestaltung nicht die Anforderungen eines €nachhaltigen Angebots von Telekommunikation€ im Sinne der Begriffsdefinition des TKG.

Die Überprüfung des dienstlichen Datenbestandes der Telekommunikationsanlage verletzt den Kläger auch im Übrigen nicht in seinem Recht auf Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 I GG). Das Recht der Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses, hinter dem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) als allgemeineres Recht zurück tritt, soweit sich die Schutzbereiche überschneiden (vgl. BVerfGE 100, 313 (358); 110, 33 (53)), ist eine besondere Ausprägung des Schutzes der Privatsphäre und soll jeder Gefahr für die Vertraulichkeit einer Mitteilung begegnen.

Eine durch den Dienstherrn, zur Erhärtung oder Entkräftung des Verdachts eines Dienstvergehens (§ 22 DiszG), in Übereinstimmung mit den Regelungen des Disziplinarrechts angeordnete, zeitlich und örtlich begrenzte Überprüfung des vorhandenen Datenbestandes der dienstlichen Telekommunikationsanlage, verletzt den Beamten nicht in unzumutbarer Weise in seinem Recht auf Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 I GG).

Die im Vorfeld der förmlichen Einleitung des Disziplinarverfahrens vorgenommene Anordnung der Überprüfung des dienstlichen Datenbestandes der dienstlichen Telekommunikationsanlage stand im Einklang mit den Regelungen des Disziplinarrechts und den ergänzenden Regelungen des Verwaltungsverfahrensrechts, so dass der Beamte ungerechtfertigte Verletzung seines Rechts auf Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 I GG) nicht mit Erfolg geltend machen kann.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung sind die Regelungen der §§ 4, 22, 25 NDiszG i.V.m. § 1 NVwVfG und § 40 VwVfG maßgeblich.

§ 22 NDiszG verpflichtet die Disziplinarbehörde im Rahmen der Aufklärung des Sachverhalts die belastenden und die entlastenden Umstände zu ermitteln. Nach § 25 Abs. 1 Zif. 1. NDiszG können im Rahmen der Ermittlungen u.a. schriftliche dienstliche Äußerungen eingeholt werden.

Bei der eingeholten Stellungnahme über den zurückliegenden Datenbestand der dienstlichen Telefonanlage handelt es sich um eine dienstliche Äußerungen im Sinne des § 25 Abs. 1 Zif. 1 NDiszG, denn die Äußerung steht im Zusammenhang mit dienstlichen Belangen der Dienstaufsicht und der Klärung (Erhärtung oder Entkräftung) des Verdachts eines Dienstvergehens nach § 85 NBG.

Die Anordnung der Überprüfung des Datenbestandes ist auch nicht ermessensfehlerhaft (§ 4 NDiszG i.V.m. § 1 NVwVfG und § 40 VwVfG).

Die Beklagte hat ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung der §§ 22, 25 Abs. 1 Zif. 1 NDiszG ausgeübt. Die Anordnung diente der Entkräftung bzw. Erhärtung der zum maßgeblichen Zeitpunkt bestehenden Vermutungen für das Vorliegen eines Dienstvergehens. Die Anordnung war auch nach Art und Umfang erforderlich, geeignet und angemessen. Sie war auf den vorhandenen Datenbestand über die zu- und abgehenden Telefonverbindungen zwischen dem dienstlichen Anschluss des Klägers und den bekannten Erreichbarkeiten der Person - A - und auf die Dauer des zurückliegenden Zeitraums von 90 Tagen beschränkt. Ein milderes Mittel, das zur Klärung des Sachverhalts ebenso geeignet war, ist nicht ersichtlich. Beklagte hat auch den Anforderungen des § 29 Abs. 2 Satz 2 NDiszG Rechnung getragen und den Kläger von dem Ergebnis der Überprüfung in Kenntnis gesetzt.

Entgegen der Auffassung des Klägers, war die Anordnung der Datenüberprüfung auch nicht deshalb fehlerhaft, weil keine €zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte€ im Sinne des § 18 NDiszG vorlagen, die den Verdacht eines Dienstvergehens und damit die Anordnung der Ermittlungen rechtfertigten.

Auf die Regelung des § 18 NDiszG, nach der die förmliche Einleitung des Disziplinarverfahrens voraussetzt, dass €zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte€ vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigten, kommt es hier nicht an.

Dies ergibt sich daraus, dass die Anordnung im Vorfeld der förmlichen Einleitung eines Disziplinarverfahrens, nämlich im Rahmen der Ermittlungen der Verwaltung, erfolgte. Die vorgelagerten Ermittlungen der Verwaltung dienen regelmäßig dazu, das Vorliegen €zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte€ für ein Dienstvergehen zu verdichten oder zu entkräften, um dadurch die abschließende Entscheidung über die Einleitung des Disziplinarverfahrens zu ermöglichen.

An die Zulässigkeit der Anordnung der Beweiserhebung im Rahmen der Verwaltungsermittlungen, die noch der allgemeinen Dienstaufsicht zuzurechnen sind, sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn konkrete Vermutungen vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. €Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte€ im Sinne des § 18 NDiszG sind nicht erforderlich, denn die Ermittlungen der Verwaltung dienen ja gerade dazu, die bloßen Vermutungen ggf. zu €zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten€ im Sinne des § 18 NDiszG zu verdichten, und damit die förmliche Einleitung des Disziplinarverfahrens zu rechtfertigen.

Dass an die Zulässigkeit der Anordnung der Beweiserhebung im Rahmen der Ermittlungen der Verwaltung geringere Anforderungen zu stellen sind, ergibt sich auch aus der gesetzlichen Begründung zu § 18 NDiszG.

In der LTDrs 15/1130 S. 1 ff. (59) zu § 18 NDiszG wird ausgeführt:

Durch die Neuregelung des § 18 Abs. NDiszG wird für die Einleitung des Disziplinarverfahrens an dem Legalitätsprinzip festgehalten.

Die neue Formulierung €liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor€ stellt gegenüber der alten Formulierung des § 26 Abs. 1 Satz 1 NDO €werden Tatsachen bekannt€ keine inhaltliche sondern nur eine sprachliche Änderung dar, die deutlich machen soll, dass der Verdacht eines Dienstvergehens hinreichend konkret sein muss und bloße Vermutungen nicht ausreichend sind.

Um Letztere eventuell konkretisieren zu können, sind nach wie vor so genannte €Verwaltungsermittlungen€ zulässig, bevor man sich entschließt ein Disziplinarverfahren einzuleiten.€

Entgegen der Auffassung des Klägers bedurfte es auch nicht einer gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Überprüfung/Übermittlung des Datenbestandes im Sinne des § 27 Satz 2 NDiszG.

Ein Fall des § 27 Satz 2 NDiszG, nach dem die oder der Vorsitzende der Disziplinarkammer auf Antrag u.a. über die Rechtmäßigkeit des Verlangens entscheidet, Aufzeichnungen jeder Art, die als Beweismittel für die Ermittlung von Bedeutung sein können, herauszugeben, wenn dem zuvor von der Disziplinarbehörde geäußerten Verlangen nicht entsprochen wurde, lag nicht vor.

Die Überprüfung des Datenbestandes der dienstlichen Telekommunikationsanlage bedurfte schließlich auch keiner gerichtlichen Anordnung nach §§ 100g, 100h StPO.

Die Regelungen der §§ 100g, 100h StPO finden keine Anwendung. Sie finden weder im Rahmen des förmlich eingeleiteten Disziplinarverfahrens Anwendung, noch sind sie im Rahmen der allgemeinen Verwaltungsermittlungen, die der Entlastung des Beamten oder der Konkretisierung des zureichenden Verdachts eines Dienstvergehens, im Vorfeld der förmlichen Einleitung des Disziplinarverfahrens (§ 18 NDiszG) dienen, anwendbar.

Nach § 3 Satz 1 Zif. 5 NDiszG finden nur die nur die Vorschriften der Strafprozessordnung Anwendung, auf die das Gesetz verweist, und das Gesetz enthält keinen ausdrücklichen Verweis auf die Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 100g, 100h StPO.

Anders als die am 01. Januar 2006 außer Kraft getretene Niedersächsische Disziplinarordnung (§ 25 NDO) sieht das am 01. Januar 2006 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des niedersächsischen Disziplinarrechts eine generelle Verweisung auf die ergänzende Anwendung der Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO), soweit sie der Eigenart des Disziplinarrechts nicht entgegenstehen, nicht vor.

Das Verfahren nach dem Gesetz zur Neuordnung des niedersächsischen Disziplinarrechts orientiert sich insgesamt, soweit das Gesetz keine eigenen, spezielleren Regelungen enthält, in Ergänzung an den Verfahren nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz und der Verwaltungsgerichtsordnung (vgl. § 4 NDiszG) und nicht an dem Verfahren nach der Strafprozessordnung.

Dies wird auch durch amtliche Begründung zu § 3 NDiszG (LTDrs 15/1130 S. 46 ff.) bestätigt. Dort wird ausgeführt:

€Durch die ergänzende Anwendung der in der Vorschrift genannten Gesetze wird das Disziplinarrecht von dem Strafverfahrensrecht weitgehend gelöst. Die bisherige Regelung des § 25 NDO, wonach die Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) ergänzend zur Anwendung kommen, ist letztlich ein Überbleibsel des früher in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Strafrecht geregelten Dienststrafrechts und wird den Anforderungen an ein modernes Dienstrecht nicht mehr gerecht. In der Praxis führt die Anwendung vieler strafverfahrensrechtlicher Vorschriften nicht selten zu Schwierigkeiten, die sich durch eigenständige, auf die spezifischen Erfordernisse des Disziplinarrechts zugeschnittene Verfahrensnormen sowie durch die Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung vermeiden lassen.

Auf die Bestimmungen der Strafprozessordnung wird in diesem Gesetz nur noch in denjenigen Einzelfällen verwiesen, in denen auf sie nach wie vor nicht verzichtet werden kann.

Dringt der Kläger mithin mit seinen Einwendungen nicht durch, so begegnet die Disziplinarverfügung auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken.

Der Kläger hat auch schuldhaft gehandelt.

Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgründe liegen nicht vor.

Die von dem Kläger im Termin der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Gründe für die Kontakte zu der Person - A - sind zwar nachvollziehbar und verständlich und lassen erkennen, dass sich der Kläger, auch nach der Übertragung der sachlichen Zuständigkeit für die Betreuung der Person - A -, noch in einer inneren Verantwortung für die Person gesehen hat. Diese Haltung des Klägers verdient auch Anerkennung, denn sie lässt erkennen, dass der Kläger auch die weiterreichenden Wirkungen und Folgen sieht, die die Tätigkeiten einer Kontaktperson für deren weitere Entwicklung, auch nach Beendigung des Zwecks des Kontaktes - mit sich bringen kann, und dass er bereit ist, die daraus resultierenden Verantwortung der Polizei für die nachsorgende Betreuung der Person, zu übernehmen. Gleichwohl musste der Kläger mit seiner Haltung - angesichts der uneingeschränkten Weisung, jeden Kontakt zur Person - A - zu unterlassen, im Interesse der Funktionsfähigkeit der Polizei zurückstehen. Seine innere Haltung hätte der Kläger ohne dienstlichen Verstoß z.B. dadurch Rechnung tragen können, dass er sich für eine erweiterte Nachsorge für die Kontaktperson über den nunmehr zuständigen Kontaktbeamten einsetzt oder im Wege der Remonstration eine anders gestaltete Nachsorge anregt. Er kann jedoch seine anerkennenswerte Haltung nicht über die Interessen der Polizei stellen, die nicht er, sondern die Polizei definiert.

Die von ihm vorgetragenen Gründe seines Handelns vermögen deshalb das Dienstvergehen nicht zu entschuldigen und führen auch bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme nicht zu einer anderen Beurteilung.

Die verhängte Disziplinarmaßnahme entspricht den Anforderungen des § 14 NDiszG. Die Gehaltskürzung in Höhe von 1/20 für die Dauer von 6 Monaten, die sich letztlich nach § 9 Abs. 6 NDiszG berechnet, ist nach ihrer zeitlichen Dauer und dem Anteil der Kürzung, unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalles, insbesondere der Schwere des Dienstvergehens, des bisherigen dienstlichen Verhaltens des Klägers und der vorangegangenen Disziplinarmaßnahme erforderlich, aber unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der dienstlichen Leistungen des Klägers auch ausreichend. Die Disziplinarkammer macht sich insoweit die Ausführungen der angegriffenen Disziplinarentscheidungen zu eigen, schließt sich ihnen an und sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 69 Abs. 1, 70, 71 NDiszG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 69 NDiszG i.V.m. § 167 VwGO und § 708 Nr. 11, 711 ZPO.






VG Hannover:
Urteil v. 19.07.2007
Az: 18 A 2484/06


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