Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Februar 2007
Aktenzeichen: 19 W (pat) 307/04

(BPatG: Beschluss v. 05.02.2007, Az.: 19 W (pat) 307/04)

Tenor

Das Patent 44 22 798 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten:

Patentansprüche 1 bis 13 und geänderte Beschreibung Spalten 1 bis 4, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 2007, Beschreibung Spalten 5 bis 7 und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Gründe

I Für die Anmeldung mit dem Anmeldetag 29. Juni 1994 hat das Deutsche Patent- und Markenamt ein Patent erteilt und die Erteilung am 23. Oktober 2003 veröffentlicht. Das Patent hat die Bezeichnung "Fehlbedienungssicherung für Fenster, Türen oder dergleichen".

Gegen das Patent haben die die Firmen A... AG in B... und C... GmbH in D... Einspruch erhoben. Beide Einsprechende haben den Einspruch vor der mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 2007 schriftlich zurückgenommen.

Der geltende, in der mündlichen Verhandlung übergebene (mit einer eingefügten Gliederung in Merkmalsgruppen unterteilte) Patentanspruch 1 lautet:

"Fehlbedienungssicherung (10) für Fenster, Türen, umfassend:

1a) einen am beweglichen Flügel (12) zwischen einer Freigabestellung und einer Sperrstellung beweglich gelagerten Hebel (24), 1b) dessen freies Hebelende mit einem Betätigungselement am Festrahmen (16) zusammenwirkt zur Bewegung des Hebels (24) aus der Sperrstellung bei geöffnetem Flügel (12) in die Freigabestellung bei geschlossenem Flügel (12), 2a) eine mit einem Kraftübertragungsglied, insbesondere einem Treibstangenelement (32), eines Beschlags, zusammenwirkende, mit dem Hebel (24) bewegungsverkoppelte Schaltsperren- Einheit, 2b) die in der Freigabestellung des Hebels (24) das Kraftübertragungsglied freigibt und die in der Sperrstellung des Hebels (24) das Kraftübertragungsglied bewegungsblockiert, 3) wobei die Fehlbedienungssicherung (10a; 10d) im Bereich zwischen dem beweglichen Flügel (12) und einem Vertikalholm (16a) des Festrahmens (16) angeordnet ist, 4) und das freie Hebelende in der Freigabestellung im wesentlichen vertikal nach unten weist 5) und sich auf dem Betätigungselement abstützt, 6) zur Aufnahme von Flügelkräften mit entsprechender Entlastung der übrigen Beschlagteile, 7) und wobei der Hebel (24) am beweglichen Flügel (12) schwenkbar gelagert ist."

Der nebengeordnete Anspruch 2 stimmt mit dem Anspruch 1 in den Merkmalen 1 bis 2b und 5 bis 7 überein. Die Merkmale 3 und 4 lauten:

"3) die Fehlbedienungssicherung (10b; 10c) im Bereich zwischen dem beweglichen Flügel (12) und einem oberen bzw. unteren Horizontalholm des Festrahmens (16) angeordnet ist, 4) und das freie Hebelende in der Freigabestellung in Richtung weg von einem oberen Drehlager (64a) des Beschlags bzw. in Richtung hin zu einem unteren Drehlager (64b) des Beschlags weist,"

Es soll das Problem gelöst werden, die Funktionssicherheit des mit der Fehlbedienungssicherung versehenen Beschlags auch nach langer Benutzungsdauer zu gewährleisten ohne merkliche Erhöhung des Herstellungs- und Montageaufwands (Patentschrift, Absatz 0005).

Die Patentinhaberin stellte den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:

Patentansprüche 1 bis 13 und geänderte Beschreibung Spalten 1 bis 4, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 2007, Beschreibung Spalten 5 bis 7 und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Gemäß § 147 Abs. 3 PatG in der letztgültigen Fassung vom 9. Dezember 2004 liegt die Entscheidungsbefugnis über die vor der Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG noch anhängigen Einsprüche bei dem hierfür zuständigen 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts.

Dieser hatte - wie in der Entscheidung in der Einspruchssache 19 W (pat) 701/02 (m. w. N.; vgl. BPatGE 46, 134) ausführlich dargelegt ist - aufgrund öffentlicher mündlicher Verhandlung zu entscheiden.

Gegenstand des Verfahrens ist das erteilte Patent.

Der Einspruch der Firma C... GmbH ist zulässig, wodurch das Ein- spruchsverfahren unabhängig von der Zulässigkeit des weiteren Einspruchs eröffnet wurde. Er hat auch insoweit Erfolg, als das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 13 beschränkt aufrechtzuerhalten war.

Der zuständige Fachmann ist ein Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Berufserfahrung in der Entwicklung von Tür- und Fensterbeschlägen.

1. Offenbarung und Zulässigkeit der geltenden Ansprüche Die Ansprüche 1 bis 13 sind ursprünglich offenbart.

Der gültige Anspruch 1 setzt sich zusammen aus den Merkmalen der erteilten Ansprüche 1 und 3, die den ursprünglichen Ansprüchen 1 entsprechen, sowie dem Merkmal 6) aus der Beschreibung in der Patentschrift Absatz 0007 bzw. Seite 3, letzter Absatz der ursprünglichen Beschreibung. Der Anspruch 2 setzt sich entsprechend aus dem erteilten Anspruch 2 mit dem in Bezug genommenen Oberbegriff des ursprünglichen Anspruchs 1, dem Anspruch 3 und dem Merkmal 6) zusammen. Die Ansprüche 3 bis 13 entsprechen den erteilten und ursprünglichen Ansprüchen 4 bis 14.

Die Ansprüche sind auch zulässig.

Die Merkmale 5) und 6) des Anspruchs 1 und 2 sind als Wirkungsangaben formuliert. Der Senat hat das zugelassen, denn zum Einen ist es kaum möglich die vielen Gestaltungsmöglichkeiten des Hebels und des Betätigungselements durch gegenständliche Merkmale abzudecken, zum Anderen prägt das Merkmal 6) in Verbindung mit Merkmal 5) die Gestalt des Hebels und des Betätigungselements in der Weise, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 für den Fachmann eindeutig definiert ist.

Die Ansprüche 12 und 13 beanspruchen - über die vorhergehenden Ansprüche hinaus - den mehrfachen Einsatz der Fehlbedienungssicherung. Es kann ihnen deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden.

2. Neuheit Die Fehlbedienungssicherung nach Anspruch 1 ist neu.

Die DE 77 36 045 U1 zeigt eine Fehlbedienungssicherung bestehend aus einem federnden Schwenkarm 10 mit einem Kulissenschlitz in dem sich ein mit der Treibstange 2 verbundener Flachzapfen bei Parallellage des Schwenkarms zur Stulpschiene verschieben lässt (Fig. 1 bis 6, S. 13, Abs. 3) oder bei geöffnetem Flügel gesperrt wird (S. 14, Abs. 2). Figur 7 zeigt eine Variante, bei der Vorsprünge 31, 32 am Schwenkarm 30 in den Bereich der Treibstange 2 mit Flachzapfen 29' eingreifen und in gleicher Weise die Treibstange sperren oder freigeben (S. 15) Damit ist in Übereinstimmung mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 bekannt eine:

Fehlbedienungssicherung (S. 7, Abs. 4)) für Fenster, Türen (Titel), umfassend:

1a) einen am beweglichen Flügel (S. 11 Abs. 1) zwischen einer Freigabestellung und einer Sperrstellung beweglich gelagerten Hebel 10, 30 (S. 14, Abs. 2, 3, S. 15), 1b) dessen freies Hebelende mit einem Betätigungselement 23 am Festrahmen zusammenwirkt (Fig. 3; 4) zur Bewegung des Hebels 10, 30 aus der Sperrstellung bei geöffnetem Flügel in die Freigabestellung bei geschlossenem Flügel (S. 14, Abs. 2), 2a) eine mit einem Kraftübertragungsglied, insbesondere einem Treibstangenelement 2 eines Beschlags, zusammenwirkende, mit dem Hebel 10; 30 bewegungsverkoppelte Schaltsperren-Einheit 9, 20 bzw. 21, 22, 29', 31, 32 2b) die in der Freigabestellung des Hebels 10; 30 das Kraftübertragungsglied 2 freigibt und die in der Sperrstellung des Hebels das Kraftübertragungsglied bewegungsblockiert (S. 14, Abs. 2 ,3, S. 15)

3) wobei die Fehlbedienungssicherung im Bereich zwischen dem beweglichen Flügel und einem Vertikalholm des Festrahmens angeordnet ist (Fig. 3; 4)

4) und das freie Hebelende in der Freigabestellung im wesentlichen vertikal nach unten weist (Fig. 5, S. 14, Abs. 3, S. 15 "Parallellage")

5) und sich auf dem Betätigungselement 23 abstützt (Fig. 3), 7) wobei der Hebel 10; 30 am beweglichen Flügel schwenkbar gelagert ist (S. 12, Abs. 2, 3).

Der Hebel 10, 30 stützt sich zwar in Übereinstimmung mit Merkmal 5) auf dem Betätigungselement (seitlich) ab, denn er liegt unter der Kraft der Feder 17 an der Anschlagplatte 23 an. Er ist jedoch als reiner Sicherungs- und Steuerhebel weder dazu vorgesehen, noch dafür geeignet, größere Kräfte, insbesondere die vom Flügelgewicht herrührenden, nach unten wirkenden Flügelkräfte mit entsprechender Entlastung der übrigen Beschlagteile nach Merkmal 6) aufzunehmen.

Die Fehlbedienungssicherung nach der DE 77 36 045 unterscheidet sich somit vom Gegenstand des Anspruchs 1 durch Merkmal 6).

Die DE 41 17 407 A1 zeigt einen Drehkippbeschlag mit einem Schwenkhebel 13, der bei geschlossenem Fenster vertikal nach unten weist und sich auf einem Betätigungselement 31 zur Aufnahme von Flügelkräften mit entsprechender Entlastung der übrigen Beschlagteile abstützt (Sp. 1, Z. 36 bis 42, Sp. 2, Z. 10 bis 23, 46 bis 54). Der Schwenkhebel 13 weist damit die Merkmale 3) bis 7) des Anspruchs 1 auf, ist jedoch kein Bestandteil einer - dort nicht vorgesehenen - Fehlbedienungssicherung.

Die weiteren noch im Verfahren befindlichen Druckschriften wurden in der mündlichen Verhandlung weder vom Senat noch von der Patentinhaberin aufgegriffen. Sie bringen auch keine neuen Gesichtspunkte, so dass auf sie nicht eingegangen zu werden braucht.

3. Erfinderische Tätigkeit Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Ausgehend von der Anordnung nach der DE 77 36 045 U1 mag es nahe liegen eine Abstützung gegen das einseitige Absenken des Flügels vorzusehen, denn derartige Abstützungen sind bei Türen und Fenstern in vielfältiger Form üblich. Der Fachmann mag auch dafür den Abstützhebel nach der DE 41 17 407 A1 in Betracht ziehen, wenn der Platz dafür ausreicht. Für eine Vereinigung der beiden Hebel gibt es jedoch keinen Anlass und keinen Hinweis. Auch die behauptete Ähnlichkeit der beiden Hebel erschließt sich nur in der Rückschau und beschränkt sich darauf, dass sie beide nach unten weisen. Ansonsten sind sie unterschiedlich, sowohl hinsichtlich ihrer Funktion, als auch hinsichtlich ihrer Gestaltung.

Der Erfinder haben nun erkannt, dass sie durch einen Hebel mit Doppelfunktion, nämlich einerseits als Sicherungshebel und andererseits als Abstützhebel eine einfache Konstruktion ohne merkliche Erhöhung des Herstellungs- und Montageaufwands erhält. Dafür gab es im Stand der Technik keinen Hinweis.

Um zur Vorrichtung nach Anspruch 1 zu kommen, bedurfte es somit erfinderischer Überlegungen.

Die Fehlbedienungssicherung nach Anspruch 2 unterscheidet sich von der nach Anspruch 1 dadurch, dass sie im Bereich zwischen dem oberen bzw unteren Horizontalholm und dem Fenster untergebracht ist. Für sie gilt die Beurteilung entsprechend, desgleichen für die Fehlbedienungssicherungen nach Anspruch 12 und 13.

4. Die Ansprüche 1, 2, 12 und 13 sind somit rechtsbeständig.

Damit sind auch die Ansprüche 3 bis 11 rechtsbeständig.






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Az: 19 W (pat) 307/04


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