Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juli 2010
Aktenzeichen: 19 W (pat) 1/07

(BPatG: Beschluss v. 28.07.2010, Az.: 19 W (pat) 1/07)

Tenor

Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 02 K des Deutschen Patentund Markenamts vom 19. September 2006 wird aufgehoben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hauptantrag sowie geänderte Bezeichnung und angepasste Beschreibung, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, 6 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 15, vom Anmeldetag 22. April 2003.

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse H 02 K -hat die am 22. April 2003 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 19. September 2006 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegendstand des Patentanspruchs gegenüber dem Stand der Technik nicht erfinderisch sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht. Sie beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 02 K des Deutschen Patentund Markenamts vom 19. September 2006 aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hauptantrag sowie geänderte Bezeichnung und angepasste Beschreibung, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, 6 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 15, vom Anmeldetag 22. April 2003.

Die Anmelderin vertritt die Ansicht, der Gegenstand der gültigen Ansprüche sei gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu und erfinderisch. Die Verhältnisse bei der nachgewiesenen Teppichunterlage sowie auch bei den weiteren Beispielen einer rutschfesten Schicht aus der allgemeinen Lebenserfahrung seien verschieden von denen bei einem Linearmotor. So könne ein Wellenberg zwar bei einem Teppich, aber nicht bei einer Abdeckung eines Linearmotors auftreten. Keines der genannten Beispiele betreffe einen durch Magnetkraft fixierten Gegenstand. Beim Anmeldungsgegenstand komme es außerdem besonders auf die Beständigkeit gegen Rüttelkräfte an.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat mit dem geänderten Patentbegehren Erfolg.

1. Die Anmeldung bezieht sich auf Linearmotoren, deren Sekundärteil abgedeckt ist. Um bei der Gestaltung verschieden langer Linearmotoren flexibel zu sein, sind der Beschreibung zu Folge die Sekundärteile vorteilhaft aus kürzeren Sekundärteilelementen aufgebaut, die bis zur gewünschten Länge aneinandergereiht werden.

Die dabei entstehenden Stoßfugen seien allerdings nachteilig, da sich Staub, Betriebsflüssigkeiten, aggressive Stoffe etc. darin sammeln könnten.

Um dies zu vermeiden sei es üblich, die Laufbahn mit einer Abdeckung zu versehen, wobei die Abdeckung normalerweise als Kunststoff-Folie ausgebildet sei, die auf die Laufbahn des Sekundärteils aufgeklebt werde.

Aus der WO 00/30240 A1 sei ein Linearmotor bzw. ein Sekundärteil eines Linearmotors bekannt, bei dem eine magnetisierbare Abdeckung die Lauffläche des Sekundärteils schütze, so dass die Abdeckung an den dauermagnetischen Sekundärteilelementen hafte. Die magnetische Sekundärteilabdeckung bei einem Linearmotor könne sich im Betrieb in Folge von Verschmutzung bzw. Fremdkörpern zwischen Primärteil und Sekundärteil verschieben, da die Haftreibung zwischen Abdeckung und Sekundärteil nicht groß genug sei.

Dementsprechend liege der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein Sekundärteil für einen Linearmotor und einen Linearmotor anzugeben, bei dem die Abdeckung der Lauffläche des Sekundärteils an diesem besser hafte (S. 3, Abs. 2 der geltenden Beschreibung).

Dieses Ziel werde erreicht, indem zum Einen eine rutschhemmenden Schicht vorgesehen und zum Anderen die Abdeckung seitlich abgebogen werde, so dass sie das Sekundärteil besser vor Verschmutzung schützt.

Der gültige Anspruch 1 (mit einer für diesen Beschluss eingefügten Nummerierung) beschreibt das wie folgt:

"Sekundärteil (2) für einen Linearmotor (1), a) welches zumindest ein Sekundärteilelement (3,4,5), das eine Laufbahn (6) für einen Läufer (8) des Linearmotors (1) definiert, b) und eine Abdeckung (12), welches magnetisierbares Material für die Laufbahn (6) aufweist, c) wobei das Sekundärteil (2) zwischen dem Sekundärteilelement (3,4,5) und der Abdeckung (12) eine rutschhemmende Schicht (14)

c1) einer Dicke von bis zu 0,2 mm aufweist, d) wobei die Abdeckung (12) ein magnetisches Abdeckblech ist, welches seitlich abgebogen ist, und so das abgedeckte Teil seitlich überlappt, e) wobei das Sekundärteilelement (3,4,5) Dauermagnete als Magnetelemente (22) aufweist, f) wobei die rutschhemmende Schicht (14) an der Abdeckung (12) anhaftet, g) wobei die die Abdeckung (12) einstückig aus magnetisierbarem Material bestehth) und wobei die Abdeckung (12) eine Dicke von weniger als 0,5 mm aufweist."

2.

Für diesen Sachverhalt ist der Fachmann ein Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik / Elektromaschinenbau, der über Berufserfahrung in der Entwicklung von Linearmotoren verfügt.

3.

Der Anspruch 1 nach Hauptantrag ist patentfähig (§ 1 Abs. 1 PatG).

3.1 Einige Merkmale des Anspruchs 1 bedürfen der Erörterung:

Das mit Dauermagneten versehene Sekundärteil (Merkmal e) definiert nach Merkmal a) eine "Laufbahn" für einen Läufer (8), wobei die Abdeckung magnetisierbares Material für die "Laufbahn" aufweist. Dem Fachmann ist dabei klar, dass die Abdeckung den Luftspalt des Linearmotors begrenzt, in dem keine Rollen oder ähnliches auf einer Laufbahn abrollen. Die Führung und Lagerung ist bei Linearmotoren regelmäßig außerhalb des Luftspalts angeordnet. "Laufbahn" versteht der Fachmann also im vorliegenden Fall als eine Fläche, die parallel zur Bewegungsrichtung verläuft und den Abstand (Luftspalt) zum Läufer definiert. Mit der Nennung des Läufers ist auch festgelegt, dass das Sekundärteil der ortsfeste Ständer ist.

Unter einem magnetischen Abdeckblech (Merkmal d) versteht der Fachmann ein Blech aus magnetisierbarem, also weichmagnetischem Material (Merkmal b, g) -im Unterschied zu den hartmagnetischen Dauermagneten nach Merkmal e). Unter dem "abgedeckten Teil" versteht der Fachmann die Sekundärteilelemente (3,4,5).

3.2 Der Anspruch 1 ist ursprünglich offenbart (§ 38 PatG).

Der gültige Anspruch 1 setzt sich aus den Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 1, 2, 10 und 11, sowie Merkmalen aus der Beschreibung, Seite 10, Zeile 18 bis 20 und 25 bis 30, zusammen. Die Ansprüche 2 bis 7 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 4 bis 7, 12 und 13.

3.3 Die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 ist neu (§ 3 PatG):

Die WO 00/30240 A1 zeigt einen Linearmotor mit einem magnetisierbaren Abdeckstreifen 40, der ohne Zwischenlage, allein durch die Wirkung der Magnetelemente am Sekundärteil haftet (Anspruch 2), und so einfach angehoben und ausgetauscht werden kann (S. 2/3 seitenübergreifender Abs.). Mit den Worten des Anspruchs 1 ist daraus bekannt ein:

Sekundärteil für einen Linearmotor, a) welches zumindest ein Sekundärteilelement 80, das eine Laufbahn (S. 7, Abs. 4) für einen Läufe (70) des Linearmotors definiert (S. 7, Abs. 2), b) und eine Abdeckung 40, welches magnetisierbares Material für die Laufbahn aufweist (S. 6, le. Abs.), e) wobei das Sekundärteilelement 80 Dauermagnete 30 als Magnetelemente aufweist (S. 6, vorletzter Abs.), g) wobei die die Abdeckung 40 einstückig aus magnetisierbarem Material besteht (S. 4, Abs. 2; S. 7, Abs. 5)

h) und wobei die Abdeckung 40 eine Dicke von weniger als 0,5 mm aufweist (S. 4, Abs. 2).

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 ist dort keine gesonderte rutschhemmende Schicht vorgesehen, und die Abdeckung 40 ist streifenförmig ohne seitliche Abbiegung ausgeführt.

Die DE 195 01 938 A1 zeigt eine haubenförmige Abdeckung 8 für den Sekundärteil eines Linearmotors, also ein magnetisches Abdeckblech (Anspruch 10), welches seitlich abgebogen ist und so das abgedeckte Teil seitlich überlappt (Fig. 3, Sp. 2, Z. 37 bis 39). Aus ihr sind somit die Merkmale a), b), d), e), und g) des Anspruchs 1 bekannt.

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 ist dort keine rutschhemmende Schicht vorgesehen. Dort ist die Abdeckhaube mit Schrauben oder Nieten an der Rückplatte befestigt (Sp. 2, Z. 44 bis 49).

Die DE 41 10 738 A1 belegt das allgemeine Fachwissen um rutschhemmende Schichten. Darüber hinausgehend hat sie keine Berührungspunkte mit dem Gegenstand des Anspruchs 1.

3.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).

Ausgehend von dem Linearmotor nach WO 00/30240 A1 hat der Fachmann Anlass, auf eine bessere Haftung zu achten, denn auf die Bedeutung einer rutschfesten Verbindung wird ausdrücklich hingewiesen (S. 7, le. Abs). Die besondere Bedeutung ergibt sich auch dort durch die Verwendung eines Maßstabs auf der Abdeckung (Anspruch 1). Der Senat sieht es deshalb als nahegelegt an, dann eine gesonderte rutschhemmende Schicht vorzusehen, wenn die Haftung anderweitig nicht sichergestellt werden kann, denn solche Schichten rechnet der Senat dem allgemeinen Fachwissen zu. Es mag auch sein, dass er zum Schutz gegen Verschmutzung daran denkt, die Abdeckung haubenförmig zu gestalten, wie das in der DE 195 01 938 A1 vorgesehen ist, die auch in der WO 00/30240 A1 erwähnt ist (S. 2, Abs. 4).

Nach Überzeugung des Senats wird er aber dabei schnell feststellen, dass er damit die Vorteile eines nur magnetisch festgehaltenen, leicht auswechselbaren Magnetstreifens wieder verliert, und somit die in der WO 00/30240 A1 gestellte Aufgabe nicht mehr lösen kann. Diese Haube umschließt nämlich dann das Sekundärteil vollständig, und hat eine in sich steife, kastenförmige Gestalt mit allseitigen Seitenwänden, die über die gesamte Höhe des Sekundärteils bis zur Rückplatte reichen und dort mit dieser verschraubt oder vernietet sind. Eine rutschhemmende Schicht wäre dann auch wirkungslos. Der Fachmann wird deshalb diese Möglichkeit -insbesondere im Zusammenhang mit einer rutschhemmenden Schicht -wieder verwerfen.

Selbst wenn der Fachmann auf die in der DE 195 01 938 A1 vorgesehene Verschraubung oder Vernietung verzichten, und statt dessen auf eine magnetische Halterung setzen würde, was bei dem nach dortigem Anspruch 10 verwendeten magnetisierbaren Material grundsätzlich möglich wäre, ließe sich die Haube nicht einfach anheben, wie in der WO 00/30240 A1 gefordert. Es müsste nämlich dann die Wirkung aller Magneten gleichzeitig überwunden werden, nicht immer nur die Wirkung eines einzelnen Magneten wie beim Anheben einer bandförmigen Abdeckung (WO 00/30240 A1, S. 8, Abs. 1).

Erst die besonders dünne Auslegung nach dem geltenden Anspruch 1, Merkmale c1) und h) gibt dem Fachmann die in Figur 14 und 15 gezeigte Möglichkeit, auch eine seitlich abgebogene Abdeckung bandförmig zu gestalten, so dass sie genügend flexibel ist, um von einer Seite her -wie in der WO 00/30240 A1 (S. 8, Abs. 1) beschrieben und in Figur 2 der Anmeldung gezeigt -Magnet für Magnet abgezogen zu werden. Für die Gesamtheit der im geltenden Anspruch 1 beanspruchten Merkmale gab es im Stand der Technik keinen Hinweis.

4. Mit dem patentfähigen Anspruch 1 sind auch die auf ihn rückbezogenen Ansprüche 2 bis 6 patentfähig. Auch der Linearmotor nach Anspruch 7 weist ein Sekundärteil nach Anspruch 1 auf und ist aus den gleichen Gründen patentfähig.

Bertl Kirschneck Dr. Kaminski Dr. Scholz Pü






BPatG:
Beschluss v. 28.07.2010
Az: 19 W (pat) 1/07


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