Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Juni 2001
Aktenzeichen: 32 W (pat) 237/99

(BPatG: Beschluss v. 20.06.2001, Az.: 32 W (pat) 237/99)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenabteilung 3.4. - vom 18. November 1998 aufgehoben.

Die Löschungsanträge werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 26. Juli 1996 für Nahrungsmittel (nicht für medizinische Zwecke)' im wesentlichen aus Getreideerzeugnissen und/oder Kohlenhydraten hergestellt, auch unter Zusatz von Mineralstoffen, Vitaminen und Spurenelementen, sämtliche der zuvor genannten Waren insbesondere in Riegelform hergestellt und vorzugsweise für Sportler; Kohlenhydrate, insbesondere in Pulverform, auch als diätetische Lebensmittel; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte, sämtliche der vorgenannten Waren insbesondere unter Zusatz von Kohlenhydraten; Sirupe und andere Präparate, insbesondere Kohlenhydrate, vorzugsweise in Pulverform, für die Zubereitung von Getränkenangemeldete Wortmarke CARBO wurde am 15. November 1996 unter der Nummer 396 32 706 eingetragen und am 12. November 1998 auf den Antragsgegner umgeschrieben.

Die Antragsteller haben Antrag auf Löschung gestellt.

Die Markenabteilung 3.4. hat mit Beschluss vom 18. November 1998 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet und dazu ausgeführt, beachtliche Verkehrskreise würden CARBO im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren als rein beschreibenden Hinweis auf einen für das angesprochene Publikum wesentlichen lnhaltsstoff auffassen. Da im Bereich Sport und Fitness Kohlenhydrate sowie die englische Sprache eine bedeutende Rolle spielten, sei dem angesprochenen Publikum die englische Bezeichnung "carbohydrate" bekannt. Die Abkürzung CARBO sei bereits zum Zeitpunkt der Eintragung schutzunfähig gewesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners Er macht geltend, die Antragsteller zu 2 müssten ihren Auftraggeber offenbaren, damit er prüfen könne, ob der Löschungsantrag nicht treuwidrig sei.

CARBO sei schutzfähig. Es werde nur als Vorsilbe oder als Wortbestandteil mit verschiedensten Bedeutungen verwendet, wobei die lateinische Bedeutung "Kohle" im Vordergrund stehe. Der Verkehr entnehme dem alleinstehenden CARBO daher nicht die von der Markenabteilung angenommene Bedeutung. Fachliteratur und Lexika zeigten keine solche Verwendung. Dagegen zeigten die vorgelegten Unterlagen der Antragstellerin zu 1 eine Verwendung als Kenn- und Merkwort. Dabei werde jeweils erklärt, dass es sich um kohlenhydrathaltige Produkte handle; dies gehe also nicht schon aus dem markenmäßig verwendeten Wort CARBO hervor.

Es habe keinen Anlass gegeben, die in einem anderen Rechtsstreit im Juni 1996 vorgelegte Liste auf den Begriff CARBO hin zu überprüfen; daher liege keine Bösgläubigkeit vor. Bereits im April 1996 habe die Rechtsvorgängerin des Markeninhabers ein mit "CARBO MAX" gekennzeichnetes Produkt auf einer Messe angeboten; dabei habe ihr Patentanwalt zur Anmeldung von CARBO und/oder CARBO MAX geraten.

Der Antragsgegner beantragt, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und die Löschungsanträge zurückzuweisen.

Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragstellerin zu 1) macht geltend, die angesprochenen Verkehrskreise verwendeten den Begriff CARBO als beschreibende Warenbezeichnung. Im Sport- und Fitnessbereich seien zunehmend englische Ausdrücke die Regel. CARBO sei eine von "carbohydrate" abgeleitete Bezeichnung. Sie werde in erheblichem Umfang für Nahrungsergänzungsmittel und Getränkepräparate von verschiedenen Herstellern verwendet. Die als CARBO PLUS, CARBO PLEX (2000/+) etc beworbenen Produkte seien alle kohlenhydrathaltige Nahrungsmittel. Dies müsse nur aus rechtlichen Gründen auf den Produkten erläutert werden und nicht, weil CARBO sonst nicht verständlich wäre.

Ferner sei die Anmeldung in Kenntnis der Vorbenutzung durch die Antragstellerin zu 1 - also bösgläubig - erfolgt. Im Mai 1996 habe sie die spätere Anmelderin wegen der Verwendung einer anderen Bezeichnung abgemahnt. Mit der Klageschrift habe sie ihr eine Bestellliste vom Dezember 1995 übermittelt, die auch die Produkte CARBO PUR, CARBO PLUS und CARBO ENERGIZER enthalten habe. Diese Liste sei spätestens am 19. Juni 1996 zugestellt worden. Erst danach - und nicht schon auf den Rat des Anwalts hin - sei die Marke angemeldet worden.

Die Antragstellerin legte ein Gutachten eines Sachverständigen für Sportlernahrung vom 12. März 1997 vor, in dem es heißt, Produktnamen, die mit carbo begännen und seit 10 Jahren branchenüblich seien, wiesen auf einen besonderen Gehalt an Kohlenhydraten hin. CARBO sei vom englischen "carbohydrates" abgeleitet.

Die Antragsteller zu 2 machen geltend, jedermann könne einen Löschungsantrag stellen. Auf dem einschlägigen Gebiet sei CARBO die Kurzbezeichnung für Kohlenhydrate und niemals für Kohle. Die Verwendungsbeispiele belegten ein Freihaltungsbedürfnis.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und hat in der Sache Erfolg, weil CARBO im Zeitpunkt der Eintragung schutzfähig und die Zeichenanmeldung nicht bösgläubig war.

Der Antragsgegner kann sich allerdings nicht schon darauf berufen, der Löschungsantrag zu 2) sei unzulässig. Da gegenüber einem solchen Antrag in der Person des Antragstellers begründete privatrechtliche Einreden, wie Rechtmissbrauch oä, nicht geltend gemacht werden können (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 54 Rdn 4), bestehen im vorliegenden Verfahren keine Bedenken bezüglich der Zulässigkeit des Antrags der Antragsteller zu 2), auch wenn deren Auftraggeber unbekannt sind.

Nach §§ 50, 54 Abs 1 MarkenG ist eine eingetragene Marke zu löschen, wenn sie entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden ist und das Eintragungshindernis noch im Zeitpunkt der Entscheidung fortbesteht.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Senat konnte nicht feststellen, dass CARBO zum Zeitpunkt der Eintragung die Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) fehlte.

Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer aufgefasst zu werden. Bereits eine geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl BGH MarkenR 2000, 48 - Radio von hier; 2000, 50 - Partner with the Best).

Die Verwendung von CARBO als im Vordergrund stehende Sachangabe für die in Rede stehenden Waren zum Zeitpunkt der Eintragung ist nicht nachweisbar. Es sind keine Belege dafür auffindbar, dass CARBO etwa als Sachhinweis auf lnhaltsstoffe (Kohlenhydrate) verwendet wurde. Zum damaligen Zeitpunkt haben englische Lexika "carbo" lediglich als "combining form" in Wortzusammensetzungen, wie carbohydrate, carbonate, angegeben. Als Abkürzung für carbohydrate findet sich carbon, aber nicht carbo (vgl zB Collins Dictionary of the English Language, London 1979; Leitzmann/Dauer, Dictionary of Nutrition, 1996; Webster's Encyclopedic Unabridged Dictionary of the English Language, New York 1989). Dies gilt ebenso für deutsche Lexika (vgl Lück, Großwörterbuch des Lebensmittelwesens Englisch-Deutsch, Hamburg 1990; Herrmann, Dr.Oetker Lexikon Lebensmittel und Ernährung, Bielefeld 1989; Täufel ua, Lebensmittellexikon, Hamburg 1993 und 1998).

Erst Jahre nach der Eintragung finden sich in Encarta World English Dictionary (Bloomsbury 1999) die Begriffe "carbo" und "carboloading" als Slang für carbohydrate (loading).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von den Antragstellern vorgelegten Gutachten, das ohne Belege eine solche Verwendung seit zehn Jahren behauptet, und ebenso nicht aus den von den Antragstellern vorgelegten Nachweisen einer Verwendung. Sie stammen zum Großteil aus dem Jahr 1999 und später.

Der einzige Nachweis, der wegen der Angabe des Anzeigenschlusses für die Sportrevue am 12. März 1996, auf die Zeit vor der Anmeldung datierbar ist, nennt neben einer Reihe anderer Präparate: CarboEnergizer 1200 g, 29,90 DM. Ebenso wie dieser Nachweis zeigen auch die undatierten nur eine markenmäßige Verwendung - oft mit erklärenden Zusätzen (zB: CARBO ENERGIZER Kohlehydrat-Hydrolysat; CARBO PLUS/PUR reines Kohlehydrat-Hydrolysat; US-5/6 CARBO PLEX komplexe Kohlenhydrate; CARBO PLUS Kohlenhydrat-Konzentrat; CARBO LOAD ist ein Hydrolysat aus komplexen Kohlenhydraten). Aus gebräuchlichen Markenwörtern kann aber nicht darauf geschlossen werden, dass es sich um Gattungsbegriffe handelt, sondern eher auf das Gegenteil.

Auch der Markenstand zum Zeitpunkt der Eintragung weist in diese Richtung. 1977 wurde CARBO für Kohlensäure im Lebensmittelbereich eingetragen (DT00977275) und sogar noch 1997 (DE39749408) für Getränke. 1990 wurden CARBO ÖKOTECH und CARBO BIOTECH geschützt (vgl BPatG Beschluss vom 23. Februar 1996, 32 W (pat) 193 und 194/95). 1996 finden sich neben der streitgegenständlichen Marke auch die Kombinationen CARBO ENERGY (DE39648147), CARBO KICK (DE39648146) sowie CARBO POWER (DE39545454) und zwar alle für Sportlernahrung. Hierfür wurde noch 1999 CARBO TABS (DE39979911) eingetragen. Die meist nicht kennzeichnungskräftigen Zusätze zeigen, dass CARBO nicht als schutzunfähiger Gattungsbegriff angesehen wurde.

Damit fiel die angegriffene Marke auch nicht unter die Angaben iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG.

Auch eine Löschung wegen Bösgläubigkeit gemäß § 54 Abs 1, § 50 Nr 4 ist nicht gerechtfertigt. Davon wäre auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt wäre. Der Anmelder eines Kennzeichens handelt jedoch nicht schon deshalb unlauter, weil er weiß, dass ein anderer dasselbe Zeichen für gleiche Waren benutzt ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, weil das Markenrecht eine Vorbenutzung nicht schützt.

Die Erwirkung der Markeneintragung ist etwa dann sittenwidrig, wenn der Markeninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder ähnliche Waren die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen eintragen lässt (BGH GRUR 1998, 412, 414 - Analgin; 1998, 1034, 1036 f - Makalu).

Sowohl die Antragsteller als auch die Markeninhaberin hatten Bezeichnungen mit dem Bestandteil CARBO benutzt, bevor es zu der streitgegenständlichen Eintragung kam. Die Markenanmelderin hatte also bei der Anmeldung ein Interesse am Schutz eigener Bezeichnungen. Es kann ohne konkrete Anhaltspunkte nicht unterstellt werden, dass die Anmeldung allein in der Absicht geschah, Konkurrenten zu behindern (vgl BGH GRUR 2001, 242 - Classe E).

Zwischen der Anmelderin und den Antragstellern bestand - soweit erkennbar - auch kein Vertrauensverhältnis, das einer Anmeldung von CARBO entgegengestanden wäre.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Winkler Sekretaruk Dr. Albrecht Ju






BPatG:
Beschluss v. 20.06.2001
Az: 32 W (pat) 237/99


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