Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 16. November 2007
Aktenzeichen: 22 K 3808/03

(VG Köln: Urteil v. 16.11.2007, Az.: 22 K 3808/03)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Seine Mitglieder sind Unternehmen, die Postdienstleistungen, insbesondere Express- und Kurierdienst erbringen.

Mit Beschluss vom 26.Juli 2002 fasste die damalige Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (heute Bundesnetzagentur, im folgenden BNA genannt) im Wege der sogenannten Price-Cap-Regulierung gegenüber der Beigeladenen bestimmte Postdienstleistungen in drei Körben zusammen und legte die Maßgrößen fest. Die hiergegen von der Klägerin erhobene Klage wurde mit inzwischen rechtskräftigem Urteil der Kammer vom 15. Juli 2003 - 22 K 7392/02 - abgewiesen. Am 29. August 2002 beantragte die Beigeladene die Genehmigung der konkreten Entgelte auf der Grundlage des Beschlusses vom 26. Juli 2002. Mit Beschluss vom 12. September 2002 genehmigte die BNA die Entgelte für Postdienstleistungen für den Zeitraum vom 01. Januar bis 31. Dezember 2002. Der Beschluss wurde am 02. Oktober 2002 im Amtsblatt der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post Nr. 19/2002 veröffentlich.

Der Kläger hat am 20. Juni 2003 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, der Beschluss der BNA greife in seine Rechte ein. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PostG sei drittschützend. Das darin enthaltene Aufschlagsverbot schütze auch die Kunden der Beigeladenen. Zudem sei eine zivilgerichtliche Überprüfung der Entgelte nicht möglich: § 315 BGB sei nicht auf Fälle öffentlich rechtlicher Preisgenehmigung anzuwenden, weil ein von der Genehmigung abweichendes Entgelt nichtig sei. Diese Folge sei aber in § 23 Abs. 2 PostG angeordnet.

Der Beschluss sei schon deshalb rechtlich fehlerhaft, weil der zugrundeliegende Beschluss vom 26. Juli 2002 rechtswidrig sei. Statt der Zusammenfassung in Körben hätten Einzelgenehmigungen erteilt werden müssen. Die PEntgV finde im PostG keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage. Außerdem lägen die Voraussetzungen der Korbbildung nicht vor. Er fehle an Wettbewerbern auf den Postmärkten. Die Korbbildung setze die Feststellung der Einzelkosten voraus. Die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung seien jedoch nicht ermittelt worden. Die Entgeltgenehmigung des Bundesministers für Post und Telekommunikation vom 11. April 1996 dürfe nicht zugrunde gelegt werden. Sie sei 2000 ausgelaufen. Die Verlängerung durch die BNA sei rechtswidrig. Deshalb habe das Gericht darüber Beweis zu erheben, aufgrund welcher Unterlagen der angefochtene Beschluss gefasst worden sei. Insbesondere seien zur Feststellung der Kosten der Postdienstleistungen die Umsatz- und Absatzzahlen erforderlich.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 12. September 2002 aufzuheben, hilfsweise, festzustellen, dass der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 12. September 2002 rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, § 20 Abs. 2 PostG sei nicht drittschützend, der Kläger könne daraus keine Rechte herleiten. Außerdem sei der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 26. Juli 2002 über die Bildung der Körbe und Maßgrößen unanfechtbar geworden. Der Vortrag dazu sei deshalb unerheblich.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klage für verwirkt. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass der Beschluss der BNA vom 12. September 2002 nicht mehr angefochten würde. So habe sie keine Rücklagen gebildet für den Fall einer Aufhebung des Beschlusses. § 21 Abs. 2 PostG schütze nicht Kunden der Beigeladenen. Nr. 1 diene ausschließlich der Ordnung des Wettbewerbsmarkts. Auch der Erschwinglichkeitsmaßstab sei nicht verletzt.

Hinsichtlich des Sachverhalts im übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 VwGO, nicht die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Der angefochtene Beschluss der BNA hat sich nämlich nicht durch Zeitablauf erledigt. Zwar setzte er die Entgelte für Postdienstleistungen nur für den Zeitraum eines Jahres fest. Doch ist er darüber hinaus Rechtsgrund dafür, dass die gezahlten Entgelte der Beigeladenen auch zustehen. Dies folgt aus § 23 Abs. 2 PostG. Nach dieser Vorschrift sind Verträge über Postdienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthalten, mit der Maßgabe wirksam, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts tritt. Hätte die Klage Erfolg, so führte dies zu einer neuen Entgeltregulierung durch die BNA mit der Folge, dass in den Verträgen zwischen der Beigeladenen und ihren Kunden die neuen Entgelte an die Stelle der bisher vereinbarten Entgelte träten. Wären die neuen Entgelte niedriger, so entfiele der Rechtsgrund für bisher geleistete überschießende Entgelte.

Der Kläger ist auch klagebefugt. Zwar ist er nicht Adressat der Entgeltgenehmigung. Doch kann der angefochtene Beschluss in Rechte des Klägers eingreifen. Denn der Kläger kann sich auf einen möglichen Eingriff in Artikel 2 Abs. 1 GG berufen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung zur behördlichen Genehmigung von Entgelten wiederholt eine Befugnis der einzelnen Kunden, die Genehmigungen anzufechten, verneint. Zur Begründung hat es dabei entweder ausgeführt, es sei jeweils auch eine Umsetzung notwendig, oder es wurde darauf hingewiesen, die Genehmigung berechtige den Adressaten zwar zur Erhebung des (erhöhten) Entgelts, verpflichte ihn dazu aber nicht,

vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. Februar 1994 - 1 C 24.94-, BVerwGE 95,133, 135, Urteil vom 10. Oktober 2002 - 6 C 8.01 -, BVerwGE 117, 97.

Abweichendes gilt jedoch dann, wenn sich die Genehmigung unmittelbar auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Kunden und der Beigeladenen auswirkt und es weder eines privatrechtlichen Umsetzungsaktes bedarf noch für die Beteiligten irgendeinen Gestaltungsspielraum besteht. In solchen Fällen kann sich die Klagebefugnis gem. § 42 Abs. 2 VwGO aus Art. 2 Abs. 1 GG ergeben, denn diese Bestimmung gewährleistet auch die Freiheit, bei der Inanspruchnahme von Leistungen den Inhalt von Vergütungsvereinbarungen mit der Gegenseite auszuhandeln.

Eine unmittelbare Auswirkung auch gegenüber Kunden der Beigeladenen, wie dem Kläger, ist bei dem angefochtenen Beschluss anzunehmen. Dies folgt aus der Bestimmung des § 23 Abs. 2 PostG, wonach Verträge über Postdienstleistung, die andere als die genehmigten Entgelte enthalten, mit der Maßgabe wirksam werden, dass das genehmigte Entgelt in die Stelle des vereinbarten Entgelts tritt, und die Verträge unwirksam sind, wenn es an einem genehmigten Entgelt fehlt, obwohl dieses nach § 19 PostG genehmigungsbedürftig ist. Danach steht den Vertragsparteien keinerlei Gestaltungsspielraum zu. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht bisher nicht entschieden, ob der einzelne Kunde bei unmittelbarer Wirkung der Genehmigung stets die Klagebefugnis hat, um gegen für ihn relevante genehmigte Tarife zu klagen. Eine Klagebefugnis ist aber jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Kunde - wie hier der Kläger - geltend macht, dass es an einer der Verfassung entsprechenden gesetzlichen Einschränkung der Privatautonomie fehle,

vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. Dezember 1995 - 3 C 34.94, BVerwGE 100, 234.

Hinzu kommt, dass eine Überprüfung der Entgelte durch die Zivilgericht ausgeschlossen ist. Hierzu hat der Bundesgerichtshof,

vgl. Urteil vom 14.06.2007 - I ZR 125/04, zitiert nach Juris,

ausgeführt, "bei Tarifen für Leistungen der Daseinsvorsorge, auf deren Inanspruchnahme der andere Teil im Bedarfsfall angewiesen ist, kommt eine Billigkeitskontrolle im Sinne von § 315 Abs. 3 BGB grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn die Tarife behördlich genehmigt sind. Abweichendes gilt jedoch dann, wenn ein privatautonomer Spielraum des Leistungserbringers fehlt, weil Verträge mit Preisvereinbarungen, die von genehmigten Tarifen abweichen, nichtig sind. Nach § 23 Abs. 2 PostG sind Verträge im Falle der Vereinbarung abweichender Entgelte zwar nicht nichtig. Die Genehmigung hat aber hier eine vergleichbare Wirkung, da bei abweichenden Vereinbarungen die genehmigten Entgelte als vereinbart gelten. Damit hatte (der Vertragspartner) keinen Handlungs- und Gestaltungsspielraum. Dementsprechend scheidet im Streitfall eine Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB aus." Dem schließt sich die Kammer an.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Der angefochtene Beschluss verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ob er im Übrigen rechtmäßig ist, kann deshalb dahinstehen.

Ein subjektives Recht des Klägers ergibt sich nicht aus den Vorschriften des PostG. Denn das PostG gewährt keine die Postkunden bei der Entgeltregulierung schützenden subjektiven Rechte. § 20 Abs. 2 PostG kommt nicht in Betracht. Das Aufschlagverbot nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PostG dient nicht dem Schutz der Individualinteressen der Kunden, sondern dem Interesse der Allgemeinheit an der Sicherstellung und Förderung von Wettbewerb, daneben aber auch der Sicherung des Marktzutritts von Wettbewerbern,

vgl. Begründung der Bundesregierung, BTDrs. 13/7774, S. 24.

Das Bundesverwaltungsgericht hat zum Aufschlagsverbot in § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG ausgeführt: "In diese Richtung (d.h., auf das Interesse der Allgemeinheit) weist auch die Begründung des Gesetzentwurfs zur Erforderlichkeit des Schutzes der Nutzer vor hohen Preisen. Danach ist es erforderlich, den dominanten Anbieter daran zu hindern, die Nachfrager auf Teilmärkten mit niedriger Preiselastizität der Nachfrage durch hohe Preise auszubeuten, um auf anderen Teilmärkten durch systematische Preisunterbietung Wettbewerb zu beeinträchtigen. Dem liegt erkennbar die Vorstellung zugrunde, der Schutz der Nutzer vor hohen Preisen durch Entgeltregulierungsmaßnahmen erfolge nicht im Interesse der Wahrung subjektiver Rechte der Nutzer, sondern im Allgemeininteresse der Abwehr von Wettbewerbsbeeinträchtigungen."

Vgl: BVerwG Urteil vom 10. Oktober 2002, a.a.O.

Dem schließt sich die Kammer auch für § 20 Abs. 2 Nr. 1 PostG an.

Gleiches gilt für § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 PostG und die Orientierung an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nach § 20 Abs. 1 PostG. Auch hier geht es nicht um einzelne Nutzer und deren Individualinteressen, sondern um die Förderung der gemeinsamen Nutzerinteressen durch Förderung des Wettbewerbs. Zwar dient die BNA gerade dann, wenn sie dafür sorgt, dass die von dem marktbeherrschenden Unternehmen erhobenen Entgelte den an einem funktionsfähigen Wettbewerb ausgerichteten Maßstäben des PostG genügen, den Interessen der Nutzer daran, von der Privatisierung des Postwesens auch unter Preisgesichtspunkten zu profitieren. Doch darf das Interesse jedes einzelnen Nutzers, nur den gesetzlich zulässigen Preis zu zahlen, nicht mit dem kollektiven Interesse aller Nutzer an dem Bestehen von Preiswettbewerb gleichgesetzt werden, zumal die Interessen der Nutzer - wie etwa in dem Fall eines vom marktbeherrschenden Unternehmen betriebenen Preisdumpings - nicht stets gleichgerichtet sein müssen,

vgl. für die gleichlautende Regelung im TKG: BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2002, a.a.O.

Nichts Anderes folgt aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 PostG. Zwar bestimmt die Vorschrift, dass Ziel der Regulierung auch die Wahrung der Interessen der Kunden ist. Allein aus dem Umstand, dass eine öffentlichrechtliche Norm, die auch die behördliche Kontrolle von Entgelten betrifft, die Interessen derjenigen erwähnt, die die Entgelte zu entrichten haben, ergibt sich aber nicht, dass diesem Personenkreis subjektive Rechte eingeräumt werden. Ebenso wie mit dem in § 2 Abs. 2 Nr. 2 PostG niedergelegten Regulierungsziel der Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs der Wettbewerb als Institution und nicht die Interessen einzelner Wettbewerber gemeint sind, spricht auch § 2 Abs. 2 Nr. 1 PostG die Nutzer der Postdienstleistungen nicht als Träger von Individualinteressen an, sondern erfasst ihre Interessen als Teil des objektiven Allgemeininteresses an dem Bestehen von Wettbewerb im Bereich des Postwesens. Deshalb kann daraus, dass ein wesentliches Ziel der Regulierung nicht nur die Förderung des Wettbewerbs, sondern auch in der Wahrung der Nutzerinteressen besteht, nicht auf das Bestehen subjektiver Rechte zugunsten der Nutzer von Postdienstleistungen geschlossen werden. Zudem bezieht sich § 2 Abs. 2 Nr. 1 PostG nicht allein auf die Entgeltregulierung, sondern auf die Regulierung insgesamt. Demgemäß enthält die Vorschrift auch keine spezielle Aussage über die Regulierung von Entgelten. Vielmehr wird in der Vorschrift die Wahrung der Interessen einzelner Nutzer nur als ein von der Entgeltregulierung abgelöster, allgemeiner objektiver Regulierungszweck angesprochen,

vgl. für die gleichlautende Vorschrift des § 2 TKG BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2002, a.a.O.

Auch Art. 2 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Zwar kann ein Verwaltungsakt, der ein Privatrechtsverhältnis unmittelbar gestaltet, das von Art 2 Abs. 1 GG auch umfasste Recht der Vertragsfreiheit verletzen. Dem Schutzbereich der Norm unterfällt prinzipiell auch die Freiheit, den Inhalt von Vergütungsvereinbarungen bei der Inanspruchnahme von Leistungen mit der Gegenseite auszuhandeln,

vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 1985 - 3 C 34.94 -, BVerwGE 100, 230, 233.

Allerdings gewährleistet Art. 2 Abs. 1 GG die allgemeine Handlungsfreiheit nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Rechtsordnung. Zur verfassungsmäßigen Rechtsordnung in diesem Sinne gehören alle formell und materiell im Einklang mit der Verfassung stehenden Rechtsnormen. Für eine Berufung auf die grundgesetzlich gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit ist daher kein Raum, soweit diese Freiheit durch ein ordnungsgemäß zustande gekommenes und inhaltlich verfassungsgemäßes Gesetz eingeschränkt ist. Dies ist durch die Vorschriften über die Entgeltregulierung von marktbeherrschend Unternehmen, insbesondere die §§ 19 bis 23 PostG geschehen. Dabei enthalten die §§ 19 und 20 PostG die Voraussetzungen und Maßstäbe der Entgeltregulierung, §§ 20 und 21 PostG regeln das Verfahren und § 23 PostG die Rechtsfolgen der Regulierung für den Abschluss von Verträgen. § 23 Abs. 1 PostG verpflichtet den marktbeherrschenden Lizenznehmer, ausschließlich die genehmigten Entgelte zu verlangen, nach Abs. 2 sind Verträge über Dienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthalten, mit der Maßgabe wirksam, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts tritt. Damit ist die Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG weitgehend eingeschränkt: Dem Nachfrager nach Postdienstleistungen bleibt im entgeltregulierten Bereich nur die Wahl, ob er Postdienstleistungen in Anspruch nimmt oder nicht. Tut er dies, so hat er keine Möglichkeit, über die Höhe der von ihm zu erbringenden Gegenleistung zu verhandeln. Diese steht nach § 23 PostG fest. Eine Überprüfung des Entgelts durch die Zivilgerichte ist nicht möglich,

vgl BGH, Urteil vom 14. Juni 2007, a.a.O.

Über § 23 PostG wirkt sich der entgeltregulierende Beschluss auf den Inhalt der Verträge zwischen der Beigeladenen und ihren Kunden aus. Die Vorschrift bedarf deshalb einer verfassungsrechtlichen Grundlage.

Die Vertragsfreiheit des marktbeherrschenden Unternehmens und seiner Vertragspartner ist durch die Vorschriften über die Entgeltregulierung, insbesondere durch § 23 PostG, in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eingeschränkt. Die Einschränkung findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 87 f GG.

Nach Art. 87 f Abs. 1 GG gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens nach Maßgabe eines Bundesgesetzes flächendenkend angemessene und ausreichende Dienstleistungen. Nach Abs. 2 werden die Dienstleistungen als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangene Beigeladene und durch andere private Anbieter erbracht. Abs. 2 legt die Gewährleistung der Postdienstleistungen nicht ausschließlich auf den Wettbewerb fest. Zwar steht seit der Liberalisierung des Postmarktes durch die Postreform 2 die Erbringung von Postdienstleistungen der Deutschen Post AG und anderen privaten Anbietern als privatwirtschaftliche Tätigkeit zu. Deren Leistungserbringung steht aber unter dem Vorbehalt des Gewährleistungsauftrags aus Art. 87 f. Abs. 1 GG. Das in Art. 87 Abs. 2 enthaltene Ziel privatwirtschaftlicher Leistungserbringung ist damit in den durch Abs. 1 aufgegebenen Zweck eingeordnet, flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten. Das in Art. 87 f GG für den Postbereich vorgesehene Regelungsregime ist daher schon von Verfassungswegen durch die Kombination eines staatlichen Gewährleistungsauftrags, der zugleich eine Befugnis zur Regulierung enthält (Abs. 1), mit der Ermöglichung einer privatwirtschaftlichen Betätigung privatrechtlicher Anbieter (Abs. 2 Satz 1) geprägt. Satz 1 von Abs. 2 bewirkt für den von Abs. 1 erfassten Bereich keine völlige Freigabe dieser Dienstleistungen an den marktwirtschaftlichen Wettbewerb, sondern nur eine Freigabe im Rahmen der Einbettung dieses Wettbewerbs in das Gewährleistungsregime des Art. 87 f Abs. 1 GG,

vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 7. Oktober 2003, - 1 BvR 1712/01 -, NVwZ 2004, Seite 330.

Der in Art. 87 f Abs. 1 GG enthaltene Infrastruktursicherungsauftrag soll verhindern, dass es bei und nach der Privatisierung und Liberalisierung des Postwesens zu einer Unterversorgung mit Dienstleistungen kommt, weil der Wettbewerb noch nicht funktioniert oder sich auf lukrative Bereiche beschränkt. Der Bereich des Postwesens soll nur mit der Maßgabe aus der staatlichen Regie entlassen werden, dass dabei die Verantwortung des Staates für die ehedem aus der Daseinsvorsorge entstandenen Aufgaben nicht aufgegeben wird. Das Privatisierungsgebot des Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG zielt zwar auf den Rückzug des Staates aus dem Bereich der Postdienstleistungen; doch begründet der Infrastrukturgewährleistungsauftrag des Abs. 1 die staatliche Verantwortung, marktwirtschaftlich bedingte Nachteile für eine Grundversorgung der Bevölkerung mit Postdienstleistungen zu verhindern,

vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 7. Oktober 2003, a.a.O., Seite 332.

Diesem Ziel dienen die Vorschriften des PostG über die Entgeltregulierung. Sie sind erforderlich und angemessen, um die Versorgung der Bevölkerung mit erschwinglichen Postdienstleistungen zu gewährleisten und sind gleichfalls erforderlich und geeignet, um den Wettbewerb zu fördern. Durch die Entgeltregulierung wird sicher gestellt, dass die Entgelte des marktbeherrschenden Unternehmen und derzeitigen Inhabers der Exklusivlizenz nach § 51 PostG für die Kunden erschwinglich und für die Wettbewerber nicht ruinös sind. Diese Ziel lässt sich nur damit erreichen, dass dem marktbeherrschenden Unternehmen die Entgelte verbindlich vorgeschrieben sind. Subjektive Rechte von Kunden begründen sie nicht.

Zwar dient die BNA gerade dann, wenn sie dafür sorgt, dass die von dem marktbeherrschenden Unternehmen erhobenen Entgelte den an einem funktionsfähigen Wettbewerb ausgerichteten Maßstäben des PostG genügen, den Interessen der Nutzer daran, von der Privatisierung des Postwesens und der Einführung von Wettbewerb auch unter Preisgesichtspunkten zu profitieren. Doch darf, wie schon dargelegt, das Interesse eines jeden einzelnen Nutzers, nur den gesetzlich zulässigen Preis zahlen zu müssen, nicht mit dem kollektiven Interesse aller Nutzer an dem Bestehen von Preiswettbewerb gleichgesetzt werden. In Übereinstimmung hiermit hat das Bundesverwaltungsgericht schon früher wiederholt entschieden, dass sich allein aus dem Umstand, dass eine öffentlich rechtliche Norm, die auch die behördliche Kontrolle von Entgelten betrifft, die Interessen derjenigen erwähnt, die die Entgelte zu entrichten haben, nicht ergibt, dass diesen Personenkreis subjektive Rechte eingeräumt werden,

vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10. Oktober 2002, a.a.O.

Art. 19 Abs. 4 GG und der verfassungsrechtlich verbürgerte allgemeine Justizgewährungsanspruch rechtfertigen gleichfalls nicht die Annahme, dem Kläger stünden hinsichtlich des angefochtenen Beschlusses eigene Rechte zu.

Für öffentlichrechtliche Streitigkeiten verlangt das Gebot effektiven Rechtsschutzes im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG, dass dem Einzelnen in Hinblick auf die Wahrung oder Durchsetzung seiner subjektiv-öffentliche Rechte eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle zuteil wird. Dazu gehört es, dass das Gericht das Rechtsschutzbegehren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht prüfen kann und genügende Entscheidungsbefugnisse besitzt, um eine Rechtsverletzung abzuwenden oder erfolgte Rechtsverletzungen zu beheben. Doch setzt dies ein subjektives Recht des Betroffenen voraus, an dem es hier gerade fehlt.

Es besteht auch keine Veranlassung, im Wege verfassungskonformer Auslegung ein etwaiges Schutzdefizit durch die Annahme eines subjektiven Rechtes des Klägers auszugleichen. Denn aus Art. 87 f GG lassen sich keine Schutzpflichten des Gesetzgebers zugunsten von Kunden der Beigeladenen herleiten, die darauf gerichtet wären, den aus dem ehemaligen Staatsmonopolbetrieb hervorgegangenen privaten Anbieter an einer missbräuchlichen Nutzung seiner marktbeherrschenden Stellung im Bereich der Entgelterhebung zu hindern. Die Ablehnung des Bestehens eines subjektiven Rechts des Klägers im Zusammenhang mit dem angefochtenen Beschluss läuft einer etwa bestehenden Schutzpflicht nicht zuwider. Eine aus Art. 87 f folgende Schutzpflicht ist erst dann verletzt, wenn Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen oder die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzniveau zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben. Daran gemessen kommt die Verletzung eines aus Art. 87 f GG möglicherweise folgenden Schutzes der Kunden der Beigeladenen vor ungerechtfertigten Entgelten hier nicht Betracht, weil der Gesetzgeber in § 19 ff. PostG die Entgelte in mehrfacher Hinsicht einer staatlichen Kontrolle unterstellt hat, was auch den von den Entgelten Betroffenen zugute kommt,

vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10. Oktober 2002, a.a.O.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus §§ 154 Absätze 1, 3, 162 Abs. 3 VwGO. Dabei entspricht es der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen dem Kläger aufzuerlegen, weil die Beigeladene einen Antrag gestellt hat und sich somit dem Risiko eigener Kostenpflicht unterworfen hat.






VG Köln:
Urteil v. 16.11.2007
Az: 22 K 3808/03


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