Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 24. November 2014
Aktenzeichen: 7 Ta 563/14

(LAG Hamm: Beschluss v. 24.11.2014, Az.: 7 Ta 563/14)

Tenor

Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Arbeitgebers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 25.08.2014 i.d. F. des Abhilfebeschlusses vom 26.09.2014 - 3 BV 24/13 - abgeändert.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 25.000,00 € festgesetzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrates in Höhe einer ermäßigten Gebühr von 25,00 Euro zu tragen.

Gründe

I.

Im Ausgangsverfahren hat der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangt, bei der Ermittlung eines Punktwertes für eine ERA-Leistungsbeurteilung (Metallindustrie NW) die Anwendung nach seiner Ansicht einer Betriebsvereinbarung widersprechenden Vorgaben zu unterlassen bzw. - hilfsweise - die Verletzung eines Mitbestimmungsrechts festzustellen.

Von der Leistungsbewertung waren insgesamt 275 Beschäftigte betroffen.

Durch Beschluss des Arbeitsgerichts vom 12.08.2014 wurde das Beschlussverfahren nach Einigung der Betriebspartner eingestellt.

Auf Antrag des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 25.08.2014 den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf 4.000,00 €, nach Einlegung der Beschwerde am 26.09.2014 im Wege der teilweisen Abhilfe auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gegen diesen, dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates am 29.09.2014 übersandten Beschluss hat der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 07.10.2014 mitgeteilt, dass die Beschwerde im Übrigen aufrecht erhalten werde und beantragt,

den Streitwert auf 300.000,00 € festzusetzen.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Arbeitgebers sind der Auffassung, der Wert des Streitgegenstandes sei vom Arbeitsgericht zutreffend mit dem Auffangwert des § 23 Abs. 3 RVG festgesetzt worden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates ist - soweit ihr nicht abgeholfen wurde - zum Teil begründet.

Der Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren war gemäß § 23 Abs. 3 RVG auf 25.000,00 € festzusetzen.

1.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das vorliegende Beschlussverfahren richtet sich nach § 23 Abs. 3 RVG, wonach der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen ist.

a)

§ 23 Abs. 3 RVG stellt eine Auffangnorm für Angelegenheiten dar, für die Wertvorschriften fehlen. Der Auffangtatbestand des § 23 Abs. 3 RVG ist insbesondere für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten bedeutsam, deren Wert auf anderem Weg nicht bestimmt werden kann. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 RVG aber erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstandes vielfach im Vordergrund stehen muss (LAG Hamm 24.11.1994 - 8 TaBV 144/94 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 27; LAG Hamm 12.06.2001 - 10 TaBV 50/01 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 50 = NZA-RR 2002, 472; LAG Hamm 28.04.2005 - 10 TaBV 11/05 - NZA-RR 2005, 435).

b)

Bei den vom Betriebsrat im vorliegenden Verfahren verfolgten Anträgen handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG.

Die im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anfallenden Streitsachen sind typischerweise nichtvermögensrechtlicher Natur. Das gilt auch, wenn vom Betriebsrat die Unterlassung bestimmter Handlungen verlangt wird. Um ein fallübergreifendes System zu erhalten, welches im Hinblick auf die Bewertung der anwaltlichen Tätigkeit im Beschlussverfahren adäquate Abstufungen zulässt und es damit erlaubt, dem Einzelfall gerecht zu werden, kann für die Ausfüllung des Ermessensrahmens des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits für den Arbeitgeber bzw. für die Belegschaft nicht unberücksichtigt bleiben. Dabei ist allerdings auch der Grundtendenz des arbeitsgerichtlichen Verfahrens zu entsprechen, Kosten zu begrenzen (GK-Schleusener, a.a.O., § 12 Rn. 429 f.).

Die Unterlassungsbegehren des Betriebsrats stellen typische nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten dar. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Der Betriebsrat verfolgt in erster Linie die Sicherung seines Mitbestimmungsrechts in Form einer abgeschlossenen Betriebsvereinbarung. Die Wahrnehmung und Sicherung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte hat keinen vermögensrechtlichen Charakter (BAG 09.11.2004 - 1 ABR 11/02 - NZA 2005, 70; LAG Hamm 28.04.2005 - 10 TaBV 35/05 - NZA-RR 2005, 436; LAG Köln 03.01.2008 - 8 Ta 277/07 - NZA-RR 2008, 541; LAG Hamm 23.03.2009 - 10 Ta 83/09 -).

2.

Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze hält die Beschwerdekammer es für falladäquat, für den Hauptantrag des Betriebsrats vom Regelwert (seit 01.08.2013 = 5.000,00 €) auszugehen; unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache multipliziert mit 5 nach der Anzahl der betroffenen Beschäftigten (entsprechend der Staffel des § 9 BetrVG), insgesamt also von 25.000,00 €.

Der Hilfsantrag bleibt insoweit unberücksichtigt, da er keinen anderen (höheren) Wert hat.

a)

Der Beschwerdeführer rügt zu Recht, dass eine Berücksichtigung der Bedeutung der Sache bei einer Bemessung mit dem einfachen Auffangwert des § 23 Abs. 3 RVG unterbleiben würde. Zwar kann mit der Argumentation des Beschwerdeführers, der Topf der gesamten Leistungsprämie betrage etwa 300.000,00 €, der Wert nicht in Höhe dieses Wertes festgesetzt werden, da es nicht um Zahlung, sondern die Einhaltung einer Betriebsvereinbarung geht (s.o.). So war auch die grundlegende Pflicht der Arbeitgeberin zur Ermittlung und Zahlung einer Leistungsprämie nicht im Streit. Allerdings macht es nach Auffassung der Beschwerdekammer einen Unterschied, ob lediglich einige wenige Beschäftigte, oder aber - wie vorliegend - 275 Personen betroffen sind. Dem kann bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten am ehesten durch eine Vervielfachung des Auffangwertes anhand der Staffel des § 9 BetrVG Rechnung getragen werden (vgl. für andere Fallkonstellationen auch LAG Hamm 02.08.2005 - 13 TaBV 10/05; 02.08.2005 - 13 TaBV 17/05; 12.09.2005 - 10 TaBV 72/05 - NZA-RR 2006, 154; 23.03.2009 - 10 Ta 83/09; 13.05.2009 - 10 TaBV 113/08).

b)

Die Wertfestsetzung bewegt sich im Übrigen im Rahmen des Streitwertkataloges für die Arbeitsgerichtsbarkeit (NZA 2014, 745, 747; s. dort II.15. und 3.), da auch nach den dortigen Empfehlungen nach Inhalt und Bedeutung der Regelungsfrage eine Erhöhung vorgesehen sein kann.

III.

Eine hälftige Gebühr war gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4; Abs. 5 GKG i.V.m. Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG zu erheben.






LAG Hamm:
Beschluss v. 24.11.2014
Az: 7 Ta 563/14


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