Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 19. August 2008
Aktenzeichen: 11 U 57/07

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 19.08.2008, Az.: 11 U 57/07)

(Keine weiteren Angaben)

Anmerkung: Im Rechtsmittelverfahren unter dem Aktenzeichen I ZR 150/08 hat der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom 10.12.2009 zurückgewiesen.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 05.09.2007 verkündeteUrteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden (Az: 5 O93/96) abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteiengeschlossenen Musikverlagsverträge vom 20.10.1986, 30.04.1992,29.05.1992,

19.05.1993, 05.09.1994 sowie 16.06.1995 zum 04.01.2006 beendetworden sind

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die mit dem Beklagten geschlossenen Musikverlagsverträge mit Wirkung zum 04.01.2006 beendet sind.

Der Beklagte betreibt unter der Firma A in O1 einen Musikverlag.

Die Klägerin ist unter dem Künstlernamen €B" international, insbesondere in der Land1, als Interpretin, Komponistin sowie Texterin zahlreicher Musikstücke bekannt und erfolgreich.

Die Parteien schlossen die Musikverlagsverträge vom 20.10.1986, 30.04.1992, 29.05.1992, 19.05.1993, 05.09.1994 sowie 16.06.1995, die den vom Deutschen Musikverlegerverband seinen Mitgliedern zur Verfügung gestellten Musterverträgen für den Bereich der Unterhaltungsmusik entsprechen. Beispielhaft wird insoweit auf den Vertrag vom 30.04.1992 (Bl. 93-96 d. A.) sowie auf den Mustervertrag des Verbandes (Bl. 156, 157 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der einzelnen von den Verlagsverträgen betroffenen Titel, zu denen die Klägerin Texte beigetragen und bei denen sie teilweise an der Komposition mitgewirkt hat, wird auf die Aufstellung in der Klageschrift (Bl. 3/4 d. A.) verwiesen.

Die Parteien streiten darum, ob der Beklagte seine Pflichten aus den Verlagsverträgen in hinreichendem Maße wahrgenommen hat. Seit 1995 erfolgte keine Werbung für die Klägerin seitens des Beklagten in Form von organisierten Veranstaltungen und Fernsehauftritten, wobei zwischen den Parteien die Verantwortung für diesen Umstand streitig ist.

Mit Schreiben vom 30.03.2005 forderte die Klägerin den Beklagten auf, seinen vertragsmäßigen Verbreitungs- und Vervielfältigungsverpflichtungen nachzukommen und der Klägerin Einsicht in seine Geschäftsbücher zu gestatten. Hierzu wurde ihm eine Frist bis zum 15.10.2005 gesetzt, verbunden mit dem Hinweis, nach Ablauf der Frist werde eine weitere Tätigkeit abgelehnt.

Mit Schreiben vom 04.01.2006 erklärte die Klägerin den Rücktritt von den Verlagsverträgen gemäß §§ 32, 30 Verlagsgesetz, hilfsweise erfolgte der Rückruf wegen Nichtausübung nach § 41 UrhG und hilfshilfsweise die fristlose Kündigung gemäß § 314 BGB.

Der Beklagte wies mit Schreiben vom 16.01.2006 die Kündigung der Verträge zurück.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe gegen seine Vertragsverpflichtungen verstoßen, indem er keinerlei Werbeaktivitäten entfaltet habe.

Der Beklagte hat behauptet, Gegenstand der mit der Klägerin abgeschlossenen Verträge sei nur die jeweilige Anmeldung bei der GEMA und die Organisation der Abrechnung. Das Vervielfältigen und Vertreiben sei von den Parteien nicht gewollt gewesen und in den ersten Jahren auch nicht praktiziert worden. Dies sei auch im Bereich der Unterhaltungsmusik gänzlich unüblich.

Eine Werbung für die Klägerin in Form der Organisation von Events, Veranstaltungen und Fernsehauftritten sei seit 1995 nicht möglich gewesen, da sich die Klägerin gegenüber dem Beklagten jeglicher Kommunikation verweigert habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Beklagte nicht verpflichtet sei, das Werk in handelsüblicher Form zu vervielfältigen und zu verbreiten (sog. Papiergeschäft) und nicht erkennbar sei, dass die Titel in Filmen oder auf dem Markt der €Klingeltöne" erfolgreich verwertet werden könnten. Die Nichtausübung der dem Beklagten eingeräumten Rechte beruhe überwiegend auf Umständen, deren Behebung der Klägerin zuzumuten sei, die seit 1995 für den Beklagten nahezu nicht mehr geschäftlich zu erreichen gewesen sei.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (Bl. 171-179a d. A.).

Gegen dieses ihr am 19.09.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.10.2007 Berufung eingelegt und diese am 14.11.2007 begründet.

Sie verfolgt ihre erstinstanzlichen Anträge weiter und meint, der Beklagte sei nach § 3 Abs. 1 a) der Verlagsverträge verpflichtet, die Werke in handelsüblicher Form zu vervielfältigen und zu verbreiten. Hierzu gehöre auch das sog. Papiergeschäft, das allerdings eine untergeordnete Rolle spiele.

Die Hauptpflicht bestehe in der Verbreitung der Musikstücke durch Herstellung von Kontakten, das Schaffen von Aufführungsmöglichkeiten und die Verteilung von Tonträgern für Rundfunksendungen (Demos). Die maßgebliche Aufgabe des Musikverlegers bestehe in der wirtschaftlichen Auswertung der Werke. Hieran fehle es.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe die GEMA-Ausschüttungen nicht auf ihre Richtigkeit überprüft. Der Beklagte habe auch seine Informationspflicht aus § 3 Abs. 2 S.1 Verlagsvertrag nicht erfüllt. Trotz Aufforderung durch die Schreiben vom 1.2.2005 und 30.3.2005 habe er nicht berichtet, wie er sich in handelsüblicher Weise für die Nutzung der ihm eingeräumten Rechte eingesetzt habe. Die Titel hätten in Filmen und auf dem Markt der Klingeltöne erfolgreich verwertet werden können. Der Beklagte habe auch keine Werbemaßnahmen getroffen.

Die Klägerin bestreitet die vom Beklagten behaupteten Maßnahmen (Werbung auf der Musikbörse in O2; Herstellung eines Kontakts zu C; Organisation von großen und erfolgreichen Veranstaltungen). Die ihm obliegenden Aufgaben (Schaffung von Verbindungen zu Musikverwertern, gezielte Werbemaßnahmen, Herstellung von DEMO-CDs, Werbung im Fernsehen und im Internet) habe der Beklagte nicht erfüllt.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 5.9.2007 (5 O 93/96)

a) festzustellen, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Musikverlagsverträge vom 20.10.1986, 30.04.1992, 29.05.1992, 19.05.1993, 05.09.1994 sowie 16.06.1995 durch den Rücktritt der Klägerin vom 04.01.2006 beendet worden sind,

b) hilfsweise festzustellen, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Musikverlagsverträge vom 20.10.1986, 30.04.1992, 29.05.1992, 19.05.1993, 05.09.1994 sowie 16.06.1995 aufgrund des Rückrufs der Klägerin vom 04.01.2006 beendet worden sind,

c) hilfshilfsweise festzustellen, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Musikverlagsverträge vom 20.10.1986, 30.04.1992, 29.05.1992, 19.05.1993, 05.09.1994 sowie 16.06.1995 durch die fristlose Kündigung der Klägerin vom 04.01.2006 beendet worden sind,

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, die Vervielfältigung und Verbreitung der Texte und Noten der Klägerin (Papiergeschäft) sei nicht Gegenstand der Verträge gewesen. Die Rechte der Klägerin zur Aufnahme und Herstellung von Tonträgern habe diese anderweitig an Musikproduzenten vergeben, so dass der Beklagte entsprechende Aktivitäten nicht habe vornehmen können. Sonstige Aktivitäten wären nur erfolgversprechend gewesen, wenn die Klägerin mitgewirkt hätte. Dies sei aber ab 1994 nicht mehr erfolgt. Ursache sei, dass die Klägerin die Titel nochmals an einen anderen Verlag verkauft habe. Hiergegen habe der Beklagte nichts unternommen, weil er den Erfolg eines Prozesses in O3 für zweifelhaft hielt. Danach seien Verbreitungshandlungen nicht mehr möglich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist form- und fristgerecht erhoben und begründet worden, mithin zulässig. Sie ist auch in der Sache erfolgreich, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einem Rechtsfehler beruht (§ 513 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 546 ZPO). Das Landgericht hat zu Unrecht die Voraussetzungen für einen Rückruf der Klägerin verneint.

Die Feststellungsklage ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, denn die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Verlagsverträge beendet sind. Die Klage ist auch begründet.

Die Voraussetzungen für ein Rücktrittsrecht der Klägerin nach §§ 32, 30 VerlG liegen zwar nicht vor.

Nach § 32 VerlG finden, wenn das Werk nicht vertragsgemäß vervielfältigt oder verbreitet wird, zugunsten des Verfassers die Vorschriften des § 30 VerlG entsprechende Anwendung. Danach kann der Verfasser dem Verleger eine angemessene Frist mit Ablehnungsandrohung setzen, nach deren erfolglosem Ablauf er zum Rücktritt berechtigt ist. Der Rücktritt ist jedoch ausgeschlossen, wenn die unterbliebene bzw. nicht vertragsgemäße Vervielfältigung oder Verbreitung für den Verfasser nur einen unerheblichen Nachteil mit sich bringt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte gemäß § 3 Abs. 1 a) der Verlagsverträge verpflichtet war, die Noten und Texte der von den Verlagsverträgen erfassten Titel zu vervielfältigen und zu verbreiten. Selbst wenn eine solche Verpflichtung bestünde, begründete ein Verstoß gegen diese Pflicht kein Rücktrittsrecht, weil insoweit die unterbliebene Vervielfältigung und Verbreitung für die Klägerin nur einen unerheblichen Nachteil bedeutete.

Wirtschaftlich steht bei Werken der Unterhaltungsmusik nämlich nicht das sog. €Papiergeschäft€ (Notendruck, Notenverkauf und -verleih) im Mittelpunkt des Musikverlagsvertrags, sondern die Auswertung der Rechte zur Wiedergabe in unkörperlicher Form (Aufführungsrecht, Senderecht usw.) sowie der Schallplatten-, Kassetten- und Filmrechte (vgl. BGH 11.06.1969, I ZR 54/67, "Musikverleger" GRUR 1970, 40, 43; Schricker, VerlagsR, 3. Auflage 2001, § 8 Rz 42). Auch die Klägerin selbst räumt in ihrer Berufungsbegründung ein, dass das Papiergeschäft nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Eine Vervielfältigung und Verbreitung der Titel auf Tonträger gehört nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nicht zu den Pflichten des Beklagten. Nach § 2 Abs. 3 des Verlagsvertrags sind ihm insoweit die ausschließlichen Nutzungsrechte zur Einbringung in die Verwertungsgesellschaft GEMA eingeräumt. Die Aufnahme der Titel auf Tonträger und deren Vermarktung erfolgt durch die Musikproduzenten, denen ein ausschließliches Nutzungsrecht nicht zusteht (§ 42a UrhG).

Die Klägerin hat jedoch wirksam ein Rückrufsrecht ausgeübt. Mit dem Wirksamwerden des Rückrufs ist das Nutzungsrecht erloschen, wodurch zugleich ex nunc auch der schuldrechtliche Verlagsvertrag aufgelöst wurde (Schricker, VerlagsR, 3. Aufl., § 32 VerlG Rn. 9).

Es kann offen bleiben, ob dieses Rückrufsrecht aus § 41 UrhG oder aus der analogen Anwendung des § 17 VerlG folgt, denn die Voraussetzungen für einen Rückruf sind nach beiden Vorschriften dieselben. Für das Recht zum Rückruf nach § 41 Abs. 1 UrhG ist Voraussetzung, dass der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts das Recht nicht oder nur unzureichend ausübt und dadurch berechtigte Interessen des Urhebers erheblich verletzt. Nach § 17 VerlG kann der Verfasser dem Verleger, der das Recht, aber nicht die Pflicht zur Veranstaltung einer neuen Auflage hat, zur Ausübung dieses Rechts eine angemessene Frist bestimmen und nach Fristablauf von dem Vertrag zurücktreten, wenn die Auflage nicht rechtzeitig veranstaltet worden ist. Dieses Recht des Verfassers besteht nach Auffassung des BGH im Falle eines Musikverlagsvertrags auch dann, wenn der Verleger die ihm eingeräumten ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte nicht mehr ausübt, indem er keine Förderung der Auswertung mehr unternimmt und dadurch die Rechte des Verfassers beeinträchtigt werden (vgl. BGH 11.06.1969, I ZR 54/67, "Musikverleger" GRUR 1970, 40, 43).

Der Zweck eines Musikverlagsvertrags, der wie hier neben der Übertragung des ausschließlichen Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechts auf den Verleger außerdem die Einräumung weiterer ausschließlicher urheberrechtlicher Nutzungsrechte von Werken der Unterhaltungsmusik zum Inhalt hat, ist vorwiegend darauf gerichtet, dass der Verleger insbesondere durch eine gezielte Werbung die für eine Verwertung des Werkes im Wege der Aufführung und Tonträgeraufnahme erforderlichen Verbindungen zu den in Betracht kommenden Musikverbraucherkreisen schafft (vgl. BGH 11.06.1969, I ZR 54/67, "Musikverleger" GRUR 1970, 40, 43).

Dementsprechend ist der Beklagte hier nach § 3 Abs. 1 b) des Verlagsvertrags als Verleger verpflichtet, sich für die Verbreitung des Werks in handelsüblicher Weise einzusetzen. Hierzu gehört Werbung, Katalogverbreitung, Verbreitung von Noten € auch unentgeltlich € bei maßgeblichen Interpreten und Musikverbrauchern, insbesondere bei Orchesterleitern, Rundfunkanstalten, Schallplattenherstellern usw., mit dem Zweck vor allem der Förderung der Auswertung der Nebenrechte (Schricker, VerlagsR, 3. Auflage 2001, § 8 Rz 42).

Der Beklagte will nach seinem eigenen Vortrag jedenfalls in der Zeit bis 1995 auch entsprechende Aktivitäten entfaltet haben, unter anderem ab 1989 einige Veranstaltungen mit C organisiert und auf der Musikmesse in O2 für die Werke geworben haben. Er kann deshalb nicht mit Erfolg geltend machen, er sei € entgegen dem Text der Verlagsverträge € nicht verpflichtet, sich für die Verbreitung des Werks in handelsüblicher Weise einzusetzen.

Es besteht zwar keine vertragliche Verpflichtung des Verlegers, sich ständig auch für nicht mehr gängige Werke einsetzen zu müssen und hierfür unter Umständen nicht unerhebliche Mühen und Kosten nutzlos aufzuwenden. Wenn trotz entsprechender Bemühungen keine den Kostenaufwand rechtfertigenden Erträgnisse zu erwarten sind und eine Auswertung des Werkes daher wirtschaftlich nicht als sinnvoll erscheint, so stellt es keine Vertragsverletzung dar, wenn der Verleger von einer Verbreitung des Werkes absieht. Dies führt nicht zu einer Verkürzung der Interessen des Urhebers, denn dieser hat die Möglichkeit, seine Rechte zurückzurufen. Die auf Grund des Vertrags zunächst bestehende Verpflichtung des Verlegers zur Vervielfältigung und Verbreitung wandelt sich, wenn der Verleger seiner Verpflichtung zunächst nachgekommen ist, bei Werken der Unterhaltungsmusik in eine Ausübungslast, d. h. der Verleger bleibt zur Ausübung dieser Nutzungsrechte zwar berechtigt, er ist jedoch nicht mehr hierzu verpflichtet. Setzt der Urheber eine angemessene Frist um vom Recht des Rückrufs Gebrauch zu machen, so steht dem Verleger die Entscheidung frei, ob er von seinem Recht zur Vervielfältigung und zur Verbreitung Gebrauch machen und die hierfür erforderlichen Kosten aufwenden will oder ob er auf dieses Recht verzichten will mit der Folge, dass die Nutzungsrechte an den Urheber zurückfallen (vgl. BGH 11.06.1969, I ZR 54/67, "Musikverleger" GRUR 1970, 40, 42/43).

Unstreitig hat der Beklagte ab 1995 keine entsprechenden Aktivitäten mehr vorgenommen. Dies beruhte nicht überwiegend auf Umständen, deren Behebung der Klägerin zuzumuten war. Es kommt dabei nicht darauf an, ob und aus welchen Gründen die Klägerin ab diesem Zeitpunkt zu einer Mitwirkung nicht mehr bereit gewesen ist, denn der Beklagte hat überhaupt keine Förderungsmaßnahmen mehr ergriffen, auch nicht solche, die ihm ohne Mitwirkung der Klägerin möglich gewesen wären, wie z.B. Werbung in türkischen Fernsehprogrammen oder im Internet. Der Senat kann dem Vortrag des Beklagten auch nicht entnehmen, dass der Beklagte auf der Musikmesse in O2 auch noch nach 1995 Werbemaßnahmen durchgeführt hat, jedenfalls fehlte es an einer substantiierten Darlegung bezogen auf einzelne Titel.

Jedenfalls nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 30.3.2005 dem Beklagten vorgehalten hatte, die Nutzung der Werke werde durch den Verlag nicht gefördert, und unter Ankündigung des Rücktritts hilfsweise des Rückrufs eine Frist von sechs Monaten zur zureichenden Ausübung des Nutzungsrechts bestimmt hatte, hätte der Beklagte Maßnahmen zur Förderung der Werke der Klägerin ergreifen müssen. Die schlichte Behauptung des Beklagten, der als Nutzungsberechtigter die Darlegungs- und Beweislast für die von ihm entfalteten Aktivitäten trägt (Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 41 Rz 18), ohne eine Mitwirkung der Klägerin seien Maßnahmen zur Förderung der Titel nicht erfolgreich möglich, reicht insoweit nicht aus. Der Beklagte müsste wenigstens den Versuch unternommen haben, durch Werbemaßnahmen die Auswertung der Nutzungsrechte zu steigern.

Da der Beklagte seiner Obliegenheit zur Förderung des Absatzes der Werke der Klägerin nicht nachgekommen ist, sind die Voraussetzungen für einen Rückruf durch die Klägerin gegeben. Im Hinblick auf die Bedeutung, die der Absatzförderung als Voraussetzung für eine wirtschaftliche Auswertung der anderen Nutzungsrechte zukommt (Aufführungsrecht, Recht zur Übertragung des Werkes auf Tonträger), aus denen die Haupteinnahmen fließen, kann auch nicht angenommen werden, dass die Nichtausübung der übertragenen Befugnisse für die Klägerin nur einen unerheblichen Nachteil mit sich bringe und der Rückruf aus diesem Grunde ausgeschlossen sei. Die Klägerin ist unstreitig als Künstlerin international, insbesondere in der Land1, als Interpretin, Komponistin sowie Texterin zahlreicher Musikstücke bekannt und erfolgreich. Wie der Beklagte mit Schriftsatz vom 16.1.2008 zugesteht, sind auch ihre alten Titel in der Land1 bekannt und beliebt und finden als Klingeltöne Verwendung. Die Interessen der Klägerin werden daher dadurch beeinträchtigt, dass der Beklagte sich seit dem Jahre 1995 überhaupt nicht mehr € auch soweit es einer Mitwirkung der Klägerin nicht bedurfte € um die Verbreitung der Titel bemüht hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Ein Teilunterliegen der Klägerin folgt nicht daraus, dass sie die Vertragsbeendigung durch Rückruf nur hilfsweise geltend gemacht hat. Sämtliche Anträge der Klägerin sind mit unterschiedlicher rechtlicher Begründung auf die Feststellung der Vertragsbeendigung gerichtet.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 19.08.2008
Az: 11 U 57/07


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