Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 22. November 2011
Aktenzeichen: I-20 U 110/11

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 22.11.2011, Az.: I-20 U 110/11)

Tenor

Auf die Anschlussberufung der Antragstellerin wird das am 13. Mai 2011 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düssel-dorf unter Zurückweisung der Berufung der Antragsgegnerin teilweise dahin geändert, dass die Anordnung einer Sicherheitsleistung für die Vollziehung des Urteils entfällt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Gründe

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen, die ebenfalls zulässige Anschlussberufung der Antragstellerin hat dagegen in der Sache Erfolg.

I.

Die Berufung der Antragsgegnerin ist unbegründet.

1. Entgegen ihrer Auffassung ist die durch Urteil erlassene einstweilige Verfügung nicht bereits deshalb aufzuheben, weil sie nicht innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen worden wäre. Die Frist begann mit der Verkündung des Urteils am 13. Mai 2011. Innerhalb der damit beginnenden Monatsfrist hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin am 23. Mai 2011 das Urteil und am 25. Mai 2011 das Original der Prozessbürgschaft zugestellt. Eine anschließende wiederholte Zustellung des Urteils war entgegen der Auffassung der Berufung zur Dokumentation des ernsthaften Vollziehungswillens nicht erforderlich. Die Berufungsbegründung selbst lässt keinen Sinn einer bestimmten Reihenfolge der zur Vollziehung notwendigen Schritte erkennen. Es genügt vielmehr, dass sämtliche zur Annahme der Vollziehung einer Unterlassungsverfügung erforderlichen Maßnahmen innerhalb der Monatsfrist erfolgen (vgl. nur Berneke, in: Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl. 2009, Kapitel 57 Rn. 30 m. Nachw.: Sicherheitsleistung innerhalb der Monatsfrist). Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass sogar die Annahme in Betracht kommt, dass die Antragstellerin die Urteilsverfügung überhaupt nicht hätte vollziehen müssen. Ficht nämlich ein Antragsteller eine einstweilige Verfügung, die etwa wegen der Anordnung einer Sicherheitsleistung wesentlich anders als beantragt erlassen wurde, an, so braucht er die seinem Begehren nicht entsprechende einstweilige Verfügung nicht zu vollziehen (Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl. 2003, Rn. 307 m. Nachw.). Auf weitere Einzelheiten hierzu kommt es indes nicht an, weil im vorliegenden Fall - wie erwähnt - innerhalb der Monatsfrist sämtliche Vollziehungsvoraussetzungen vorlagen.

2. Das Landgericht hat zu Recht die Voraussetzungen des als Verfügungsanspruch geltend gemachten Unterlassungsanspruchs aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 27 Abs. 1 LFGB bejaht. Nach dessen Satz 1 ist es verboten, kosmetische Mittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder für kosmetische Mittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich sämtlicher zum Streitgegenstand gemachter Verwendungen sämtlicher angegriffener Aussagen vor. Das betrifft die Werbeaussagen für das Haarfärbemittel "I. S." der Antragsgegnerin "Die erste permanente Haarfarbe, die von Dermatologen empfohlen wird*" mit der Auflösung des Sternchenhinweises in "*empfohlen von unabhängigen Dermatologen", "Von Dermatologen empfohlen" und "Dermatologically recommended", jeweils in den Verwendungen, die zum Gegenstand das angefochtenen Urteils gemacht sind.

Der Senat schließt sich zunächst den Ausführungen des Landgerichts dazu an, dass sich die angegriffene Werbung sowohl an Friseure als auch an Verbraucher richtet. Ersteres liegt auf der Hand und wird auch von der Antragsgegnerin in den Vordergrund gestellt. Aber auch Verbraucher sind Adressaten der Werbung. Das ist offensichtlich hinsichtlich der Schaufensterwerbung, die bereits das Landgericht herausgestellt hat. Zum Teil sind die angegriffenen Aussagen allerdings in einer Werbung enthalten, die sich primär an Friseure als Fachkreise richtet, etwa wenn auf die Präsentation auf einer Messe hingewiesen wird, nach dem übrigen Inhalt des Werbetextes ausdrücklich Friseure angesprochen werden oder der Hinweis sich auf Produktverpackungen findet, die zur Verwendung in einem Friseursalon bestimmt sind und allein dort aufgestellt sein mögen. In sämtlichen Fällen zielt die Werbung indes darauf ab, an die Verbraucher weitergegeben zu werden. Die Werbung mit einer uneingeschränkten ärztlichen Empfehlung für ein bestimmtes Kosmetikprodukt hat eine starke Wirkung, zumal die Werbung selbst an einigen Stellen gesundheitliche, mit dem Färben von Haaren bislang zusammenhängende Probleme anspricht. So wird in einigen Präsentationen das Produkt als besonders für solche Kundinnen geeignet dargestellt, die etwa wegen einer empfindlichen Kopfhaut bislang Probleme mit dem Färben der Haare hatten. Für sämtliche Personengruppen werden die Vorteile des Produkts schlagwortartig mit den angegriffenen, auf dermatologische Empfehlungen Bezug nehmenden Äußerungen zusammengefasst. Es liegt nahe und ist von der Werbung offensichtlich auch beabsichtigt, dass diese Vorteile insbesondere mit dieser schlagwortartigen Bezeichnung auch von Friseuren gegenüber Endverbrauchern im Beratungsgespräch verwendet werden und nach der Absicht der Antragsgegnerin auch verwendet werden sollen. Andernfalls könnte die Werbung ihre beabsichtigte Wirkung wie zum Beispiel den Gewinn neuer Kunden für den Friseur (Anlage AS 14) kaum erreichen. Es ist auch nicht zu erwarten, dass der Friseur stets die von der Antragsgegnerin stammende Darstellung dahin filtert, dass ausgerechnet die beanstandeten Werbeaussagen den Kunden vorenthalten werden.

Unabhängig von der Art, dem Inhalt und der Anzahl der vorliegenden Gutachten von Dermatologen ist die Werbung irreführend. Ein erheblicher Teil der so angesprochenen Verkehrskreise, der Verbraucher, aber auch der Friseure, wird die angegriffenen Werbeaussagen nach ihrem Wortsinn verstehen. Er geht dahin, dass allgemein Dermatologen die Verwendung des beworbenen Produkts empfehlen. Das bezieht sich nicht auf die Empfehlung von bestimmten Dermatologen oder für einen bestimmten Personenkreis und deckt auch im Übrigen nicht die Gründe für die Empfehlung auf. Die Empfehlung wird vielmehr als einschränkungslos dargestellt. Ein erheblicher Teil insbesondere der Verbraucher wird dies deshalb dahin verstehen, dass nach der Meinung beliebiger Dermatologen das Produkt keine Schädigungen mehr an Haut und Haaren hervorruft. Der Senat teilt die bereits vom Landgericht hierzu dargelegte Auffassung. Andernfalls wäre aus der Sicht des Verkehrs nicht zu verstehen, warum das Färbemittel einschränkungslos von einer ungenannten Vielzahl von Dermatologen empfohlen wird. Besonders deutlich wird dieser Eindruck in der Aussage "Dermatologically recommended", die gar nicht auf Aussagen bestimmter Dermatologen Bezug nimmt, sondern das Produkt schlechthin, in jeder Hinsicht als "dermatologisch" empfehlenswert darstellt. Es liegt aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise auch nicht nahe, die allgemein wiedergegebene Empfehlung ohne weitere Erläuterungen lediglich eingeschränkt auf bestimmte Wirkungen des Produkts zu beziehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht um die Empfehlung für ein Arzneimittel handelt, bei dem die angesprochenen Verkehrskreise mit Nebenwirkungen rechnen mögen, die im Interesse der erwünschten Hauptwirkung hingenommen werden und eine Empfehlung rechtfertigen könnten. Vielmehr geht es hier um ein kosmetisches Produkt, das aus ästhetischen, nicht aus medizinischen Gründen im Übrigen grundsätzlich auch ohne Empfehlung oder nur Beteiligung von Ärzten angewendet wird. Wird ein derartiges Produkt gleichwohl von Ärzten untersucht und einschränkungslos ärztlich empfohlen, so erweckt dies den Eindruck, dass es aus ärztlicher Sicht ohne Risiken angewendet werden kann und keine Schädigungen verursacht. Als das Ergebnis einer Abwägung zwischen medizinischen Vorteilen und Nebenwirkungen versteht der Werbeadressat die Empfehlung mangels medizinischen Nutzens des Produkts nicht. Es mag Verbraucher und - in sicher größerem Umfang - Friseure geben, die gegenüber einer derartigen einschränkungslosen Empfehlung aufgrund ihrer bisherigen Erfahrung mit dem Färben von Haaren eine gewisse Skepsis entwickeln. Zum einen gilt dies aber nicht für Verbraucher, die sich erstmals mit der Frage befassen, ob sie ihre Haare färben lassen möchten. Zum anderen werden denkbare Zweifel an der einschränkungslosen ärztlichen Empfehlung von dem Umstand in den Hintergrund gedrängt, dass die Antragsgegnerin das Produkt ausdrücklich als eine Neuentwicklung darstellt. Bisherige Erfahrungen sind damit aus der Sicht der Werbeadressaten ohnehin von vornherein nur begrenzt verwertbar.

Dieser Eindruck einer schädigungs- und völlig risikolosen Anwendung des Produkts ist aber nicht zutreffend, wie auch die Antragsgegnerin schon wegen der auch mit diesem Färbemittel verbundenen Schädigung des Haares nicht in Abrede stellt. Sie bezieht sich lediglich auf einzelne Gutachten, die das Produkt in bestimmten Beziehungen untersucht und als für bestimmte Allergiker besser als frühere Produkte geeignet beschrieben haben. Diese Grundlagen und die damit verbundene eingeschränkte Reichweite der Empfehlungen, soweit sie ausgesprochen wurden, kommen in den angegriffenen Werbeaussagen aber nicht zum Ausdruck, wie bereits vom Landgericht näher ausgeführt.

Der Senat teilt allerdings auch die Auffassung des Landgerichts, dass eine Irreführung nicht schon dahin besteht, dass die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund der Werbung erwarten würden, dass das - unschädliche - Haarfärbemittel sogar positive Auswirkungen auf Kopfhaut und Haar hat. Ein derartiges Verkehrsverständnis liegt auch nach der Auffassung des Senats aus den bereits vom Landgericht dargelegten Gründen fern.

Aus den genannten Gründen ist das Produkt außerdem auch irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG, den die Antragstellerin ebenfalls zur Grundlage ihres Verfügungsantrags gemacht hat.

II.

Die Anschlussberufung der Antragstellerin, mit der sie einen Fortfall der vom Landgericht angeordneten Sicherheitsleistung erstrebt, ist begründet. Eine Sicherheitsleistung gemäß § 921 Satz 1 ZPO, die Mängel der Glaubhaftmachung ausgleichen will, scheidet schon deshalb aus, weil der Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht ist und der Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht zu werden braucht, § 12 Abs. 2 UWG. Der Senat sieht auch keine sonstigen Defizite bei der Prüfung des Verfügungsanspruchs, die aufgrund des Charakters des vorliegenden Verfahrens als Eilverfahren zu Unsicherheiten hinsichtlich der getroffenen Entscheidung führen und die Anordnung einer Sicherheitsleistung rechtfertigen könnten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Zurückweisung der geltend gemachten Irreführung dahin, dass mit der angegriffenen Werbung sogar eine unzutreffende positive Wirkung des Produkts verbunden werde, hat keine eigenständige Bedeutung im Sinne eines Teilunterliegens der Antragstellerin. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit unterbleibt, § 704 Abs. 1, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 300.000,-- € nach der Festsetzung des Landgerichts.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 22.11.2011
Az: I-20 U 110/11


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