Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. November 2007
Aktenzeichen: 23 W (pat) 36/05

(BPatG: Beschluss v. 27.11.2007, Az.: 23 W (pat) 36/05)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Dezember 2004 aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 3, Beschreibung, Seiten 1 bis 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2007, ursprüngliche Zeichnung, Figuren 1 bis 3.

Anmeldetag: 13. August 1999 Bezeichnung: Photonische Halbleitervorrichtung

Gründe

I Die Patentanmeldung der Anmelderin wurde am 13. August 1999 unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom 17. August 1998 (Az.: JP 10-230599) mit der Bezeichnung "Photonische Halbleitervorrichtung" beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht.

Im Prüfungsverfahren wurden als Stand der Technik folgende Druckschriften ermittelt:

1) EP 0 607 435 A1, 2) JP 10 - 173 228 A mit zugehörigem Abstract, 3) DE 196 48 955 A1 und 4) JP 10 - 186 423 A mit zugehörigem Abstract.

Mit Beschluss vom 2. Dezember 2004 hat die Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurückgewiesen, weil der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 vom 28. Februar 2001 gegenüber der Lehre nach Entgegenhaltung 1) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns beruhe, da dieser eine niedrigindizierte Ebene des Quarzsubstrats bevorzuge, vgl. die Beschlussbegründung, insbesondere den die Seiten 3 und 4 überbrückenden Abs.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 16. Februar 2005.

In der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2007 verteidigt die Anmelderin ihre Anmeldung mit Patentansprüchen 1 bis 3, Beschreibung, Seiten 1 bis 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2007, ursprüngliche Zeichnung, Figuren 1 bis 3.

Sie beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Dezember 2004 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 3, Beschreibung, Seiten 1 bis 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2007, ursprüngliche Zeichnung, Figuren 1 bis 3.

Der geltende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Photonische Halbleitervorrichtung, umfassend:

ein Z-geschnittenes Quarzsubstrat; undeine Verbindungs-Halbleiterschicht, angeben durch InxGayAlzN (worin x + y + z = 1 und 0 < x < 1, 0 < y < 1 und 0 < z < 1), gebildet auf dem Z-geschnittenen Quarzsubstrat."

Bezüglich der Unteransprüche 2 und 3 sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II De Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2007 hat sie auch insofern Erfolg, als die photonischen Halbleitervorrichtungen nach den geltenden Patentansprüchen 1 bis 3 sich als patentfähig erweisen.

1) Ausweislich der geltenden Beschreibungseinleitung betrifft die vorliegende Erfindung photonische Halbleitervorrichtungen, insbesondere solche mit III-V-Halbleiterverbindungen, wie GaN, InGaN, GaAlN und InGaAlN, vgl. die ursprüngliche Beschreibung Seite 1, Abs. 1.

Als Materialien für photonische Halbleitervorrichtungen, wie lichtemittierende Dioden (LED's) und Laserdioden (LD's), die blaues Licht oder UV-Licht emittieren oder detektieren, sind III-V-Verbindungshalbleiter der Formel InxGayAlzN mit x + y + z = 1 und 0 < x, y, z < 1 bekannt. Die Verbindungshalbleiter weisen eine hohe Lichtemissionseffizienz auf, da diese vom direkten Übergangstyp sind, und deren Emissionswellenlängen durch den Gehalt an Indium gesteuert werden können, so dass diese Materialien als vielversprechende Materialien für lichtemittierende Vorrichtungen galten, vgl. die geltende Beschreibung Seite 1, Abs. 2.

Da es schwierig sei, einen großen Einzelkristall von InxGayAlzN zu bilden, werde versucht, Kristallfilme dieser Verbindungshalbleiter in einem Hetero-Epitaxial-Wachstums-Verfahren, bei dem ein Kristallfilm auf einem Substrat aus einem unterschiedlichen Material, im allgemeinen auf einem C-Ebenen-Saphir-Substrat, zu züchten. Allerdings seien C-Ebenen-Saphir-Substrate teuer, und ferner träten aufgrund großer Gitterabweichungen zahlreiche Kristalldefekte bei problematischen Fehlordnungsdichten von 108/cm2 bis 1011/cm2 in gezüchteten Kristallen auf, so dass es nicht möglich ist, Qualitätskristallfilme mit ausgezeichneter Kristallinität herzustellen, vgl. die geltende Beschreibung Seite 1, Abs. 3.

Weiterhin wurden SiC-Substrate untersucht, die eine geringe Gitterabweichung zu den III-V-Verbindungshalbleitern auf Nitridbasis aufweisen. Jedoch ist es nachteilig, dass die SiC-Substrate im Vergleich zu den C-Ebenen-Saphir-Substraten ungefähr 10-mal teurer sind, vgl. die geltende Beschreibung Seite 2, Abs. 2.

Daher liegt der Erfindung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine photonische Halbleitervorrichtung mit einem Hochqualitäts-InxGayAlzN - Dünnfilm auf einem kostengünstigen Quarzsubstrat bereitzustellen, vgl. die geltende Beschreibung Seite 2, Abs. 3.

Dieses Problem wird durch die im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale gelöst.

Hierbei kommt es wesentlich darauf an, dass die Verbindungshalbleiterschicht aus InxGayAlzN direkt auf einem Z-geschnittenen Quarzsubstrat gebildet ist, wobei mit dem Z-geschnittenen Quarzsubstrat eine Ebene senkrecht zur Z-Achse des Quarzsubstrats gemeint ist, vgl die geltende Beschreibung Seite 6, Abs. 2 i. V. m. der Figur 3.

2) Die geltenden Patentansprüche 1 bis 3 vom 27. November 2007 sind ursprünglich offenbart. So sind die geltenden Patentansprüche 1 und 2 identisch mit den entsprechenden ursprünglichen Patentansprüchen.

Der geltende Patentanspruch 3 geht auf den ursprünglichen nebengeordneten Patentanspruch 7 zurück und beinhaltet durch den Rückbezug auf die geltenden Patentansprüche 1 und 2 eine zulässige Beschränkung.

3) Die zweifelsohne gewerblich anwendbare (§ 5 PatG) photonische Halbleitervorrichtung gemäß dem Patentanspruch 1 ist gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu (§ 3 PatG) und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns (§ 4 PatG), der hier als ein berufserfahrener, mit der Entwicklung von Verfahren zur Bildung von dünnen Schichten aus Verbindungshalbleitern hoher Kristallinität betrauter Diplom-Physiker mit Hochschulausbildung zu definieren ist.

3a) Die Entgegenhaltung 1) offenbart eine photonische Halbleitervorrichtung (light emitting diodes and laser diodes / vgl. Spalte 1, Abs. 1), bei der eine Verbindungs-Halbleiterschicht aus InxGayAlzN mit x + y + z = 1 und 0 < x, y, z <1 (vgl. die Beschreibung zur Figur 8 in Spalte 12) u. a. auf einem Quarzsubstrat gebildet ist (single crystal substrates such as AlN, ZnO, sapphire (Al2O3), quartz (SiO2) / vgl. Spalte 6, Zeilen 31 bis 37).

Die photonische Halbleitervorrichtung gemäß Entgegenhaltung 1) unterscheidet sich von der beanspruchten Lehre lediglich dadurch, dass die Ebene des Quarzsubstrates nicht definiert ist.

Wegen der Auswahl der Z-Ebene des Quarzsubstrats für die Abscheidung der hexagonalen Verbindungs-Halbleiter ist die Lehre des Patentanspruchs 1 gegenüber derjenigen gemäß Entgegenhaltung 1) neu.

Da auch in den übrigen Entgegenhaltungen 2) bis 4) eine Abscheidung von III-V-Verbindungs-Halbleiterschichten aus InxGayAlzN auf der Z-Ebene von Quarzsubstraten nicht offenbart ist, ist die Lehre gemäß dem Patentanspruch 1 neu.

3b) Die im vorliegenden Verfahren genannten Entgegenhaltungen können dem Fachmann auch keine Anregung geben, hexagonale III-V-Verbindungs-Halbleiterschichten aus InxGayAlzN auf der Z-Ebene von Quarzsubstraten abzuscheiden.

So befasst sich die Entgegenhaltung 1) in deren Beschreibungseinleitung ausführlich mit Versuchen, III-V-Verbindungs-Halbleiter auf der Z-Ebene von Saphirsubstraten abzuscheiden, die sämtlich nicht erfolgreich waren (vgl. dort Spalte 1, Zeile 14 bis Spalte 3, Zeile 2).

In der Entgegenhaltung 1) werden zwar Saphirsubstrate für die Abscheidung von III-V-Verbindungshalbleitern weiterhin bevorzugt (vgl. Spalte 7, Zeile 9 bis Zeile 13), jedoch führt diese Entgegenhaltung von der Z-Ebene als Abscheidungsebene weg, so dass dort zur Abscheidung von III-V-Verbindungshalbleitern eine R-Ebene (0 1 1 2) des Saphirsubstrates vorgeschlagen wird (R face (0 1 1 2) / vgl. dort die Ansprüche 4 bis 6 i. V. m. der Beschreibung Spalte 7, Zeile 13 bis Zeile 17).

Dort wird eine mathematische Formel zur Berechnung der Größe der Gitterfehlanpassung, in der die Gitterkonstante b des Substrats mit einem ganzzahligen Vielfachen n der Gitterkonstante a des Nitrid-Halbleiters verglichen wird, folgendermaßen angegeben I b -n*a I / b mit n = 1 - 10 und es wird gefordert, dass diese Größe der Gitterfehlanpassung kleiner als 5 % bzw 3 % bzw. 1 % ist (vgl. dort den Anspruch 2 i. V. m. Beschreibung Spalte 5, Zeile 25 bis Spalte 6, Zeile 30).

Damit kann die Lehre dieser Entgegenhaltung 1) nicht auf Quarzsubstrate mit der Gitterkonstante A = 4,9131 A und darauf abgeschiedenem GaN mit der Gitterkonstante a = 3,1860 A angewandt werden, weil stets I A - n*a I / A > 0,3 = 30 %

ist (vgl. geltende Beschreibung Seite 5, Zeilen 4 bis 14).

Aber auch die übrigen Entgegenhaltungen vermögen nicht, den Fachmann dazu anzuregen, hexagonale III-V-Verbindungs-Halbleiterschichten aus InxGayAlzN auf der Z-Ebene von Quarzsubstraten abzuscheiden, wie der Patentanspruch 1 der vorliegenden Anmeldung lehrt.

Die Entgegenhaltung 2) offenbart die Lehre, auf einem spiegelpolierten Quarzsubstrat (quartz substrate 101 with the mirrorfinished surface) eine hexagonale kristalline Pufferschicht ausgerichtet in der C-Achse (hexagonal crystal buffer layer 102 oriented in the C-axis / nach der Computerübersetzung handelt es sich hier um ZnO) und weitere einkristalline III-V-Verbindungs-Halbleiter, wie Ga1-xAlxN und InyGa1-yzAlzN, abzuscheiden.

Eine Anregung, Z-geschnittene Quarzsubstrate für die Abscheidung III-V-Verbindungs-Halbleiter, wie InxGayAlzN, zu verwenden, enthält die Entgegenhaltung 2) nicht.

Die Entgegenhaltung 3) befasst sich mit III-V-Verbindungs-Halbleitern auf diversen Substraten, wobei Quarz als mögliches Substratmaterial noch nicht einmal erwähnt wird, vgl. dort Spalte 9, Zeilen 24 bis 37.

Schließlich betrifft die Entgegenhaltung 4) einen akustischoptisches Ablenkungselement (acoustooptic deflection element 1), das auf einem nahe Z-geschnittenen Quarzsubstrat (quartz crystal substrate 2 near Z-cut) einen piezoelektrischen dünne Schicht aus ZnO aufweist (piezoelectric thin film 3 consisting of ZnO).

Nachdem in dieser Entgegenhaltung auf die Piezoeigenschaften von ZnO zur Erzeugung von Oberflächenwellen abgestellt wird, vermag diese Entgegenhaltung den Fachmann nicht dazu anregen, auch III-V-Verbindungs-Halbleiterschichten aus InxGayAlzN auf Z-geschnittenen Quarzsubstraten abzuscheiden, ohne rückschauend tätig zu werden.

Damit beruht die photonische Halbleitervorrichtung gemäß Patentanspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns.

4) Die Patentansprüche 2 und 3 betreffen vorteilhafte, nicht selbstverständliche Ausgestaltungen der Lehre des Patentanspruchs 1. Deren Patentfähigkeit wird von derjenigen nach Patentanspruch 1 mitgetragen.

5) Die geltende Beschreibung erfüllt die an sie zu stellende Anforderungen, weil darin der Stand der Technik angegeben ist, von dem die Erfindung ausgeht, und die Erfindung anhand der ursprünglichen Figuren 1 bis 3 hinreichend erläutert ist.

6) Demnach musste der angefochtene Beschluss aufgehoben und das Patent erteilt werden.

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Beschluss v. 27.11.2007
Az: 23 W (pat) 36/05


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