Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Februar 2001
Aktenzeichen: 28 W (pat) 178/00

(BPatG: Beschluss v. 21.02.2001, Az.: 28 W (pat) 178/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse vom 30. März 1998 und 30. März 2000 des Deutschen Patent- und Markenamtes aufgehoben.

Der Widerspruch aus der Marke 395 04 427 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 11. Januar 1996 für eine Vielzahl von Waren der Klassen 2 bis 6, 8, 9, 11, 13, 14, 16, 18 bis 21, 23 bis 34 eingetragene Wort-/Bildmarke siehe Abb. 1 am Endeist Widerspruch erhoben aus der am 2. Februar 1995 angemeldeten Wort-/Bildmarke 39 504 427 siehe Abb. 2 am Endedie seit dem 24. Januar 1996 für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 4, 8, 9, 11, 16, 21, 24, 28 bis 36, 39 und 42 eingetragen ist.

Die Widersprechende hat den Widerspruch beschränkt auf Waren der Klassen 3, 4, teilweise 5, 8, teilweise 9, 11, 16, teilweise 21, 24, teilweise 25, 28 bis 34.

Die Markenstelle für Klasse 29 hat mit Beschluß vom 30. März 1998 die Löschung der angegriffenen Marke im Umfang des eingelegten Widerspruchs angeordnet.

Vor dem Hintergrund von Warenidentität bzw Warenähnlichkeit im engsten Bereich seien die Streitmarken in ihrer Gesamtheit, dh, unter Einbeziehung der graphischen Bildelemente zwar nicht verwechselbar. Der Text in beiden Kombinationsmarken präge diese jedoch, so daß sich identische Wortbestandteile gegenüberstünden, woraus sich zwangsläufig die Verwechslungsgefahr ergebe. Dabei sei eine normale Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zugrunde zu legen, denn dem Wortbestandteil der Marken komme keine beschreibende Sachangabe zu, da er lexikalisch nicht nachweisbar sei und damit kein allgemein bekanntes Wort der Umgangssprache darstelle. Selbst bei einem nur geringen Schutzumfang aufgrund geschwächter Kennzeichnungskraft könne die Widerspruchsmarke nicht völlig schutzlos gestellt werden, so daß auch in diesem Fall der Schutzumfang tangiert wäre.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie ist der Ansicht, die sich gegenüberstehenden Marken hielten einen ausreichenden Abstand ein. Aus der Widerspruchsmarke dürfe nicht isoliert kollisionsbegründend der Wortbestandteil "Handelshof" herausgegriffen und dem identischen Wortbestandteil der angegriffenen Marke gegenübergestellt werden. Dies verbiete sich, weil der Begriff "Handelshof" als beschreibende Sachangabe beide Streitmarken nicht präge. Deshalb sei auf den Gesamteindruck der Marken abzustellen, der sich ausreichend unterscheide, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.

Die Markeninhaberin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Ausführungen in den angefochtenen Beschlüssen Bezug.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke besteht nach Auffassung des Senates keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Absatz 1 Nr 2 Markengesetz.

Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so daß ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHE-TISSERAND).

Auf der Basis von nach der Registerlage gleichen bzw ähnlichen Waren, die an den einzuhaltenden Markenabstand eher strenge Anforderungen stellen, ist auch die Markenstelle zutreffend zunächst von dem Grundsatz ausgegangen, daß bei der Beurteilung der zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr von Marken auf den Gesamteindruck des jeweiligen Zeichens abzustellen ist. Der Schutz eines aus einem Kombinationszeichen herausgelösten Elementes ist dem Markenrecht fremd, so daß es rechtsfehlerhaft wäre, ohne weiteres eine Zeichenkollision lediglich aufgrund eines aus einem Gesamtzeichen isoliert entnommenen Elementes feststellen zu wollen. Allerdings kann eine unmittelbare Verwechslungsgefahr "dem Gesamteindruck nach" ausnahmsweise dann bei Vergleichszeichen, die nur in einem Bestandteil übereinstimmen, gegeben sein, wenn der Gesamteindruck eines kombinierten Zeichens nicht durch gleichgewichtige Elemente bestimmt, sondern von einem Element allein geprägt wird, wobei eine bloße Mitprägung nicht ausreicht (BGH GRUR 2000, 223 - RAUSCH/ELFI RAUCH).

Von einer solchen Prägung kann bei dem Wortbestandteil "Handelshof" der Widerspruchsmarke allerdings deshalb nicht ausgegangen werden, weil im Sinne der aufgezeigten Rechtsgrundsätze glatt beschreibende Sachangaben keinen prägenden Charakter für den Gesamteindruck einer Marke haben können. Deshalb kann der Wortbestandteil der Widerspruchsmarke auch nicht aus dem Kombinationszeichen herausgelöst und dem identischen Wortbestandteil der angegriffenen Marke gegenübergestellt werden.

Der Begriff "Handelshof" ist sprachüblich aus den Wörtern "Handel" und "Hof" gebildet. "Handel" stellt ein Grundwort der deutschen Sprache dar, welches im Sinne eines Kaufgeschäftes vielfach Verwendung findet. Als Stammbezeichnung wird der Begriff auch mit einer Vielzahl von weiteren Wörtern kombiniert (zB Handelskontor, Handelsgesellschaft, Handelsregister, Handelsrecht, Handelskammer, etc). Auch das Wort "Hof" gehört zum Grundwortschatz und bezeichnet eine umgrenzte Fläche bzw eingehegten Raum, das in diesem Sinne, auch in Bezug auf landwirtschaftliche Betriebe vielfach gebraucht wird (zB Hinterhof bzw Bauernhof, Gutshof etc).

Wenn auch heute die Bezeichnung "Handelshof" fast ausschließlich namensmäßig Verwendung findet, wie die Internet-Recherche ergeben hat (zB für Hotels, Autohäuser oder als Straßenbenennung "Am Handelshof"), und der Begriff weder im Duden noch in etymologischen Wörterbüchern nachweisbar ist, stellt er doch gleichwohl lediglich eine glatt beschreibende Angabe dar.

Die Kombination beider Wörter bezeichnet nämlich für die angesprochenen Verkehrskreise eine Stelle oder einen Ort des Handels, also eine Zusammenfassung einer Vielzahl von Geschäften im umgrenzten Bereich. Dieser Sinn erschließt sich unmittelbar ohne weitere Zwischengedanken.

Daß die Wortkombination auch in diesem Sinne verwendet wird, belegt ein von der Markeninhaberin in der mündlichen Verhandlung übergebener Internat-Auszug. Dort wird im Zusammenhang mit der Beschreibung eines historischen "Handelshauses" auch die Örtlichkeit als "Handelshof" bezeichnet (www.svanekegaarden.dk). Auch ein Internet-Auszug über die Historie der Stadt Frankfurt/Oder zeigt einen mit Glas überdachten "Handelshof" (www.frankfurt/oder.de).

Die Widerspruchsmarke besteht somit in ihrem Wortbestandteil "Handelshof" aus einer glatt beschreibenden Sachangabe, die zum Schutzumfang nicht beitragen kann. Es verbietet sich daher schon aus Rechtsgründen, aus der Kombinationsmarke den Wortbestandteil herauszugreifen und diesen dem identischen Wortbestandteil der angegriffenen Marke isoliert kollisionsbegründend gegenüberzustellen. Damit verbleibt es bei dem Grundsatz, daß die Vergleichsmarken in ihrem jeweiligen Gesamteindruck zu bewerten sind. Damit kommt es auf alle Bestandteile der Marken, insbesondere ihrer graphischen Ausgestaltung, an. Von daher besteht keine Ähnlichkeit, so daß auch im Ergebnis eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen ist.

Die Beschwerde der Markeninhaberin hatte somit Erfolg.

Anlaß, einem der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG), bestand indes nicht.

Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/28W(pat)178-00.1.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/28W(pat)178-00.2.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 21.02.2001
Az: 28 W (pat) 178/00


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