Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. September 2010
Aktenzeichen: 10 Ni 10/09

(BPatG: Beschluss v. 01.09.2010, Az.: 10 Ni 10/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Klägerin hat gegen die Beklagte, die Inhaberin eines Patents, eine Nichtigkeitsklage eingereicht. Die Beklagte hat daraufhin erklärt, dass sie der Nichtigkeitsklage nicht widersprechen wird und auf das Patent sowie alle Ansprüche daraus verzichtet. Die Klägerin und die Beklagte haben den Rechtsstreit als erledigt erklärt und beantragt, die Kosten der jeweils anderen Partei aufzuerlegen. Die Beklagte beruft sich dabei auf § 93 der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Klägerin begründet ihren Antrag unter anderem damit, dass die Beklagte sie vorprozessual zur Unterlassung der Nutzung der Erfindung aufgefordert hat.

Das Gericht entscheidet, dass die Klägerin die Kosten tragen muss. Die Beklagte hat den Klageanspruch sofort anerkannt und durch ihr vorprozessuales Verhalten keinen Anlass zur Klage gegeben. Die Aufforderung zum Verzicht auf das Patent war grundsätzlich erst dann entbehrlich, wenn die Beklagte selbst Klage erhoben hätte. In diesem Fall könnte die Klägerin nicht auf eine außergerichtliche Ebene verweisen. Die Abmahnung und die Ankündigung gerichtlicher Hilfe reichen nicht aus, um die Verzichtsaufforderung als entbehrlich erscheinen zu lassen. Es müssen besondere Umstände vorliegen, die zeigen, dass die Beklagte auch im Falle einer begründeten Verzichtsaufforderung nicht freiwillig verzichten wird. Diese besonderen Umstände liegen hier nicht vor. Der Zweck von § 93 ZPO ist es auch, unnötige Prozesse zu vermeiden und die Gerichte zu entlasten. Die Beklagte wurde nicht überrascht von der Nichtigkeitsklage, daher war die Verzichtsaufforderung von der Klägerin zu verlangen und für sie zumutbar. Die Beklagte hat auch keinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, der die Verzichtsaufforderung entbehrlich gemacht hätte. Es ist keine mündliche Verhandlung erforderlich.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 01.09.2010, Az: 10 Ni 10/09


Tenor

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte als eingetragene Inhaberin des Patents DE 199 03 958 (Streitpatent) Nichtigkeitsklage mit dem Antrag auf vollständige Nichtigkeitserklärung erhoben. Die Beklagte hat innerhalb der ihr gesetzten Frist nach §§ 82, 83 Patentgesetz (PatG) erklärt, dass sie der Nichtigkeitsklage nicht widerspreche und das Patent nicht verteidigen werde. Sie verzichte auf das Streitpatent sowie auf alle Ansprüche aus diesem Patent für die Vergangenheit und die Zukunft, dies habe sie auch dem Patentamt gegenüber erklärt. Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und jeweils beantragt, die Kosten der anderen Partei aufzuerlegen. Die Beklagte beruft sich dabei auf § 93 Zivilprozessordnung (ZPO); sie wurde vorprozessual von der Klägerin nicht zum Verzicht auf das Streitpatent aufgefordert. Die Klägerin begründet ihren Antrag u. a. damit, dass die Beklagte sie vorprozessual unter Klageandrohung zur Unterlassung der Nutzung der gegenständlichen Erfindung aufgefordert habe.

II.

Die Klägerin hat nach § 93 ZPO, der auch im Patentnichtigkeitsverfahren im Rahmen der Kostenentscheidung nach §§ 84 Abs. 2 PatG, 91a ZPO entsprechend anwendbar ist, die Kosten zu tragen. Die Beklagte hat den Klageanspruch sofort anerkannt und durch ihr vorprozessuales Verhalten keinen Anlass zur Klage gegeben.

Dass die Beklagte in dem vorausgegangenen Streit der Parteien wegen Verletzung der Rechte aus dem Streitpatent die Klägerin abgemahnt und angekündigt hat, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, kann die Klägerin hinsichtlich der Kostenentscheidung nicht entlasten. Die Aufforderung zum Verzicht auf das Patent ist grundsätzlich erst dann entbehrlich, wenn die Beklagte wegen der behaupteten Verletzung des Streitpatents durch die Klägerin ihrerseits Klage erhoben hat. Wer selbst klagt, kann nicht den Gegner seinerseits auf die außergerichtliche Ebene verweisen (vgl. BPatGE 22, 285, 289; ebenso Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Auflage, § 84, Rn. 20; Baumbach/Hartmann, Zivilprozessordnung, 60. Auflage, § 93, Rn. 50). Mit der Abmahnung und der bloßen Ankündigung der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe für den Fall, dass die strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben wird, wurde die vorprozessuale Ebene durch die Beklagte noch nicht verlassen. In einem solchen Fall bedarf es besonderer Umstände, die die Verzichtsaufforderung im Hinblick auf § 93 ZPO einmal für entbehrlich erscheinen lassen. Aus diesen Umständen muss sich ergeben, dass die Beklagte auch im Falle einer begründeten Verzichtsaufforderung nicht auf die Rechte aus dem Patent freiwillig verzichten wird. Diese besonderen Umstände liegen nicht schon in der Androhung der Beklagen, wegen der behaupteten Verletzung des Streitpatents gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Im Verletzungsverfahren wird die Beklagte regelmäßig von der Rechtsbeständigkeit des Patents ausgehen (BPatG Beschluss vom 28. Januar 2009, 4 Ni 69/08 (EU)). Dies schließt aber nicht aus, dass sie im Falle einer begründeten Verzichtsaufforderung selber noch einmal überprüft bzw. recherchiert und ggf. auch ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe und somit freiwillig verzichten wird.

Der Normzweck des § 93 ZPO zielt auch darauf ab, unnötige Prozesse zu vermeiden, also auch die Gerichte zu entlasten (Baumbach/Hartmann, Zivilprozessordnung, 60. Auflage, § 93, Rn. 4). Dies soll dadurch erreicht werden, dass die Beklagte nicht mit der Klage "überfallen" wird, sondern durch die ggf. begründete Verzichtsaufforderung noch einmal die Gelegenheit erhält, selbst zu prüfen, bzw. zu recherchieren und dann freiwillig zu verzichten. Es mag sich hier so verhalten, dass die Beklagte durch ihre Abmahnung im Zusammenhang mit der behaupteten Verletzung mit der Erhebung der Nichtigkeitsklage rechnen konnte und somit nicht von der Nichtigkeitsklage überrascht wurde. Dies allein befreit aber im Hinblick auf § 93 ZPO nicht von der Aufforderung zum Verzicht, weil der Normzweck -wie oben dargestellt -auch darauf gerichtet ist, die Gerichte zu entlasten bzw. unnötige Prozesse zu vermeiden. Insofern war die Verzichtsaufforderung von der Klägerin zu verlangen; die Aufforderung war ihr auch zumutbar.

Die Beklagte hatte im Zusammenhang mit dem Verletzungsstreit zudem keinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, der die Verzichtsaufforderung regelmäßig entbehrlich macht (Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl., § 84 Rn. 20 mit weit. Nachw.).

Eine mündliche Verhandlung ist weder geboten noch erforderlich (Benkard, PatG, 10. Aufl., §§ 82, 83, Rdn. 12).

Schülke Schlenk Dr. Ensthaler Pr/prö






BPatG:
Beschluss v. 01.09.2010
Az: 10 Ni 10/09


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