Finanzgericht Köln:
Urteil vom 15. Mai 2002
Aktenzeichen: 2 K 1781/99

(FG Köln: Urteil v. 15.05.2002, Az.: 2 K 1781/99)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Finanzgericht Köln hat entschieden, dass der Beklagte nicht verpflichtet ist, dem Kläger Auskunft über die von ihm über den Kläger gesammelten Daten zu erteilen. Die Klage des Klägers wurde daher abgewiesen.

In dem Streitfall ging es darum, ob der Beklagte dazu verpflichtet ist, dem Kläger Auskunft über die über ihn gesammelten Daten zu geben. Der Beklagte sammelt als Teil seiner Aufgaben in der "Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen (IZA)" Daten über ausländische Personen und Gesellschaften. Die Daten werden aus öffentlich zugänglichen Quellen, wie beispielsweise Telefonbüchern oder Handelsregistern, gesammelt und in Akten abgelegt. Der Beklagte hat einige dieser Informationen an Finanzämter weitergegeben, was zu ablehnenden Entscheidungen und Rechtsbehelfsverfahren geführt hat.

Der Kläger forderte den Beklagten auf, Auskunft über die über ihn gesammelten Daten zu geben, was der Beklagte jedoch ablehnte. Daraufhin legte der Kläger Klage ein. Der Kläger argumentierte, dass ihm ein Auskunftsanspruch nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zustehe. Der Beklagte hingegen argumentierte, dass die Abgabenordnung (AO) anwendbar sei und keine Auskunftspflicht bestehe.

Das Gericht entschied, dass der Kläger grundsätzlich einen Auskunftsanspruch nach dem BDSG hat. Allerdings bestehe eine Ausnahme, wenn die Auskunftserteilung die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben des Beklagten gefährden würde. Im vorliegenden Fall sei dies der Fall, da die Daten zur Erfüllung der Aufgaben des Beklagten dienen und eine Auskunftserteilung daher das Interesse des Klägers an der Auskunftserteilung überwiege.

Das Gericht stellte außerdem fest, dass die Datensammlung des Beklagten rechtmäßig sei und den Anforderungen des BDSG entspreche. Es sei auch kein Verstoß gegen das Grundgesetz oder die europäische Menschenrechtskonvention festzustellen. Das Gericht wies die Klage daher ab und ließ eine Revision zu.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

FG Köln: Urteil v. 15.05.2002, Az: 2 K 1781/99


Tenor

Anmerkung: Die Klage wurde abgewiesen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Auskunft über die von ihm über den Kläger gesammelten Daten zu erteilen.

Der Beklagte sammelt im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben in seiner "Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen (IZA)" Informationen über ausländische natürliche Personen und Gesellschaften. Die Informationen bezieht er - zumindest überwiegend - aus öffentlich zugänglichen Quellen im Ausland, z.B. aus Telefon- und Telefaxbüchern oder Handelsregistern. Die Informationen legt er in Akten ab. Um diese auffinden zu können, hat er eine computergestützte Sammlung mit den Namen der Personen, über die er Akten angelegt hat, erstellt. Die Datenbank kann die Akten weder umsortieren noch auswerten, sie dient lediglich der Registratur.

Wegen der Aufgaben der IZA im einzelnen wird auf das BMF-Schreiben vom 29. April 1997 (BStBl I S. 541) verwiesen.

Der Beklagte hat Informationen über den Kläger an einzelne Finanzämter weitergegeben. Diese Informationen führten zu ablehnenden Entscheidungen der betreffenden Finanzämter und nachfolgend zu Rechtsbehelfsverfahren.

Der Kläger forderte den Beklagten zunächst mit Schreiben vom 9. Juni 1998 auf, über die bei ihm über den Kläger erhobenen und gespeicherten Daten Auskunft zu erteilen und die gespeicherten Daten nach Auskunftserteilung zu löschen.

Der Beklagte forderte den Kläger daraufhin - zur Prüfung der Frage der Auskunftserteilung nach dem Datenschutzgesetz - auf, nähere Angaben zur Person zu machen. Nachdem der Kläger die erbetenen Angaben gemacht hatte, lehnte der Beklagte mit Verfügung vom 14. Juli 1998 die Auskunftserteilung ab, da er dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben seines Zuständigkeitsbereichs als gefährdet ansehe. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 31. August 1998 Einspruch oder das sonst zulässige Rechtsmittel ein.

Darauf hin teilte der Beklagte dem Kläger erneut mit, dass er die Auskunftserteilung ablehne. Auch dieses Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung. Eine Einspruchsentscheidung ist nach Lage der Akten nicht ergangen.

Mit der vorliegenden, am 18. März 1999 beim Finanzgericht eingegangenen, Klage verfolgt der Kläger weiterhin das Ziel, den Beklagten zur Auskunft über die über ihn, den Kläger, erhobenen und gespeicherten Daten zu verurteilen.

Er vertritt die Auffassung, dass die Klage als Untätigkeitsklage zulässig sei, da der Beklagte eine Entscheidung über den Einspruch ablehne.

Zur Begründung in der Sache führt er aus, dass der Beklagte das Sammeln personenbezogener Daten über natürliche und juristische Personen zum Zwecke der automatischen Auswertung und Übermittlung an Dritte betreibe. Die über ihn, den Kläger, gesammelten und an die Finanzämter weitergegebenen Informationen seien unzutreffend. Sie seien auch geeignet, dem Kläger zu schaden. In einem Eilverfahren vor dem Finanzgericht des Landes Brandenburg sei festgestellt worden, dass die Auskünfte des Beklagten über den Kläger unzutreffend gewesen seien.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass ihm ein Auskunftsanspruch aus § 19 / § 34 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes - BDSG - zustehe.

Die Weigerung des Beklagten, ihm Auskunft über die gespeicherten Daten zu erteilen, sei rechtswidrig.

Der Beklagte berufe sich zunächst zu Unrecht auf eine vorrangige Regelung in der Abgabenordnung - AO -. Die AO enthalte keine gesetzliche Regelung des Akteneinsichtsrechtes. Ihr könne daher gegenüber der eindeutigen gesetzlichen Regelung im BDSG keine Vorrangwirkung zukommen.

So weit der Beklagte die Gefahr einer Verletzung des Steuergeheimnisses vortrage, vermöge dies nicht zu überzeugen, da der Beklagte nach eigenem Bekunden nur allgemein zugängliche Informationen sammele. Insoweit könne kein schützenswertes Interesse Dritter bestehen.

Falls der Beklagte entgegen seinem eigenen Sachvortrag doch eigene Ermittlungen im Ausland betreibe und daher schützenswerte Daten Dritter in den den Kläger betreffenden Akten gesammelt seien, sei es den Beklagten zuzumuten, diese zu schwärzen.

Der Umfang der über den Kläger gespeicherten Akten (13 Aktenordner) lasse es im Übrigen unwahrscheinlich erscheinen, dass der Beklagte nur aus öffentlich zugänglichen Registern und ähnlichen Quellen einen derartigen Aktenbestand ansammeln konnte.

Der Beklagte berufe sich auch zu Unrecht auf § 19 Abs. 4 und Abs. 5 BDSG. Der Verweis auf diese Vorschriften sei unzutreffend, da der Beklagte die Daten, die er gesammelt habe, an Finanzämter weitergebe. Diese verwendeten die Informationen für konkrete Verfahren. Derartige Informationen, die die Finanzämter auf diese Weise in Verfahren einbrächten, könnten jedoch nicht als Geheiminformationen der Offenlegung entzogen werden, sie seien bekannt zu geben.

Es könne ihm auch nicht zugemutet werden, abzuwarten, bis eine Finanzbehörde eine auf falsche Tatsachen gestützte Entscheidung erlasse. Der Verweis auf nachträgliche, ggf. gerichtliche, Hilfe benachteilige ihn im Hinblick auf die erhebliche Dauer entsprechender Verfahren.

Bei einer Offenlegung der gespeicherten Daten könnte dagegen die gesamte Sachauseinandersetzung vorverlagert werden. Er könne seine Beweismittel frühzeitig den Finanzbehörden vorlägen, was letztendlich zu richtigen Entscheidungen und zur Vermeidung von Prozessen führe.

Die Aufgaben des Beklagten seien auch nicht gefährdet, wenn der Kläger erführe, welche Informationen dort vorliegen oder nicht vorliegen. Der Wissensstand des Beklagten könne sich permanent ändern. Es sei für keinen Steuerpflichtigen möglich, sein Verhalten auf das beim Beklagten aktuell vorliegende Wissen abzustellen.

Der Beklagte sei schließlich zur Löschung der über ihn gespeicherten Daten verpflichtet. Die Sammlung und Weitergabe der erhobenen Informationen sei ungesetzlich. Es fehle eine den Maßstäben des Grundgesetzes entsprechende gesetzliche Grundlage für diese Tätigkeit.

§ 5 Abs. 1 Nr. 6 FVG widerspreche den Anforderungen an die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Die Vorschrift genüge nicht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts, wonach eine Vorschrift klar erkennen lassen müsse, zu welchen konkreten, klar definierten Zwecken welche konkreten Daten erhoben werden dürften. Insbesondere die Regelung, dass Näheres durch Weisung des Bundesministers zu regeln sei, widerspreche dem grundgesetzlichen Persönlichkeitsschutz.

Der Kläger hat zu den insoweit aufgeworfenen Rechtsfragen ein umfangreiches Gutachten und einen Schriftsatz in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren von Prof. Dr. X , welche für Verfahren mit ähnlichen Streitgegenständen erstellt worden sind, eingereicht. Auf das Gutachten und den Schriftsatz wird Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nochmals ergänzend darauf hingewiesen, dass sich der Beklagte seines Erachtens als Ermittlungsbehörde verstehe und in der Art einer verbotenen Rasterfahndung Daten erhebe.

Die ablehnende Entscheidung des Beklagten sei im Übrigen schon deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte keine Ermessensentscheidung getroffen habe. Vielmehr liege eine generelle Ablehnung vor, da der Beklagte unabhängig von der Art und dem Umfang der gesammelten Daten die Auskunft über die gesammelten Daten ablehne.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihm Auskunft über die über ihn erhobenen und gespeicherten Daten zu erteilen,

hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs. 1 Nr. 6 FVG einzuholen

und die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt

die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, dass der Kläger keinen Anspruch auf Auskunftserteilung über die erhobenen und gespeicherten Daten habe.

Die Regelungen des BDSG seien im Besteuerungsverfahren nicht anwendbar. Die datenschutzrechtliche Problematik sei in der Abgabenordnung, insbesondere in § 30 AO, abschließend geregelt.

Das ergebe sich schon daraus, dass der Gesetzgeber das Akteneinsichtsrecht unter dem Gesichtspunkt des Schutzes Dritter und des Ermittlungsinteresses der Finanzbehörden ausdrücklich nicht in die Abgabenordnung aufgenommen habe. Insoweit verweist der Beklagte auf die Gesetzgebungsbegründung (Bundestagsdrucksache 7/429 2d, S. 24 ff.).

Über den Antrag des Klägers sei daher entsprechend der Regelung in Tz 4 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung -AEAO - zu § 91 nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.

Danach habe der Kläger keinen Anspruch auf Akteneinsicht.

Es bestehe zunächst die Gefahr, dass der Beklagte das Steuergeheimnis verletze. Dem Beklagten lägen 13 Aktenordner vor, in denen der Kläger i. V. m. mittelbaren und unmittelbaren Beziehungen zu ausländischen Gesellschaften, teilweise auch innerhalb eines größeren Beziehungsgeflechtes von Firmen, vorkomme. Bei dieser Verzahnung von Beziehungen wäre es auch bei sorgfältiger Überarbeitung der Akten durch Schwärzen sämtlicher anderer Personen- und Firmennamen unvermeidbar, dass bei einer Einsichtnahme des Klägers das berechtigte Schutzinteresse Dritter verletzt würde.

Da dem Kläger seine Beziehungen zu ausländischen Gesellschaften bekannt seien, könne für ihn nur von Interesse sein, welche Auslandsbeziehungen beim Beklagten gespeichert seien und welche nicht. Mit einer Auskunftserteilung würden daher die Ermittlungen der Finanzämter und die Aufgabenerfüllung durch den Beklagten gefährdet. Bei einer Auskunftserteilung würde der Kläger erfahren, über welche seiner Auslandsbeziehungen dem Beklagten Informationen vorlägen. Gleichzeitig wüsste er, ob und gegebenenfalls welche Finanzämter Ermittlungsmaßnahmen eingeleitet hätten.

Selbst wenn man der Auffassung über die Subsidiarität des BDSG gegenüber der AO nicht folge, habe der Kläger keinen Anspruch auf Auskunft. Einem derartigen Anspruch stünde das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 19 Abs. 4 BDSG entgegen.

Durch eine Auskunft der gespeicherten Daten an den Kläger würde die Erfüllung der dem Beklagten zugewiesenen Aufgaben gefährdet. Die IZA leiste den Finanzämtern Amtshilfe bei der Aufklärung von Auslandssachverhalten. Die Recherchen des Beklagten und die Informationspoolung seien erforderlich, um eine gleichmäßige und gesetzmäßige Steuerfestsetzung bei Auslandssachverhalten sicher zu stellen.

Die Sachverhaltsaufklärung durch die IZA würde erheblich erschwert, teilweise sogar unmöglich gemacht, wenn es den Steuerpflichtigen allgemein möglich wäre, über eine Vorabauskunft Kenntnis von den den Finanzbehörden bekannten Fakten zu erlangen.

Auch könnten die Steuerpflichtigen ihren Sachvortrag auf die Kenntnisse der Finanzverwaltung abstellen.

Nachteile aus der Auseinandersetzung mit den Informationen des Beklagten im Einzelfall dürften den Steuerpflichtigen, die ihren steuerlichen Verpflichtungen gem. § 90 Abs. 2 AO nachkämen, nicht erwachsen.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Datensammlung auf der Basis des § 5 Abs. 1 Nr. 6 Finanzverwaltungsgesetz nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Das Registrieren und die Ablage der nach § 30 AO geschützten Daten aus den Anfragen der Finanzämter sei nach § 88a AO zulässig.

Und so weit der Kläger vortrage, dass der Beklagte im Stil einer Rasterfahndung unbegrenzt Daten erhebe, sei dies unzutreffend. In der Regel sei eine konkrete Anfrage eines Finanzamtes Anlass der Tätigkeit für den Beklagten.

Von einem konkreten Anlass losgelöste Ermittlungen habe der Beklagte nur insoweit vorgenommen, als allgemein zugängliche Handelsregister in Luxemburg und in der Schweiz ausgewertet worden seien, um zu prüfen, ob deutsche Steuerpflichtige ihren Anzeigenverpflichtungen nach § 138 AO nachgekommen seien.

Gründe

Die Klage ist als Verpflichtungsklage in der Form der Untätigkeitsklage zulässig, aber unbegründet.

I. Die Klage ist zulässig.

1. Für die Klage auf Auskunft über die vom Beklagten gespeicherten Daten ist der Finanzrechtsweg gegeben.

Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist der Finanzrechtsweg gegeben in "öffentlichrechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten". Nach § 33 Abs. 2 FGO sind Abgabenangelegenheiten im Sinne dieses Gesetzes alle mit der Verwaltung der Abgaben zusammenhängenden Angelegenheiten. Die Gesetzesdefinition zeigt, dass der Begriff weit auszulegen ist.

Zu den mit der Verwaltung von Abgaben zusammenhängenden Angelegenheiten gehört auch die Entscheidung über die Gewährung oder Ablehnung einer Akteneinsicht oder einer Auskunft aus den Steuerakten (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 18. Dezember 1997 2 K 382/96, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1998, 963; Gräber, FGO, § 33 Tz 30, Stichwort " Auskunft ( Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 33 FGO Textziffer 336, 344).

2. Der Klageart nach handelt es sich um eine Verpflichtungsklage im Sinne des § 40 Abs. 1 FGO (vgl. dazu die generellen Ausführungen in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 5 Finanzverwaltungsgesetz Tz 39).

Die Kläger begehren den Erlass eines abgelehnten Verwaltungsakts. Die Entscheidung des Beklagten, ob er dem Kläger Auskunft erteilt, stellt einen Verwaltungsakt dar.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 118 Abs. 1 AO). Eine rechtliche Regelung liegt auch vor, wenn eine Maßnahme abgelehnt wird, die abgelehnte Maßnahme selbst aber keinen Verwaltungsakt darstellt, sondern eine tatsächliche Handlung (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1987 I R 66/84, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1988, 319; Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 23. Juni 1994 I 174/93, EFG 1995, 50; Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 118 Tz. 11 m. w. N.).

Die Auskunft selbst ist eine tatsächliche Handlung. Jedoch liegt der rechtliche Schwerpunkt in der Prüfung durch den Beklagten, ob der Kläger einen Anspruch auf Auskunft hat. Insbesondere muss der Beklagte prüfen und entscheiden, ob der Kläger grundsätzlich einen Anspruch auf Auskunft hat und ob bejahendenfalls die Voraussetzungen vorliegen, unter denen ein grundsätzlich bestehendes Auskunftsrecht entfällt. Der Beklagte entscheidet somit über einen möglichen Anspruch des Klägers. Mit der Entscheidung greift er in die Außenbeziehungen zum Kläger ein und regelt einen Einzelfall (vgl. zur Qualifikation der Ablehnung einer Auskunft als Verwaltungsakt z. B. BFH-Urteil vom 22. Januar 1992 I R 20/91, BFH/NV 1992, 562 m. w. N.; vgl. auch BFH/NV 1988, 319 m.w.N. für den Fall des Verlangens auf Herausgabe von Fotokopien).

3. Die Zulässigkeit der Klage scheitert auch nicht an der Voraussetzung, dass nach § 44 Abs. 1 FGO das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben sein muss.

Die Klage ist gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO als Untätigkeitsklage ohne abgeschlossenes außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren zulässig.

Nach § 46 Abs. 1 ist eine Klage abweichend von § 44 FGO ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist.

Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Der Kläger hat gegen die Ablehnung der Auskunftserteilung Einspruch eingelegt. Über diesen hat der Beklagte bis heute nicht entschieden. Dass der Kläger die Klage bereits vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des Einspruchs erhoben hat, ist unschädlich. Der Beklagte hat bis zum Tag der mündlichen Verhandlung keine Einspruchsentscheidung erlassen. Im Übrigen hat der Beklagte bereits vor Erhebung der Klage mit dem Schreiben vom 21. Oktober 1998 den Erlass einer Einspruchsentscheidung in der Sache abgelehnt.

4. Der Kläger ist klagebefugt.

Nach § 40 Abs. 2 FGO ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein. Die vom Kläger behauptete Rechtsverletzung muss möglich sein.

Eine solche Rechtsverletzung ist im Streitfall möglich, da der Kläger als natürliche Person unter den Personenkreis fällt, der nach § 19 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes in der Fassung vom 20. Dezember 1990 (Bundesgesetzblatt I 1990, 2955) - BDSG - einen Anspruch auf Auskunftserteilung haben kann. Außerdem kann sich ein solcher Anspruch aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. Bundesverfassungsgericht -BVerfG- Urteil vom 15. Dezember 1983 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83 (Volkszählungsurteil), BVerfGE 65, 1 ff., insbes. 43 ff.) ergeben.

II. Die Klage ist aber unbegründet.

Die Weigerung des Beklagten, dem Kläger Auskunft über die gespeicherten Daten zu erteilen, ist rechtmäßig. Sie verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten, § 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-.

1. Ein Auskunftsanspruch des Klägers folgt zunächst nicht - wie vom Kläger durch Verweisung auf das Gutachten von Prof.X geltend gemacht - aus der allgemeinen Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes.

Diese Vorschrift gewährleistet das formelle Recht, Gerichte gegen eine (behauptete) Verletzung materieller Rechte durch die öffentliche Gewalt anzurufen, nicht dagegen materiellrechtliche Ansprüche. Deren Bestand und Inhalt ergeben sich vielmehr aus anderen Normen (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 1990 1 C 42/83 und 1 C 29/86, Neue juristische Wochenschrift - NJW - 1990, 2761 und 2765 mit umfangreichen Nachweisen zur Verfassungsrechtsprechung).

2. Der Kläger hat aber als natürliche Person nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG grundsätzlich Anspruch auf Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten. Der Anspruch umfaßt sämtliche zu seiner Person gespeicherten Daten und gilt nach Satz 3 auch für in Akten gespeicherte Daten.

Das BDSG ist anwendbar. Es gilt nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BDSG für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen des Bundes.

Der Beklagte ist als Bundesoberbehörde eine öffentliche Stelle des Bundes. Bei den von ihm in der IZA über natürliche Personen gesammelten Daten über deren wirtschaftliche Aktivitäten handelt es sich um personenbezogene Daten. Darunter sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person zu verstehen, § 3 Abs. 1 BDSG.

Die Anwendbarkeit des BDSG ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht durch § 1 Abs. 4 BDSG ausgeschlossen. Danach ist das BDSG nicht anwendbar, soweit in anderen Gesetzen spezielle Regelungen enthalten sind.

Diese Subsidiaritätsklausel greift nur bei Tatbestandskonkurrenz ein (Ordemann/Schomerus,a.a.O., § 1 Anm. 7.2; Schaffland/Wiltfang, a.a.O., § 1 Rdnr. 43).

Für einen Auskunftsanspruch gegen den Beklagten gibt es keine speziellen Regelungen in anderen Gesetzen. Insbesondere enthält § 30 AO eine solche nicht. Zwar geht § 30 AO als bereichsspezifische Regelung unstreitig den Datenschutzgesetzen des Bundes und der Länder vor, soweit er regelt, welche Daten dem Steuergeheimnis unterliegen und unter welchen Voraussetzungen diese Daten offenbart, verwertet oder im automatisierten Verfahren abgerufen werden dürfen. Der Vorrang des § 30 AO gegenüber dem BDSG folgt aus § 1 Abs. 4 BDSG , gegenüber den Datenschutzgesetzen der Länder aus dem Vorrang des Bundesrechts (Art. 31 GG; vgl. dazu Tipke/Kruse, AO/FGO, § 30 AO Tz. 2; Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 30 AO Tz 16 m. w. N.; Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 30 AO Tz. 4) ).

§ 30 AO regelt aber nur und ausschließlich Fragen des Steuergeheimnisses, insbesondere in Abs. 4 die Frage der Offenbarung von dem Steuergeheimnis unterliegenden Daten gegenüber Dritten (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 8. Februar 1994 VII R 88/92, BStBl II 1994, 552, 553 f.). Über einen Anspruch des Steuerpflichtigen gegenüber einer Finanzbehörde auf Mitteilung der über ihn gespeicherten Daten sagt die Vorschrift überhaupt nichts aus. Es ist offensichtlich keine Frage des Steuergeheimnisses, wenn ein Steuerpflichtiger über seine eigenen Daten von einer Finanzbehörde Auskunft verlangt( vgl. Urteil des erkennenden Senats in EFG 1998, 963).

Nach Überzeugung des erkennenden Senats kann in diesem von § 30 AO überhaupt nicht erfassten Bereich keine Sperrwirkung von dieser Vorschrift ausgehen (ebenso Hüttemann in NJW 1997, 2020; möglicherweise anders Beermann, a. a. O. § 30 AO Tz 8).

3. Der Auskunftsanspruch nach § 19 Abs. 1 BDSG entspricht den Anforderungen, die höherrangige Rechtsnormen, also insbesondere die vom Kläger durch Verweisung auf das Gutachten in Anspruch genommenen

Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 des Grundgesetzes, Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, Art. 8 der Datenschutzkonvention des Europarates, der allerdings auch nach Ansicht des Klägers nur völkerrechtliche Verbindlichkeiten erzeugt, und Art. 12 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr - Datenschutzrichtlinie - (Amtsblatt - ABl. - Nr. L 281 vom 23. November 1995)

aufstellen.

In Anbetracht der Tatsache, dass § 19 Abs. 1 BDSG die ansonsten hilfsweise unmittelbar aus den höherrangigen Vorschriften abzuleitenden Auskunftsansprüche in nicht zu beanstandender Weise konkretisiert, bedarf es eines unmittelbaren Rückgriffs auf die genannten Vorschriften, insbesondere das Grundgesetz und die Datenschutzrichtlinie, zur Begründung des Auskunftsanspruchs nicht. Zur Frage der Begrenzung des Auskunftsanspruchs und seinen durch die genannten Vorschriften gesetzten Grenzen wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter 5. verwiesen.

4. Dem Auskunftsanspruch des Klägers steht im Streitfall § 19 Abs. 4 Nr. 1 BDSG entgegen.

Nach dieser Vorschrift unterbleibt die Auskunftserteilung, soweit die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der speichernden Stelle liegenden Aufgaben gefährden würde und deswegen das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung zurücktreten muss.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall erfüllt.

Der Beklagte hat nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 FVG die Aufgabe, zentral Unterlagen über steuerliche Auslandsbeziehungen zu sammeln und auszuwerten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 29. April 1997, Bundessteuerblatt - BStBl - I 1997, 541, verwiesen.

Zur Auswertung der Daten gehört insbesondere, dass den Finanzämtern Hinweise darauf gegeben werden, ob es sich bei ausländischen Gesellschaften um sog. Domizilgesellschaften handelt. Ein wichtiges Indiz hierfür ist gegeben, wenn als geschäftsführendes Organ eine Person benannt wird, die in einer Vielzahl von Gesellschaften, die häufig noch in sehr verschiedenen Branchen tätig sein sollen, diese Funktion ausübt.

Diese Aufgabe würde dem Beklagten, worauf er zutreffend hinweist, nicht nur sehr erschwert, sondern höchstwahrscheinlich unmöglich gemacht, wenn dem Kläger Auskunft über die vom Beklagten über ihn gesammelten Daten erteilt würde. Der Kläger könnte dann sein Handeln darauf abstellen.

Bei dieser Beurteilung muss insbesondere bedacht werden, dass die Frage des Auskunftsanspruches des Klägers nicht anders beurteilt werden kann, als die Frage der möglichen Auskunftsansprüche anderer Personen. Insbesondere bei Personengruppen, die koordiniert zusammenarbeiten, würde der präventive Effekt der Datensammlung durch den Beklagten zunichte gemacht, weil diese je nach Erkenntnisstand des Beklagten ihre Aktivitäten über den einen oder anderen Beteiligten einer solchen Personengruppe abwickeln könnten.

Die Tatsache, dass der Beklagte die Auskunftserteilung ohne konkrete Abwägung bezüglich der Besonderheiten - mit Ausnahme des Umfangs der Akten -, die hinsichtlich der vorliegenden Unterlagen bezüglich des Klägers bestehen, abgelehnt hat, macht die Ablehnung nicht rechtswidrig. Eine konkrete Auseinandersetzung mit dem jeweils im Einzelfall existierenden Datenbestand führte mittelbar zu einer Auskunftserteilung über diesen.

Das Interesse des Klägers an der Auskunftserteilung muss hinter der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung durch den Beklagten zurücktreten.

Das Interesse des Klägers an einer allgemeinen Vorabinformation über die gespeicherten Daten beim Beklagten ist im Streitfall nicht hoch anzusetzen.

Die vom Beklagten erhobenen Daten erfüllen ihren Zweck jeweils nur im konkreten Besteuerungsverfahren. Hier müssen sie von der Finanzbehörde offenbart und ggf. bewiesen werden. Spätestens im Rahmen des Einspruchsverfahrens sind nach § 364 AO die Inhalte von Kontrollmitteilungen und von Amtshilfemitteilungen, also auch von Mitteilungen des Beklagten, dem Beteiligten inhaltlich zur Kenntnis zu bringen (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 364 AO Tz 26; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 364 AO Tz 2). Die Daten gelangen damit jedenfalls dann, wenn sie steuerlich relevant werden, zur Kenntnis des Betroffenen, hier des Klägers.

Wie der Bundesfinanzhof in einer Vielzahl von Entscheidungen (vgl. BFH-Beschluss vom 25. August 1996 IV B 76/86, BFH/NV 1997, 13; BFH-Urteile vom 6. März 1981 IV R 94/78, BFHE 133, 379, BStBl II 1981;vom 30. August 1995 I R 126/94, BFH/NV 1996, 267; BFH-Beschluss vom 25. November 1999 I B 34/99, BFH/NV 2000, 677 ) dargelegt hat, handelt es sich bei den Auskünften des Beklagten um "Erkenntnisse", die dieser aufgrund der Sammlung und Auswertung von Unterlagen über steuerliche Auslandsbeziehungen (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 6 des Finanzverwaltungsgesetzes) erworben hat. Es handelt sich folglich um die Sammlung von Feststellungen tatsächlicher Art. Diese beruhen zum Teil auf amtlichen Nachschlagewerken (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 16. September 1993 IV B 50/93, BFH/NV 1994, 449) oder auf Anfragen/Informationen von Finanzämtern o. Ä. .

Falls die Tatsachenfeststellungen im Einzelfall unrichtig sein sollten, hat der Steuerpflichtige - wie bei anderem fehlerhaften Sachvortrag - die Möglichkeit dies zu widerlegen oder, so weit die Finanzämter für die Lebenssachverhalte die Feststellungslast tragen, zunächst zu bestreiten. Unrichtige Tatsachenfeststellungen können die betroffenen Finanzämter gegebenenfalls nicht beweisen oder der Kläger kann die irrigen Sachverhaltsannahmen durch Richtigstellung, ggf. entsprechenden Nachweis widerlegen.

Damit ist geklärt, dass sich der Kläger gegen die vom Beklagten mitgeteilten Erkenntnisse in gleicher Weise wehren kann, wie gegen anderes Sachverhaltsvorbringen der jeweils zuständigen Finanzbehörde. Die zuständige Finanzbehörde oder das zuständige Finanzgericht haben die Erkenntnisse des Beklagten in gleicher Weise in tatsächlicher Hinsicht zu würdigen, wie die Angaben und Erkenntnisse der Steuerpflichtigen oder aus anderen Quellen ermittelte Sachverhalte.

5a. Die Einschränkung des allgemeinen Auskunftsrechtes aus § 19 Abs. 1 BDSG verstößt nicht gegen den in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 des Grundgesetzes verbürgten grundrechtlichen Datenschutz, das so genannte Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne hat kein Recht im Sinne einer absoluten uneinschränkbaren Herrschaft über " seine " Daten. Wegen der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person muss der Einzelne Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen (vgl. BVerwG, NJW 1990, 2765, 2766 unter 3. mit Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Das trifft in besonderem Maße bei Daten des Einzelnen zu, die nicht nur den Bereich seiner privaten Lebensgestaltung, sondern sein soziales Verhalten betreffen und die unter diesem Blickwinkel seiner ausschließlichen Verfügungsmöglichkeit entzogen sind.

Der durch das Grundrecht verbürgte Schutz gegen eine unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe individualisierter oder die individualisierbarer Daten darf im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Die Einschränkung darf nicht weitergehen als zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BStBl II 1991, 654, 668 m. w. N.).

Eine derartige durch verfassungsmäßiges Gesetz zugelassene Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe geschützter Daten liegt im Streitfall vor.

Die Datensammlung des Beklagten ist rechtmäßig. Sie beruht auf eindeutigen Rechtsgrundlagen, die ausdrücklich im Hinblick auf die früheren Zweifel an der Vereinbarkeit der Datensammlung des Beklagten mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geschaffen worden sind (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 88a AO Tz 4 und 5; Tipke/Kruse, AO/FGO,. § 88a AO Tz 1 und 2; Helmschrott/ Eberhart, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1994, 481, 482 ).

Der Beklagte ist nach § 88a AO berechtigt, Daten in Dateien und Akten zu sammeln.

§ 88a AO verstößt nach Überzeugung des erkennenden Senats auch nicht seinerseits gegen das Grundgesetz.

Insbesondere ist die Vorschrift hinreichend bestimmt. Das rechtsstaatliche Gebot hinreichender Bestimmtheit der Gesetze zwingt den Gesetzgeber nicht, Gesetzestatbestände stets mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Sie sind so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerwG, NJW 1990, 2765, 2767 unter 4 f. M. w. N. zur Verfassungsrechtsprechung).

Diesen Anforderungen genügt § 88a AO. Er ist hinsichtlich der Zielrichtung der Datensammlung hinreichend konkret und begrenzt die Verwendung der gesammelten Daten auf die Steuerverfahren im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 1a und b AO.

Damit in genügt § 88a AO dem Grundsatz der Normenklarheit. Mit der Norm findet der Gesetzgeber einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung einerseits und den Gleichheitsgrundsatz andererseits.

Es darf nämlich nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtliche Verpflichtung, die steuerliche Belastungsgleichheit durch ausreichende Kontrollmöglichkeiten zu gewährleisten, also das Deklarationsprinzip durch das Verifikationsprinzip zu ergänzen (vgl. BVerfG, BStBl II 1991, 654) gegenüber dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung abzuwägen hat. Bei der Abwägung beider Grundrechtsschranken ist der Gesetzgeber zu der Überzeugung gekommen, dass das überwiegende Allgemeininteresse an der Offenlegung steuerlich erheblicher Umstände höher zu bewerten ist, als das Individualinteresse am Datenschutz.

Der erkennende Senat teilt die Auffassung des Gesetzgebers, dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung insoweit wirksam eingeschränkt werden konnte.

Der Beklagte hat sich bei seinem Handeln auch im Rahmen der gesetzlichen Vorschrift gehalten. Er hat im Regelfall Recherchen nur angestellt, wenn konkrete Auskunftsersuchen einzelner Finanzämter vorlagen. Er hat darüber hinaus seine allgemeinen Dateien nur durch Auswertung ausländischer Handelsregister und Telefonbücher ergänzt.

Eigene Ermittlungen durch hoheitliche Inanspruchnahme Dritter konnte der Beklagte schon deshalb nicht anstellen, da dem Beklagten kein Recht zusteht, im Inland Auskünfte nach Maßgabe der §§ 93 ff. AO zu verlangen und im Ausland eine hoheitliche Datenerhebung schon im Hinblick auf die Souveränität der ausländischen Staaten ausgeschlossen ist.

Die Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 6 Finanzverwaltungsgesetz -FVG-.

Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Rasterfahndung, wie vom Kläger vorgetragen, bestehen im Streitfall nicht.

Das ergibt sich im Streitfall schon daraus, dass dem Beklagten - anders als den üblicherweise in Fällen der behaupteten oder tatsächlich vorliegenden Rasterfahndung betroffenen Steuerfahndungsstellen - keinerlei Eingriffsbefugnis zusteht.

5b. Die Einschränkung des allgemeinen Auskunftsrechtes aus § 19 Abs. 1 BDSG verstößt nicht gegen die in Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Privatsphäre.

Nach Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in des Recht auf Achtung des Privatlebens statthaft, so weit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft... für das wirtschaftliche Wohl des Landes...und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen... oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach Überzeugung des erkennenden Senats liegen die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift vor. Der Eingriff erfolgt auf der Basis eines Gesetzes (§ 19 Abs. 4 BDSG), er stellt eine Maßnahme in einer demokratischen Gesellschaft dar, die für das wirtschaftliche Wohl des Landes, nämlich die Sicherung des Steueraufkommens, und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen (Steuerhinterziehungen) und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, nämlich vor ungleichmäßigem zu hohem Steuerzugriff wegen mangelhafter Kontrolle der Richtigkeit der Steuererklärungen anderer Steuerpflichtiger, notwendig ist.

Nach Überzeugung des erkennenden Senats ist das Schutzniveau des Grundgesetzes in dem hier streitigen Lebensbereich höher als das Schutzniveau der Menschenrechtskonvention. Eine Vereinbarkeit der angegriffenen Vorschriften mit dem Grundgesetz schließt insoweit einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention faktisch aus.

5c. Es liegt auch kein Verstoß gegen die Datenschutzrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft vor. Nach Art. 13 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie können die Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften erlassen, die die Pflichten und Rechte gem. Art. 12 (Auskunftsrecht) beschränken, sofern eine solche Beschränkung notwendig ist für...

e) ein wichtiges wirtschaftliches oder finanzielles Interesse eines Mitgliedstaats oder der Europäischen Union einschließlich Währungs-, Haushalts- und Steuerangelegenheiten;

Es ist offenkundig, dass auch die Europäische Datenschutzrichtlinie weitergehende Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eröffnet, als das Grundgesetz. In dem Erlaubnistatbestand der Richtlinie sind ausdrücklich Steuerangelegenheiten als wichtige wirtschaftliche Interessen eines Mitgliedstaats oder der Union bezeichnet. Dass die einschlägigen Rechtsvorschriften, die die Rechtsgrundlage für die Tätigkeit des Beklagten darstellen, der Sicherung des Steueraufkommens dienen, ist offenkundig und im vorliegenden Verfahren auch nicht ernsthaft streitig.

6. Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet.

Das Verfahren ist nicht entsprechend Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - i.V.m. § 80 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes - BVerfGG -auszusetzen.

Nach Art. 100 Abs. 1 GG ist ein Gerichtsverfahren dann auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGG - einzuholen, wenn das Gericht das Gesetz auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Dabei muss das Gericht nach § 80 Abs. 2 BVerfGG in der Begründung angeben, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig ist und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist.

Voraussetzung für eine derartige Vorlage an das Bundesverfassungsgericht ist nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 31.05.1983 1 BvL 11/80, BVerfGE 64, S. 180, 187; weitere Nachweise bei Jarass/Pieroth, GG, Art. 100 Tz. 10), dass das vorlegende Gericht selbst von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm überzeugt sein muss. Wenn das Gericht auch nur die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung sieht, darf die Vorlage nicht erfolgen.

Danach ist das vorliegende Verfahren nicht auszusetzen, da der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs. 1 Nr. 6 FVG als Zuständigkeitsnorm überzeugt ist.

Der Kläger hat keine Gründe für eine Verfassungswidrigkeit der Norm vorgetragen.

Entgegen der Auffassung des Klägers regelt die vorgenannte Vorschrift nur die Zuständigkeit des Beklagten für die Sammlung und Auswertung von Unterlagen über steuerliche Auslandsbeziehungen. Die materielle Berechtigung zur Datensammlung ergibt sich aus § 88a AO . Auch diese Vorschrift hält der erkennende Senat nicht für verfassungswidrig (vgl. die Ausführungen unter 5a.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat läßt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zu. Die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, Auskunft über die in der IZA gesammelten Daten zu erteilen, hat grundsätzliche Bedeutung.






FG Köln:
Urteil v. 15.05.2002
Az: 2 K 1781/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/2733b655eaac/FG-Koeln_Urteil_vom_15-Mai-2002_Az_2-K-1781-99




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