Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Juni 2006
Aktenzeichen: 27 W (pat) 47/06

(BPatG: Beschluss v. 12.06.2006, Az.: 27 W (pat) 47/06)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 vom 22. Februar 2006 aufgehoben.

Gründe

I Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit dem im Tenor genannten Beschluss die Anmeldung der für

"Digitale Farbkameras, Farbscanner, elektronische Bildverarbeitungsbauteile, Bildverarbeitungssoftware (gespeichert), Datenerfassungssoftware (gespeichert), aus Hard- und Software bestehende Datenerfassungssysteme, elektronische Geräte auf dem Gebiet der Farberfassungs- und -archivierungstechnologie, Datenverarbeitungsgeräte; Entwurf und Entwicklung von Software für Hochgeschwindigkeitskameras und integrierte Bildverarbeitungen"

als Wortmarke beanspruchten Kennzeichnung BAP Image Sytemsnach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG als freihaltungsbedürftige und nicht unterscheidungskräftige Angabe mit der Begründung zurückgewiesen, die angemeldete Marke beschreibe lediglich die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, weil die Abkürzung "BAP" für Bildschirmarbeitsplatz oder auch für Bild- und Abbildungssysteme stehe, welche sich des "Bandwidth Allocation Protocols" bedienten, und damit mögliche Eigenschaften von Waren und Dienstleistungen beschreibe, die unter die im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis Oberbegriffe fielen; beispielsweise fielen unter den Oberbegriff "digitale Farbkameras" auch "digitale Farbkameras für Bildschirmarbeitsplätze". Damit stelle die Anmeldemarke aber eine freizuhaltende und nicht unterscheidungskräftige Bezeichnung dar, welche von der Eintragung ausgeschlossen sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, welche ihr Eintragungsbegehren weiterverfolgt. Sie bestreitet, dass die von ihr konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen irgendeine Verbindung mit Bildschirmarbeitsplätzen oder dem "Bandwidth Allocation Protocol" - einer Technik zur Bereitstellung zusätzlicher Telekommunikationsleitungen bzw. zur Verbesserung der Übertragung in der Telekommunikation - aufwiesen; was die Markenstelle unter einer "digitalen Farbkamera für Bildschirmarbeitsplätze" verstehe, sei ihr unklar; auch sei es technisch unsinnig, den Unterbegriff "digitale Farbkamera unter Verwendung des Bandwidth Allocation Protocol" zu bilden. Der Eintragung der Anmeldemarke stehe daher weder ein Freihaltungsbedürfnis entgegen noch entbehre sie der erforderlichen Unterscheidungskraft.

II Die zulässige Beschwerde ist begründet. Für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen stellt die angemeldete Bezeichnung weder eine unter das Eintragungsverbot des nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG fallende beschreibende Angabe dar noch fehlt ihr jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Entgegen der Auffassung der Markenstelle steht der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung nicht das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, denn die angemeldete Bezeichnung besteht in keiner ihrer möglichen Bedeutungen (vgl. EuGH, MarkenR 2004, 450, 453 [Rz. 32] - DOUBLEMINT) ausschließlich aus Zeichen oder Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen können, die für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände darstellen (vgl. hierzu BGH GRUR 1999, 1093, 1094 - FOR YOU; GRUR 2000, 211, 232 - FÜNFER) und hinreichend eng mit einer Ware oder Dienstleistung selbst in Bezug stehen (vgl. BGH GRUR 2005, 417, 419 - Berlin Card). Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung steht daher nicht das im Allgemeininteresse liegende Ziel entgegen, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren bzw. Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke zugunsten eines Unternehmens monopolisiert werden können (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rn. 25 - CHIEMSEE; GRUR 2004, 680, 681 Rn. 35, 36 - BIOMILD).

Zwar hat die Markenstelle zutreffend festgestellt, dass die in der Anmeldemarke enthaltene Abkürzung "BAP", die eine Vielzahl an Bedeutungen haben kann (vgl. im Internet acronymfinder.com/afquery.asp€Acronym=BAP&string=exact), u. a. auch für "Bildschirmarbeitsplatz" oder das eine ganz bestimmte Telekommunikationstechnik bezeichnende "Bandwidth Allocation Protocol" (vgl. hierzu etwa linktionary.com/b/bap.html; support.microsoft.com/default.aspx€ scid=kb;EN-US;235610; javvin.com/protocolBAP.html) stehen kann. Dies würde die Annahme einer beschreibenden Bedeutung der Anmeldemarke aber nur dann rechtfertigen, wenn - wovon auch die Markenstelle ausgegangen ist - die Abkürzung mögliche Merkmale von Waren oder Dienstleistungen bezeichnen würde, die unter die im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis genannten Oberbegriffe fallen. Soweit sie dies für die konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen bejaht hat, vermag der Senat dem aber nicht zu folgen. Dass es spezielle digitale Farbkameras nicht nur für Computer ("Webkameras") gibt, sondern auch für Bildschirmarbeitsplätze - also die gebräuchliche Bezeichnung für die in allen Büros und Verwaltungsbereichen anzutreffenden EDV-Arbeitsplätze, die aus Bildschirm, Tastatur und einer Software, der Schnittstelle Mensch - Maschine, sowie optionalen Elementen, wie z. B. Telefon, Arbeitstisch und unmittelbare Arbeitsumgebung, bestehen (vgl. wikipedia.org/wiki/Bildschirmarbeitsplatz) - gibt, hat die Markenstelle weder belegt noch sind Anhaltspunkte hierfür, wie eigene Recherchen des Senats ergaben, ersichtlich. Gleiches gilt für das Bandwidth Allocation Protocol, weil hierunter eine ganz bestimmte Technik in der Telekommunikation zu verstehen ist, die für Signalübertragungen aller Art bereitgestellt wird (vgl. hierzu die oben genannten Fundstellen). Die im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis genannten Waren und Dienstleistungen, die ausschließlich mit der unmittelbaren digitalen Aufnahme und Verarbeitung von Bildern in Zusammenhang stehen, sind aber erkennbar weder auf diese Telekommunikationstechnik ausgerichtet noch ist es umgekehrt technisch vorstellbar, dass diese Telekommunikationstechnik auf die von der Anmelderin beanspruchten Waren oder Dienstleistungen angewiesen sein kann. Dass unter Zugrundelegung des Bandwidth Allocation Protocols bei der Telekommunikation auch digitale Signale übertragen werden können, die Bildinfomationen enthalten, welche mittels der von der Anmelderin beanspruchten Hard- und Software erstellt und bearbeitet wurden, steht dem nicht entgegen, denn einen solchen, schon sehr fernliegenden Zusammenhang wird der Verkehr nur nach eingehender analysierender Betrachtung der Anmeldemarke gedanklich herstellen können; zu solchen analysierenden Betrachtungen neigt der Verkehr aber nach ständiger Rechtsprechung gerade nicht (vgl. (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1992, 515, 516 - Vamos; BGH GRUR 195, 408, 409 - PROTECH).

Auch in ihren übrigen möglichen Bedeutungen ist nicht erkennbar, dass die in der Anmeldemarke enthaltene Abkürzung "BAP" mögliche Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibt; hiervon ist auch die Markenstelle in ihrer Entscheidung nicht ausgegangen. Damit kann ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht festgestellt werden.

Mangels beschreibenden Bedeutungsgehalts kann der Anmeldemarke auch die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden, also nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - Philips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 - Unter Uns) die Eignung, von den Abnehmern, an welche sich die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen richten, als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden.

Da die Markenstelle somit im Ergebnis der Anmeldemarke zu Unrecht die Eintragung wegen der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG versagt hat, war auf die Beschwerde der Anmelderin der Beschluss der Markenstelle aufzuheben.






BPatG:
Beschluss v. 12.06.2006
Az: 27 W (pat) 47/06


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