Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Dezember 2006
Aktenzeichen: 17 W (pat) 334/04

(BPatG: Beschluss v. 14.12.2006, Az.: 17 W (pat) 334/04)

Tenor

Das deutsche Patent 100 13 554 wird in beschränktem Umfang aufrechterhalten.

Der geänderten Fassung des Patents liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 und 2, eingeg. am 5. Dezember 2006, Beschreibung Seiten 1 - 16, eingeg. am 5. Dezember 2006, mit geänderter Bezeichnung, sowie 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 3 der Patentschrift.

Gründe

I.

Auf die am 20. März 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung 100 13 554.4 - 53 wurde am 23. März 2004 unter der Bezeichnung

"Verfahren und Vorrichtung zur bidirektionalen Datenkommunikation mit einer wenigstens ein elektronisches Gerät steuernden Datenverarbeitungseinrichtung"

durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F das Patent erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 22. Juli 2004.

Gegen das Patent hat die A... GmbH in B..., Einspruch erhoben. Sie macht geltend, der Gegenstand des Patents gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG), ferner offenbare das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG), und schließlich sei der Gegenstand des Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG). Dazu benennt sie folgende Druckschriften:

D1 DE 40 15 271 A1, D2 DE 195 11 140 A1, D3 EP 0 519 089 A1, D4 DE 198 19 265 C1.

Die Einsprechende hatte zunächst beantragt, das Streitpatent zu widerrufen. Mit Erklärung vom 20. April 2006 hat sie jedoch ihren Einspruch zurückgenommen.

Die Patentinhaberin hat ausgeführt, dass die geltend gemachten Widerrufsgründe nicht gegeben seien. Zu der von ihr hilfsweise beantragten mündlichen Verhandlung ist sie nicht erschienen. Sie hat zuletzt mit Eingabe vom 5. Dezember 2006 beantragt, das Patent in folgender eingeschränkter Fassung aufrecht zu erhalten:

Patentansprüche 1 und 2, eingeg. am 5. Dezember 2006, Beschreibung Seite 1 - 16, eingeg. am 5. Dezember 2006, mit geänderter Bezeichnung, sowie 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 3 der Patentschrift.

Zu der noch notwendigen Anpassung der Beschreibung hat die Patentinhaberin eine Frist für einen nachgelassenen Schriftsatz erhalten.

Die geltenden Patentansprüche lauten:

"1. Verfahren zur bidirektionalen Datenkommunikation mit einer wenigstens ein elektronisches Gerät (10) steuernden elektronischen Datenverarbeitungseinrichtung (1), in welcher ein Datenverarbeitungsprogramm abläuft, und welche zwei Eingänge (2, 2a) und zwei digitale Ausgänge (3, 3a) aufweist, von denen der erste digitale Ausgang (3) immer dann ein High-Signal abgibt, wenn der andere digitale Ausgang (3a) ein Low-Signal abgibt, und umgekehrt, und über diese Ausgänge eine Datenausgabe erfolgen kann, wobei jeder der digitalen Ausgänge (3, 3a) nach dem Gegentaktprinzip an den Steuereingang (82, 82a) eines eigenen elektronischen Schalters (80, 80a) angeschlossen ist, wobei der Signaleingang (81) des ersten elektronischen Schalters (80) mit dem ersten Eingang (2) und über einen ersten Widerstand (20) mit der Versorgungsspannung (20) verbunden istund der Signaleingang(81a) des zweiten elektronischen Schalters (80a) mit dem zweiten Eingang (2a) und über den zweiten Widerstand (20a) mit Masse (32) verbunden ist, wobei der Signalausgang (83) des ersten elektronischen Schalters (80) mit dem Signalausgang (83a) des zweiten elektronischen Schalters (80a) und mit einer gemeinsamen Ausgabeleitung (35) für die Datenausgabe verbunden ist, wobei die gemeinsame Ausgabeleitung (35) mit den Signaleingängen (91, 91a) eines ersten und eines zweiten Eingabeschalters (90, 90a) verbunden ist, wobei der Signalausgang des ersten Eingabeschalters (90) mit Masse (32) und der Signalausgang des zweiten Eingabeschalters (90a) mit der Versorgungsspannung (30) verbunden istund die Steuereingänge (91, 91 a) der Eingabeschalter (90, 90a) von je einem eigenen Ausgang (61, 61a) einer Steuerlogik (60) angesteuert werden, so dass der Spannungsabfall am ersten oder zweiten Widerstand (20, 20a) durch den Schaltzustand des ersten oder zweiten Eingabeschalters (90, 90a) so beeinflusst wird, dass die am ersten oder zweiten Eingang (2,2a) der elektronischen Datenverarbeitungseinrichtung (1) anliegende Spannung bei geöffnetem Eingabeschalter (90, 90a) einen anderen Pegel hat als bei geschlossenem Eingabeschalter (90, 90a), wobei das Datenverarbeitungsprogramm aus Abfragen der an den Eingängen (2, 2a) anliegenden Spannungen eine digitale Information bildet, welche ausgegeben oder mit welcher das elektronische Gerät (10) angesteuert werden kann, so dass, zeitlich versetzt gegen die Datenausgabe, entweder über den ersten Eingang (2), den ersten elektronischen Schalter (80) und den ersten Eingabeschalter (90) oder über den zweiten Eingang (2a), den zweiten elektronischen Schalter (80a) und den zweiten Eingabeschalter (90a) eine Dateneingabe über die gemeinsame Ausgabeleitung (35) möglich ist.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerlogik (60) durch jeweilige Messung des Stromflusses durch ihre Ausgänge (61, 61a) automatisch feststellt, welcher der beiden elektronischen Schalter (80, 80a) gerade geöffnet ist, und dafür sorgt, dass bei Dateneingabe nur der entsprechende Eingabeschalter (90, 90a) betätigt wird."

Die zugrundeliegende Aufgabe besteht nunmehr darin, ein Verfahren zur bidirektionalen Datenkommunikation mit einer elektronischen Datenverarbeitungseinrichtung, die ein elektronisches Gerät wie z. B. einen Sensor steuert, von einem entfernten Ort aus bereitzustellen, damit die Datenverarbeitungseinrichtung das elektronische Gerät zum Beispiel parametrisiert oder abgleicht, wobei nur ein geringer Zusatzaufwand an Hardware und insbesondere keine zusätzliche Leitung oder Veränderungen des Gehäuses des Gerätes erforderlich sein soll (siehe geltende Beschreibung Seite 5 Mitte).

II.

1. Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben, er ist mit nachprüfbaren Gründen versehen und somit zulässig.

Durch die Zurücknahme des einzigen Einspruchs endet nur die Verfahrensbeteiligung der Einsprechenden; das Verfahren selbst ist - auch vor dem BPatG - von Amts wegen fortzusetzen (§ 61 Abs. 1 Satz 2 PatG; BPatGE 46, 247).

2. Das Streitpatent betrifft die elektronische Schaltung eines Kleingerätes wie z. B. Messgerät oder Sensor, welche so ausgelegt ist, dass mit geringem Aufwand ohne zusätzliche Leitung eine Datenkommunikation (Dateneingabe und Datenausgabe, z. B. zur Einstellung von Parametern und Meldung von Messwerten) mit einer Datenverarbeitungseinrichtung wie etwa einer zentralen Steuerungsanlage oder einem Programmiergerät möglich wird.

Als Fachmann für die genannte Aufgabenstellung ist ein Entwicklungsingenieur für dezentrale elektronische Kleingeräte (Messgeräte, Sensoren), die von einem zentralen Rechner angesteuert oder abgefragt werden (z. B. aus dem Bereich der Feldbustechnik), mit Fachhochschulausbildung anzusehen.

3. Die behauptete "unzulässige Erweiterung" liegt nicht vor. Denn die Einsprechende macht größtenteils nur Unterschiede gegenüber den ursprünglichen Patentansprüchen geltend. Zur Beantwortung der Frage, ob der Gegenstand der Patentansprüche in der erteilten Fassung des Patents über den Inhalt der Anmeldung hinausgeht, ist die durch die Patentansprüche definierte Lehre jedoch mit dem gesamten Offenbarungsgehalt der Patentanmeldung zu vergleichen; den mit der Anmeldung ursprünglich formulierten Patentansprüchen kommt im Rahmen des Erteilungsverfahrens keine eine weitergehende Offenbarung in der Beschreibung einschränkende Bedeutung zu (BGH GRUR 2005, 1023 "Einkaufswagen II").

Im Einzelnen sind die beanstandeten Merkmale in den Unterlagen vom Anmeldetag an folgenden Stellen offenbart:

3.1 "aus Abfragen der an den Eingängen anliegenden Spannungen" anstelle von "in einer ständigen Schleife ... zyklisch abfragt":

Vgl. ursprüngliche Beschreibung Seite 9 Zeile 26 - 30, Seite 10 Zeile 5 - 8, oder den Hinweis auf einen "Interrupteingang" auf Seite 19 Zeile 13 - 23 (wie der Fachmann weiß, wird ein Interrupteingang nicht von einem Programm in einer ständigen Schleife zyklisch abgefragt, sondern von der Prozessor-Hardware überwacht).

3.2 "Spannung ... einen anderen Pegel hat" anstelle von "Spannung bei geöffnetem Eingabeschalter größer und bei geschlossenem Eingabeschalter kleiner":

Vgl. Figur 5 / Seite 24 Zeile 8 - Seite 25 Zeile 11. Hier verkennt die Einsprechende, dass der erteilte Anspruch 13 von zwei Gegentakt-Eingabeschaltern ausgeht und es sich somit um eine gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 1 erweiterte Schaltung handelt, die abhängig vom betätigten Eingabeschalter unterschiedliche Spannungspegel liefert.

3.3 "zeitlich versetzt gegen die Datenausgabe ... eine Dateneingabe möglich" ohne die zusätzlichen Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 8:

Vgl. Seite 23 Zeile 19 - Seite 24 Zeile 6, ebenfalls ohne die Voraussetzung der Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 8 beschrieben.

3.4 "Dateneingabe" verallgemeinert, anstelle der Beschränkung auf "digitale Informationen":

trifft beim geltenden Anspruch 1 nicht mehr zu, da anspruchsgemäß "das Datenverarbeitungsprogramm ... eine digitale Information bildet".

Somit steht außer Frage, dass die geltenden Ansprüche den Rahmen der ursprünglichen Offenbarung nicht verlassen.

4. Die beanspruchte Lehre ist im Streitpatent so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Entgegen dem Einwand der Einsprechenden, es sei nicht angegeben, wie die elektronische Datenverarbeitungseinrichtung zwischen einer Dateneingabe und einer Datenausgabe unterscheiden kann, findet sich eine entsprechende Erläuterung aber beispielsweise in Zusammenhang mit der Figur 2 des Streitpatents in den Absätzen [0064] - [0068]. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass sich die Beschreibung an den Fachmann richtet, der im vorliegenden Zusammenhang anhand der Schaltbilder (Figuren) eventuelle Missverständnisse aufgrund seines Fachwissens ohne weiteres ausräumen kann (vgl. BGH GRUR 83, 169 "Abdeckprofil").

5. Die Lehre nach dem geltenden Hauptanspruch ist neu und liegt für den Fachmann nicht nahe.

Als nächstkommender Stand der Technik ist D2 (DE 195 11 140 A1) anzusehen, deren eigentliche Lehre zwar eine gleichzeitige Datenübertragung in beiden Richtungen über eine einzige Datenübertragungsleitung betrifft und somit vom Gegenstand des Streitpatents wegführt. In Verbindung mit ihrer Figur 1 ist aber dort als Stand der Technik ein Verfahren zur bidirektionalen Datenkommunikation mit zeitlich gegeneinander versetzter Datenein- und -ausgabe über eine gemeinsame Datenleitung beschrieben, das weitgehende Ähnlichkeiten mit dem Verfahren gemäß dem erteilten Hauptanspruch des Streitpatents hat. Jedoch findet sich keinerlei Hinweis auf eine Gegentaktschaltung, wie sie dem geltenden Patentanspruch 1 zugrunde liegt.

Die weiter abliegende D1 (DE 40 15 271 A1) zeigt Grundschaltungen zur Dateneingabe mit Schaltern in einen Mikroprozessorbaustein, wobei der Stromfluss mittels einer Ausgabeleitung des Mikroprozessors abgeschaltet werden kann; sie beschreibt aber keine zeitlich gegeneinander versetzte Datenein- und -ausgabe über eine gemeinsame Datenleitung, und erst recht keine dafür eingerichtete Gegentaktschaltung.

Auch bei der Eingabeschaltung nach D3 (EP 0 519 089 A1) fehlt der Aspekt der bidirektionalen Datenkommunikation, da keine echte Datenausgabe vorgesehen ist (die dortige Ausgabe-Teilschaltung dient lediglich zur Synchronisation mehrerer Geräte untereinander), sowie jede Anregung hinsichtlich einer entsprechend ausgelegten Gegentaktschaltung.

D4 (DE 198 19 265 C1) betrifft das Parametrieren einer integrierten Schaltung durch Anlegen eines Startkommandosignals mit nachfolgenden Parametrierdaten bei erhöhtem Spannungspegel an eine Versorgungs- oder Ausgangsklemme. Eine Schaltung im Sinne des geltenden Hauptanspruchs des Streitpatents ist ebenfalls nicht beschrieben.

Auch die weiteren im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen Druckschriften liefern keine Anregung, zur bidirektionalen, für Ein- und Ausgabe zeitlich gegeneinander versetzten Datenkommunikation eine Gegentaktschaltung gemäß dem geltenden Hauptanspruch auszulegen.

Der geltende Hauptanspruch ist sonach patentfähig. Der Unteranspruch 2 betrifft eine zweckmäßige, nicht selbstverständliche Ausgestaltung der Erfindung und ist ebenfalls patentfähig.

III.

Nach alledem war das Patent gemäß der Beschlussformel in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten.






BPatG:
Beschluss v. 14.12.2006
Az: 17 W (pat) 334/04


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