Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. November 2010
Aktenzeichen: 17 W (pat) 112/07

(BPatG: Beschluss v. 09.11.2010, Az.: 17 W (pat) 112/07)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung DE 10 2004 037 216.0-53 mit der Bezeichnung:

"Optische Erkennungseinrichtung"

ist am 30. Juli 2004 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Voranmeldung 103 37 563 vom 14. August 2003 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht worden. Sie wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 K des Deutschen Patentund Markenamts vom 10. Oktober 2007 aus Gründen des Bescheides vom 15. März 2007 zurückgewiesen. Im Bescheid vom 15. März 2007 war ausgeführt worden, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptund Hilfsantrag beruhe gegenüber dem genannten Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde des Anmelders gerichtet. Er stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

im Rahmen des Hauptantrags mit Patentansprüchen 1 bis 10 vom 21. Dezember 2007, eingegangen am 27. Dezember 2007, Beschreibung S. 1 -8 vom Anmeldetag, hilfsweise im Rahmen des Hilfsantrags mit Patentansprüchen 1 bis 9 vom 21. Dezember 2007, eingegangen am 27. Dezember 2007, im Übrigen wie Hauptantrag.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, mit einer möglichen Gliederung versehen, lautet:

"Optische Erkennungseinrichtung, A) die mindestens ein Okular und B) eine Dokumentationseinrichtung aufweist, C) die die durch das optische Element erfasste Information abspeichert, D) wobei die optische Erkennungseinrichtung eine Auswerteeinrichtung aufweist, E) die die erfasste Information mit in der Auswerteeinrichtung und/ oder mit in einem Speicher abgelegten Informationen vergleicht und F) das Ergebnis des Vergleichs im Okular anzeigt, dadurch gekennzeichnet, dass G) die in der Auswerteeinrichtung abgelegten Informationen über auf Speicherchips, DVD's oder CD's abgelegte Informationen austauschbar sind."

Hinsichtlich der sich anschließenden Unteransprüche 2 bis 10 wird auf die Akte verwiesen.

Der mit einer Gliederung versehene Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag (mit unterstrichenen Änderungen gegenüber dem Hauptantrag) lautet:

"Optische Erkennungseinrichtung, A) die mindestens ein Okular und B) eine Dokumentationseinrichtung aufweist, C) die die durch das optische Element erfasste Information abspeichert, D) wobei die optische Erkennungseinrichtung eine Auswerteeinrichtung aufweist, E) die die erfasste Information mit in der Auswerteeinrichtung und/ oder mit in einem Speicher abgelegten Informationen vergleicht und F) das Ergebnis des Vergleichs im Okular anzeigt, dadurch gekennzeichnet, dass H) die optische Erkennungseinrichtung als binokulare Erkennungseinrichtung mit einer ersten und zweiten Optik ausgebildet ist und I) nur eine der beiden Optiken die Dokumentationseinrichtung aufweist und G) dass die in der Auswerteeinrichtung abgelegten Informationen über auf Speicherchips, DVD's oder CD's abgelegte Informationen austauschbar sind."

Hinsichtlich der sich anschließenden Unteransprüche 2 bis 9 wird ebenfalls auf die Akte verwiesen.

Der Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Einrichtung zu schaffen, die es einer Person ermöglicht, einen Gegenstand, ein Objekt oder eine Information bzw. Informationen zu erfassen und mit bekannten vorliegenden Informationen zu vergleichen (Abs. [0005] der Offenlegungsschrift).

II.

Die Beschwerde wurde fristund formgerecht eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, denn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag sowie gemäß Hilfsantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).

1. Die Anmeldung betrifft eine optische Erkennungseinrichtung. In der Beschreibungseinleitung wird aufgeführt, aus DE 102 35 553 A1 sei ein Fernglas bekannt, das ein Objektiv, eine Prismenanordnung und ein Okular umfasse, wobei in den Strahlengang zwischen Prismenanordnung und Okular ein Spiegel eingebracht werden könne, der den Strahlengang auf einen Bildsensor einer Digitalkamera umleite, so dass sich mit diesem Fernglas erfasste Bildinformationen speichern ließen. Weiterhin sei durch die US 6 088 053 ein binokulares Fernglas bekannt geworden, das außerhalb des Fernglasgehäuses ein Display aufweise, auf dem die vom Fernglas erfassten Bilder darstellbar seien. Die Bilder ließen sich abspeichern und auf Rechnereinheiten übertragen, mit denen diese Bilder in bekannter Weise bearbeitet werden könnten (Abs. [0002] -[0004] der Offenlegungsschrift).

Demgegenüber sieht der Senat die objektive Aufgabe darin, eine optische Einrichtung zu schaffen, die einer Person Informationen über ein Objekt zur Verfügung stellt, welches mittels der optischen Einrichtung betrachtet wird.

Als Fachmann zur Lösung einer derartigen Aufgabenstellung wird ein Diplomingenieur oder Physiker mit grundlegenden Kenntnissen in der digitalen Bildverarbeitung und mehrjähriger Erfahrung in Aufbau und Konstruktion optischer Beobachtungsinstrumente, insbesondere zur Darstellung von zusätzlichen Informationen, angesehen.

Gelöst wird die Aufgabe gemäß Hauptantrag durch eine optische Erkennungseinrichtung mit mindestens einem Okular und einer Dokumentationseinrichtung, die entsprechend Abs. [0009] der Offenlegungsschrift eine digitale Fotooder Videokamera mit einem Bildsensor als optisches Element zur Bildaufnahme und einem Speicher zur Abspeicherung der Bildinformation umfasst. Die mit der Dokumentationseinrichtung erfasste Bildinformation wird zur Objekterkennung in einer Auswerteeinrichtung (als Bestandteil eines integrierten oder gekoppelten Rechners entsprechend Anspruch 4) mit in einem Speicher abgelegten Informationen verglichen. Bei Objekterkennung wird das Vergleichsergebnis (der Name des identifizierten Objektes) in das Okular (über ein Display im Bildfeld, vgl. Abs. [0010] der Offenlegungsschrift) eingeblendet. Der Speicher für die abgelegten Informationen zum Objektvergleich ist austauschbar und als Speicherchip, DVD oder CD ausgebildet. Der Fachmann liest hierbei mit, dass in der Auswerteeinrichtung eine Objekterkennungssoftware enthalten sein muss, die das aufgenommene Bild analysiert, um es zum Objektvergleich mit den gespeicherten Informationen heranziehen zu können. Unter dem Okular ist hierbei nicht nur die bei Fernrohren, Ferngläsern und Mikroskopen gebräuchliche Linse, durch die man mit dem Auge blickt, zu verstehen, sondern ganz allgemein die erste Linse, durch die man mit dem Auge blickt, in ihrer Funktion als Lupe, da entsprechend Absatz [0008] der Offenlegungsschrift und Anspruch 2 von der optischen Erkennungseinrichtung auch eine Brille oder ein Monokel umfasst sein sollen.

Gemäß Hilfsantrag ist die optische Erkennungseinrichtung binokular mit einer ersten und zweiten Optik ausgebildet (z. B. tragbares Fernrohr) und nur eine der beiden Optiken weist die Dokumentationseinrichtung auf, so dass das mit dieser Optik betrachtete Bild aufgenommen und zum Vergleich herangezogen wird. Entsprechend Abs. [0016] der Offenlegungsschrift soll durch diese Maßnahme mit einer der beiden Optiken freie Durchsicht auf das Bildobjekt ermöglicht werden, so dass auch das Vergleichsergebnis nur in das Okular der die Dokumentationseinrichtung aufweisenden Optik eingeblendet wird.

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag sowie gemäß Hilfsantrag beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Von besonderer Bedeutung für die Beurteilung der beanspruchten Gegenstände sind die mit Ladungszusatz vom 13. September 2010 ins Verfahren eingeführten vorveröffentlichten Druckschriften D6: US 5 963 369 D7: DE 101 03 922 A1.

2.1 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht gegenüber Druckschrift D6 in Verbindung mit Druckschrift D7 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Aus Druckschrift D6 ist eine optische Erkennungseinrichtung mit mindestens einem Okular (3) bekannt, die eine Dokumentationseinrichtung (Kamera mit Bildsensor und Speicher) aufweist, die die durch das optische Element (Bildsensor 12A) der Kamera erfasste Information abspeichert (Fig. 1A, 2A, 3, Sp. 1 le. Abs.) (Merkmale A bis C). Es kann auch eine Objekterkennung der betrachteten Szene mit Hilfe von in die optische Erkennungseinrichtung geladenen Informationen vorgenommen werden (Sp. 2 Z. 41-44). Diese erfolgt gemäß Sp. 5 Abs. 2 durch den Anwender der optischen Erkennungseinrichtung und damit den Betrachter des Bildes, indem er die Bilder in den beiden Bildkanälen bzw. den beiden Optiken der optischen Erkennungseinrichtung vergleicht. In der einen Optik der optischen Erkennungseinrichtung wird hierfür die Außenwelt abgebildet und in der anderen Optik werden Bilder aus den für die Objekterkennung verwendeten Informationen (aus einer Bibliothek von Bildern) über ein Display 16 im Bildkanal in das Okular eingeblendet, so dass der Betrachter bei Übereinstimmung der Bilder eine Objekterkennung vornimmt (teilweise Merkmale D und E). Die für die Objekterkennung verwendeten Informationen werden in die optische Erkennungseinrichtung geladen (Sp. 2 Z. 41-44, Sp. 5 Z. 4 f.), so dass die Informationen im Sinne von Merkmal G austauschbar sind. Es liegt dabei im Wissen des Fachmanns, dass hierfür Speicherchips, DVDs oder CDs genutzt werden können (Merkmal G).

Durch die Angabe in Sp. 2 Z. 41-44 der Druckschrift D6, dass eine Objekterkennung von in der betrachteten Szene enthaltenen Objekten mit Hilfe von in die optische Erkennungseinrichtung geladenen Informationen möglich ist, wird der Fachmann als mögliche Realisierungsvariante neben der in Druckschrift D6 offenbarten auch eine von subjektiven Einflüssen befreite, objektive und damit automatische Objekterkennung in Betracht ziehen, zumal ihm eine solche Möglichkeit, bei der die Objekterkennung in die optische Erkennungseinrichtung integriert ist, durch Druckschrift D7 nahegelegt wird.

Denn aus Druckschrift D7 ist eine als Brille mit Fernglasfunktion ausgestattete optische Erkennungseinrichtung 100 mit einer Dokumentationseinrichtung zur Aufnahme und Abspeicherung von Bildinformation bekannt (Fig. 1, 5A, Sp. 2 Z. 55-58, Sp. 22 Z. 32-38, Sp. 24 Z. 3 f.) (Merkmale B, C), in der bereits eine automatische Objekterkennung vorgenommen wird. Hierfür wird in einer in der optischen Erkennungseinrichtung enthaltenen Auswerteeinrichtung 140 die Information im aufgenommen Bild mit Informationen verglichen, die in einer in der Erkennungseinrichtung enthaltenen Datenbank abgelegt sind (Sp. 2 Z. 55-60, Sp. 4 Z. 55-62 und Z. 65-68, Abs. [0033], [0037], [0148] -[0151], Sp. 37 Z. 57-62) (Merkmale D und E). Das Ergebnis des Vergleichs wird in das Bildfeld der optischen Erkennungseinrichtung eingeblendet (Sp. 6 Z. 25-30, Sp. 26 Z. 41 f., Fig.12B-E) (Merkmal F). Auch hier sind die zum Objektvergleich erforderlichen Informationen in einem austauschbaren Speichermedium wie z. B. CD-ROM oder DVD abgelegt (Sp. 25 Z. 44-48) (Merkmal G).

Der Fachmann erkennt, dass die in Druckschrift D7 offenbarte automatische Objekterkennung ohne weiteres in einer binokularen optischen Einrichtung gemäß D6 integriert werden kann.

Damit ist eine Vorrichtung mit allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag für den Fachmann in Kenntnis von Druckschrift D6 und Druckschrift D7 nahegelegt.

2.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag beruht ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit gegenüber Druckschrift D6 in Verbindung mit Druckschrift D7.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag basiert auf dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag. Er unterscheidet sich von diesem durch Aufnahme der zusätzlichen Merkmale H und I, wonach "die optische Erkennungseinrichtung als binokulare Erkennungseinrichtung mit einer ersten und zweiten Optik ausgebildet ist und nur eine der beiden Optiken die Dokumentationseinrichtung aufweist".

Die optische Erkennungseinrichtung in Druckschrift D6 ist ebenfalls binokular und weist deshalb eine erste und eine zweite Optik mit jeweils einem Okular 3 auf (Fig. 2B, Sp. 3 Z. 11-18) (Merkmal H). Gemäß Sp. 5 Abs. 2 der Druckschrift D6 wird nur in der einen Optik der optischen Erkennungseinrichtung die Außenwelt und in der anderen Optik werden Bilder für die Bilderkennung abgebildet, so dass dadurch mit einer der beiden Optiken freie Durchsicht auf das Bildobjekt ermöglicht wird (teilweise Merkmal I).

Bei der aus Druckschrift D7 bekannten optischen Erkennungseinrichtung weist alternativ nur eine der beiden Optiken einen Bildsensor zur Bildaufnahme und Projektionsmittel zur Einblendung von Bildinformation auf (Fig. 5A, Sp. 17 Z. 58-61, Sp. 28 Z. 59-63), so dass die Dokumentationseinrichtung nur einer der beiden Optiken zugeordnet werden kann (Merkmal I). Damit wird das mit dieser Optik betrachtete Bild aufgenommen und zum Vergleich herangezogen und das Vergleichsergebnis auch nur in dieser Optik eingeblendet, so dass genau wie in D6 mit einer der beiden Optiken freie Durchsicht auf das Bildobjekt ermöglicht wird.

Der Fachmann erkennt ohne weiteres, dass er bei Automatisierung der Objekterkennung in einer Vorrichtung gemäß D6 die Dokumentationseinrichtung analog zu D7 nur einer der beiden Optiken zuordnen darf, wenn er wie in D6 freie Durchsicht in einer Optik behalten möchte.

Damit ist auch eine Vorrichtung mit allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag für den Fachmann in Kenntnis von Druckschrift D6 und Druckschrift D7 nahegelegt.

3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag ist somit nicht patentfähig. Mit dem Anspruch 1 gemäß Hauptund Hilfsantrag fallen notwendigerweise auch die jeweils darauf rückbezogenen Unteransprüche; zumal die Unteransprüche lediglich fachgemäße Ausgestaltungen beinhalten und dafür auch keine erfinderische Besonderheit geltend gemacht wurde.

III.

Bei dieser Sachlage war die Beschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss der Prüfungsstelle G 06 K zurückzuweisen.

Dr. Fritsch Prasch Eder Wickborn Fa






BPatG:
Beschluss v. 09.11.2010
Az: 17 W (pat) 112/07


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