Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Juli 2007
Aktenzeichen: 23 W (pat) 4/05

(BPatG: Beschluss v. 03.07.2007, Az.: 23 W (pat) 4/05)

Tenor

1. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 01 D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. November 2004 wird aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 5, Beschreibungsseiten 1 bis 3, diese Unterlagen jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2007, Beschreibungsseite 1a, eingegangen am 25. Juli 2003, ursprüngliche Beschreibungsseiten 4 bis 9 und ursprüngliche Zeichnung, Figuren 1 bis 7.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse G 01 D des Deutschen Patent- und Markenamts hat die am 4. März 1999 eingereichte Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Verfahren zum Wahrnehmbarmachen von Messdaten eines Versuchsablaufs sowie Versuchsdatenerfassungs-Auswertungssystem" durch Beschluss vom 25. November 2004 zurückgewiesen.

Im Prüfungsverfahren sind zum Stand der Technik die Entgegenhaltungen:

- DE-AS 1 196 383 (Druckschrift 1)

- DE 196 42 135 A1 (Druckschrift 2)

- DE 43 34 546 A1 (Druckschrift 3)

- DE 44 15 004 A1 (Druckschrift 4)

- DE 40 40 608 A1 (Druckschrift 5)

- DE 197 18 494 A1 (Druckschrift 6)

- DE 196 23 026 A1 (Druckschrift 7)

- DE 41 36 968 C1 (Druckschrift 8)

- DE 34 05 951 A1 (Druckschrift 9)

- DE-OS 2 314 712 (Druckschrift 10)

- DE-AS 1 021 258 (Druckschrift 11)

- DE 299 23 434 U1 (Druckschrift 12)

- DE 94 21 861 U1 (Druckschrift 13)

- DE 41 05 809 A1 (Druckschrift 14) - DE 693 10 758 T2 (Druckschrift 15)

- DE 37 43 847 A1 (Druckschrift 16)

- DE 40 06 433 A1 (Druckschrift 17)

- DE 39 38 520 A1 (Druckschrift 18)

- DE 199 44 223 A1 (Druckschrift 19)

- DE 36 40 271 A1 (Druckschrift 20)

- DE 39 08 069 A1 (Druckschrift 21) und - DE 195 35 719 A1 (Druckschrift 22)

in Betracht gezogen worden, von denen die Druckschrift 12 - als nachveröffentlichtes Gebrauchsmuster - nicht zum Stand der Technik gehört, während der damit inhaltsgleiche Teil der nachveröffentlichten Druckschrift 19 einer gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 PatG als Stand der Technik geltenden nationalen Patentanmeldung mit älterem Zeitrang entspricht.

Die Prüfungsstelle für Klasse G 01 D des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Patentanmeldung durch Beschluss vom 25. November 2004 aus den Gründen des Bescheids vom 20. Juli 2004 zurückgewiesen, nachdem die Anmelderin mit Schriftsatz vom 15. November 2004 um Entscheidung nach Lage der Akten gebeten hatte.

In dem Prüfungsbescheid vom 20. Juli 2004 ist ausgeführt, dass der mit Schriftsatz vom 21. Juli 2003 eingereichte Patentanspruch 1 durch die Druckschriften 19, 20 und 21 jeweils neuheitsschädlich getroffen sei. Bezüglich der Synchronisierung und Zeitmarkenabgabe bei mehrkanaligen Messwerterfassungsgeräten werde außerdem auf die Druckschrift 22 hingewiesen, wobei der Fachmann unter einer "zeitabhängigen Messreihe" auch Kameradaten subsumiere.

Gegen den vorgenannten Beschluss richtet sich die am 6. Dezember 2004 eingelegte Beschwerde der Anmelderin.

Mit der Terminsladung ist die Anmelderin darauf hingewiesen worden, dass in der mündlichen Verhandlung die Druckschrift 3 i. V. m. den Druckschriften 1, 8, 9 und 11 eine Rolle spielen werde.

In der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2007 hat die Anmelderin Patentansprüche 1 bis 7 nach Hauptantrag, hilfsweise Patentansprüche 1 bis 7 nach Hilfsantrag 1 und weiter hilfsweise Patentansprüche 1 bis 5 nach Hilfsantrag 2 überreicht und die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag, zumindest jedoch derjenige nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 bzw. Hilfsantrag 2 gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik patentfähig sei.

Sie stellt den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 01 D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. November 2004 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2007, anzupassende Beschreibung und ursprüngliche Zeichnung, Figuren 1 bis 7.

Hilfsweise (Hilfsantrag 1) das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2007, anzupassende Beschreibung und ursprüngliche Zeichnung, Figuren 1 bis 7.

Hilfsweise (Hilfsantrag 2) das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 5, Beschreibungsseiten 1 bis 3, diese Unterlagen jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2007, Beschreibungsseite 1a, eingegangen am 25. Juli 2003, ursprüngliche Beschreibungsseiten 4 bis 9 und ursprüngliche Zeichnung, Figuren 1 bis 7.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"Versuchsdatenerfassungs- und Auswertungssystem, enthaltend wenigstens einen an einem Kraftfahrzeug angebrachten Messsensor (2a bis 2f) zum Erfassen eines versuchsrelevanten Parameters eines Versuchsobjekts (50), eine Messdatenspeichereinrichtung (8) zur Speicherung der Ausgangssignale des Messsensors als Messdaten, eine am Kraftfahrzeug angebrachte Einrichtung (10, 12) zur berührungslosen Erfassung einer versuchsrelevanten Szene, eine Szenendatenspeichereinrichtung (18) zur Speicherung der von der Einrichtung erfassten Szenendaten, eine Wahrnehmbarmacheinrichtung (32) zum zeitsynchronen Wahrnehmbarmachen der Messdaten und der Szenendaten, undgekennzeichnet dadurch, dass unter Steuerung einer elektronischen Steuereinrichtung (22, 30)

- den Messdaten und den Szenendaten Zeitmarken hinzugefügt werden,

- das Speichern der Messdaten in einem elektronischen Messdatenspeicher (8) und das Speichern der Szenendaten in einem elektronischen Szenendatenspeicher (18) gesteuert wird und - das Auslesen der Messdaten aus dem Messdatenspeicher und der Szenendaten aus dem Szenendatenspeicher derart gesteuert wird, dass die Messdaten und die gleichzeitig mit ihnen aufgenommenen Szenendaten an der Wahrnehmbarmacheinrichtung zeitsynchron wahrnehmbar sind."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag durch die Präzisierung, wonach die erfassten Szenendaten Daten sind, die dem menschlichen Wahrnehmungsvermögen entsprechen.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von demjenigen nach Hilfsantrag 1 durch die zusätzlich angefügten Merkmale:

"und wobei zwischen der Szenendatenerfassungseinrichtung (10, 12) und dem Szenendatenspeicher (18) ein Ringspeicher (60) vorgesehen ist, in dem fortlaufend mit Taktsignalen (tn) versehene Daten gespeichert werden, und dass der Ringspeicher von der Steuereinrichtung (22) derart ansteuerbar ist, dass sein Inhalt auf ein Triggersignal T hin in den Szenendatenspeicher eingelesen wird, wobei von der Steuereinrichtung (22) ein Prätriggersignal (Tpr) und ein Posttriggersignal (Tpo) erzeugbar ist, die die Zeitdauer der Szenendaten bestimmen, die auf ein Triggersignal (T) hin in den Szenendatenspeicher (18) eingelesen werden."

Wegen der Unteransprüche 2 bis 7 nach Hauptantrag, der Unteransprüche 2 bis 7 nach Hilfsantrag 1 und der der Unteransprüche 2 bis 5 nach Hilfsantrag 2 sowie der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig und auch begründet; sie hat jedoch nur insoweit Erfolg, als der angefochtene Beschluss aufgehoben und das nachgesuchte Patent mit den Unterlagen gemäß Hilfsantrag 2 erteilt wird.

A) Hauptantrag und Hilfsantrag 1 Es kann dahingestellt bleiben, ob die Patentansprüche 1 bis 7 nach Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 zulässig sind, denn die Beschwerde der Anmelderin kann im Umfang des Hauptantrags bzw. Hilfsantrags 1 jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben, weil die Lehren der Patentansprüche 1 nach Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 gegenüber dem Stand der Technik jeweils nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen (vgl. hierzu BGH GRUR 1991, 120, 121 li. Sp. Abs. 3 - "Elastische Bandage").

A1) Patentanspruch 1 nach Hauptantrag 1. Nach den Angaben der Anmelderin (vgl. Beschwerdebegründung vom 17. März 2005, Seite 3, Absatz 2) wird im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag von einem Versuchsdatenerfassungs- und Auswertungssystem ausgegangen, wie es aus Druckschrift 1 bekannt ist (vgl. dort den wenigstens einen Messsensor (beispielsweise Temperatursensor, Spalte 1, Absätze 2 und 3) zum Erfassen eines versuchsrelevanten Parameters eines Versuchsobjektes (Rakete 17, Fig. 1), die Messdatenspeicherung (Aufnahmekopf 27, Fig. 1; Streifen 26a und 26b aus magnetisierbarem Material, Fig. 2) zur Speicherung der Ausgangssignale des Messsensors als Messdaten, die Einrichtung (Kamera 10, Fig. 1) zur berührungslosen Erfassung einer versuchsrelevanten Szene, die Szenendatenspeichereinrichtung (Kamera 10, Fig. 1; Film 18, Fig. 2) zur Speicherung der von der Einrichtung erfassten Szenendaten, die Wahrnehmbarmacheinrichtung (Fig. 4: Projektor 40 mit Leinwand 41, Wiedergabekopf 53 mit Kathodenstrahlröhre) zum zeitsynchronen Wahrnehmbarmachen der Messdaten und der Szenendaten in den Ansprüchen 1, 4 und 5 i. V. m. den Figuren 1 bis 5 mit zugehöriger Beschreibung).

Bei diesem Stand der Technik sind der wenigstens eine Messsensor und die Einrichtung zur Erfassung von Szenendaten im Unterschied zum Oberbegriff des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag nicht an einem Kraftfahrzeug angebracht. Gleichzeitig anfallende Szenen- und Messdaten werden dabei gemeinsam auf einem Film mit Magnetstreifen gespeichert. Infolgedessen werden sie auch zeitsynchron wahrnehmbar gemacht.

Vor diesem Hintergrund liegt der Erfindung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein Versuchsdatenerfassungs-Auswertungssystem zu schaffen, das eine verbesserte Datenerfassung und entsprechend eine verbesserte Auswertung von Daten ermöglicht (vgl. Beschreibungsseite 2, Absatz 1).

Diese Aufgabe wird bei einem gattungsgemäßen Versuchsdatenerfassungs-Auswertungssystem mit den Merkmalen nach dem kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag gelöst. Die Verbesserung besteht dabei darin, dass Messdaten und Szenendaten, die unabhängig voneinander in einem Messdatenspeicher (8) bzw. einem Szenendatenspeicher (18) aufgezeichnet sind, aufgrund der ihnen hinzugefügten Zeitmarken zeitsynchron auslesbar und wahrnehmbar sind.

2. Das Versuchsdatenerfassungs- und Auswertungssystem nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist zwar neu und auch gewerblich anwendbar; jedoch beruht es gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften 3 und 11 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns, der hier als ein mit der Entwicklung und Fertigung von Vorrichtungen zur Aufnahme und synchronen Wiedergabe gleichzeitig anfallender Mess- und Szenendaten befasster, berufserfahrener Ingenieur mit Fachhochschulausbildung auf dem Gebiet der Messtechnik zu definieren ist.

Die Druckschrift 3 offenbart eine bewegliche Messeinrichtung für die Überwachung der Transportbedingungen in Stückgutanlagen. Die bewegliche Messeinrichtung (2 in Fig. 1 bzw. 1 in Fig. 2) besteht aus einem Trägerkörper (5) mit Mess- und Aufzeichnungsmitteln, der zu Versuchszwecken von der Fördereinrichtung der jeweiligen Stückgutanlage transportiert wird, wobei von ihm versuchsrelevante Parameter der Stückgutanlage erfasst werden (vgl. Oberbegriff des Anspruchs 1 i. V. m. den Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung). Die von der beweglichen Messeinrichtung (1 bzw. 2) erfassten und gespeicherten Daten werden von einem zugehörigen Messwertsender per Funk zu einem übergeordneten Konfigurations- und Datenauswerteprozess (2) übertragen (vgl. Fig. 2 mit zugehöriger Beschreibung). In der Terminologie des Streitpatents handelt es sich dabei also um ein Versuchsdatenerfassungs- und Auswertungssystem. Dieses ist entgegen der von der Anmelderin vertretenen Auffassung insofern einschlägig, als der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag keine kraftfahrzeugspezifischen Merkmale aufweist, d. h. letztlich auf ein Versuchsdatenerfassungs- und Auswertesystem schlechthin gerichtet ist. Das sonach zum einschlägigen Stand der Technik gehörende Versuchsdatenerfassungs- und Auswertungssystem nach der Druckschrift 3 weist aber bereits folgende Merkmale des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag auf:

- wenigstens einen Messsensor (Abstandssensoren 4, Sensoren 8 für Schwingungen und Beschleunigungen sowie Messwertaufnehmer für Umgebungsparameter wie Temperatur, Feuchtigkeit oder Stoßbelastung) zum Erfassen eines versuchsrelevanten Parameters des Versuchsobjekts (Fördereinrichtung) (vgl. die Ansprüche 1 bis 7 i. V. m. den Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung),

- eine Messdatenspeichereinrichtung (Messwertspeicher 7) zur Speicherung der Ausgangssignale des wenigstens einen Messsensors als Messdaten (vgl. Anspruch 1 i. V. m. Fig. 1 mit zugehöriger Beschreibung),

- eine Einrichtung zur berührungslosen Erfassung einer versuchsrelevanten Szene mit Szenendatenspeichereinrichtung zur Speicherung der von der Einrichtung erfassten Szenendaten (Bildaufzeichnungsgerät 6, vgl. Anspruch 1 i. V. m. Fig. 1 mit zugehöriger Beschreibung),

- eine Wahrnehmbarmacheinrichtung zum zeitsynchronen Wahrnehmbarmachen der Messdaten und Szenendaten (vgl. Spalte 2, Zeilen 55 bis 59 i. V. m. dem Datenauswerteprozess (2) in Fig. 2),

- eine elektronische Steuereinrichtung (16-Bit-CMOS-Microcontroller mit Zeittaktgeber), unter deren Steuerung den Messdaten und den Szenendaten Zeitmarken (Zeitinformation) hinzufügt werden und das Speichern der Messdaten in dem elektronischen Messdatenspeicher (7) und der Szenendaten in dem elektronischen Szenendatenspeicher (6) gesteuert wird (vgl. Anspruch 1 (Zeile 6) sowie Ansprüche 9 und 10 i. V. m. Spalte 2, Zeilen 47 bis 49 und 55 bis 59 sowie Spalte 3, Zeilen 47 bis 51) und - dementsprechend selbstverständlich auch eine Steuereinrichtung, die das Auslesen der Messdaten aus dem Messdatenspeicher (7) und der Szenendaten aus dem Szenendatenspeicher (6) derart steuert, dass die Messdaten und die gleichzeitig aufgenommenen Szenendaten zeitsynchron wahrnehmbar sind (vgl. Spalte 2, Zeilen 55 bis 59 i. V. m. dem Datenauswerteprozess (2) in Fig. 2 sowie Spalte 1, Zeilen 51 bis 61 und Spalte 3, Zeilen 39 bis 46).

Demnach unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag von diesem Stand der Technik nach der Druckschrift 3 nur noch dadurch, dass bei ihm der wenigstens eine Messsensor und die Szenenerfassungseinrichtung jeweils an einem Kraftfahrzeug angebracht sind, wohingegen sie laut Druckschrift 3 an einer beweglichen Messeinrichtung angebracht sind, die von der Fördereinrichtung einer Stückgutanlage fortbewegt wird.

Diesem Unterschied ist jedoch keine patentbegründende Bedeutung beizumessen:

Aus der Druckschrift 11 (vgl. Patentanspruch) ist es nämlich bereits bekannt, in ein Fahrzeug eine Kamera als Szenenerfassungseinrichtung einzubauen, die zugleich ein am Fahrzeug angebrachtes Tachometer sowie eine Uhr mit langem Sekundenzeiger und einen Kilometerzähler aufnimmt.

Es beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, wenn der Fachmann dem Vorbild der Druckschrift 11 folgend das Versuchsdatenerfassungs- und Auswertungssystem nach der Druckschrift 3 um seiner bekannten Vorteile willen (zeitsynchrone Wiedergabe gleichzeitig anfallender unabhängig voneinander gespeicherter Mess- und Szenendaten) in einem Kraftfahrzeug installiert und dabei das Bildaufzeichnungsgerät und die Messsensoren ebenfalls am Kraftfahrzeug anbringt, womit er ohne erfinderisches Zutun bereits zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag gelangt.

Das Versuchsdatenerfassungs- und Auswertungssystem nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.

A2) Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 1. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lediglich durch die Präzisierung, wonach die erfassten Szenendaten Daten sind, die dem menschlichen Wahrnehmungsvermögen entsprechen. Ausweislich der zur Erläuterung der Patentansprüche heranzuziehenden Beschreibung können die dem menschlichen Wahrnehmungsvermögen entsprechenden Szenendaten beispielsweise mit einer Kamera erfasste Bilddaten sein (vgl. Beschreibungsseite 2, Zeilen 19 bis 24).

Zum Offenbarungsgehalt der Druckschrift 3 gehört aber - wie dargelegt - auch schon ein Bildaufzeichnungsgerät (6), mit dem Bilddaten erfasst werden.

Folglich beruht auch das Versuchsdatenerfassungs- und Auswertungssystem nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften 3 und 11 auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

Das Versuchsdatenerfassungs- und Auswertungssystem nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist daher ebenfalls nicht patentfähig.

A3) Unteransprüche nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 Mit den Patentansprüchen 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 fallen auch die darauf zurückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7 nach Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 (vgl. hierzu auch BGH GRUR 1997, 120 amtlicher Leitsatz - "Elektrisches Speicherheizgerät").

B) Hilfsantrag 2 Gegen die Zulässigkeit der Patentansprüche 1 bis 5 nach Hilfsantrag 2 bestehen keine Bedenken.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 findet inhaltlich eine ausreichende Stütze in den ursprünglichen Patentansprüchen 2 bis 4 und 7 i. V. m. der ursprünglichen Beschreibung, Seite 2, Zeilen 19 bis 24, Seite 3, Zeile 20 bis Seite 4, Zeile 1 sowie Seite 4, Zeilen 5 bis 10 und 19 bis 21.

Die Patentansprüche 2 bis 5 nach Hilfsantrag 2 entsprechen inhaltlich - in dieser Reihenfolge - den ursprünglichen Patentansprüchen 6 und 8 bis 10.

B1) Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 1. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 durch die zusätzlichen Merkmale, wonach:

- zwischen der Szenendatenerfassungseinrichtung (10, 12) und dem Szenendatenspeicher (18) ein Ringspeicher (60) vorgesehen ist, in dem fortlaufend mit Taktsignalen (tn) versehene Daten gespeichert werden, und der Ringspeicher von der Steuereinrichtung (22) derart ansteuerbar ist, dass sein Inhalt auf ein Triggersignal (T) hin in den Szenendatenspeicher eingelesen wird,

- wobei von der Steuereinrichtung (22) ein Prätriggersignal (Tpr) und ein Posttriggersignal (Tpo) erzeugbar ist, die die Dauer der Szenendaten bestimmen, die auf ein Triggersignal (T) hin in den Szenendatenspeicher (18) eingelesen werden.

Mit dem ersten dieser beiden Merkmale wird erreicht, dass bei fortlaufend aufnahmebereitem Ringspeicher nur relevante Szenendaten - auf ein Triggersignal hin - aus dem Ringspeicher in den Szenendatenspeicher eingelesen werden, wodurch bei durchgehender Aufnahmefähigkeit eine Reduzierung des Speicherbedarfs für die Szenendaten erzielbar ist (vgl. hierzu auch Beschreibungsseite 8, Absatz 1).

Mit dem zweiten dieser Merkmale wird von den im Ringspeicher enthaltenen Szenendaten jeweils nur ein Teil - zwischen einem Prätriggersignal (Tpr) und einem Posttriggersignal (Tpo) - in den Szenendatenspeicher (18) eingelesen, wodurch der Speicherbedarf entsprechend verringert wird.

2. Das - zweifelsfrei gewerblich anwendbare - Versuchsdatenerfassungs- und Auswertungssystem nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des vorstehend definierten Durchschnittsfachmanns.

a) Die Neuheit des gemäß Hilfsantrag 2 beanspruchten Versuchsdatenerfassungs- und Auswertungssystems gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik ergibt sich ohne weiteres daraus, dass keine der eingangs genannten Entgegenhaltungen das Merkmal des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 offenbart, wonach zwischen der Szenendatenerfassungseinrichtung (10, 12) und dem Szenendatenspeicher (18) ein Ringspeicher (60) vorgesehen ist, in dem fortlaufend mit Taktsignalen (tn) versehene Daten gespeichert werden, und der Ringspeicher von der Steuereinrichtung (22) derart ansteuerbar ist, dass sein Inhalt auf ein Triggersignal (T) hin in den Szenendatenspeicher eingelesen wird.

Die Druckschrift 8 betrifft - als einzige der eingangs genannten Entgegenhaltungen - zwar ein Versuchsdatenerfassungs- und Auswertungssystem, bei dem zur Reduzierung der Messdatenflut - in der Terminologie der vorliegenden Anmeldung - zusätzlich zu einer Messdatenspeichereinrichtung (Halbleiterspeicher 26) auch Ringspeicher (22, 23) vorgesehen sind (vgl. Anspruch 1 i. V. m. Spalte 1, Zeilen 31 bis 61 und den Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung). Jedoch sind die Ringspeicher (22, 23) dabei nicht derart der Messdatenspeichereinrichtung (26) vorgeschaltet, dass ihr Inhalt in die Messdatenspeichereinrichtung (26) eingelesen werden könnte, vielmehr hat dort ein von einer Steuereinheit (24) ausgelöstes Triggersignal (Auslösesignal 25) zur Folge, dass die beiden Ringspeicher (22, 23) gestoppt werden - um deren Speicherinhalte zu konservieren -, wobei nachfolgend einlaufende Messdaten sodann für die Dauer, in der das Triggersignal (25) vorliegt, direkt in die Messdatenspeichereinrichtung (26) eingespeichert werden (vgl. Fig. 2 mit zugehöriger Beschreibung in Spalte 3, Absatz 3 i. V. m. Fig. 1 nebst Spalte 2, Zeilen 23 bis 34 und 49 bis 62).

b) Die eingangs genannten - vorveröffentlichten - Entgegenhaltungen vermögen dem zuständigen Durchschnittsfachmann den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 weder einzeln noch in einer Zusammenschau nahezulegen.

Soweit der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 inhaltlich mit dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 übereinstimmt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorstehenden diesbezüglichen Ausführungen verwiesen.

Durch die Druckschrift 8 könnte dem Fachmann zwar das zusätzliche Merkmal des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 nahegelegt sein, wonach von der Steuereinrichtung (22) ein Prätriggersignal (Tpr) und ein Posttriggersignal (Tpo) erzeugbar ist, die die Dauer der Szenendaten bestimmen, die auf ein Triggersignal (T) hin in den Szenendatenspeicher (18) eingelesen werden. Denn gemäß dieser Druckschrift werden Messdaten in die Messdatenspeichereinrichtung (26) eingespeichert, solange ein von einer Steuereinheit (24) ausgelöstes Triggersignal (Auslösesignal 25) andauert (vgl. Spalte 3, Zeilen 39 bis 47). Jedoch kann der Fachmann durch diese Druckschrift keine Anregung zu dem weiteren Merkmal des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 erhalten, wonach zwischen der Szenendatenerfassungseinrichtung (10, 12) und dem Szenendatenspeicher (18) ein Ringspeicher (60) vorgesehen ist, in dem fortlaufend mit Taktsignalen (tn) versehene Daten gespeichert werden, und der Ringspeicher von der Steuereinrichtung (22) derart ansteuerbar ist, dass sein Inhalt auf ein Triggersignal (T) hin in den Szenendatenspeicher eingelesen wird. Vielmehr führt die Druckschrift 8 den Fachmann von diesem - wie dargelegt der Reduzierung des Speicherbedarfs unter Aufrechterhaltung einer durchgehenden Aufnahmefähigkeit für Daten dienenden - Merkmal insofern weg, als dort zur Reduzierung der Messdatenflut Ringspeicher (22, 23) vorgesehen sind, deren Speicherinhalt durch Stoppen der Ringspeicher (22, 23) konserviert wird, wobei zur Wiederherstellung der dadurch verlorengehenden Aufnahmefähigkeit für nachfolgende Messdaten eine Parallelschaltung mehrerer derartiger Datenspeicherungszweige vorgeschlagen wird, die nacheinander aktivierbar sind (vgl. Spalte 4, Absatz 2).

Eine Anregung zu dem die Zwischenschaltung eines Ringspeichers betreffenden Merkmal des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 kann der Fachmann aber auch nicht bei Einbeziehung der übrigen vorveröffentlichten Entgegenhaltungen erhalten, da diese keinen Ringspeicher vorsehen und insofern von der Erfindung weiter weg liegen.

Das Versuchsdatenerfassungs- und Auswertungssystem nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist demnach patentfähig.

B2) Patentansprüche 2 bis 5 nach Hilfsantrag 2 An den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 können sich die direkt oder indirekt darauf zurückbezogenen Unteransprüche 2 bis 5 nach Hilfsantrag 2 anschließen, denn sie betreffen vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausführungsarten des Versuchsdatenerfassungs- und Auswertungssystems nach dem Hauptanspruch.

B3) Beschreibung nach Hilfsantrag 2 In der Beschreibung nach Hilfsantrag 2 sind der maßgebliche Stand der Technik, von dem die Erfindung ausgeht, und das beanspruchte Versuchsdatenerfassungs- und Auswertungssystem anhand der Zeichnung ausreichend erläutert.

Bei der dargelegten Sachlage war der angefochtene Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit den Unterlagen gemäß Hilfsantrag 2 zu erteilen.






BPatG:
Beschluss v. 03.07.2007
Az: 23 W (pat) 4/05


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