Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. März 2006
Aktenzeichen: 17 W (pat) 328/03

(BPatG: Beschluss v. 24.03.2006, Az.: 17 W (pat) 328/03)

Tenor

Das Patent DE 101 48 554 wird in vollem Umfang aufrecht erhalten.

Gründe

I.

Auf die am 1. Oktober 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung 101 48 554.9-34 wurde am 19. September 2002 durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 H das Patent unter der Bezeichnung

"Schalteinrichtung sowie Anordnung bestehend aus einem Rastbolzengehäuse und einem Rastbolzen"

erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 13. März 2003.

Gegen das Patent hat die A... GmbH am 13. Juni 2003 Einspruch erhoben.

Sie stützt ihren Einspruch zum einen auf die pauschal genannten Druckschriften D1) bis D9). Außerdem macht sie drei offenkundige Vorbenutzungen OVB1 bis OVB3 geltend. Zu diesen hat sie verschiedene Dokumente wie Konstruktionszeichnungen und Fotografien eingereicht (Anlagen 1 bis 8) und die Aussage noch nicht benannter Zeugen angeboten.

Die Einsprechende macht sowohl mangelnde Neuheit als auch mangelnde erfinderische Tätigkeit des Patentgegenstandes gegenüber offenkundiger Vorbenutzung geltend.

Die Einsprechende beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen.

Am 17. Februar 2006 hat die Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen.

Die Patentinhaberin beantragt, a) den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, b) hilfsweise das angegriffene Patent im vollen Umfang aufrechtzuerhalten.

Im Verfahren sind folgende Druckschriften genannt worden:

D1: DE 199 54 698 C2, D2: DE 199 43 490 C2, D3: DE 199 36 484 C1, D4: DE 39 40 647 C2, D5: DE 31 49 944 A1, D6: FR 2 727 564 A1, D7: EP 0 255 418 A1, D8: DE 195 40 039 A1, D9: DE 38 39 911 C1.

Zu den geltend gemachten Benutzungen hat die Einsprechende folgende Unterlagen eingereicht:

zu OVB1 (als offenkundig vorbenutzt geltend gemachte Schaltereinrichtung mit Schaltstück gemäß Zeichnungsnummer 286.054 vom 21. Dezember 1994):

Anlage 1: OVB1 Fotografie einer vorbenutzten Schalteinrichtung mit dem Schaltstück 286.054, Anlage 2: OVB1 Konstruktionszeichnung Schaltstück 286.054, Anlage 3: OVB1 Vorlesungsskripte zur Bauphysik der Fachhochschule Hildesheim: Schallschutz, Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Leimer, Schallschutz Stand SS 2003, Seiten 1, 2 und 17 bis 19, zu OVB2 (als offenkundig vorbenutzt geltend gemachte Schaltereinrichtung mit einem Rastbolzen gemäß der Zeichnungsnummer 590.223):

Anlage 4: OVB2 Schnitt durch Klimaschalter mit Bolzen 590.223, Anlage 5: OVB2 Konstruktionszeichnung des Bolzens 590.223, Anlage 6: OVB2 Perspektivische Ansicht des Bolzens 590.223, zu OVB3 (als offenkundig vorbenutzt geltend gemachte Schaltereinrichtung mit einem Rastbolzen gemäß der Zeichnungsnummer 589.554):

Anlage 7: OVB3 Schnitt durch Fensterheberschalter mit Bolzen 589.554, Anlage 8: OVB3 Konstruktionszeichnung Bolzen 589.554.

Zu den Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Der erteilte (geltende) Patentanspruch 1 betrifft eine Schalteinrichtung mit einem in Richtung seiner Längserstreckung in einem Rastbolzengehäuse (2) beweglich gelagerten und einem sich unter Federvorspannung stehend in einer Schaltkulisse abstützenden Rastbolzen (1), der sowohl in einem Bereich seines Schaftes (5) nahe seiner Spitze (6) als auch im Bereich seines hinteren, in das Rastbolzengehäuse (2) hineinreichenden Endes an der Innenseite des Rastbolzengehäuses (2) anliegende Führungsmittel (7, 8) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dassim Bereich des Schaftes (5) nahe seiner Spitze (6) außenseitig mehrere in Längserstreckung des Rastbolzens (1) ausgerichtete, von dem Schaft (5) des Rastbolzens (1) außenseitig abragende umfänglich verteilt angeordnete und an der Innenseite des Rastbolzengehäuses anliegende, biegeweiche Führungsrippen (F) vorgesehen sind, durch die der Rastbolzen (1) in seinem vorderen spitzennahen Bereich in dem Rastbolzengehäuse (2) geführt ist.

Der erteilte, nebengeordnete Patentanspruch 12 betrifft eine Anordnung bestehend aus einem Rastbolzengehäuse (2) und einem in dem Rastbolzengehäuse (2) in Richtung seiner Längserstreckung beweglich gelagerten und zum Abstützen in einer Schaltkulisse aus dem Rastbolzengehäuse (2) herausragenden Rastbolzen (1), der sowohl in einem Bereich seines Schaftes (5) nahe seiner Spitze (6) als auch im Bereich seines hinteren, in das Rastbolzengehäuse (2) hineinreichenden Endes an der Innenseite des Rastbolzengehäuses (2) anliegende Führungsmittel (7, 8) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass im Bereich des Schaftes (5) nahe seiner Spitze (6) außenseitig mehrere in Längserstreckung des Rastbolzens (1) ausgerichtete, von dem Schaft (5) des Rastbolzens (1) außenseitig abragende umfänglich verteilt angeordnete und an der Innenseite des Rastbolzengehäuses (2) anliegende biegeweiche Führungsrippen (F) vorgesehen sind, durch die der Rastbolzen (1) in seinem vorderen spitzennahen Bereich in dem Rastbolzengehäuse (2) geführt ist.

Der Erfindung soll gemäß Patentschrift Spalte 2 Absatz [0005] die Aufgabe zugrunde liegen, eine Schalteinrichtung bzw. eine Anordnung bestehend aus einem Rastbolzengehäuse und einem darin geführten Rastbolzen dergestalt weiterzubilden, dass eine verklemmfreie und zumindest weitestgehend spielfreie Führung des Rastbolzens in dem Rastbolzengehäuse unter Einsatz einfach zu realisierender Mittel gewährleistet ist.

II.

Der rechtzeitig eingegangene Einspruch ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere auch ausreichend substantiiert (§ 59 Abs. 1 Satz 2 PatG). Für eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Einspruchsbegründung ist es nämlich erforderlich, dass die Einsprechende die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe maßgeblichen Umstände im Einzelnen so darlegt, dass der Patentinhaber und das Patentgericht (§ 147 Abs. 3 PatG) daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können (BGH in GRUR 1972, 592, 593 - Sortiergerät; GRUR 1987, 513, 514 - Streichgarn; GRUR 1988, 113, 114 - Alkyldiarylphosphin, GRUR 1993, 651, 653 - Tetraploide Kamille). Beruft sich die Einsprechende auf fehlende Patentfähigkeit des patentierten Gegenstandes infolge einer offenkundigen Vorbenutzung, muss die Einspruchsbegründung einen bestimmten Gegenstand der Benutzung bezeichnen, damit überprüft und festgestellt werden kann, ob und gegebenenfalls inwieweit er den patentgemäßen Gegenstand vorwegnimmt oder nahe legt. Ferner müssen die im Einzelnen vorzutragenden Tatsachen die konkreten Umstände erkennen lassen, aus denen sich die behauptete Benutzung nach Ort, Zeit, Art, benutzender Person und öffentlichem Zugänglichwerden ergeben soll (Schulte, Patentgesetz, 7. Auflage, § 59 Rdn. 103 ff., BGH in GRUR 1987, 513, 514 - Streichgarn, GRUR 1997, 740 - Tabakdose, m. w. N.).

Die Angaben der Einsprechenden zu den nur pauschal genannten Druckschriften D1) bis D9) reichen allerdings nicht aus, um den vorliegenden Einspruch zu substantiieren. Auf diese Druckschriften ist die Einsprechende im Einspruchsschriftsatz nicht näher eingegangen; sie hat insbesondere nicht dargelegt, welche Merkmale des relativ komplexen Gegenstands des Streitpatents sich an welcher Stelle aus diesen Schriften entnehmen lassen oder nahe gelegt sein sollen.

Durch die geltend gemachte Benutzung OVB1 ist der Einspruch jedoch substantiiert.

Nach Angabe der Einsprechenden auf Seiten 2 und 3 des Einspruchsschriftsatzes zur Benutzung OVB1 wird die Schalteinrichtung mit dem Schaltstück 286.054, die in der undatierten Fotografie (Anlage 1 OVB1) und in der datierten, nur das Schaltstück 286.054 zeigenden Konstruktionszeichnung (Anlage 2 OVB1) dargestellt ist, seit 1995/96 im Fahrzeugtyp Passat der B... AG (von der Einsprechen- den) in einem Lenkstockschalter verbaut. Sie sei damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden.

Nach den Angaben der Einsprechenden handelt es sich beim benutzten Gegenstand gemäß OVB1 um ein serienmäßig eingebautes Produkt. Sowohl Zeit als auch Ort und Art (Anbieten und In Verkehr Bringen von Fahrzeugen eines bestimmten Typs) der Vorbenutzungshandlung ist hinreichend dargelegt. Dem in ein (zweifellos öffentlich zugängliches) Fahrzeug eingebauten Schalter war zwar sein innerer Aufbau nicht anzusehen; um diesen zu erkennen, musste der Schalter ausgebaut und zerlegt werden. Bei in Serie gegangenen und ausgelieferten Fahrzeugen kann jedoch kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass sie der Kenntnisnahme durch beliebige Dritte - nicht zuletzt auch der Konkurrenz - zugänglich waren und demnach die Möglichkeit der Benutzung (einschließlich der genauen Untersuchung) der in ihnen enthaltenen technischen Neuerungen durch andere Sachverständige gegeben war, vgl. BPatG in Mitt. 1984, 115. Somit ist auch die öffentliche Zugänglichkeit der Schalteinrichtung ausreichend und nachprüfbar dargelegt. Damit kam es insoweit nicht darauf an, dass das Angebot eines Zeugen "N.N." nicht § 373 ZPO entspricht und daher grds. kein genügender Beweisantritt ist (Baumbach/Lauterbach, ZPO, 63. Aufl., § 373 Rdnr. 7, § 356 Rdnr. 4; Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 356 Rdnr. 4).

Der Gegenstand der Benutzung ist zum einen in der datierten, nummerierten Konstruktionszeichnung gemäß Anlage 2 zu OVB1 dokumentiert; diese zeigt im Einzelnen das Schaltstück 286.054, das nach Angabe der Einsprechenden in einem Lenkstockschalter verbaut wurde. Zum anderen hat die Einsprechende eine Fotografie gemäß Anlage 1 zu OVB1 eingereicht. Diese Fotografie ist zwar nicht datiert und nicht nummeriert; für den Fachmann, der in der Konstruktion von Schaltstücke verwendenden Schaltern wie Lenkstockschaltern bewandert ist, erscheint jedoch die dort dargestellte Kombination des (bereits in Anlage 2 ausgewiesenen) Schaltstücks mit einer Feder und einem zugehörigen Führungsgehäuse im Hinblick auf bekannte fachübliche Konstruktionen und auf die Form des in Anlage 2 dargestellten Schaltstücks mit Führungsrippen durchaus glaubhaft, zumal das in Anlage 1 von außen dargestellte Gehäuse die Führung des Schaltstücks nur sehr allgemein zeigt, Einzelheiten der Führung im Gehäuseinneren nicht erkennen lässt und somit dem, was der Fachmann in Kenntnis von Anlage 2 und der Angabe "in einem Lenkstockschalter verbaut" erwartet hätte, nichts Wesentliches hinzufügt.

Die Einsprechende ist im Einspruchsschriftsatz außerdem im Einzelnen auf alle Merkmale des Patentgegenstands gemäß Anspruch 1 eingegangen und hat zumindest für die konstruktiv wesentlichen Merkmale dargelegt, woraus sich diese Merkmale anhand der zu OVB1 eingereichten Unterlagen nach ihrer Meinung ableiten lassen.

Damit hat die Einsprechende ihrer Substantiierungspflicht auch in Bezug auf den Gegenstand der angegebenen Vorbenutzung OVB1 Genüge getan; sie hat den Senat in die Lage versetzt, abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes zu ziehen.

Da somit der Einspruch zumindest in Bezug auf die Benutzung OVB1 ausreichend substantiiert ist, ist er zulässig. Aus diesem Grund kann dahingestellt bleiben, ob auch die Benutzungen OVB2 und OVB3 ausreichend substantiiert sind.

Der Einspruch ist jedoch nicht begründet, da die Gegenstände des Patentanspruchs 1 und des nebengeordneten Patentanspruchs 12 nach §§ 1 bis 5 PatG patentfähig sind. Zwar ist der Einspruch zurückgenommen worden, das Verfahren war jedoch von Amts wegen fortzusetzen (§ 61 Abs. 1 Satz 1 PatG).

Der erteilte (geltende) Patentanspruch 1, hier mit der Merkmalsgliederung der Einsprechenden versehen, betrifft eine

(a) Schalteinrichtung mit einem Rastbolzen 1,

(b) der Rastbolzen 1 ist in Richtung seiner Längserstreckung in einem Rastbolzengehäuse 2 beweglich gelagert,

(c) der Rastbolzen 1 stützt sich unter Federvorspannung stehend in einer Schaltkulisse ab,

(d) der Rastbolzen 1 weist an der Innenseite des Rastbolzengehäuses 2 anliegende Führungsmittel 7,8 auf,

(d1) sowohl im Bereich seines Schaftes 5 nahe seiner Spitze

(d2) als auch im Bereich seines hinteren, in das Rastbolzengehäuse 2 hineinreichenden Endes, gekennzeichnet durch folgende Merkmale:

(e) Im Bereich des Schaftes 5 nahe seiner Spitze sind außenseitig mehrere Führungsrippen F vorgesehen,

(f) die Führungsrippen F sind in Längserstreckung des Rastbolzens 1 ausgerichtet,

(g) die Führungsrippen F sind von dem Schaft 5 des Rastbolzens 1 außenseitig abragend und umfänglich verteilt angeordnet,

(h) die Führungsrippen F liegen an der Innenseite des Rastbolzengehäuses 2 an,

(i) die Führungsrippen F sind biegeweich,

(j) durch die Führungsrippen F ist der Rastbolzen 1 in seinem vorderen spitzennahen Bereich in dem Rastbolzengehäuse 2 geführt.

Der erteilte Anspruch 12 betrifft eine Anordnung mit einem Rastbolzen, der in einem Rastbolzengehäuse beweglich gelagert ist. Die Anordnung gemäß Anspruch 12 stimmt in ihren kennzeichnenden Merkmalen mit den Merkmalen (e) bis (j) des Anspruchs 1 überein.

Eine solche Einrichtung oder Anordnung wird z. B. in einem Lenkstockschalter in einem Kraftfahrzeug verbaut; sie kann etwa zur Betätigung eines Blinkers dienen. Während der Betätigung der Schalteinrichtung, z. B. während der seitlichen Bewegung des Blinkerhebels, gleitet die Spitze des im Rastbolzengehäuse federnd gelagerten und seitlich geführten Rastbolzens an einer Schaltkulisse entlang, bis sie in einer Vertiefung der Schaltkulisse einrastet. Eine solche, in der Patentschrift nicht dargestellte Schaltkulisse ist mit dem zugehörigen Rastbolzen beispielsweise D3 Fig. 1 Bezugszeichen 4 und 5 zu entnehmen.

Um sicheres Schalten ohne Verklemmen des Rastbolzens zu ermöglichen, soll der Rastbolzen zwar im Gehäuse leichtgängig in Richtung seiner Längserstreckung beweglich sein, jedoch mit möglichst geringem seitlichem Spiel. Um insbesondere im vorderen, spitzennahen Bereich des Rastbolzens eine gute Führung im Rastbolzengehäuse zu erreichen, wird in der Patentschrift vorgeschlagen, den Rastbolzen im Bereich seines Schaftes nahe seiner Spitze außenseitig mit mehreren Führungsrippen zu versehen, die in Längserstreckung des Rastbolzens ausgerichtet sind, außenseitig vom Rastbolzen abragen und um dessen Umfang verteilt angeordnet sind. Hierbei kommt es besonders darauf an, dass diese in Längsrichtung ausgerichteten Führungsrippen biegeweich sind und an der Innenseite des Rastbolzengehäuses anliegen (Anspruchsmerkmale (h) und (i)).

Durch die Kombination der beiden letztgenannten Maßnahmen wird gemäß Patentschrift Spalte 2 Zeilen 61 bis 64 zumindest der vordere Führungsabschnitt des Rastbolzens spielfrei im Gehäuse geführt. Zweckmäßig können die Führungsrippen gemäß Patentschrift Spalte 2 Zeile 64 bis Spalte 3 Zeile 14 mit einem gewissen Übermaß bezogen auf die lichte Weite einer im Gehäuse befindlichen Führung hergestellt werden, so dass die biegeweichen und in gewissem Maß elastischen Führungsrippen jederzeit unter geringer Vorspannung stehend an der Innenseite der Führung des Rastbolzengehäuses anliegen und dort gleiten können.

Im Lichte des Anspruchsmerkmals (i) ist somit das Anspruchsmerkmal (h) so zu interpretieren, dass im vorderen Führungsabschnitt der noch nicht in sein Gehäuse eingebaute Rastbolzen mit den in seiner Längsrichtung ausgerichteten Führungsrippen ein Außenmaß aufweist, das mindestens ebenso groß ist wie die lichte Weite des Gehäuses im zugeordneten Bereich. Damit liegen im eingebauten Zustand die Führungsrippen zumindest ohne Spiel, evtl. sogar unter leichtem Druck, an der Gehäuseinnenseite an. Das Anspruchsmerkmal (i) ist dann so zu interpretieren, dass die Führungsrippen derart biegeweich bzw. elastisch sind, dass sie bei einer spielfreien Führung im Gehäuse den Rastbolzen ohne Verklemmen führen können.

Die Gegenstände der erteilten Patentansprüche 1 und 12 sind neu, denn keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften und auch keiner der anhand der eingereichten Unterlagen ausgewiesenen, angeblich vorbenutzten Gegenstände zeigt alle in einem dieser Ansprüche aufgeführten Merkmale.

Dies gilt auch für die angeblich vorbenutzten Schalteinrichtungen gemäß OVB1 bis OVB3. Keiner der hierzu eingereichten Unterlagen ist nämlich eine spielfreie Führung der Führungsrippen im Rastbolzengehäuse gemäß der obigen Interpretation des Anspruchsmerkmals (h) zu entnehmen.

Zwar zeigt der Gegenstand der Benutzung OVB1, wie er in der Anlage 1 und insbesondere in der Konstruktionszeichnung gemäß Anlage 2 ausgewiesen ist, bereits einige wesentliche der in den Patentansprüchen 1 und 12 aufgeführten Merkmale oder legt diese zumindest nahe. Allerdings ist den zu OVB1 eingereichten Unterlagen nicht zu entnehmen, dass der benutzte Gegenstand eine spielfreie Führung der in Bolzenlängsrichtung ausgerichteten Führungsrippen an der Innenseite des Rastbolzengehäuses gemäß den Anspruchsmerkmalen (h) und (i) aufweist. Zwar zeigt Anlage 1 an der Stirnfläche des Gehäuses Schlitze A, die wohl der Führung des Bolzens über seine Führungsrippen dienen. Die Art der Führung des Schaltstücks bzw. Rastbolzens im Inneren des Gehäuses ist jedoch Anlage 1 nicht zu entnehmen. Insbesondere ist dort nicht erkennbar, ob diese Schlitze sich in Längsrichtung als nutenförmige Aussparungen derart in das Gehäuse hinein fortsetzen, dass die Führungsrippen des Rastbolzens dort im Gehäuseinneren anliegen, wie die Einsprechende auf Seite 6 Abs. 1 des Einspruchsschriftsatzes behauptet. Im Gegenteil ist es denkbar, dass die Führungsrippen zumindest teilweise aus dem seitlich offenen Gehäuse ragen, vgl. den möglicherweise auf einen seitlichen Schlitz hindeutenden dunklen Streifen an der schmalen Längsseite des Gehäuses, und dass die Führungsrippen lediglich an den Rändern der seitlichen und der stirnseitigen Öffnung geführt sind und nicht im Gehäuseinneren anliegen, wie dies die Patentinhaberin in ihrem Schriftsatz vom 19. März 2004 behauptet hat.

Da - allerdings ohnehin ungenügender, vgl. oben Zeugenbeweis jeweils nur zu den Umständen der Vorbenutzungshandlung, nicht jedoch zu konstruktiven Einzelheiten des benutzten Gegenstands angeboten ist, hätte auch durch Zeugenbefragung nicht festgestellt werden können, ob eine spielfreie Führung gemäß dem Anspruchsmerkmal (h) gegeben ist. Somit ist zugunsten der Patentinhaberin davon auszugehen, dass der benutzte Gegenstand keine spielfreie Führung aufweist.

Entsprechendes gilt für die Benutzung OVB2: Zwar ist den Anlagen 5 und 6 Form und Material des Bolzens 590.223 eindeutig zu entnehmen, jedoch ist dessen Führung im Gehäuse in der sehr undeutlichen Zeichnung gemäß Anlage 4 allenfalls zu erahnen, jedoch nicht deutlich zu erkennen. Der Angabe 1 in Anlage 5 links unten "Bolzen muss leichtgängig laufen Spiel max. 0.02 mm" ist lediglich zu entnehmen, dass der Bolzen mit einem geringen Spiel an einer oder mehreren Stellen geführt wird. Ob die nahe der Rastbolzenspitze in Längsrichtung angeordneten Führungsrippen spielfrei an der Innenseite des Gehäuses anliegen, geht aus den eingereichten Unterlagen nicht hervor.

Auch in den Unterlagen zur Benutzung OVB3 ist die Führung des Rastbolzens im Gehäuse nicht mit ausreichender Deutlichkeit zu erkennen; insbesondere geht aus den eingereichten Unterlagen nicht hervor, ob die nahe der Rastbolzenspitze in Längsrichtung angeordneten Führungsrippen des Bolzens spielfrei an der Innenseite des Gehäuses anliegen.

Da das Anspruchsmerkmal (h) den benutzten Gegenständen somit nicht zu entnehmen ist, ist der Patentgegenstand neu.

Die Gegenstände der erteilten Ansprüche 1 und 12 beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie bereits oben ausgeführt wurde, ist keiner der zu den Benutzungen OVB1 bis OVB3 eingereichten Unterlagen ein Hinweis darauf zu entnehmen, in einer Schalteinrichtung bzw. Anordnung mit Rastbolzen und Rastbolzengehäuse die dort ausgewiesenen, im spitzennahen Bereich angeordneten, in Längserstreckung des Rastbolzens 1 ausgerichteten, vom Schaft des Rastbolzens außenseitig abragenden und umfänglich verteilt angeordneten Führungsrippen gemäß dem Anspruchsmerkmal (h) (in Verbindung mit dem Anspruchsmerkmal (i)) spielfrei im Gehäuse zu führen.

Das als Anlage 3 eingeführte Vorlesungsskript soll lediglich eine Definition des Begriffs "biegeweich" in der Bauphysik, insbesondere im Schallschutz zeigen, der jedoch hier nicht relevant ist.

Die von der Einsprechenden nur pauschal genannten Druckschriften D1 bis D9 zeigen Schalteinrichtungen, teilweise Lenkstockschalter, die einige der im Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmale aufweisen. Die Führung eines Bolzens erfolgt dort, soweit überhaupt näher erkennbar, über einen separaten Lagerring aus Teflon (D3 Fig. 2 und 3 Bezugszeichen 12, "möglichst spielfrei" gemäß Spalte 3 Zeile 13), über einen in eine Führungsbahn eingreifenden Haken (D4 Fig. 1 Bezugszeichen 17 bzw. D9 Fig. 1 Bezugszeichen 24), über einen Führungsschaft (D5 Fig. 1 und 3 bis 6, mit federndem Kopf 63 zur Dämpfung des Aufpralls an der Rastkurve), über sich in Bolzenquerrichtung erstreckende, wulstförmige Fortsätze (D7 Fig. 1 und 4 Bezugszeichen 35) oder über Wälzkörper (D8 Fig. 4 und 5 Bezugszeichen 16). Einen Rastbolzen durch im spitzennahen Bereich angeordnete, in Längserstreckung des Rastbolzens 1 ausgerichtete, vom Schaft des Rastbolzens außenseitig abragende und umfänglich verteilt angeordnete, biegeweiche Führungsrippen gemäß den Anspruchsmerkmalen (h) und (i) spielfrei im Gehäuse zu führen, ist jedoch keiner dieser Druckschriften zu entnehmen und wird durch diese auch nicht nahe gelegt. Eine solche Lehre liegt auch nicht im Bereich fachüblichen Handelns.

Den Patentgegenständen kann somit eine erfinderische Leistung nicht abgesprochen werden.

Die erteilten Ansprüche 1 und 12 sind folglich rechtsbeständig. Dies gilt auch für die erteilten Unteransprüche 2 bis 11 und 13 bis 22, die spezifische, nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen enthalten und folglich ebenfalls rechtsbeständig sind.

Da die Gegenstände der behaupteten Vorbenutzungen den Patentgegenstand gemäß den erteilten Ansprüchen 1 und 12 weder neuheitsschädlich vorwegnehmen noch nahe legen, konnte auf weitere Nachforschungen zu den äußeren Umständen der Vorbenutzungen und diesbezügliche Zeugenbefragung verzichtet werden.






BPatG:
Beschluss v. 24.03.2006
Az: 17 W (pat) 328/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8fe2307061a2/BPatG_Beschluss_vom_24-Maerz-2006_Az_17-W-pat-328-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share