Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 10. Februar 2005
Aktenzeichen: 2 U 153/04

(OLG Stuttgart: Urteil v. 10.02.2005, Az.: 2 U 153/04)

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Vizepräsidenten des Landgerichts als Einzelrichter der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hechingen vom 23.07.2004 wirdz u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 10.000,00 EUR

Gründe

I.

Die Berufung ist zulässig, der Sache nach jedoch ohne Erfolg.

A

Der Verfügungsbeklagte [im Folgenden kurz: Beklagter] hat in einer Postwurfsendung u.a. damit geworben, dass er Brillenfassungen mit Gläsern abgebildet und den jeweiligen Preis (etwa 98,00 EUR*, 79,00 EUR*) beigefügt hat. Das Sternchen verwies auf den ganz am unteren Rande eines in DIN A-3-Größe gehaltenen Faltblattes angeführten Text [hier ungefähr in Originalgröße wiedergegeben]:

*Preise sind gültig für Gläser bis ± 6 dpt./cyl± 2,0 dpt. nur für Einstärken-Gläser.Aufpreis bei Gleitsichtgläsern 149,- Euro.

Die Verfügungsklägerin [im Folgenden kurz: Klägerin] hat darin die Bewerbung eines selbstständigen Angebotes: Gleitsichtbrille gesehen, welches nur durch Benennung des eigenständigen Komplettpreises hierfür hätte beworben werden dürfen. Zudem sei die Werbung irreführend, weil sie den Eindruck erwecke, der Preis für eine Gleitsichtglasbrille belaufe sich auf insgesamt 149,00 EUR.

Die Klägerin hat deshalb beantragt:

1. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Brillenfassungen einschließlich Gläsern mit Preisangaben zu bewerben und im Zusammenhang hiermit auszuführen, dass Gleitsichtgläser gegen einen bestimmten, in der Anzeige bezifferten Aufpreis erhältlich wären,

hilfsweise verbunden mit dem Halbsatz: ohne den sich daraus ergebenden Endpreis zu nennen.

2. Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR angedroht.

Der Beklagte hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen, da sich die Werbung schon von der optischen Gestaltung her nicht auf Brillengestelle mit Gleitsichtgläsern beziehe, jedenfalls könne jeder unschwer den Endpreis der fakultativen Zusatzleistung selbst feststellen. Zudem verneinte das Landgericht einen Wettbewerbsvorteil oder dass der Beklagte bewusst und planmäßig diesen angestrebt hätte.

Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin ,

welche an ihrer erstinstanzlichen Wertung festhält.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Hechingen vom 23. Juli 2004 - Aktenzeichen 2 O 223/04 - abzuändern und dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft zu untersagen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Brillenfassungen einschließlich Gläsern mit Preisangaben zu bewerben und im Zusammenhang hiermit auszuführen, dass Gleitsichtgläser gegen einen bestimmten, in der Anzeige bezifferten Aufpreis erhältlich wären.

Der Beklagte beantragt:

Die Berufung wird abgewiesen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die Verhandlungsniederschriften verwiesen.

B

Der Senat kann die Frage offen lassen, ob der vorliegende Hinweis auf einen Aufpreis die Bewerbung einer Gleitsichtglasbrille darstellt und demzufolge die Nennung deren Endpreises notwendig gemacht hätte. Denn auch ein gedachter Verstoß gegen die PAngV führt vorliegend jedenfalls nicht zu einer unzulässigen unlauteren Wettbewerbshandlung.

1.

Die Beteiligten legen zu Recht zu Grunde, dass die Beurteilung des geltend gemachten, in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs sich nach dem im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung geltenden Recht richtet (BGH GRUR 2004, 1037 [II 1] - Johanniskraut). Insoweit sind daher die Bestimmungen des gemäß § 22 S. 1 am 08.07.2004 in Kraft getretenen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 03.07.2004 (BGBl I, 1414) anzuwenden.

2.

Auf das von den Parteien abgehandelte Merkmal eines bewussten und planmäßigen Vorgehens kam es aber für die Tatbestandserfüllung bei einem angeblichen Wettbewerbsverstoß durch Rechtsbruch schon nach dem alten Recht nicht mehr an (Köhler NJW 2004, 2121, 2124 und derselbe in Baumbach/Hefermehl, WettbewerbsR, 23. Aufl. [2004], § 4 UWG, 11.2; Ullmann GRUR 2003, 817, 822; ebenso zum neuen Recht von Jagow in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG [2004], § 4 Nr. 11, 49).

3.

Auch erscheint nahe liegend, dass die PAngV auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (§ 4 Nr. 11 UWG; vgl. BGHZ 151, 301 = GRUR 2003, 971 [II 6] - Telefonischer Auskunftsdienst; Köhler in Baumbach/Hefermehl a.a.O. § 4 UWG, 11.142; Götting in Fezer, UWG [2005], § 4 - 11, 91; von Jagow a.a.O. § 4, 109 bis 112; Ullmann GRUR 2003, 817, 823). Denn Zweck dieser Rechtsmaterie sei es, durch optimale Preisvergleichsmöglichkeiten den Wettbewerb zu fördern (BGH a.a.O. [II 6] - Telefonischer Auskunftsdienst). Verstöße in diesem Bereich sind danach im Ansatz unlauter gemäß § 4 Nr. 11 UWG (von Jagow a.a.O. 111).

4.

a) Gerade bei der Endpreisangabe wird aber nicht jeder Fall geeignet sein, die Bagatellschwelle des § 3 UWG zu überschreiten, etwa weil das in jeder unvollständigen oder schlecht erkennbaren Endpreisangabe liegende Irreführungspotenzial so niedrig ist, dass sie den Endverbraucher in seiner Entscheidung letztlich nicht beeinflussen wird und daher auch den Wettbewerb auf dem jeweils relevanten Markt nicht beeinträchtigen kann (von Jagow a.a.O. § 4, 110; Köhler in Baumbach/Hefermehl a.a.O. 11.142; Götting in Fezer a.a.O. § 4 - 11, 91). So hat denn auch Ullmann GRUR 2003, 817, 823 zur Frage der wettbewerbsrechtlichen Wesentlichkeit des beanstandeten Verstoßes ausgeführt: So gesehen dürfte die Angabe des qm-Preises für die 50 qm große Wohnung zwar als ein Verstoß gegen das dem Verbraucherschutz dienende Gebot, den Endpreis, anzugeben festzustellen sein, aber mangels wesentlicher Beeinträchtigung der Verbraucherinteressen im konkreten Fall ohne jede wettbewerbsrechtliche Sanktion bleiben (vgl. insgesamt zur Erheblichkeitsschwelle und den dabei zu beachtenden maßgeblichen Merkmalen Fezer in Fezer a.a.O. § 3, 37 bis 40).

b) Gemessen daran ist der vorliegende Verstoß als unterhalb der wettbewerbs-rechtlichen Wesentlichkeitsschwelle liegend anzusetzen und damit unbeachtlich. Vorliegend ist der Hinweis auf den Aufpreis drucktechnisch, inhaltlich und seiner Platzierung in der Gesamtwerbung nach sehr dezent gehalten und so mit nur geringem Aufmerksamkeitsappell ausgestattet. Dem Verbraucher wird auch nicht eine genaue Information über den Aufpreis vorenthalten. Er wird vielmehr eindeutig benannt. Auch geht er nicht etwa in einer Fülle von weiteren Preisangaben unter. Nur er steht als Aufpreis an. Der Kunde kann leicht erkennen, dass ihn bei gleicher Brillenfassung die Gleitsichtausführung 149,00 EUR mehr kosten wird. Er kann dies auch unschwer addieren und so seine tatsächliche wirtschaftliche Belastung im Falle einer solchen Wahl erfassen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Hemmschwelle des Kunden, sich für das teurere, nämlich Gleitsichtmodell, zu entscheiden, durch eine solche Preisstückelung in einem gewissen Umfang unterlaufen wird, da mangels Ausweisung des höheren Preises die Belastung auf Anhieb nicht so hoch erscheinen mag. Gleichwohl ist der Käufer an solche Varianten vielfach gewöhnt und als durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher gedacht, der oft kalkulieren und weit schwierigere Rechenoperationen für seine täglichen Dispositionen treffen muss, weder überfordert mit der raschen Erfassung des wahren Preises noch, entschließt er sich, sich mit dem Angebot der Beklagten näher zu befassen, dann durch den Mangel der Nennung eines Endpreises für die Gleitsichtausführung letztlich verführt. Deshalb ist der Verstoß jedenfalls als unwesentlich einzustufen und damit nicht im Sinne der Klägerin ahndungswürdig. Zwar wird durch eine solche Sicht ein - gedachter - Wettbewerbsverstoß letztlich übergangen oder, wie die Klägerin ausführt, eine materielle Frage des Rechtsverstoßes in unzulässiger Weise mit dem früheren Merkmal der wesentlichen Beeinträchtigung vermengt (Bl. 182). Diese Folge, dass eine unlautere Wettbewerbshandlung im Ergebnis doch nicht unzulässig ist, ist aber gerade die gesetzgeberische Wertung in § 3 UWG, indem dort das weitere Tatbestandsmerkmal der nicht nur unerheblichen Beeinträchtigungseignung beigefügt worden ist (vgl. Fezer in Fezer a.a.O., § 3, 33 und 35).

5.

Schon aus den obigen Ausführungen geht hervor, dass eine Irreführung (§§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 2 UWG) nicht gegeben ist. Denn der vorauszusetzende Verbraucher kann angesichts der klaren und knappen, in keinen ablenkenden Zusammenhang gestellten Fassung der Aufpreisankündigung nicht dem Irrtum erliegen, die Gesamtbrille, wählt er eine Gleitsichtbrillenausführung, koste (nur) 149,00 EUR.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 542 Abs. 2 i.V.m. § 3 ZPO.






OLG Stuttgart:
Urteil v. 10.02.2005
Az: 2 U 153/04


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