Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. April 2000
Aktenzeichen: 24 W (pat) 66/99

(BPatG: Beschluss v. 18.04.2000, Az.: 24 W (pat) 66/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Dezember 1998 aufgehoben.

Die Erinnerung der Anmelderin gegen den Beschluß der genannten Markenstelle vom 20. Februar 1996 wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Marke NIGHT LIFE ist am 1. Dezember 1992 zur Eintragung in das Register angemeldet worden für die folgenden Waren der Klasse 3:

"Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen, Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel".

Diese Anmeldung wurde am 30. Juni 1993 bekanntgemacht.

Gegen die Anmeldung ist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 2 011 202 NaiLife, die am 13. März 1992 für "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" in das Register eingetragen worden ist. Der Widerspruch richtet sich nur gegen die Waren "Seifen, Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel".

Wegen dieses Widerspruch hat die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patentamts mit Erstbeschluß vom 20. Februar 1996 der Anmeldung die Eintragung teilweise versagt, nämlich für die angegriffenen Waren "Seifen, Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel". Diesen Beschluß hat die Markenstelle mit der Beurteilung begründet, daß zwischen den konkurrierenden Marken Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG bestehe.

Dagegen hat die Anmelderin Erinnerung eingelegt. Sie hat mit Schriftsatz vom 20. März 1997 die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Daraufhin hat die Widersprechende Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegt, für deren Inhalt auf die Akten Bezug genommen wird.

Mit Erinnerungsbeschluß vom 1. Dezember 1998 hat die Markenstelle unter Aufhebung ihres Erstbeschlusses den Widerspruch zurückgewiesen. Sie ist der Meinung, daß die geltend gemachte Benutzung der Widerspruchsmarke keine rechtserhaltenden Wirkungen iSv § 26 MarkenG entfaltet habe. Die Widersprechende habe ihre Marke "NaiLife" in der Form von "Nailife" benutzt und damit deren kennzeichnenden Charakter iSv § 26 Abs 3 S 1 MarkenG geändert.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie meint, daß die Benutzung ihrer Marke iSv § 26 MarkenG rechtserhaltend sei und daß zwischen den konkurrierenden Marken Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG bestehe.

Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), den angegriffenen Erinnerungsbeschluß der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Dezember 1998 aufzuheben und die Erinnerung der Anmelderin zurückzuweisen.

Die Anmelderin stellt den Antrag, die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Sie hält den angegriffenen Erinnerungsbeschluß der Markenstelle für richtig.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und auch begründet; denn die bestrittene Benutzung der Widerspruchsmarke ist hinreichend glaubhaft gemacht und zwischen den konkurrierenden Marken besteht Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Anmelderin hat in zulässiger Weise die Nichtbenutzungseinrede gem § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG erhoben, denn im Zeitpunkt der Erhebung der Einrede war die Widerspruchsmarke bereits länger als fünf Jahre in das Register eingetragen. Demnach bemißt sich der maßgebliche Benutzungszeitraum auf den Zeitraum von fünf Jahren vor der Zustellung der vorliegenden Entscheidung.

Für diesen Zeitraum hat die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke iSv § 26 iVm § 43 Abs 1 MarkenG glaubhaft gemacht.

Herr Sch... ist Geschäftsführer sowohl der Widersprechenden als auch deren Tochterunternehmen, der Firma L... GMBH, die für die Widersprechende den Inlandsvertrieb ihrer Produkte unternimmt. In diesen Eigenschaften verfügt er über die erforderliche organisatorische Kompetenz, um aus eigener Wahrnehmung Aussagen über die Benutzung der Widerspruchsmarke zu machen. Herr Sch... hat für das Quartal des Kalender- jahres 1995 einen Umsatz von ... Stück und für das dritte Quartal dieses Jah- res einen Umsatz von ... Stück eidesstattlich versichert. Bei den Waren handelte es sich um drei verschiedene Pflegeartikel für Nägel, die zu einem Stückpreis von DM ... an die Endverbraucher abgegeben wurden. Dazu hat die Widersprechende die nachstehend wiedergegebenen Photokopien der Verpakkungen für die drei verschiedenen Pflegeprodukte vorgelegt:

Der Umfang der belegten Umsätze reicht zur Glaubhaftmachung einer ernstlichen wirtschaftlichen Benutzung iSv § 26 MarkenG aus. Zwar betreffen lediglich die Angaben zum dritten Quartal des Jahres 1995 in vollem Umfang den maßgeblichen Benutzungszeitraum. Für die Frage der Ernsthaftigkeit einer mengenmäßig begrenzten Benutzung ist aber auch der Umfang des Markengebrauchs vor Beginn oder nach Ablauf des rechtserheblichen Benutzungszeitraums von Bedeutung (vgl Althammer/Ströbele, Markengesetz, 5. Aufl 1997, § 26 Rdn 26 mwNachw). Insoweit stellen die eidesstattlich versicherten deutlich höheren Umsatzzahlen für das erste Quartal 1995 und für das Jahr 1994 (... Stück) wesentliche Indizien gegen die Annahme einer Scheinbenutzung dar. Entgegenstehende Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich und wurden von der Anmelderin auch nicht vorgetragen.

Die Tatsache, daß die Benutzung nur im ersten Jahr des maßgeblichen Benutzungszeitraums erfolgte, stellt die Ernstlichkeit der wirtschaftlichen Nutzung nicht in Frage. Die Benutzungshandlungen müssen innerhalb der Fünfjahresfrist erfolgen, sie müssen aber nicht diesen gesamten Zeitraum ausfüllen (BPatGE 23, 243 "Cosy Ango/Ingo"). Es genügt die Glaubhaftmachung einer ernsthaften Markenverwendung für einen begrenzten Zeitraum, auch wenn dieser bereits weiter zurückliegt (vgl Althammer/Ströbele, Markengesetz, 5. Aufl 1997, § 43 Rdn 35). Entscheidend ist, ob es innerhalb des Benutzungszeitraumes zu einer wirtschaftlich sinnvollen Nutzung der Widerspruchsmarke gekommen ist und nicht der Anschein der Scheinbenutzung besteht.

Diese Verwendungshandlungen sind auch geeignet, die Rechte an der Widerspruchsmarke iSv § 26 MarkenG zu erhalten, obwohl die Widersprechende ihre Marke in einer Form benutzt hat, die von der Eintragung abweicht. Grundsätzlich muß eine Marke in ihrer eingetragenen Form benutzt werden. § 26 Abs 3 MarkenG läßt jedoch ausdrücklich abgewandelte Benutzungsformen zu, soweit die Abweichung den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändert. Ob eine solche Veränderung vorliegt, bemißt sich in erster Linie danach, ob der Verkehr die eingetragene und die benutzte Form als dieselbe Marke ansieht (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 26 Rdn 54). Davon ist hier auszugehen. Die Widerspruchsmarke ist eingetragen als Wortmarke in der Form "NaiLife" und wurde in der Form "Nailife" benutzt. Die einzige Abweichung besteht darin, daß der mittlere Buchstabe "L" nicht mehr groß, sondern klein geschrieben ist. Das erachtet der Senat als unwesentlich. Im Zusammenhang mit Produkten für die Nagelpflege - und nur für diese Waren wurde die Widerspruchsmarke benutzt - hat die Widerspruchsmarke in beiden Formen - "NaiLife" und "Nailife" - warenbezogene Anklänge im Sinne einer englischen Wortkombination "Naillife" - zu Deutsch "Nagel-Leben". Soweit die angesprochenen Verkehrskreise bei beiden Schreibweisen diese Anklänge an "Naillife" assoziieren, wenn ihnen das entsprechende Markenwort - wie hier - im Zusammenhang mit Produkten für die Nagelpflege begegnet, werden sie der Abweichung in der Schreibweise, keine wesentliche Bedeutung zumessen, da sie in beiden Formen denselben Begriffsanklang wiederfinden. Genauso wird es sich mit denjenigen Verkehrskreisen verhalten, die die Anklänge an "Naillife" in "NaiLife" nicht erkennen, weil ihre Englischkenntnisse dafür nicht ausreichen. Für sie ist die Widerspruchsmarke eine Phantasieschöpfung, die entweder eine reine Erfindung ist oder die sich aus dem Wort "Life" und einer erfundenen weiteren Silbe "Nai" zusammensetzt. In beiden Fällen kommt es auf die Groß- oder Kleinschreibung des Buchstabens "l" nicht an. Der Wortlaut und die Bedeutung des Wortes bleiben dieselbe. Auch bei dieser Konstellation muß davon ausgegangen werden, daß die Verkehrskreise beide Varianten der Widerspruchsmarke als dieselbe Marke ansehen werden.

Die Widersprechende hat die Widerspruchsmarke in rechtserhaltender Weise für Produkte für die Nagelpflege benutzt. Diese Waren gehören zu den Mitteln für die Körper- und Schönheitspflege, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist. Produkte für die Nagelpflege können mit den angegriffenen Waren der angemeldeten Marke identisch sein und sind im übrigen diesen Waren ähnlich.

Zugunsten der Anmelderin ist das Gericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß der Schutzumfang der Widerspruchsmarke mit Rücksicht auf die warenbezogenen Anklänge, die sie im Zusammenhang mit Produkten für die Nagelpflege hat, trotz der glaubhaft gemachten Benutzung etwas unter dem Durchschnitt liegt.

Auch bei dieser Ausgangslage kommt die angegriffene Marke der Widerspruchsmarke klanglich verwechselbar nahe. Die angemeldete Marke setzt sich aus zwei Wörtern des englischen Grundwortschatzes zusammen, "NIGHT" (Nacht) und "LIFE" (Leben). Grundkenntnisse im Englischen können in der Bundesrepublik Deutschland allgemein vorausgesetzt werden. Deswegen wird für die angemeldete Marke auch in Deutschland die englische Aussprache die Regel sein und demnach "Nait Laif" lauten. Bei der Widerspruchsmarke muß davon ausgegangen werden, daß der Wortbestandteil "Life" - wie bei der angegriffenen Marke - englisch, also "Laif" ausgesprochen wird. Die erste Silbe der Widerspruchsmarke "Nai" kann entsprechend der deutschen Phonetik wie "Nai" ausgesprochen werden oder anglisierend "Näi". Der Klang der angegriffenen Marke "Nait Laif" steht demnach den möglichen Aussprachen für die Widerspruchsmarke "Nailaif" und "Näilaif" gegenüber. Die angegriffene Marke kommt beiden Varianten klanglich verwechselbar nahe. Bei einer Aussprache der Widerspruchsmarke wie "Nailaif" unterscheidet sich der Klang der angemeldeten Marke von dem der Widerspruchsmarke nur durch den mittleren Laut "T", im übrigen ist die Aussprache beider Markenwörter identisch. Gegenüber den weitgehenden Übereinstimmungen tritt die Bedeutung des Lauts "T" zurück, weil er am Ende der ersten Silbe der angegriffenen Marke steht und den Klang des Wortanfangs und der zweiten Silbe unverändert läßt. Aber auch bei einer vollkommen englischen Aussprache der Widerspruchsmarke - phonetisch "Näilaif" - besteht zwischen den konkurrierenden Marken Verwechslungsgefahr. Klanglich bestehen in diesem Fall Unterschiede in den ersten Vokalen "ai" und "äi" und in dem mittleren Laut "T" der angemeldeten Marke, der in der Widerspruchsmarke fehlt. Diese Unterschiede lassen die wesentlichen klanglichen Merkmale der beiden Markenwörter unberührt. Diese bestehen in dem gemeinsamen Anfangsbuchstabe "N" und in der ebenfalls gemeinsamen zweiten Silbe "Laif". Sofern bei einer vollständig englischen Aussprache der Widerspruchsmarke deren erster Vokal "äi" lautet, handelt es sich dabei um die nächstmögliche Variante zu dem Vokal "ai" in der angemeldeten Marke. Die klangliche Bedeutung des Lauts "T" für die Wörter "Nait Laif" tritt - wie bereits festgestellt - deutlich hinter der klanglichen Bedeutung des Anfangsbuchstabens "N" und der Silbe "Laif" zurück.

Auch die begriffliche Bedeutung der angemeldeten Marke "Nachtleben" und der warenbezogene Anklang in der Widerspruchsmarke an "Naillife" reichen nicht aus, um eine klangliche Verwechslung auszuschließen. Zwar können klangliche Übereinstimmungen zwischen Marken durch deren abweichenden Begriffsgehalte so reduziert werden, daß eine Verwechslungsgefahr zu verneinen ist. Wesentliche Voraussetzung dafür ist aber, daß der abweichende Sinngehalt vom Verkehr sofort erfaßt wird (Althammer/Ströbele, Markengesetz, 5. Aufl 1997, § 9 Rdn 73). Bei hochgradigen klanglichen Übereinstimmungen - wie hier - kommt ein Ausschluß der Verwechslungsgefahr durch einen abweichenden Sinngehalt in der Regel jedoch nicht mehr in Betracht. Das macht der vorliegende Fall deutlich. Denn hier können die Teilnehmer eines Gesprächs den Sinngehalt der angemeldeten Marke nur dann richtig mit "Nachtleben" identifizieren, wenn sie sich zunächst nicht verhört und richtig erkannt haben, daß diese Marke - anders als die Widerspruchsmarke - mit "t" geschrieben wird. Verhören sich die Gesprächsteilnehmer in diesem Punkt, ist eine begriffliche Identifikation der angemeldeten Marke nicht mehr möglich. Für die Widerspruchsmarke gilt umgekehrt dasselbe: Nur wenn die Gesprächsteilnehmer zunächst richtig verstanden haben, daß diese Marke - anders als die angegriffene Marke - ohne "t" geschrieben wird, kann es zu einer Assoziation zu dem warenbeschreibenden Anklang "Naillife" kommen. Die begriffliche Bedeutung, bzw die warenbezogenen Anklänge der konkurrierenden Marken sind daher nicht dazu geeignet, die bestehende klangliche Verwechslungsgefahr zu verringern oder gar sicher auszuschließen.

Aus diesen Gründen war der angegriffene Erinnerungsbeschluß der Markenstelle aufzuheben und die Erinnerung der Anmelderin gegen den Erstbeschluß zurückzuweisen.

Kosten werden nicht auferlegt (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Dr. Ströbele Dr. Hacker Werner Fa






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Az: 24 W (pat) 66/99


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