Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Juli 2003
Aktenzeichen: 29 W (pat) 11/03

(BPatG: Beschluss v. 09.07.2003, Az.: 29 W (pat) 11/03)

Tenor

1. Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Oktober 2000 und vom 26. September 2002 werden aufgehoben.

2. Die Löschung der Marke 396 01 608 wird angeordnet.

Gründe

I Gegen die Eintragung der für die Waren

"Klasse 16: Papier, Pappe, Karton, Waren aus diesen Materialien (soweit in Klase 16 enthalten); Druckereierzeugnisse, insbesondere Kinderbücher; Schreibwaren Klasse 28: Spiele und Spielzeug Klasse 9: bespielte Videobänder und Videokassettenam 10. August 1996 veröffentlichten Wortmarke 396 01 608 SIMBA DER LÖWENKÖNIG hat die Inhaberin der am 21. November 1994 eingetragenen Wortmarke 2 085 399 DER KÖNIG DER LÖWEN, die ua für die Waren Magnetaufzeichnungsträger, Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien (soweit in Klasse 16 enthalten); Druckereierzeugnisse; Schreibwaren; Spiele, Spielzeug Schutz genießt, Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die jüngere Marke mit Beschluss vom 10. Oktober 2000 auf der Grundlage identischer Waren gelöscht. Zugunsten der Markeninhaberin werde eine normale Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zugrundegelegt, obwohl die Markenstelle nicht verkenne, dass die Widerspruchsmarke zugleich den Titel eines im Inland erfolgreichen Kinozeichentrickfilms der Widersprechenden darstelle und amtsbekannt sei, dass die Widerspruchsmarke zur Kennzeichnung der Merchandisingartikel - jedenfalls während der Film in den Kinos lief - umfangreich benutzt wurde. Wegen des Bestandteils SIMBA bestehe keine unmittelbare Verwechslungsgefahr, sondern die Gefahr gedanklicher Verbindung gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 aE MarkenG. Dem Verkehr sei in entscheidungserheblichem Umfang aus dem Kinofilm DER KÖNIG DER LÖWEN auch der Name des Löwenkönigs "SIMBA" geläufig, so dass Fehlzuordnungen zu befürchten seien.

Auf die Erhebung der Nichtbenutzungseinrede im Erinnerungsverfahren gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG hat die Widersprechende Benutzungsunterlagen in Form einer Eidesstattlichen Versicherung vom 16. Oktober 2001 mit entsprechenden Waren eingereicht. Die Markeninhaberin hat den Einwand der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke daraufhin mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2001 ausdrücklich nicht mehr für die Waren "Kinderbücher, Malbücher, Kuscheltiere" und "Videokassetten" sondern nur im Übrigen aufrechterhalten. Mit Erinnerungsbeschluss vom 26. September 2002 ist der Erstbeschluss teilweise und zwar hinsichtlich der Waren "Papier, Pappe, Karton, Schreibwaren" aufgehoben und die Erinnerung im übrigen zurückgewiesen worden, weil insoweit keine Benutzungsunterlagen eingereicht worden seien. Für die übrigen Waren ist die Benutzung als hinreichend glaubhaft gemacht und auch von der Markeninhaberin als zugestanden angesehen worden. Aufgrund der Warenidentität und einer etwas erhöhten Kennzeichnungskraft bestehe assoziative Verwechslungsgefahr. Der Verkehr bringe die Marken wegen der Ähnlichkeit des Bedeutungsgehalts und der Bekanntheit der Widerspruchsmarke als Buch und Film, deren Hauptfigur ebenfalls "SIMBA" heiße, gedanklich als weiteres Produkt der Widersprechenden in Verbindung.

Die Widersprechende hat gegen die teilweise Zurückweisung des Widerspruchs Beschwerde eingelegt und zur Begründung eine weitere eidesstattliche Versicherung von Herrn Strittmatter vom 14. April 2003 vorgelegt.

Sie beantragt, den Beschluss vom 26. September 2002 insoweit aufzuheben, als der Widerspruch teilweise zurückgewiesen wurde, die Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Vergleichsmarken zu bejahen und die vollständige Löschung der angegriffenen Marke 396 01 608 "SIMBA DER LÖWENKÖNIG" zu verfügen.

Die Markeninhaberin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet. Es besteht die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden (§ 9 Abs 1 Nr 2 aE MarkenG).

1. Die Frage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung der maßgeblichen Faktoren der Warenidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder - ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Klagemarke in dem Sinne auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken und/oder eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aufgewogen wird und umgekehrt (vgl BGH GRUR 2003, 519 - 521 - Knabberbärchen mwN).

1.1 Für die Beurteilung der Warenähnlichkeit ist zunächst von den Waren der Widerspruchsmarke auszugehen, für die die Benutzung glaubhaft gemacht bzw für die der Einwand der Nichtbenutzung nicht mehr aufrechterhalten worden ist. Das sind vorliegend "Kinderbücher, Malbücher, Kuscheltiere" und "Videokassetten". Diese Waren sind maßgeblich für die Entscheidung über den Widerspruch hinsichtlich der Frage der Identität bzw der Ähnlichkeit mit den Waren der jüngeren Marke. Die Markenstelle hat im Erinnerungsbeschluss zwar zutreffend festgestellt, dass keine Angaben zur Benutzung der Widerspruchsmarke für "Papier, Pappe (Karton)" gemacht worden sind, die im übrigen auch in der Eidesstattlichen Versicherung vom 14. April 2003 nicht enthalten sind, weil diese nur auf "Druckereierzeugnisse, Papierwaren, Spiele und Spielzeug, Videokassetten" bezogen ist. Die Markenstelle hätte es aber bei dieser Feststellung nicht bewenden lassen dürfen, sondern prüfen müssen, ob auf der Grundlage der benutzten und nach § 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG bei der Entscheidung über den Widerspruch zu berücksichtigenden Waren Ähnlichkeit mit den allein verfahrensgegenständlichen Waren "Papiere, Pappe, Karton, Schreibwaren" der angegriffenen Marke besteht.

"Malbücher" sind nach ihrer Beschaffenheit aus Papier, Pappe oder auch Karton, ihrer regelmäßigen Vertriebsstätte in Schreibwarengeschäften sowie hinsichtlich ihres Verwendungszwecks sowohl als "Waren aus Papier, Pappe, Karton (soweit in Klasse 16 enthalten)" als auch als "Schreibwaren" anzusehen. Da die jüngere Marke wegen des beanspruchten Warenbegriffs der "Schreibwaren" zur Kennzeichnung von Malbüchern eingesetzt werden kann, können sich die Vergleichszeichen auf identischen Waren begegnen. Hinsichtlich der beanspruchten Waren "Papier, Pappe, Karton" der jüngeren Marke bestehen enge Berührungspunkte mit Malbüchern aufgrund der Materialbeschaffenheit, des Vertriebsortes sowie des gemeinsamen Nutzungs- und Verwendungszwecks. "Papier, Pappe und Karton" dienen typischerweise auch zu Mal- und Bastelzwecken. Der Senat legt dabei einen durchschnittlichen Ähnlichkeitsgrad zugrunde.

1.2 Die Widerspruchsmarke besitzt von Haus aus eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Aufgrund der Bekanntheit des Films "Der König der Löwen" und der umfangreichen Benutzung der mit der Marke gekennzeichneten bespielten Videobänder, Bücher, Löwenkinder-Spielfiguren, Malbücher und Bastelartikel kommt der Widerspruchsmarke darüber hinaus eine erhöhte Kennzeichnungskraft für "Magnetaufzeichnungsträger, Waren aus Papier und Pappe (soweit in Klasse 16 enthalten), Druckereierzeugnisse, Schreibwaren und Spielzeug" zu. Der Markenstelle kann nicht darin gefolgt werden, dass die Bekanntheit des Films, der mit zwei Oscars prämiert worden ist, für die Frage des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke nicht in Betracht zu ziehen sei. Sie ist vielmehr im Rahmen der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls für die Bemessung der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu berücksichtigen. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Bekanntheit des Films als solche entfallen ist, mögen sich die Umsätze der Verkaufsartikel der Widerspruchsmarke nach den Angaben des Contract Managers der Widersprechenden in der Eidesstattlichen Versicherung vom 14. April 2003 auch geringfügig verringert haben. Die Markeninhaberin hat die Angaben zur erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der mündlichen Verhandlung im übrigen nicht mehr in Frage gestellt.

1.3 Hinsichtlich der Ähnlichkeit der beiden Wortmarken unterscheiden sich diese im jeweils maßgeblichen Gesamteindruck sowohl in schriftbildlicher wie in klanglicher Hinsicht. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne scheidet insoweit aus. Begrifflich bestehen zwar erhebliche Gemeinsamkeiten, weil der Begriff "DER KÖNIG DER LÖWEN" als Synonym für den Begriff "DER LÖWENKÖNIG" anzusehen und diesem gleichzusetzen ist. Gleichwohl unterscheidet sich die jüngere Marke in ihrem Sinngehalt durch die Angabe des Namens "SIMBA".

Es besteht jedoch eine Verwechslungsgefahr durch gedankliches Inverbindungbringen der einander gegenüberstehenden Marken. Allerdings stützt sich dieses nicht auf die gedankliche Brücke in der Wahrnehmung von zwei Löwenbezeichnungen. Denn eine hierauf reduzierte Assoziation würde nicht den Vorgaben der Markenrechtsrichtlinie entsprechen, wie sie vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften für eine ältere Marke mit normaler Kennzeichnungskraft entschieden worden ist (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabel/Puma; BGH WRP 1999, 192, 196 - Patric Lion). Das gedankliche Inverbindungbringen der Marken beruht vielmehr auf der erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Bekanntheit der Figur und der Geschichte des "Königs der Löwen" aus Film, Video, Buch und sonstigen Merchandiseartikeln. Der normal informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsabnehmer, auf den abzustellen ist, erkennt den Unterschied der Marken, ordnet die jüngere Marke aber der Widerspruchsmarke zu, weil "SIMBA" bekanntermaßen der Name des Sohnes der Filmfigur "KÖNIG DER LÖWEN" ist und als der neue König der Löwen bezeichnet wird. Der Verkehr rechnet die jüngere Marke irrigerweise der bekannten prioritätsälteren Widerspruchsmarke zu, weil er unter dem Begriff der Marke "DER KÖNIG DER LÖWEN" den alten und den neuen König der Löwen versteht, wie er ihn aus Buch und Film kennt.

1.4 Angesichts der Ähnlichkeit der Vergleichswaren und der erhöhten Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Widerspruchsmarke, die bei der assoziativen Verwechslungsgefahr in gleicher Weise wie bei der unmittelbaren Verwechslungsgefahr zu gewichten sind (vgl BGH GRUR 1999, 587 - Cefallone) und der Annäherungen der Marken aufgrund der gedanklichen Verbindung, die sich dem Publikum aufdrängt, ist die Verwechslungsgefahr zu bejahen und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

2. Für eine Auferlegung von Kosten aus Gründen der Billigkeit nach § 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.

Pagenberg Richter Voit ist abgeordnet und daher verhindert zu unterschreiben.

Pagenberg Fink Cl






BPatG:
Beschluss v. 09.07.2003
Az: 29 W (pat) 11/03


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