Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Juni 2006
Aktenzeichen: 21 W (pat) 315/04

(BPatG: Beschluss v. 27.06.2006, Az.: 21 W (pat) 315/04)

Tenor

Nach Prüfung des Einspruchs wird das Patent widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 13. August 2002 beim deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent unter der Bezeichnung "Gehäuse für ein Rückprojektionsgerät" erteilt worden; die Veröffentlichung der Erteilung ist am 23. Oktober 2003 erfolgt.

Gegen das Patent ist am 17. Januar 2004 Einspruch erhoben worden.

Zur Begründung des Einspruchs hat die Einsprechende u. a. auf folgende Druckschrift verwiesen:

D2: EP 0 766 465 B1 Nach Auffassung der Einsprechenden beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die beiden Parteien sind, wie schriftsätzlich angekündigt, zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Die Einsprechende hat schriftsätzlich den Antrag gestellt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hat schriftsätzlich den Antrag gestellt, das Patent im erteilten Umfang aufrecht zu erhalten.

Der erteilte Patentanspruch 1 (Merkmalsgliederung hinzugefügt) lautet:

M1 Gehäuse für ein Rückprojektionsgerät, aufweisend M2 ein Gehäuseoberteil (1) mit M3 einem Projektionsraum mit M4 mindestens einer vorderseitigen Projektionsscheibe (3) und M5 einem rückseitigen großflächigen Spiegel (4) zur Umlenkung von Lichtstrahlen, M6 ein Gehäuseunterteil (2), in welchem mindestens M7 eine Projektionseinheit (11) mit einer Lichtquelle angeordnet ist, wobei M8 an der Rückseite des Gehäuseoberteils (1) und/oder des Gehäuseunterteils (2) mindestens über einen bestimmten Abschnitt Luftaustrittsöffnungen (6) vorgesehen sind, dadurch gekennzeichnet, dass M9 in die Vorderwand (15) des Gehäuseunterteils (2) Durchdringungslöcher (18) mindestens über einen größeren Flächenabschnitt der Vorderwand (15) eingebracht sind, durch die Kühlluft (17) in den Innenraum des Gehäuseunterteils (2) einströmt, und dass M10 in dem Gehäuseunterteil ein horizontal angeordnetes Chassis vorgesehen ist, das sich im wesentlichen bis zur Vorderwand (15) erstreckt, und M11 dass sowohl oberhalb als auch unterhalb der Trägerplatine des Chassis in der Vorderwand (15) Durchgangslöcher (18) eingebracht sind.

Bezüglich der rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Die Patentinhaberin hält den Gegenstand des Anspruchs 1 für neu und erfinderisch.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Gemäß § 147 Abs. 3 PatG hat über den vorliegenden Einspruch der technische Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

Der frist- und formgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt, so dass der Patentinhaber und insbesondere der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des geltend gemachten Widerrufsgrundes ziehen können.

Der Einspruch hat auch Erfolg, denn der Gegenstand des Patentanspruch 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist deshalb nicht patentfähig (§§ 1, 4 PatG). Das Patent war daher zu widerrufen (§ 61 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).

Der Streitpatentgegenstand betrifft ein Gehäuse eines Rückprojektionsgerätes, z. B. eines Fernsehgerätes. Der Erfindung liegt gemäß der Patentschrift die Aufgabe zugrunde, die Belüftung der elektronischen Einheiten und der die Verlustwärme erzeugenden Lichtquelle, die im Gehäuseunterteil angeordnet sind, weiter zu verbessern (siehe Absatz [0009]).

Fachmann ist ein mit der Herstellung von entsprechenden Geräten vertrauter Dipl.-Ing. der Fachrichtung Elektrotechnik.

Die patentierten Ansprüche sind zulässig. Der patentierte Anspruch 1 weist die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1 und 6 auf und die weiteren Ansprüche 2 bis 5 sind mit den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 5 identisch.

Aus der D2 (siehe insbesondere die Fig. 3 und 6 mit zugehöriger Beschreibung) ist bekannt:

M1= Ein Gehäuse 11, 12 (upper, lower cabinet) für ein Rückprojektionsgerät bekannt, aufweisend M2= ein Gehäuseoberteil 11 (upper cabinet) mit M3= einem Projektionsraum (siehe Fig. 6) mit M4= einer vorderseitigen Projektionsscheibe 13 (screen) und M5= einem rückseitigen großflächigen Spiegel 15 (mirror) zur Umlenkung von Lichtstrahlen, M6= ein Gehäuseunterteil 12 (lower cabinet), in welchem M7= eine Projektionseinheit 18, 19, 20 (LCD«s, video device, projection lens) mit einer Lichtquelle 18 (LCD«s) angeordnet ist, wobei M8= an der Rückseite des Gehäuseunterteils über einen bestimmten Abschnitt Luftaustrittsöffnungen 38 (grill, siehe auch Fig. 5) vorgesehen sind (siehe Absatz [0033]), und wobei M9= in die Vorderwand des Gehäuseunterteils Durchdringungslöcher (siehe Fig. 3 und 9, air inlet 31 mit decorative grill 33) über einen größeren Flächenabschnitt der Vorderwand eingebracht sind, durch die Kühlluft in den Innenraum des Gehäuseunterteils einströmt (siehe Absatz [0032, 0035]).

Gemäß der Druckschrift D2 weist die Vorderwand ein großes Durchgangsloch 31 auf, welches sich gemäß der Fig. 3 über die ganze Höhe des Unterteils erstreckt. Für den Fachmann ist eine Konstruktion mit einem großen Durchgangsloch mit einer Gitterabdeckung einer Konstruktion mit mehreren Durchgangslöchern äquivalent (Merkmalsgruppe M9).

In der Patentschrift wird das in den Merkmalsgruppen M10 und M11 beanspruchte Chassis bei der Beschreibung des Ausführungsbeispiels mit der einzigen Figur nicht näher erläutert und dargestellt. Unter einem Chassis versteht der Fachmann bei Rückprojektionsgeräten jedoch einen Montagerahmen, in dem z. B. Trägerplatinen für elektrische Schaltkreise gehaltert werden.

Gemäß der Druckschrift D2 ist in dem Gehäuseunterteil auch eine Video-Vorrichtung 19 (video device, siehe auch Fig. 8) mit eine Ansteuerschaltung eingebaut (siehe Absatz [0038]), die sich gemäß Fig. 6 bis zur Vorderwand erstreckt. Diese Video-Vorrichtung besteht neben der Ansteuerschaltung aus LCD«s 18 und einer Projektions-Linse 20, die eine Einheit bilden (siehe Absatz [0044]). Dem Fachmann ist aufgrund seiner Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Rückprojektionsgeräte bekannt, dass solche Einheiten, insbesondere die Ansteuerschaltung, in einem Montagerahmen, d. h. in einem Chassis angeordnet werden. Aus der Druckschrift D2 ist somit bekannt, in dem Gehäuseunterteil ein Cassis vorzusehen, das sich selbstverständlich in räumlicher Nähe zur Video-Vorrichtung 19 befindet und sich somit ebenfalls bis zur Vorderwand erstreckt.

Da sich das Durchgangsloch 31 über die ganze Höhe des Unterteils in der Vorderwand erstreckt (siehe Fig. 3 und 9), ist es zwangsläufig auch oberhalb und unterhalb einer Trägerplatine der Ansteuerschaltung des Chassis, welches in diesem Bereich angebracht ist, eingebracht. Bis auf die "horizontale" Anordnung des Chassis sind daher die Merkmale der Merkmalsgruppen M10 und M11 aus der Druckschrift D2 für den Fachmann entnehmbar.

Die horizontale Anordnung eines Chassis, d. h. eines Montagerahmens, stellt für den Fachmann jedoch eine einfache routinemäßige Arbeit dar, die er bei der Konstruktion von entsprechenden Gehäusen und der Anordnung der Bauteile in diesen Gehäusen aufgrund der gegebenen Platzverhältnisse unter Berücksichtigung einer effektiven Kühlung für die elektronischen Bauelemente ausführt. Bei der sich über die ganze Höhe des Unterteils erstreckenden Gehäuseöffnung 31 liegt eine horizontale Lage der Ansteuerschaltung für den Fachmann nahe, da damit der Kühlluftstrom sowohl über die Ober- als auch über die Unterseite der Trägerplatine geführt werden kann.

Die Argumentation der Patentinhaberin, dass in der Druckschrift D2 die Chassiseinheit in einer abgetrennten Kammer vorgesehen ist (siehe Schaltkreise 34 hinter einer Trennwand 23 (partition) gemäß Fig. 6), konnte nicht überzeugen, da diese zusätzlichen Schaltkreise offensichtlich nicht gekühlt werden müssen.

Eine Anordnung der Video-Vorrichtung 19 in dem Gehäuseunterteil unter einem bestimmten Winkel gemäß der Fig. 6 der Druckschrift D2 stellt ebenfalls keinen Widerspruch zu einem horizontal angeordneten Chassis dar, da in der Streitpatentschrift die Projektionseinheit 11 ebenfalls unter einem Winkel in dem Gehäuseunterteil 2 angeordnet ist.

Die Unteransprüche 2 bis 5 fallen mit dem Hauptanspruch (vgl. hierzu BGH GRUR 2002, 1997, 120 - "Elektrisches Speicherheizgerät").






BPatG:
Beschluss v. 27.06.2006
Az: 21 W (pat) 315/04


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