Landessozialgericht der Länder Berlin und Brandenburg:
Urteil vom 20. Juni 2006
Aktenzeichen: L 24 KR 20/04

(LSG der Länder Berlin und Brandenburg: Urteil v. 20.06.2006, Az.: L 24 KR 20/04)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des SozialgerichtsFrankfurt (Oder) vom 16. April 2004 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.146,80 Euronebst zwei Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seitRechtshängigkeit der Forderung zu zahlen.

Im Übrigen werden die Berufungen der Klägerin und der Beklagtenzurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel, die Klägerin derBeklagten ein Zehntel der jeweiligen außergerichtlichen Kosten desRechtsstreit zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Im Streit zwischen den Beteiligten ist noch die Bezahlung der Behandlung des bei der Beklagten versicherten Beigeladenen, der bei der Klägerin als Krankenhauspatient stationär behandelt wurde für die Zeit vom 08. Dezember 2000 bis zum 25. Januar 2001.

Die Klägerin ist Betreiberin des Städtischen Krankenhauses E.

Der im 1966 geborene Beigeladene wurde bei der Klägerin vom 23. Oktober 2000 bis zum 26. Januar 2001 vollstationär in der Psychiatrischen Fachabteilung behandelt. Die stationäre Behandlung war durch Notfallverordnung des behandelnden Neurologen und Psychiaters T am 23. Oktober 2000 mit der Diagnose €zunehmende psychosenahe Symptomatik bei zugrunde liegender Zwangssymptomatik€ verordnet worden.

Der Kostenübernahmeantrag der Klägerin vom 23. Oktober 2000 ging bei der Beklagten am 24. Oktober 2000 ein und wurde mit den Diagnosen schwere Depression mit Suizidalität und schwerer Zwangsstörung begründet. Im Antrag begehrt wurde die Kostenübernahme für 21 Tage. Am 26. Oktober 2000 wurde die Kostenübernahme zunächst bis zum 04. November und nach zwei Verlängerungen bis zum 23. November 2000 erteilt.

Der Beigeladene verblieb darüber hinaus im Krankenhaus der Klägerin und diese stellte am 23. November 2000, 05. November 2000 und 11. Dezember 2000 weitere Anträge auf Kostenübernahme: Das akut stationär behandlungsbedürftige Krankheitsbild bestünde fort. Die Psychopharmakotherapie werde optimiert und es solle eine psychische Stabilisierung und weitere Distanzierung von Suizidalität erreicht werden. Mit Schreiben vom 07. Dezember 2000 lehnte die Beklagte die weitere Kostenübernahme ab, da die Begründung für einen Krankenhausaufenthalt über den 24. November 2000 hinaus nicht ausreichend erscheine und veranlasste eine sozialmedizinische Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg - MDK - zur Notwendigkeit einer stationären Behandlung über den 23. November 2000 hinaus.

Diese Stellungnahme verfasste Dr. M auf der Grundlage der eingereichten Berichte der Klägerin und einer fernmündlichen Rücksprache mit dem Psychiater Dr. W des MDK und dem behandelnden Krankenhausarzt K. Der MDK gelangte zu der Auffassung, es sei aus gutachterlicher Sicht mit einer Entlassung des Beigeladenen vor Ende Januar 2001 nicht zu rechnen und die Notwendigkeit weiterer Krankenhausbehandlung über den 23. November 2000 hinaus sei eindeutig begründbar.

Daraufhin suchten nichtärztliche Mitarbeiter der Beklagten am 10. Januar 2001 die Klägerin auf und versuchten Kontakt mit dem Beigeladenen aufzunehmen, was daran scheiterte, dass sich dieser zunächst in einer Therapiesitzung befand und im Übrigen nicht bereit war, mit ihnen zu reden. Am 13. Januar 2001 besuchte ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin der Beklagten die Familie des Beigeladenen und erfuhr von dessen Tochter, dass dieser an den Wochenenden meistens zu Hause sei und auch in der Woche ab und zu Ausgang bekomme und die Familie besuche.

Mit Schreiben vom 17. Januar 2001 teilte die Beklagte €nach Vorliegen zusätzlicher Informationen einschließlich der persönlichen Konsultationen durch unsere Sozialbetreuer€ mit, dass es bei der Kostenübernahme bis zum 24. November 2000 verbleibe. Es sei nach den Informationen der Beklagten nicht nachvollziehbar, warum der Beigeladene nicht in der Tagesklinik der Abteilung Psychiatrie medizinisch versorgt werde. Die Rechnung der Klägerin über die Behandlung des Klägers für den Zeitraum vom 24. November 2000 bis zum 25. Januar 2001 (Rechnungsdatum vom 12. Februar 2001) über 23.692,35 DM werde nicht bezahlt.

Hiergegen hat sich die am 23. Mai 2001 von der Klägerin beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhobene Klage gerichtet, mit der diese vorgetragen hat, die Verweigerung der Zahlung sei rechtswidrig und nach ärztlichem Urteil des MDK habe die Krankenhausbehandlung bis zur Entlassung des Beigeladenen am 26. Januar 2001 andauern müssen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die stationäre Behandlung des Beigeladenen IW auch für den Zeitraum vom 07. Dezember 2000 bis einschließlich 25. Januar 2001 in Höhe von 9.619,91 Euro nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz an die Klägerin zu bezahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung gewesen, die medizinische Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung sei von der Klägerin nicht ausreichend begründet worden. Die Stellungnahme der MDK-Ärztin Dr. M sei keine ausreichende Entscheidungsgrundlage, da die Krankenakte nicht einbezogen worden sei.

Das Sozialgericht hat Herrn I W zum Rechtsstreit beigeladen und die Krankenhausakte der Klägerin über die streitige Behandlung des Beigeladenen beigezogen.

Die Beklagte hat während des erstinstanzlichen Verfahrens eine (als €Parteigutachten€ bezeichnete) Stellungnahme nach Aktenlage des Psychotherapeuten Dr. E vom 16. November 2001 eingereicht, in der dieser zu der Auffassung gelangt war, bis Mitte Dezember habe eine dringende medizinische Notwendigkeit zu einer vollstationären Behandlung in einer Fachabteilung für Psychiatrie bestanden, danach jedoch wäre aus seiner Sicht eine tagesklinische Behandlung durchaus denkbar gewesen, zumal der Beigeladene offenbar häufig die Klinik der Klägerin verlassen habe.

Des Weiteren hat die Beklagte eine Stellungnahme des Referenten für Psychiatrie des MDK Dr. W vom 27. November 2001 beigebracht, wonach vom 27. November 2000 bis 07. Dezember 2001 aus der Dokumentation der Krankenakte Schutzbedürftigkeit wegen konkreter Suizidgedanken und Zwangsgedanken folge. Aus der Gewährung von Stadtgängen danach könne geschlussfolgert werden, dass ab diesem Zeitpunkt die vollstationäre Aufnahme nicht mehr plausibel gewesen sei.

Das Sozialgericht hat sodann mit Beweisanordnung vom 12. August 2003 den Neurologen und Psychiater Prof. Dr. med. habil. T zum Sachverständigen ernannt und mit Erstattung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der stationären Behandlung des Beigeladenen im Zeitraum vom 24. November 2000 bis zum 26. Januar 2001 beauftragt.

Der Sachverständige hat sein Gutachten am 04. November 2003 erstattet und in diesem dargelegt, die Notaufnahme sei gerechtfertigt gewesen und die Aufnahmediagnose habe sich im Wesentlichen bestätigt, weil jedoch teilweise die depressiven Symptome stärker in Erscheinung getreten seien. Aus der Krankenblattdokumentation sei ersichtlich, dass es durch die komplexe Therapie zu einer dem Krankheitsbild entsprechenden allmählichen Besserung gekommen sei. Die erforderliche Dauer der stationären psychiatrischen Behandlung sei von der Sache her nur schwierig exakt zu bestimmen. Als Kriterien seien der genügend stabilisierte Rückgang der psychiatrischen Symptome, das gesicherte Abklingen vorhandener Gefährdungspotentiale und eine genügende Stabilisierung der sozialen Kompetenz zur Bewältigung der anstehenden Probleme anzusehen. Insoweit seien die Krankenblattunterlagen wenig aussagekräftig. Es sei dennoch festzustellen, dass zwischen Mitte Dezember und Anfang Januar eine deutliche Besserung sichtbar gewesen sei. Eine stationäre Behandlung sei bis Ende Dezember indiziert gewesen. Die unbedingte Notwendigkeit der vollstationären Behandlung sei Anfang Januar beendet gewesen. Er würde diesen Termin mit dem 06. Januar 2001 ansetzen, der sich daraus ergebe, bei psychiatrischen Erkrankungen, insbesondere depressiver Art, die Weihnachtsfeiertage und der Jahreswechsel einen sehr ungünstigen Zeitraum für einen Übergang in die ambulante Behandlung darstellten. Jedoch auch im Zeitraum danach bis zum 26. Januar 2001 sei eine erweiterte Indikation zur Behandlung anzuerkennen.

Dem ist die Beklagte mit einer Stellungnahme des Dr. W vom MDK entgegengetreten, in der sie daran festgehalten hat, Behandlungsnotwendigkeit habe nur bis zum 07. Dezember vorgelegen.

Die Beklagte hat dementsprechend ein Anerkenntnis für den Zeitraum bis zum 07. Dezember 2000 abgegeben und die Klägerin hat dieses angenommen.

Das Sozialgericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. April 2004 über die Behandlungsbedürftigkeit des Klägers Beweis erhoben durch Vernehmung der sachverständigen Zeugen Dipl.-Med. T, Diplompsychologe M, Ärztin Dr. W sowie des Sachverständigen Prof. Dr. T. Der Sachverständige Prof. Dr. T hat erklärt, der Beigeladene habe an Zwangsvorstellungen gelitten und Angst gehabt, diese könnten sich wiederholen; durch eine kombinierte medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung sollten diese gedämpft werden. Der behandelnde Neurologe und Psychiater T hat dargelegt, er habe den Beigeladenen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus am 29. Januar 2001 deutlich erleichtert, stabilisiert und ohne die Zwangsgedanken vorgefunden. Über die Ursachen der Zwangsgedanken könne er nichts aussagen. Diese lägen in einer tief sitzenden Persönlichkeitsstörung mit der Gefahr, dass sie wieder auftreten könnten. Er glaube jedoch, dass sie aufgrund der umfassenden Psychotherapie nicht wieder das vorige Niveau erreichen würden. Die behandelnde Krankenhausärztin, die Neurologin und Psychiaterin W hat dargelegt, das Antidepressivum habe umgestellt werden müssen und die Umstellphase habe vom 15. November bis zum 05. Dezember 2000 angedauert. Erst zu diesem Zeitpunkt sei die Höchstdosis gegeben worden. Ab 15. Dezember 2000 sei das Beruhigungsmedikament höher dosiert worden. Am 07. Dezember 2000 habe in einem Gespräch mit dem Beigeladenen und dessen Ehefrau letztere dem Beigeladenen mitgeteilt, er müsse die gemeinsame Wohnung verlassen. Dies habe zu Suizidgedanken geführt, die bis etwa zum Jahreswechsel eher zunehmend bestanden hätten. Eine tagesklinische Behandlung sei nicht möglich gewesen, der Beigeladene hätte dann in die familiäre Situation zurückgemusst. Der behandelnde Diplompsychologe M hat hierzu ausgeführt, der Kläger habe am 07. Dezember 2000 aus dem Fenster springen wollen, er habe therapeutisch versucht, ihn zu stabilisieren und ihm darzustellen, dass die Trennung von der Ehefrau eine Chance für ihn sei. Entsprechende Gespräche habe er für den 11. Dezember und 18. Dezember 2000 und den 08. Januar 2001 dokumentiert und der Antrieb des Klägers habe sich bis Mitte Januar stabilisiert. Dies entspreche auch der Erfahrung, dass für ein Ausleben derartiger Affekte ein Zeitraum von drei Wochen veranschlagt werden müsse.

Sodann hat das Sozialgericht mit Urteil vom 16. April 2004 die Beklagte verurteilt, €der Klägerin die Kosten für die stationäre Behandlung des Beigeladenen im Zeitraum vom 07. Dezember 2000 bis zum 08. Januar 2001 nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen€.

Die medizinische Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Notwendigkeit der vollstationären Behandlung bis zum 08. Januar 2001 bestanden habe. Für den Zeitraum danach jedoch reichten die vorliegenden Beweismittel nicht mehr aus, die Krankenhausbedürftigkeit nachzuweisen. Es spreche zwar einiges dafür, dass die Behandlungsbedürftigkeit bis zur Entlassung bestanden haben könnte. Die letzte Dokumentation jedoch ist das Gespräch mit dem Zeugen M vom 08. Januar 2001, in der über eine Besserung der Zwangssymptomatik und eine Besprechung über eine ambulante Anwendung berichtet wurde.

Gegen dieses, den Beteiligten jeweils am 07. Mai 2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 25. Mai 2004 und der Klägerin vom 04. Juni 2004.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beweisaufnahme des Sozialgerichts habe ergeben, dass Behandlungsnotwendigkeit bis zum 26. Januar 2001 bestanden habe und beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) dahingehend klarzustellen, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 6.146,80 Euro zu zahlen.

Sie beantragt weiterhin,

die Beklagte unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. April 2004 zu verurteilen, an die Klägerin weitere 3.473,10 Euro nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. April 2004 zu ändern und die Klage abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, es habe keine Behandlungsbedürftigkeit für eine vollstationäre Aufnahme des Beigeladenen bei der Klägerin ab dem 08. Dezember 2000 mehr bestanden und im Übrigen könnten Zinsen allenfalls in Höhe von 2 Prozent über den Basiszinssatz gezahlt werden. Dies folge aus § 18 Abs. 5 des Vertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung für das Land Brandenburg (ABK-Vertrages).

Die Klägerin ist der Auffassung, die Zinsforderung folge aus § 280 Abs. 1 BGB, da nach dem ABK-Vertrag 2 Prozent Zinsen dann zu zahlen seien, wenn keine Mahnung erfolgt sei. Daraus ergebe sich im Umkehrschluss, dass in den Fällen, in denen der Schuldner wie hier gemahnt wurde, es bei den allgemeinen Regelungen verbleibe.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten, den Vorgang der Beklagten bezüglich des Beigeladenen sowie die Krankenhausakte der Klägerin über ihn verwiesen.

Gründe

Die zulässigen Berufungen sind im Wesentlichen unbegründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, an die Klägerin die Kosten der stationären Behandlung des Beigeladenen vom 07. Dezember 2000 bis zum 08. Januar 2001 zu zahlen und die weitergehende Klage abgewiesen. Im Hinblick darauf, dass bei Zahlungsklagen grundsätzlich eine Bezifferung des Anspruches erforderlich ist, muss der Klageantrag € wie hier auch erfolgt €, aber auch der Urteilstenor beziffert sein (vgl. dazu Urteil des Bundessozialgericht vom 13. Mai 2004 € B 3 KR 18/03 R; abgedruckt in SozR 4-2500 § 39 Nr. 2 = BSGE 92, 300). Der Urteilstenor des Sozialgerichts ist daher entsprechend klarzustellen gewesen. Die Zinsforderung besteht nur in Höhe von 2 Prozent über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, so dass insoweit die Berufung der Beklagten erfolgreich gewesen ist.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch (SGB V) i. V. m. der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten für die Jahre 2000 und 2001 und hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten § 18 i. V. m. § 3 Abs. 6 ABK-Vertrag.

Nach Beendigung der Krankenhausbehandlung wird der zuständigen Krankenkasse in der Regel innerhalb von zwei Wochen eine Schlussrechnung übersandt (§ 18 Abs. 1 Satz 1 ABK-Vertrag). Nach § 18 Abs. 4 Satz 1 ABK-Vertrag bezahlt die zuständige Krankenkasse innerhalb von 14 Kalendertagen nach Rechnungseingang.

Nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V ist das zugelassene Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsauftrages zur Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) der Versicherten verpflichtet. Die Krankenkassen sind verpflichtet, unter Beachtung der Vorschriften des SGB V mit dem Krankenhausträger Pflegesatzvereinbarungen nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) zu führen. Dabei wird die Vergütungspflicht der Krankenkasse als selbstverständlich vorausgesetzt. Allerdings besteht ein Anspruch auf Vergütung einer stationären Behandlung nur, soweit sie medizinisch notwendig war. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert deshalb mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht daher - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der insoweit notwendigen Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, sofern die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung vorliegen (BSG, Urteil vom 12. Mai 2005 - B 3 KR 30/04 R; Urteil vom 13. Mai 2004 - B 3 KR 18/03 R, abgedruckt in SozR 4-2500 § 39 Nr. 2 = BSGE 92, 300; Urteil vom 17. Mai 2000 - B 3 KR 33/99 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 112 Nr. 1 = BSGE 86, 166).

39Nach § 39 Abs. 1 SGB V wird die Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär (§ 115 a SGB V) sowie ambulant (§ 115 b SGB V) erbracht. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- oder nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Voraussetzung für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung ist hierbei, dass die Krankheit zum einen behandlungsbedürftig ist und zum anderen zu ihrer Behandlung der Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich ist. Zu diesen Mitteln gehören insbesondere die apparative Mindestausstattung des Krankenhauses, besonders geschultes Pflegepersonal und ein jederzeit präsenter bzw. rufbereiter Arzt. Es ist jedoch weder der Einsatz all dieser Mittel notwendig, noch genügt lediglich eines dieser Mittel, um einen Anspruch auf Krankenhausbehandlung zu begründen. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommt. Vor allem bei einer psychiatrischen Erkrankung bzw. psychiatrischen Behandlung kann der Einsatz von krankenhausspezifischen Gerätschaften in den Hintergrund treten und allein schon der notwendige Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Art der Medikation die Möglichkeit einer ambulanten Behandlung ausschließen und die Notwendigkeit einer stationären Behandlung begründen (BSG, Urteil vom 16. Februar 2005 - B 1 KR 18/03 R m.w.N.; Urteil vom 13. Mai 2004 - B 3 KR 18/03 R). Lässt sich demnach eine erforderliche medizinische Behandlung in ebenso guter Weise auch außerhalb eines Krankenhauses durchführen, besteht kein Anspruch auf Krankenhausbehandlung. Hierunter fällt neben der Behandlung in der Arztpraxis auch die ärztliche Krankenbehandlung in der Wohnung des Versicherten, ggf. in Kombination mit häuslicher Krankenpflege (§ 37 SGB V), ferner die ärztliche Versorgung in Pflegeheimen, Einrichtungen der Behindertenhilfe oder in sonstigen Heimen oder Anstalten (BSG, Urteil vom 12. Mai 2005 - B 3 KR 30/04 R; Urteil vom 13. Mai 2004 - B 3 KR 18/03 R). Maßnahmen dürfen daher insbesondere nicht lediglich dem Zweck dienen, einem Zustand der Hilflosigkeit zu begegnen. Rein pflegerische Maßnahmen, die nicht Teil einer ärztlichen Behandlung sind, lösen einen Anspruch auf Krankenhausbehandlung ebenso wenig aus. Dasselbe gilt, wenn lediglich das Ziel der Verwahrung zur Abwendung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung infolge Selbst- oder Fremdgefährdung verfolgt wird oder andere nicht medizinische Gründe (soziale oder humanitäre Gründe, insbesondere Fehlen eines geeigneten Pflegeplatzes) maßgebend sind (BSG, Urteil vom 16. Februar 2005 - B 1 KR 18/03 R; Urteil vom 21. Oktober 1980 - 3 RK 33/79).

Wie aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V ersichtlich wird (€Prüfung durch das Krankenhaus€), bestimmt sich die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung aus der vorausschauenden Sicht (ex ante) des Krankenhausarztes unter Zugrundelegung der im jeweiligen Entscheidungszeitpunkt bekannten oder erkennbaren Umstände. Steht die so getroffene Entscheidung nicht im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung und verletzt sie auch keine medizinischen Standards, muss diese Entscheidung hingenommen werden, auch wenn sich im Nachhinein (ex post) diese Entscheidung als fehlerhaft herausstellen sollte. Stehen mehrere Behandlungsalternativen zur Verfügung, so ist dem entscheidenden Krankenhausarzt ein therapeutischer Spielraum einzuräumen, sofern nicht eine bestimmte Behandlungsmethode unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eindeutig den Vorzug verdient. Im Zweifel bleibt die Entscheidung des behandelnden Krankenhausarztes maßgebend, weil er die zivilrechtliche und strafrechtliche Verantwortung für sein Handeln zu tragen hat (BSG, Urteil vom 12. Mai 2005 - B 3 KR 30/04 R m.w.N.; Urteil vom 17. Mai 2000 - B 3 KR 33/99 R; Urteil vom 21. August 1996 - 3 RK 2/96, abgedruckt in SozR 3-2500 § 39 Nr. 4).

41Werden diese Grundsätze herangezogen, so erweist sich die vom 08. Dezember 2000 bis zum 08. Januar 2001 erfolgte Krankenhausbehandlung als notwendig. Dies folgt aus dem Ergebnis der vom Sozialgericht durchgeführten Beweisaufnahme. Danach bestand bei dem Beigeladenen eine Zwangserkrankung, die bei ihm zu Depressionen und Selbstmordgedanken führte und die den niedergelassenen Nervenarzt veranlasste, ihn in das Krankenhaus der Klägerin einzuweisen. Die Notwendigkeit der Einweisung wurde vom MDK den übereinstimmenden und vom Sachverständigen Prof. Dr. T wiederum bestätigten Diagnosen entnommen. Danach lag auch bis zum 08. Januar 2001 die Notwendigkeit stationärer Behandlung vor. Dies ergibt sich zum einen aus der Gefährdung des Beigeladenen selbst, wie sie vom behandelnden Psychotherapeuten beschrieben wurde und zum anderen aus der Tatsache, dass die Zwangsvorstellung des Beigeladenen darin bestand, er müsse seine Ehefrau töten und mit seiner Stieftochter sexuell verkehren. Diese Zwangsvorstellungen sind zumindest bis zum 08. Januar 2001 vom Beigeladenen noch nicht beherrscht wurden. Der Zeuge M hat sogar Bedenken gegen die Entlassung am 26. Januar 2001 vorgetragen. Wenn in der Krankenakte dokumentiert ist, dass am 07. Dezember 2000 in einem Gespräch mit dem Beigeladenen und dessen Ehefrau dadurch, dass die Ehefrau diesen zum Verlassen der gemeinsamen Wohnung aufforderte, die Suizidgefahr deutlich erhöht war, so hat der Senat keine Zweifel daran, dass die von der Beklagten vorgetragene Auffassung, der 08. Dezember 2000 sei der Tag gewesen, an dem die Notwendigkeit der vollstationären Aufnahme geendet habe, unzutreffend ist. Insoweit war eine teilstationäre Aufnahme (Tagesklinik) nicht ausreichend, weil die Krankenhausärztin W € von deren Einschätzung maßgeblich auszugehen ist € nachvollziehbar dargelegt hat, dass eine Rückkehr in die familiäre Situation zu diesem Zeitpunkt zu einer Verschlechterung der Symptomatik geführt hätte. Dabei ist für den Senat auch ohne weiteres ein Unterschied zwischen Besuchen bei der Familie im Rahmen fortdauernder stationärer Behandlung und einer Entlassung in das krankheitsauslösende familiäre Umfeld ersichtlich. Auch hierzu ist nochmals darauf hinzuweisen, dass es darauf ankommt, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung des Krankenhausarztes der (weitere) Krankenhausaufenthalt notwendig erschien. Insoweit reichen nachträgliche bloße Zweifel nicht aus, um den Vergütungsanspruch zu beseitigen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Aussage des (Krankenhaus-) Psychologen M hinzuweisen, der das Gespräch des Beigeladenen mit seiner Ehefrau am 07. Dezember 2000 als erneuten Affekt beschrieben hat, der eine weitere Behandlungsdauer von 3 Wochen erforderlich gemacht habe. Auch der Senat hält danach die Angabe des Sachverständigen T für zutreffend, der die Notwendigkeit der stationären Behandlung €bis Anfang Januar 2001€ als gesichert angesehen hat. Im Übrigen schließt sich der Senat der Beweiswürdigung durch das Sozialgericht an (§ 153 Abs. 2 SGG). Da der Sachverständige Prof. Dr. T und der MDK insofern konform gehen, dass Anfang Januar eine Entlassung möglich gewesen ist, erscheint das Datum des 08. Januar, dem Tag der letzten Dokumentation, angemessen. Von daher konnten beide Berufungen im Wesentlichen keinen Erfolg haben.

Allerdings war die Zinsforderung der Klägerin von 5 Prozent seit Rechtshängigkeit auf 2 Prozent über dem Basiszinssatz abzusenken. Der Zinsanspruch folgt aus § 18 Abs. 5 ABK-Vertrag, der insoweit eine dem § 291 BGB vorgehende Spezialregelung enthält. Danach kann das Krankenhaus, wenn die Zahlung nicht fristgemäß erfolgt, ab Fälligkeitstag ohne vorherige Mahnung Zinsen in Höhe von 2 v. H. über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank berechnen.

Diese Vorschrift ist dahingehend auszulegen, dass an die Stelle des Diskontsatzes nunmehr der Basiszinssatz, der den Diskontsatz zum 01. Mai 2000 abgelöst hat (vgl. §§ 288 Abs. 1, 247 Bürgerliches Gesetzbuch € BGB €, Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 2, § 7 Abs. 1 Einführungsgesetz zum BGB € EGBGB; vgl. auch Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Auflage, § 288 Rdnr. 1), tritt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin bedeutet die Regelung des § 18 Abs. 5 ABK-Vertrag nicht, dass dann, wenn eine Mahnung erfolgt ist, Zinsen nach Maßgabe des BGB zu zahlen sind, sondern ist dahingehend zu verstehen, dass zum einen generell auf eine Mahnung zur Erhebung von Zinsen verzichtet wird und zum anderen diese generell auf 2 Prozent festgesetzt werden. Denn eine Regelung dahingehend, dass Zinsen ohne Mahnung in Höhe von 2 Prozent über dem Basiszinssatz fällig wären und nach einer Mahnung diese auf 5 Prozent erhöht würden, entspräche nicht den Interessen der Vertragspartner. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Krankenkassen sich verpflichten sollten, derartige Zinsen ohne Mahnung zu zahlen, wenn nicht andererseits auch ein Entgegenkommen in dem Vertrag seitens der Krankenhäuser in Bezug auf die Zinszahlungen vereinbart wäre. Dies ist dann darin zu sehen, dass insgesamt beide Seiten Vor- und Nachteile aus dem Vertrag haben. Einerseits wird auf die Mahnung verzichtet und andererseits generell der Zinssatz auf 2 Prozent über dem Basiszinssatz festgesetzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 SGG i. V. m. § 116 Abs. 2 Nr. 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) jeweils in der Fassung bis zum 01. Januar 2002 (vgl. Art. 19, Art. 1 und 15 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17. August 2001, BGBl I 2001, 2144 € 6. SGG-Änderungsgesetz). Es handelt sich um ein Verfahren nach § 197 a Abs. 1 SGG in der ab dem 02. Januar 2002 geltenden Fassung, das vor In-Kraft-Treten des 6. SGG-Änderungsgesetzes rechtshängig geworden ist (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 6. SGG-Änderungsgesetz). Sie entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1und 2 SGG) nicht vorliegen.






LSG der Länder Berlin und Brandenburg:
Urteil v. 20.06.2006
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