Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Oktober 2008
Aktenzeichen: 27 W (pat) 83/08

(BPatG: Beschluss v. 22.10.2008, Az.: 27 W (pat) 83/08)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 9. August 2005 angemeldete und am 23. Januar 2006 in das Markenregister des Deutschen Patentund Markenamts eingetragene farbige (grau) Wort/Bildmarke 305 47 711 genießt Schutz für Waren und Dienstleistungen der Klassen 14, 25 und 35, nämlich für

"Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten".

Widerspruch erhoben ist aus der am 9. Oktober 2003 angemeldeten Gemeinschaftswortmarke EU 3397858 PANDORA die am 18. April 2007 für Waren der Klassen 14 und 18, nämlich für

"Waren aus Edelmetallen und deren Legierungen; Diamanten; Brillianten; Edelsteine; Ziergegenstände; Edelsteine; Manschettenknöpfe und Krawattennadeln; Armband-/Taschenuhren; Uhren im Allgemeinen; Uhrenarmbänder; Schmuckwaren, auch mit Edelmetallen plattiert; Etuis und andere Behältnisse für Uhren und Schmuckwaren; Waren aus Leder und Lederimitationen, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, Reiseund Handkoffer, Regenschirme"

eingetragen worden ist. Der Widerspruch wird auf alle Waren der Widerspruchsmarke gestützt und richtet sich gegen alle Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patentund Markenamts hat den Widerspruch durch Beschluss einer Beamtin des höheren Dienstes vom 18. Dezember 2007 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Dies ist damit begründet, selbst soweit Identität zwischen den beiderseitigen Waren bestehe, hielten die Marken einen ausreichenden Abstand ein. Die angegriffene Marke sei ein in sich geschlossener Gesamtbegriff, der nur als solcher, nicht aber auf "PANDORA" verkürzt, wiedergegeben werde. "PANDORA" sei der dem Durchschnittsverbraucher bekannte Name einer Figur der griechischen Mythologie, nämlich der ersten Frau auf der Erde. Bei der jüngeren Marke "PANDORAS BOXX" denke der betroffene Verkehr an die Büchse der besagten mythologischen Frauenfigur. In klanglicher Hinsicht unterschieden sich die Marken durch den in der jüngeren Marke zusätzlich enthaltenen Bestandteil "BOXX" sowie das "Genetiv-S". Selbst wenn man zugunsten der Widersprechenden unterstellen wollte, dass die jüngere Marke lediglich mit "PANDORAS" benannt werde, würde das "S" am Wortende ausreichen, um Verwechslungen zu verhindern. Schließlich sei das "S" der klangstärkste Laut des Alphabets. In bildlicher Hinsicht seien Verwechslungen wegen des in der jüngeren Marke zusätzlich enthaltenen Bestandteils "BOXX" nicht zu besorgen. Eine mittelbare Verwechslungsgefahr durch gedankliches In-Verbindung-Bringen scheitere am Fehlen eines wesensgleichen gemeinsamen Bestandteils. Die Genitivform von "PANDORAS" sei nicht wesensgleich mit der Subjektform "PANDORA". Im Übrigen habe die Widersprechende nicht schlüssig dargetan, den Verkehr bereits an eine Reihe von Marken ihres Geschäftsbetriebs mit dem fraglichen Bestandteil gewöhnt zu haben.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hält eine Verwechslungsgefahr für gegeben. Die jüngere Marke werde durch den Wortbestandteil "PANDORA" bzw. "PANDORAS" geprägt. Letztgenanntes Wort sei das einzig sinnvolle Wort, an dem sich die Verkehrskreise bei Wiedergabe der Marke orientieren könnten. Die weiteren Bestandteile "BOXX" sowie das gänzlich zu vernachlässigende Bild würden nicht dazu führen, dass der Verkehr die Marke hiermit im Gedächtnis behalte. "BOXX" weise zweifelsfrei auf den englischsprachigen Begriff "box" = Schachtel, Behälter, Dose hin. Das Publikum, das in der Regel keine Kenntnisse der griechischen Mythologie habe, werde im Hinblick auf die beanspruchten Waren nichts anderes sehen als Behältnisse, welche diese Waren beinhalteten. Zwischen den Marken bestehe im Übrigen auch eine Verwechslungsgefahr durch gedankliches In-Verbindung-Bringen.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts vom 18. Dezember 2007 aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

Die Inhaberin des angegriffenen Zeichens hat sich weder im Amtsverfahren noch im Beschwerdeverfahren geäußert.

Zu der mündlichen Verhandlung sind die Widersprechende und die Markeninhaberin, wie zuvor angekündigt, nicht erschienen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die einander gegenüberstehenden Marken -in Übereinstimmung mit der Auffassung der Markenstelle -keiner Gefahr einer Verwechslung im Verkehr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 125b Nr. 1 MarkenG unterliegen.

Nach diesen Bestimmungen ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs u. a. zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren/Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad an Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2006, 60 61 -coccodrillo m. w. Nachw.).

a) Die zugunsten der angegriffenen Marke in der Klasse 14 eingetragenen Waren sind mit den für die Widerspruchsmarke in dieser Klasse eingetragenen Waren identisch. Die übrigen Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke sind mit den Widerspruchswaren nicht ähnlich.

b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte durchschnittlich.

c) Den danach erforderlichen weiten Abstand halten die Marken ein. Schriftbildlich unterscheiden sie sich bereits durch die besondere graphische Ausgestaltung der als Wort-/Bildmarke angemeldeten jüngeren Marke und die nur in dieser Marke vorhandenen weiteren Wortbestandteile (Genitiv-S und BOXX) ausreichend voneinander.

An dem Wortbestandteil BOXX scheitert auch eine klangliche Verwechslungsgefahr. Wer das Zeichen ausspricht, hat keine Veranlassung, die jüngere Marke nur mit dem Bestandteil "PANDORAS" wiederzugeben. Durch das Genitiv-S wirkt die Marke wie ein Gesamtbegriff, nämlich die Box von Pandora. Daran ändert die Schreibweise mit zwei "XX" nichts, da das zweite "X" bei der Aussprache nicht zu hören ist. Das ursprünglich aus dem Englischen stammende Wort "box" ist als Lehnwort mit unterschiedlichen Bedeutungen in den deutschen Sprachschatz eingegangen. Als Box bezeichnet man beispielsweise den Montageplatz bei Autorennen, den Unterstellplatz für ein Pferd oder den Gepäckträger auf einem Auto. Aus dem Englischen übersetzt heißt "box" u. a. Kasten, Kiste, Schachtel oder Büchse.

An dem gesamtbegrifflichen Charakter der jüngeren Marke scheitert auch die von der Widersprechenden geltend gemachte mittelbare Verwechslungsgefahr durch gedankliches In-Verbindung-Bringen. Abgesehen davon ist bei der Beurteilung der assoziativen Verwechslungsgefahr -in noch stärkerem Maße als bei der unmittelbaren -auf informierte, aufmerksame Konsumentenkreise abzustellen, welche die jeweiligen Marken in ihrer der Registrierung entsprechenden Form (nicht aber aufgrund flüchtiger akustischer Aufnahme) wahrnehmen und davon ausgehend sich Gedanken über eine etwaige gemeinsame betriebliche Herkunft oder über sonstige Verbindungen zwischen den Markenverwendern machen. Nur ein derartiges Verbraucherbild wird dem Begriff des gedanklichen In-Verbindung-Bringens gerecht (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 9 Rdn. 320). Aufmerksamen Interessenten wird aber die völlig unterschiedliche schriftliche Gestaltung beider Marken sofort auffallen und auch in ausreichendem Maße in Erinnerung bleiben.

Für die Auferlegung von Verfahrenskosten gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG besteht kein Anlass.

Dr. Albrecht Schwarz Kruppa Ko






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Az: 27 W (pat) 83/08


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