Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Mai 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 226/99

(BPatG: Beschluss v. 25.05.2000, Az.: 25 W (pat) 226/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. September 1999 insoweit aufgehoben, als der Widerspruch aus der Marke 2 105 267 gegen die Waren "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" zurückgewiesen worden ist.

Insoweit wird die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

Gründe I.

Die Bezeichnung ATLAVIT C ist unter der Nummer 395 26 531 als Marke für "chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln; pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" in das Markenregister eingetragen worden. Nach der Veröffentlichung der Eintragung am 10. Februar 1997 ist Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der älteren, am 20. Juli 1994 angemeldeten und seit dem 26. November 1998 für "vitaminhaltige Tiernahrungsmittel; Vitaminpräparate in Form von Brausetabletten, Pulvern, Granulaten, Bonbons, Kaubonbons, Emulsionen, Dragees, Kapseln, Tropfen, mit und ohne Mineralstoffzusätzen" eingetragenen Marke 2 105 267 Addivit.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Im Hinblick auf mögliche Warenidentität sei zunächst ein strenger Maßstab an die Beurteilung des Ähnlichkeitsbereichs der Marken geboten. Dieser sei im Hinblick auf die gesteigerte Aufmerksamkeit auch bei Laien zu mindern. Auch wenn bei der angegriffenen Marke ein entscheidungserheblicher Teil des Verkehrs in dem Buchstaben "C" einen Sachhinweis sehe und deshalb "ATLAVIT" und "Addivit" verglichen werde, bestehe keine Verwechslungsgefahr. Obwohl diese Bezeichnungen in der Silbenzahl und in der Wortendung "vit" übereinstimmten, bestehe allenfalls eine mittlere klangliche Ähnlichkeit, zumal die Marken in der Vokalfolge voneinander abwichen. Da die übereinstimmende Schlußsilbe "vit" als Hinweis auf das Leben (vita) verbraucht sei, werde den unterschiedlichen Wortanfängen eine noch größere Aufmerksamkeit entgegengebracht werden. Die dort vorhandenen Abweichungen würden nicht überhört werden. Auch aus anderen Gesichtspunkten bestehe keine Verwechslungsgefahr.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Die Markenstelle sei zutreffend davon ausgegangen, daß der Buchstabe "C" in der angegriffenen Marke als Sachhinweis erfaßt werde und deshalb das Zeichenwort "ATLAVIT" als prägend für die Marke anzusehen sei. Die Markenwörter "ATLAVIT" und "Addivit" seien aber verwechselbar ähnlich. Bei der dem Verkehr eigenen schnellen und flüchtigen Sprechweise würden die Konsonanten "tl" und "dd" der Markenwörter kaum zu unterscheiden sein. Auch die Vokalabweichung in der zweiten Silbe könne die Verwechslungsgefahr nicht ausschließen, zumal diese Vokallaute in beiden Marken an anderer Stelle identisch enthalten seien.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der klangliche Gesamteindruck der Markenwörter werde insbesondere von der natürlichen Silbengliederung und der Vokalfolge bestimmt. Die Bezeichnungen unterschieden sich im prägnanten Mittelvokal, was schon für sich genommen einen hinreichenden phonetischen Abstand begründe. Demgegenüber nähmen sich die phonetischen Betrachtungen zu den klanglich untergeordneten Konsonanten "l" und "t" bzw "d" vergleichsweise unbeachtlich aus. Der Zeichenabstand werde überdies durch die dem Verkehr ohne weiteres verständliche Sinnabweichung begründet. Denn die Widerspruchsmarke sei erkennbar aus den Bestandteilen "Addi" und "vit", also dem Anklang auf das Wort "Addition" und der Verkürzung des lat. Wortes "vita" zusammengesetzt. Demgegenüber handele es bei der angegriffenen Marke um eine Kombination aus den ersten vier Buchstaben der Firmenbezeichnung "Atlantic" und "Vit".

Die Widersprechende hat ihren zunächst unbeschränkt erhobenen Widerspruch in der mündlichen Verhandlung in Bezug auf die Waren "chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln" der angegriffenen Marke zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats besteht wegen der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken und der Ähnlichkeit der noch in Streit stehenden Waren der angegriffenen Marke mit denen der Widerspruchsmarke die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß auf den nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobenen und noch aufrechterhaltenen Widerspruch die Löschung der angegriffenen Marke insoweit gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG anzuordnen ist.

Da Benutzungsfragen im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielen, ist bei den Waren der Widerspruchsmarke von der Registerlage auszugehen. Danach stehen den noch angegriffenen Waren "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" der jüngeren Marke "vitaminhaltige Tiernahrungsmittel; Vitaminpräparate in Form von Brausetabletten, Pulvern, Granulaten, Bonbons, Kaubonbons, Emulsionen, Dragees, Kapseln, Tropfen, mit und ohne Mineralstoffzusätzen" auf Seiten der Widerspruchsmarke gegenüber. Die weiten Warenbegriffe der angegriffenen Marke umfassen die "Vitaminpräparate in Form von ...." der Widerspruchsmarke, so daß die Marken zur Kennzeichnung gleicher Waren verwendet werden können.

Weiter verwechslungsfördernd kommt hinzu, daß es sich gerade bei dem unter dem Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr kritischsten Bereich der identischen Waren um solche handelt, die von den allgemeinen Verkehrskreisen typischerweise im Wege der Selbstmedikation und nicht selten in Drogerie- oder Supermärkten auch ohne fachkundige Beratung erworben werden. Andererseits ist auf einen durchschnittlichen informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen, dessen Aufmerksamkeit allerdings je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl EuGH WRP 1999, 806, 809 Tz 26 - Lloyd/Loint's; BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ/TISSERAND), wobei der Verkehr erfahrungsgemäß gerade bei Waren, die - wie vorliegend die "pharmazeutischen und veterinärmedizinischen Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" und die "Vitaminpräparate" - den Gesundheitssektor betreffen, eine gesteigerte Aufmerksamkeit aufbringt (vgl dazu BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Der Bestandteil "vit" der Widerspruchsmarke, der im Sinne von "Vitamin" oder auch des lateinischen Wortes "vita" verstanden werden kann, ist jedenfalls hinreichend phantasievoll mit dem Anfangsbestandteil "Addi", der im Sinne von "Addition" gedeutet werden könnte, verknüpft, so daß keine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung angenommen werden kann, zumal im pharmazeutischen Bereich Markenbildungen üblich sind, welche die Art, Zusammensetzung, Wirkung, Indikation und dergleichen des zu kennzeichnenden Präparats jedenfalls für den Fachmann erkennen lassen.

Unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Warenlage, aber auch sämtlicher weiterer maßgeblicher Faktoren sind an den zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlichen Markenabstand auch dann noch strenge Anforderungen zu stellen, wenn eine gesteigerte Aufmerksamkeit des Verkehrs angemessen berücksichtigt wird. Diesen Anforderungen wird die angegriffene Marke in klanglicher Hinsicht nicht mehr gerecht.

Zunächst ist davon auszugehen, daß der Wortbestandteil "ATLAVIT" die angegriffenen Marke allein kollisionsbegründend prägt. Der Buchstabenbestandteil "C" wird vom überwiegenden oder jedenfalls von einem entscheidungserheblichen Teil des Verkehrs nur als beschreibender Zusatz und nicht als markenrechtlich kennzeichnender Bestandteil verstanden. Der Verkehr ist nämlich bei Arzneimittelmarken in großem Umfang an Buchstabenzusätze gewöhnt, die ihm warenbeschreibende Informationen vermitteln sollen. Neben den häufig auf den Packungen auch in der Nähe der Arzneimittelbezeichnungen stehenden Pakkungsgrößenklassifizierungen N 1, N 2 und N 3, werden dem Verkehr durch Buchstabenzusätze auch sonstige beschreibende Informationen nahegebracht. So werden nicht nur Wirkstoffangaben von verschiedenen Herstellern häufig in Form von gleichlautenden Abkürzungen in der Kennzeichnung verwendet, wie zB ASS für Acetylsalicylsäure, HCT für Hydrochlorothiazid, TC für Trospiumchlorid, MCP für Metoclopramid, ISDN für Isorbiddinitrat und DNCG für eine Kombination von Dinatriumsalz und Cromoglicinsäure (vgl dazu die Kennzeichnungen, die bei den entsprechenden Wirkstoffen in der Roten Liste 2000 aufgeführt sind), sondern es werden auch andere beschreibende Buchstabenkombinationen von verschiedenen Herstellern in gleicher Weise häufig unmittelbar an die Kennzeichnung angehängt, wie zB TS für Trockensubstanz (vgl dazu die Rote Liste 2000 zB Nummern 10 048, 10 050, 10 051, 10 053, 10 054, 10 058, 10 060 usw), FT für Filmtabletten (vgl dazu die Rote Liste 2000 zB Nummern 05 111 und 27 155), SF für Ampullen bzw Injektionslösungen (vgl dazu die Rote Liste 2000 zB Nummern 05 194, 05 198, 05 200, 05 217, 05 220, 05 236, 05 321 usw), SL für "schnell/langsam" wirkende Präparate als spezielle "retard-Präparate" (vgl dazu die Rote Liste 2000 zB Nummern 05 065, 05 216, 05 313, 27 116, 27 133 usw), RR für besonders lang wirkende Präparate im Sinne von doppeltretardierend (vgl dazu die Rote Liste 2000 zB Nummern 27 158, 27 163 und 27 165), MT für Minutentherapie (vgl die Rote Liste 2000 zB Nummern 32 280 und 32 328) und TTS für Transdermales Therapeutisches System (vgl die Rote Liste 2000 zB Nummern 55 083, 76 041, 76 081, 76 083 usw). Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Hinzu kommt, daß zahlreiche Kennzeichnungen mit Buchstabenzusätzen versehen sind, die auf Änderungen der arzneilich wirksamen Bestandteile nach Art und Menge gemäß § 105 Abs 3a Satz 2 und Satz 3 Arzneimittelgesetz hinweisen. Diese Zusätze nach § 105 Abs 3a Satz 2 und Satz 3 Arzneimittelgesetz bestehen häufig aus nur einem Buchstaben und stehen regelmäßig unmittelbar nach der Markenbezeichnung in einer mit dem bei der angegriffenen Marke vorhandenen Buchstabenzusatz vergleichbaren Weise (vgl zu diesen Zusätzen nach Arzneimittelgesetz Kloesel/Cyran Kommentar zum Arzneimittelrecht, 3. Aufl 71. Ergänzungslieferung, Anmerkung 37 zu § 105 Arzneimittelgesetz). Da diese Zusätze nur dem Zweck dienen, aus Gründen der Arzneimittelsicherheit das in der Zusammensetzung geänderte Präparat von dem ursprünglichen Präparat zu unterscheiden und sie nach einer Dauer von fünf Jahren wieder entfallen können (§ 105 Abs 3a Satz 3 Arzneimittelgesetz), was wohl auch regelmäßig geschieht, dient dieser Zusatz zumindest für einen gewissen Zeitraum der Unterscheidung von Nachfolge- und Vorgängerpräparat und damit auch der Produktidentifizierung. Er wird gleichwohl nicht als Herkunftshinweis und damit als Markenbestandteil, sondern nur als entsprechender Sachhinweis verstanden werden. Auch wenn die allgemeinen Verkehrskreise die genaue Bedeutung solcher Zusätze häufig nicht erfassen, werden sie in einem Einzelbuchstaben, der einem normal kennzeichnungskräftigen Zeichenwort folgt, aufgrund der vielfachen Übung ohne weiteres einen beschreibenden Hinweis vermuten (vgl dazu einige wenige Beispiele solcher Zusätze bestehend aus einem Buchstaben aus der Rote Liste 2000 Nr 28 104 Aarane ¨ N Dosieraerosol zur Inhalation; Nr 60 378 Abdomilon ¨ N Liquidum; Nr 27 117 Adalat ¨ T Filmtabletten; Nr 05 116 Aequiton ¨-P Filmtabletten; Nr 46 074 Aureomycin ¨ N Vaginaltabletten; Nr 32 267 Citemul ¨ S Salbe oder auch mit dem Buchstaben C Nr 29 051 Neurochol ¨ C Dragees). Diese Aufstellung ließe sich beliebig fortsetzen, wobei viele verschiedene Buchstaben aus dem Alphabet Verwendung finden (vgl dazu wiederum nur beispielhaft etwa zu den weiteren Buchstaben G, H, M und W zwei Seiten aus der Roten Liste 2000, nämlich mit den Nummern 29 046, 29 048, 20 047 und 29 056). Die als relevanter Verkehrskreis zu berücksichtigenden Ärzte und Apotheker müssen im übrigen schon aus Gründen der Arzneimittelsicherheit über die Vorschrift des § 105 Abs 3a Satz 2 und Satz 3 Arzneimittelgesetz Bescheid wissen und sie werden im Zweifel in einem Buchstabenzusatz, der aus einem Buchstaben besteht, einen entsprechenden arzneimittelrechtlichen Hinweis vermuten.

Auch der Umstand, daß in der Endsilbe "vit" des Markenworts "Addivit" ein Hinweis auf "Vitamin" gesehen werden könnte, ist nicht geeignet, die angegriffenen Marke als geschlossene Gesamtbezeichnung "ATLAVIT C" mit einem in jedem Fall (mit)prägenden Buchstabenbestandteil "C" erscheinen zu lassen. Es mag sein, daß ein Teil der Verbraucher oder auch Fachleute, die regelmäßig über ein gutes Unterscheidungs- und Assoziationsvermögen verfügen, einen solchen Zusammenhang erkennen, wenn die Marke zur Kennzeichnung eines Vitamin-C-Präparats verwendet wird. Vorliegend ist die Inhaberin der angegriffenen Marke aber zum einen mangels Festschreibung im Warenverzeichnis nicht auf die Verwendung ihrer Marke zur Kennzeichnung von "Vitamin-C-Präparaten" beschränkt. Zum andern ist der Bedeutungsanklang in der Schlußsilbe "vit" der angegriffenen Marke in Richtung "Vitamin" nicht sehr deutlich ausgeprägt und wird vom Verkehr, der erfahrungsgemäß nicht zu einer analysierenden Betrachtungsweise neigt (vgl dazu BGH MarkenR 1999, 199, 201 liSp 2. Absatz - MONOFLAM/POLYFLAM), zum Teil nicht erkannt werden, zumal die Silbe "vit" in dem Markenwort "ATLAVIT" als typische Endung wirkt. Einem solchen, den Wort- und Buchstabenbestandteil verbindenden Verständnis im Sinne von Vitamin C wirkt schließlich auch die oben beschriebene ständige Übung, Zusätze nach § 105 Abs 3a Satz 2 und Satz 3 Arzneimittelgesetz in Form von Einzelbuchstaben zu verwenden, entgegen. Selbst wenn der Verkehr die angegriffene Marke als Präparat mit einem Inhaltsstoff Vitamin C erkennen und es für notwendig erachten würde, es bei der Identifizierung des konkreten Produkts zu beachten und es auch vollständig zu benennen, besteht gleichwohl ganz überwiegend die Gefahr, daß er in der vorangehenden normal kennzeichnungskräftigen Bezeichnung "ATLAVIT" schon für sich genommen den eigentlichen betrieblichen Herkunftshinweis sieht. Es gibt nämlich eine Übung verschiedener Hersteller, bestimmte Präparate mit und ohne Vitamin C und entsprechend auch mit und ohne C in der Kennzeichnung anzubieten (vgl dazu die Rote Liste 2000 zB Nummern 05 437 Thymapyrin ¨ Schmerztabletten und Nr 05 436 Thymapyrin ¨ C Schmerztabletten, Nr 05 169 Aspirin ¨ Tabletten und Nr 05 439 Aspirin ¨ plus C Brausetabletten, Nr 05 164 ASS Hexal und Nr 05 440 ASS + C Hexal, Nr 05 450 Togal ¨ Tabletten und Nr 05 451 Togal ¨ Kopfschmerzbrause + Vit. C Brausetabletten). In dieser Fällen wird der Verkehr weder in den Angaben "Schmerztablette", "Brausetablette", oder "Kopfschmerzbrause" noch in den auf den Inhaltsstoff Vitamin C hinweisenden Buchstabenbestandteilen "C", "plus C", "+ C" oder "Vit. C" die Kennzeichnung, sondern jeweils nur einen - allerdings für die Produktidentifizierung notwendigen - Sachhinweis sehen.

Ausgehend davon sind vorliegend bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit und der Verwechslungsgefahr die Markenwörter "ATLAVIT" und "Addivit" zu vergleichen. Diese Bezeichnungen stimmen bei gleicher Silbenzahl, gleichem Sprechrhythmus, ähnlicher Vokalfolge und gleicher Struktur in der Abfolge von Vokalen und Konsonanten im vokalischen Anfangslaut "A" und in der Schlußsilbe "vit" überein. Die an zweiter und dritter Buchstabenstelle gegenüberstehenden abweichenden konsonantischen Laute "tl" und "dd" sind innerhalb der Gesamtbezeichnungen im Klangeindruck recht ähnlich. Der Härte des Sprenglauts "t" wird nämlich bei natürlicher Sprechweise durch den nachfolgenden Fließlaut "l" deutlich abgemildert. Die Gemeinsamkeiten bzw Annäherungen zwischen den Markenwörtern erzeugen nach Auffassung des Senats einen verwechselbar ähnlichen Gesamteindruck, auf den bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr abzustellen ist. Die einzige deutlichere Abweichung in den Vokallauten der zweiten Silbe "a" gegenüber "i" stellt angesichts der Übereinstimmungen und Annäherungen im übrigen kein ausreichendes Gegengewicht dar, zumal sich diese Abweichung in der unbetonten Mittelsilbe befindet und die Vokale "a" und "i" im Lautbestand beider Vergleichsbezeichnungen ohnehin enthalten sind, so daß auch aus diesem Grund kein ausreichend auffälliger Klangkontrast entsteht. Wenn berücksichtigt wird, daß die Marken im Verkehr nicht nebeneinander aufzutreten pflegen und dann ein Vergleich aufgrund eines undeutlichen Erinnerungsbildes erfolgt (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 72), können die Markenwörter nach Auffassung des Senats nicht mehr hinreichend sicher auseinandergehalten werden.

Der Umstand, daß die übereinstimmende Endsilbe "vit" beschreibend auf "Vitamin" hinweisen kann und in einer nicht unerheblichen Anzahl von Drittmarken enthalten ist, führt hier letztlich zu keiner anderen Beurteilung. Dadurch mag die Aufmerksamkeit des angesprochenen Verkehrs etwas stärker als sonst auf die Anfangsbestandteile oder speziell die Kombination der Bestandteile gelenkt werden. Bei der Beurteilung des Gesamteindrucks sind jedoch grundsätzlich selbst beschreibende Bestandteile innerhalb von mehrgliedrigen Zeichen angemessen zu berücksichtigen, (vgl hierzu BGH GRUR 1996, 200, 201 reSp "Innovadiclophlont" und auch Ullmann GRUR 1993, 334, 337 liSp letzter Absatz jeweils mit weitergehenden Rechtsprechungsnachweisen). Dies gilt erst recht für Bestandteile, die - wie vorliegend "vit" - nur einen beschreibenden Anklang aufweisen und zudem nicht ein isoliertes Zeichenelement einer mehrgliedrigen Marke, sondern ein Wortelement der aus einem Wort bestehenden Bezeichnung darstellen.

Die von der Inhaberin der angegriffenen Marke bei "ATLA" und Addi" herausgelesenen unterschiedlichen Bedeutungsanklänge im Sinne der Herstellerangabe "Atlantic" und im Sinne von "Addition" sind nicht hinreichend ausgeprägt, um in entscheidungserheblichem Umfang verwechslungsmindernd wirken zu können. Es handelt sich nicht um Bestandteile, deren Sinngehalt rasch und unmittelbar erkannt wird (iSv BGH GRUR 1992, 130 ff "BALL/Bally"). Vielmehr bedarf es eines ganz überdurchschnittlichen Assoziationsvermögens, um entsprechende Vorstellungen zu entwickeln, da die entsprechende Sinnanklänge schon bei einer isolierten Betrachtung der Bestandteile "ATLA" und Addi" relativ schwach ausgeprägt sind und ein entsprechendes Verständnis durch die Einbindung dieser Bestandteile in eine geschlossene Gesamtbezeichnung zusätzlich erschwert ist. Nur wenn die Markenwörter genau analysiert werden, könnte ein entsprechendes Verständnis entstehen. Eine solche analysierende und zergliedernde Betrachtungsweise kann aber nach allgemein anerkannten Grundsätzen nicht zum Maßstab der markenrechtlichen Beurteilung gemacht werden (vgl dazu BGH GRUR 1996, 200, 201 unter III. 1. b) - Innovadiclophlont; GRUR 1998, 927, 929 unter III. 2. c) - COM-PO-SANA; MarkenR 1999, 199, 201 unter II. 2. c) - MONOFLAM/POLYFLAM).

Da bereits die klangliche Verwechslungsgefahr zu bejahen war, kann dahinstehen, ob Verwechslungsgefahr auch in schriftbildlicher Hinsicht besteht.

Der Widerspruch greift nach alledem insoweit durch, als er im Beschwerdeverfahren noch aufrechterhalten worden war. Auf die Beschwerde der Widersprechenden hin war deshalb der angefochtene Beschluß der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts teilweise aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke in bezug auf die noch angegriffenen Waren anzuordnen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Knoll Brandt Engels Pü






BPatG:
Beschluss v. 25.05.2000
Az: 25 W (pat) 226/99


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