Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Oktober 2001
Aktenzeichen: 28 W (pat) 44/01

(BPatG: Beschluss v. 17.10.2001, Az.: 28 W (pat) 44/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat mit Beschluss vom 17. Oktober 2001 (Az. 28 W (pat) 44/01) auf die Beschwerde der Anmelderin eine Entscheidung der Markenstelle für Klasse 10 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Oktober 2000 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung über die behauptete Verkehrsdurchsetzung an das Patentamt zurückverwiesen.

Die Anmelderin hatte die Wortfolge "Servo Ventilator" für die Eintragung im Markenregister für medizinische und elektromedizinische Apparate und Geräte, insbesondere Beatmungsgeräte, angemeldet. Die Markenstelle hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, da es sich um eine glatt warenbeschreibende Angabe handle. Die Anmelderin hat daraufhin mit der Beschwerde ihr Eintragungsbegehren mit dem Hinweis weiterverfolgt, dass das Markenwort Verkehrsdurchsetzung erlangt habe.

Das Bundespatentgericht hat festgestellt, dass die Anmeldung tatsächlich keine Unterscheidungskraft besitzt und eher auf den Verwendungszweck der Waren hinweise. Jedoch könne eine Verkehrsdurchsetzung nicht vollkommen ausgeschlossen werden. Für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung müsse der Anmelder nachweisen, dass die Marke in Form von Werbung und Verkauf von Waren auf dem Markt etabliert sei. Dies könne durch Angaben über Umsätze, Werbeaufwendungen und marktbezogene Verbreitung belegt werden. Die Anmelderin habe zwar Unterlagen zur Benutzung der Marke und zu den Umsätzen vorgelegt, diese seien jedoch allgemein gehalten, sodass das Gericht weitere Feststellungen als erforderlich erachtet. Daher werde die Entscheidung zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Patentamt zurückverwiesen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 17.10.2001, Az: 28 W (pat) 44/01


Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 10 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Oktober 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung über die behauptete Verkehrsdurchsetzung an das Patentamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Angemeldet zur Eintragung ins Markenregister für die Waren "Medizinische und elektromedizinische Apparate und Geräte, insbesondere Beatmungsgeräte" ist die Wortfolge Servo Ventilator.

Die Markenstelle hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft mit der Begründung zurückgewiesen, es handele sich bei der angemeldeten Wortfolge um eine glatt warenbeschreibende Angabe im Sinne von "Hilfsbeamter", denn in der Medizintechnik werde mit "Ventilation" der Transport von Sauerstoff in die Lungenalveolen bezeichnet. Die Anmeldung entspreche damit sprachlich wie inhaltlich Wortbildungen wie "Servo-Anaesthetizer" als Zusatzgerät für Narkoseapparate oder der allgemein bekannten "Servolenkung".

Mit der Beschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren mit dem Hinweis weiter, daß diesem zumindest im Hinblick auf eine Verkehrsdurchsetzung des beanspruchten Markenwortes zu entsprechen sei , da unter dieser Bezeichnung seit 1970 mehr als ... Beatmungsgeräte verkauft worden seien. Dem ausschließlich beteiligten Fachverkehr sei der "Servo Ventilator" als Gerät der Anmelderin in hohem Maße bekannt, zumal auf dem eng umrissenen Markt für dieses Produkt auch noch Werbeaufwendungen von durchschnittlich ... DM pro Jahr von der Anmelderin getätigt würden.

II.

Die zulässige Beschwerde ist in der Hauptsache nicht begründet, da der Eintragung der Marke auch nach Auffassung des Senats absolute Eintragungshindernisse nach § 8 Abs 2 MarkenG entgegenstehen. Auf den Hilfsantrag war die Sache jedoch zur erneuten Behandlung und Entscheidung über die behauptete Verkehrsdurchsetzung an das Patentamt zurückzuverweisen (§ 70 Abs 3 MarkenG).

Nicht zu beanstanden ist zunächst, daß die Markenstelle der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen hat, da auch nach Auffassung des Senat die beanspruchte Wortfolge vom Verkehr nicht als betrieblicher Herkunftshinweis, sondern lediglich als Hinweis auf den Verwendungszweck der damit versehenen Waren aufgefaßt werden wird. Abgesehen davon scheint sich der Begriff "Servo Ventilator" als Fachbegriff für sog. Respiratoren darzustellen und findet in diesem Sinne auch Verwendung, wie eine Internet-Recherche des Senats ergeben hat. Das wird offensichtlich auch von der Anmelderin nicht mehr in Zweifel gezogen, wenn sie ihr Eintragungsbegehren nunmehr nur noch auf Verkehrsdurchsetzung stützt.

Die Voraussetzungen für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung sind allerdings nach der Aktenlage noch nicht gegeben, können aber auch nicht völlig ausgeschlossen werden. Insoweit gilt folgendes:

Bei der Prüfung, ob sich die beanspruchte Darstellung im Verkehr durchgesetzt hat, ist von einer Gesamtschau aller Gesichtspunkte auszugehen, die zeigen können, daß die Marke Unterscheidungseignung erlangt hat. Dazu gehören einmal alle Maßnahmen des Anmelders, seine Marke auf dem Markt zur Geltung zu bringen, also der von der Marke gehaltene Marktanteil und die mit ihr erzielten Umsätze, die Intensität, die geographische Verbreitung und die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke usw.. Sodann bedarf es auf der anderen Seite eines Nachweises, daß die Bemühungen des Anmelders beim Verkehr Erfolg im Sinne eines Feedbacks gehabt haben. Die Maßnahmen müssen zumindest bei einem maßgeblichen Teil der beteiligten Verkehrskreise und Mitbewerber angekommen sein, was sich durch Erklärungen von Industrie- und Handelskammern wie auch im Wege demoskopischer Befragungen belegen läßt (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 - CHIEMSEE, TZ 51). Für die Bejahung der Durchsetzung in den beteiligten Verkehrskreisen bedarf es indes keiner zahlenmäßigen Festlegung auf Prozentsätze über die 50+1 % Grenze hinaus (vgl. schon BGH GRUR 1991, 609, 610 - SL; BGH BlPMZ 2001, 322 - REICH UND SCHOEN; Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl. § 8 Rdn 198 ff; BPatG aaO - GOLD) und insbesondere auch keiner Abhängigkeit zur Bedeutung eines möglichen bestehenden Freihaltebedürfnisses (EUGH aaO -Chiemsee).

Wird wie vorliegend die Verkehrsdurchsetzung einer angemeldeten Marke erstmals im Beschwerdeverfahren geltend gemacht, hat der Anmelder zunächst deren Voraussetzungen nach Maßgabe der vorstehenden Kriterien schlüssig darzulegen und zu belegen. Diese Glaubhaftmachung erfordert mithin Angaben, aus denen sich ergibt, in welcher Form, für welche Waren, von wem, in welchem Gebiet und Umfang sowie seit wann die angemeldete Darstellung im Verkehr nach Art einer Marke eingesetzt worden ist. Hierfür geeignete Belege sind insbesondere Warenkataloge, Preislisten, Werbematerial sowie Angaben über Umsätze und Werbeaufwendungen; eine bedeutende Rolle können in diesem Stadium auch vom Anmelder in Auftrag gegebene Verkehrsbefragungen spielen. Sinn dieses ständiger Rechtsprechung entsprechenden Verfahrens der vorherigen Glaubhaftmachung ist es zu verhindern, daß in von vornherein aussichtslosen Fällen arbeits- und kostenaufwendige Ermittlungen insbesondere in Form amtlicher Befragungen durch das Patentamt angestellt werden müssen, die erkennbar nicht zum Erfolg führen können. Das bedeutet aber umgekehrt, daß an die vorherige Glaubhaftmachung keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen, zumal andernfalls auch der Eintragungsanspruch des Anmelders nach § 33 Abs 2 MarkenG unterlaufen würde.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erscheinen dem Senat vorliegend der Vortrag der Anmelderin und die von ihr vorgelegten Unterlagen die behauptete Verkehrsdurchsetzung aber zumindest insoweit zu stützen, daß es gerechtfertigt erscheint, dieser Frage weiter und insbesondere im Wege amtlicher Ermittlungen nachzugehen. So hat die Anmelderin umfangreiche Unterlagen zur Benutzung (und zwar auch in der angemeldeten Form) und zu den mit der Marke erzielten Umsätzen im relevanten Zeitraum vorgelegt. Weiterhin hat sie Angaben zu den getätigten Werbeaufwendungen gemacht. Allerdings sind diese Angaben weitgehend sehr allgemein gehalten, doch muß der Anmelderin Gelegenheit gegeben werden, eventuell noch streitige Fragen zu klären und ggfs weitere Unterlagen einzureichen. Bereits aufgrund der bislang zu den Akten gelangten Unterlagen wird aber deutlich, daß die behauptete Verkehrsdurchsetzung durchaus im Bereich des Möglichen liegt und damit auch die Erhebung weiterer Feststellungen, und zwar auch von Amts wegen, angezeigt ist. Der Beschwerde konnte daher in diesem Punkt der Erfolg nicht versagt werden.

Stoppel Grabrucker Martens Zie/prö






BPatG:
Beschluss v. 17.10.2001
Az: 28 W (pat) 44/01


Link zum Urteil:
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