Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Juli 2003
Aktenzeichen: 11 W (pat) 305/02, 11 W (pat) 304/02

(BPatG: Beschluss v. 14.07.2003, Az.: 11 W (pat) 305/02, 11 W (pat) 304/02)

Tenor

Das Patent 199 15 447 wird antragsgemäß mit den am 10. September 2002 eingereichten Patentansprüchen 1 bis 7 vom 4. September 2002 sowie den am 3. Juli 2003 eingereichten Beschreibungsseiten 1 bis 3 und Zeichnungen Figuren 1 bis 3 beschränkt aufrechterhalten.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist gegen das - am 6. April 1999 angemeldete - Patent 199 15 447 mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung eines Aktivkohlefilters sowie Aktivkohlefilter", dessen Erteilung am 31. Januar 2002 veröffentlicht wurde, von zwei Unternehmen gemeinschaftlich am 30. April 2002 Einspruch erhoben worden, und zwar ausschließlich gestützt auf den Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme. Hierfür wurde gleichzeitig eine Einspruchsgebühr gezahlt.

In der Begründung ihres Einspruchsschriftsatzes führten die Einsprechenden unter anderem aus, sie arbeiteten bereits seit Juli 1997 auf dem Gebiet der Filterentwicklung zusammen. Dabei hätten sie mit dem Gegenstand des Patents im wesentlichen übereinstimmende Erkenntnisse über Aktivkohlefilter gesammelt, die sie anschließend der Patentinhaberin in einer erweiterten Zusammenarbeit zur Verbesserung des Fertigungsverfahrens offenbart hätten.

Das Patentamt hat die Einspruchssache gemäß § 147 Abs 3 Satz 1 Nr 1 PatG an das Bundespatentgericht abgegeben.

Die Patentinhaberin erklärte mit Schriftsatz vom 4. September 2002, eingegangen am 10. September 2002, die Teilung des Patents und überreichte dazu die Patentansprüche 1 bis 7 - übereinstimmend mit den Patentansprüchen 1, 11 bis 15, 16 der Patentschrift - , die beim Stammpatent verbleiben sollen.

Später erwarben die Einsprechenden das Patent 199 15 447 auf Grund einer Einigung der Beteiligten. Der vorgelegte Übertragungsvertrag wurde von den Beteiligten am 22. November 2002, 9. Dezember 2002 und 23. Januar 2003 unterzeichnet. Das Patentamt hat die Umschreibung auf die neuen Patentinhaberinnen am 31. März 2003 vollzogen.

Danach ist der Einspruch zurückgenommen worden.

Die neuen Patentinhaberinnen haben am 3. Juli 2003 die neuen Beschreibungsseiten 1 bis 3 sowie zwei Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 3 eingereicht, die zusammen mit den bereits von der Rechtsvorgängerin eingereichten Patentansprüchen 1 bis 7 dem Stammpatent zugrundegelegt werden sollen.

Sie beantragen sinngemäß, das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 7 vom 4. September 2002 sowie den am 3. Juli 2003 eingereichten Beschreibungsseiten 1 bis 3 und Figuren 1 bis 3 beschränkt aufrechtzuerhalten.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre Schriftsätze und im übrigen wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Der Senat hat im vorliegenden Einspruchsverfahren gemäß § 147 Abs 3 PatG zu entscheiden.

Der Senat hält das Patent dem Antrag der Patentinhaberinnen entsprechend beschränkt aufrecht.

Das Einspruchsverfahren war nach Rücknahme des zulässigen Einspruchs gemäß § 61 Abs 1 Satz 2 PatG von Amts wegen allein mit den Patentinhaberinnen fortzusetzen.

Der Einspruch war zulässig, denn insbesondere ist er fristgerecht erhoben und hinsichtlich des einzig geltendgemachten Widerrufsgrundes der widerrechtlichen Entnahme (§ 21 Abs 1 Nr 3 PatG) gemäß § 59 Abs 1 PatG ausreichend substantiiert worden.

Der Einspruch galt auch nicht mangels Gebührenzahlung gemäß § 6 Abs 2 Pat-KostG als zurückgenommen. Hier ist nämlich nur eine Einspruchsgebühr fällig geworden (§§ 2 Abs 1 iVm Nr 313 600 des Gebührenverzeichnisses, 3 Abs 1, 6 Abs 1 Satz 1 PatKostG), die rechtzeitig gezahlt worden ist. Einspruch wurde zwar von zwei verschiedenen Unternehmen erhoben. Diese konnten jedoch gemeinschaftlich einen einzigen Einspruch erheben, weil sie bereits in ihrem Einspruchsschriftsatz zur Überzeugung des Senats in hinreichender Weise eine durch enge Zusammenarbeit begründete Rechtsgemeinschaft dargelegt haben (vgl dazu: BGH GRUR 1982, 414, 415 f - Einsteckschloß; BGH GRUR 1984, 36, 37 f - Transportfahrzeug).

Gegenstand des Einspruchsverfahrens ist gemäß § 59 PatG auch nach der Teilungserklärung lediglich das Patent (Stammpatent) (vgl BGH GRUR 1999, 148, 149 f - Informationsträger). Der abgetrennte Teil des Patents wird dagegen gemäß § 60 Abs 1 Satz 2 PatG in die Verfahrenslage der Anmeldung zurückversetzt, wobei für den abgetrennten Teil gemäß § 60 Abs 1 Satz 4 PatG die Wirkungen des Patents als von Anfang an nicht eingetreten gelten. Insoweit ist dafür erneut die Prüfungsstelle des Patentamts zuständig (vgl BGH aaO - Informationsträger). Auf den Inhalt der Teilungserklärung kommt es im Einspruchsverfahren nicht an. Vielmehr ist nur darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang das Patent im Rahmen der Anträge der Patentinhaber aufrechterhalten oder widerrufen wird (vgl BGH aaO - Informationsträger; BPatG Mitt 2001, 121, 122 - Basisstation; BPatG GRUR 2003, 321, 322 f - Unterbrechungsbetrieb).

Das Einspruchsverfahren hat sich nicht schon dadurch erledigt, daß die Einsprechenden das Patent erworben haben. Die vertragliche Übertragung eines Patents auf den Einsprechenden führt nicht ohne weiteres zur Erledigung der Hauptsache eines auf widerrechtliche Entnahme gestützten Einspruchsverfahrens (vgl BGH BlPMZ 1994, 279, 280 f - Lichtfleck). Denn insbesondere kann der Einsprechende ein Interesse daran haben, mit der Weiterverfolgung seines Einspruchs den Widerruf des Patents zu erreichen, um sein Nachanmelderecht gemäß § 7 Abs 2 PatG in Anspruch zu nehmen (vgl BGH aaO - Lichtfleck).

Im Einspruchsverfahren ist aber der Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme (§ 21 Abs 1 Nr 3 PatG) jedenfalls dann nicht mehr zu prüfen, wenn - wie im vorliegenden Fall - nicht nur das Patent auf die Einsprechenden übertragen, sondern auch der allein auf widerrechtliche Entnahme gestützte Einspruch zurückgenommen wurde.

Die Rechtsauffassung, daß der Widerrufsgrund des § 21 Abs 1 Nr 3 PatG bereits dann nicht mehr berücksichtigt werden darf, wenn lediglich der nur hierauf gestützte Einspruch zurückgenommen wurde (so BPatGE 36, 213 f; zuvor erwogen in BGH aaO S 281 - Lichtfleck), erscheint dem Senat nicht unbedenklich, ist hier aber letztlich nicht entscheidungserheblich. Der Zweck des Widerrufsgrundes der widerrechtlichen Entnahme ist nämlich der Schutz des Erfinderrechts (vgl zB BGH aaO S 280 - Lichtfleck). Allein mit der Rücknahme seines Einspruchs zeigt der (angeblich) Verletzte nach Ansicht des Senats noch nicht, daß er kein Interesse mehr an einer Sachentscheidung über den Widerruf des Patents hat (so aber BPatGE 36, 213). Denn die Rücknahme des Einspruchs kann auch auf anderen Gründen beruhen - wie beispielsweise auf finanziellen Problemen, Schwierigkeiten der Beweisführung oder einer sonstigen skeptischen Einschätzung der Erfolgsaussicht -, und zwar vor allem dann, wenn der Einsprechende die Sache nicht aufgibt, sondern annimmt, als Beteiligter ausscheiden zu können, weil er gerade auf die gemäß § 61 Abs 1 Satz 2 PatG gesetzlich angeordnete Fortführung des Einspruchsverfahrens vertraut.

Der Schutz des Erfinderrechts ist im Einspruchsverfahren aber im Falle der geltend gemachten widerrechtlichen Entnahme sicher gewährleistet, wenn die Einsprechenden, die als Verletzte iSd § 59 Abs 1 Satz 1 PatG ausschließlich einspruchsberechtigt waren, bereits selbst Patentinhaber geworden sind und außerdem ihren Einspruch zurückgenommen haben. Eine weitere Prüfung der widerrechtlichen Entnahme (§ 21 Abs 1 Nr 3 PatG) im gemäß § 61 Abs 1 Satz 2 PatG fortgesetzten Einspruchsverfahrens kann hier nicht mehr stattfinden. Sie würde den Schutzzweck dieses Einspruchs- und Widerrufsgrundes völlig verfehlen, weil sie allenfalls gerade die Verletzten mit einem Widerruf oder einer Beschränkung des Patents schädigte.

Danach endet jedoch nicht die Prüfungsbefugnis und die sich aus dem Untersuchungsgrundsatz ergebende Ermittlungspflicht im Einspruchsverfahren (§ 46 Abs 1 PatG iVm § 59 Abs 3 PatG), das nach § 61 Abs 1 Satz 2 PatG fortzusetzen ist. Dem Charakter des Einspruchsverfahrens widerspräche es, von den Einsprechenden nicht geltendgemachte Einspruchs-/Widerspruchsgründe unberücksichtigt zu lassen (vgl BGH GRUR 1995, 333, 335 - Aluminium-Trihydroxid). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geht aus § 61 Abs 1 Satz 2 PatG hervor, daß auch nach Rücknahme des Einspruchs eine Überprüfung des Patents von Amts wegen im Vordergrund des Einspruchsverfahrens steht und der freien Verfügung der Beteiligten entzogen ist (aaO - Aluminium-Trihydroxid). Das Patentamt ist ermächtigt, das Einspruchsverfahren im Rahmen der Widerrufsgründe des § 21 PatG uneingeschränkt weiterzuführen. Aus der Wahrnehmung der öffentlichen Interessen folgt eine Prüfungskompetenz des Patentamts, die unabhängig vom Vorbringen des Einsprechenden nach pflichtgemäßem Ermessen von Amts wegen alle weiteren Widerrufsgründe des § 21 PatG umfaßt (BGH aaO S 336 f - Aluminium-Trihydroxid).

Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof im Jahr 1995 zwar ausdrücklich nur zur Prüfungskompetenz des Patentamts ausgesprochen. Sie müssen aber ebenso für das Einspruchsverfahren vor dem Patentgericht gemäß § 147 Abs 3 PatG gelten. Denn die erstinstanzliche Durchführung der Einspruchsverfahren vor den Beschwerdesenaten des Patentgerichts, die es erst seit Anfang des Jahres 2002 und zudem nur befristet gibt, soll nach dem offensichtlichen Willen des Gesetzgebers eine (vorübergehende) Entlastung des Patentamts durch Verlagerung auf das Patentgericht, aber keine grundsätzliche Änderung des materiellen Einspruchsverfahrens bewirken (vgl Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses in BlPMZ 2002, 65/66). Dies ergibt sich insbesondere aus der Verweisung in § 147 Abs 3 Satz 2 PatG auf die das Einspruchsverfahren vor dem Patentamt betreffenden Vorschriften.

Die pflichtgemäße Prüfung der vom Senat in Betracht gezogenen Druckschriften hat hinsichtlich der hier noch beachtlichen Einspruchs- und Widerrufsgründe des § 21 Abs 1 Nr 1, 2 und 4 PatG nicht ergeben, daß das Patent weiter zu beschränken oder zu widerrufen ist. Insoweit ergeht die Entscheidung gemäß § 47Abs 1 Satz 3 PatG iVm §§ 59 Abs 3, 147 Abs 3 Satz 2 PatG ohne sachliche Begründung (vgl zur fehlenden Begründungspflicht: Beschluß des Senats vom 7. Juli 2003 - 11 W (pat) 315/03 - Veröffentlichung vorgesehen).

Dellingerv. Zglinitzki Skribanowitz Schmitz Bb






BPatG:
Beschluss v. 14.07.2003
Az: 11 W (pat) 305/02, 11 W (pat) 304/02


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