Anwaltsgerichtshof Celle:
Beschluss vom 21. September 2009
Aktenzeichen: AGH 6/08

(AGH Celle: Beschluss v. 21.09.2009, Az.: AGH 6/08)

Tenor

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die gerichtlichen Kosten des Verfahrens.

3. Die außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.

4. Der Geschäftswert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der am XX.XX.1959 geborene Antragsteller ist seit 1989 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, zunächst als Rechtsanwalt beim Amtsgericht Starnberg/Landgericht München 1 und 2 und sodann beim Amtsgericht/Landgericht Braunschweig. Er ist geschieden und gegenüber zwei minderjährigen Kindern unterhaltspflichtig. Durch Bescheid vom 23. Januar 2008, zugestellt am 25. Januar 2008, widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft, weil der Antragsteller in Vermögensverfall geraten sei (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Den Bescheid begründet die Antragsgegnerin damit, dass der Antragsteller am 26.11.2007 vor dem Amtsgericht Braunschweig (Aktenzeichen 25 M 4185/07 und 25 M 3425/07) die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Die Voraussetzungen für einen Ausnahmefall seien nicht dargetan.

Der Antragsteller war bereits anlässlich der Vollstreckung durch die Rechtsanwaltskammer Braunschweig über den Kammerbeitrag 2007 in Höhe von 280,00 € mit Schreiben vom 29.08.2007 aufgefordert worden, eine detaillierte und umfassende Stellungnahme hinsichtlich seiner wirtschaftlichen und finanziellen Situation unter Beifügung von aussagekräftigen Belegen unter Fristsetzung zum 12.09.2007 zu übersenden unter Hinweis auf die Möglichkeit des Widerrufs der Zulassung unter anderem gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Der Antragsteller bat mit Schreiben vom 13. September 2007 um weitere Aufklärung, unter welchen Voraussetzungen er seinen Beruf trotz Überschuldung ausüben könne. Die Antragsgegnerin erteilte daraufhin unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes BRAK-Mitteilungen 2005, 81 und die einschlägigen Kommentierungen mit Schreiben vom 19.09.2007 entsprechende Informationen. Der Antragsteller teilte sodann mit, dass er nun beabsichtige, sämtliche laufenden Mandatsverhältnisse auf einen Kollegen zu übertragen und im Übrigen vertretend nur noch im kollektiven Arbeitsrecht und im Übrigen beratend tätig werden zu wollen.

Gegen den Bescheid vom 23. Januar 2008 hat der Antragsteller am 20. Februar 2008, beim Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof eingegangen am 21. Februar 2008, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Zur Begründung wies der Antragsteller darauf hin, dass er sich zwar in Vermögensverfall befände und auch die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Die Antragsgegnerin habe ihn jedoch entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht hinreichend belehrt. Im Übrigen wiederholt er seine Absicht, in eigener Kanzlei nur beratend tätig sein zu wollen und allenfalls im kollektiven Arbeitsrecht Betriebsräte in Einigungsstellen vertreten werde. Eine Gefährdung der Interessen Rechtsuchender sei daher ausgeschlossen.

Er beantragt,

die Verfügung der Antragsgegnerin vom 23. Januar 2008, zugestellt am 25. Januar 2008, aufzuheben.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid und trägt vor, dass gegen den Antragsteller diverse Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt worden seien. Neben der Forderung der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen über mehr als 17.000,00 € und der Forderung der Stadt Braunschweig, Fachbereich Kinder, Jugend und Familie, von mehr als 4.000,00 €, hinsichtlich derer die eidesstattliche Versicherung abgegeben worden sei, habe die Rechtsanwaltskammer die Vollstreckung wegen des Kammerbeitrages für das Jahr 2007 betrieben. Aus dem Protokoll der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers vom 26.11.2007 habe sich ergeben, dass der Antragsteller seine Kanzlei zum 01.10.2007 an Frau Rechtsanwältin Beatrix Nestler veräußert habe. Der Antragsteller sei im Übrigen mehrfach aufgefordert worden, Angaben über seine wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse zu machen. Für einen Ausnahmefall, in dem von der Vermutung der Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden abgewichen werden könne, sei vom Antragsteller nichts vorgetragen.

Der Senat hat am 12.01.2009 mündlich verhandelt. In diesem Termin sind die Parteien übereingekommen, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin einen Vertrag vorlegt, der es ihm trotz Vermögensverfalls ermöglicht, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes weiterhin anwaltlich tätig zu sein.

Im weiteren Verlauf hat der Antragsteller der Antragsgegnerin einen Praxisvertrag vorgelegt, der eine Kooperation zwischen dem Antragsteller und einer in Form einer GbR betriebenen Anwaltskanzlei beinhaltet. Diese ermöglicht ihm unter Ziffern 1, 6 selbstständige Tätigkeit. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller am 24.02.2009 mitgeteilt, dass sie der Auffassung sei, dass allenfalls ein Angestelltenverhältnis genüge, nicht aber eine Kooperation, zumal eine nachvollziehbare Trennung zwischen den Geldern des Antragstellers und der Kooperationspartner nicht deutlich werde. Der Vertrag sollte weiter überarbeitet werden, was jedoch im Weiteren nicht geschah.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Soweit der Antragsteller die Besetzung des Senates als verfassungswidrig rügt, entspricht die Besetzung dem Gesetz. Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung bestehen nicht und sind auch vom Antragsteller nicht hinreichend substantiiert dargetan.

Soweit der Antragsteller weiter rügt, dass der Senat mit zwei Notaren besetzt sei, ist diese Rüge gleichfalls nicht hinreichend substantiiert. Die Notare sind in Niedersachsen auch Rechtsanwälte. Aus der zusätzlichen Notartätigkeit ergibt sich keine generelle Befangenheit. Es fehlt insoweit an einem hinreichend substantiierten Vortrag des Antragstellers, weshalb allein aus der zusätzlichen Notareigenschaft in seinem konkreten Fall eine Befangenheit resultieren soll.

Nach der zwingenden Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO muss die Zulassung eines Rechtsanwaltes widerrufen werden, wenn er in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Vermögensverfall ist dann gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, geraten und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn sowie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Rechtsanwaltes (st. Rspr. BGH AnwZ [B] 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102). Wesentliches Anzeichen ist die Eintragung des Schuldners in das Vermögensverzeichnis bzw. das beim Insolvenzgericht geführte Verzeichnis. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil der Antragsteller am 26.11.2007 vor dem Amtsgericht Braunschweig (Aktenzeichen 25 M 4185/07 und 25 M 3425/07) die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat und somit in das beim Amtsgericht Braunschweig geführte Vermögensverzeichnis eingetragen ist. Nach dem Vortrag des Antragstellers hat sich an seinen wirtschaftlichen Verhältnissen seit der Widerrufsverfügung nichts geändert, sodass die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft auch heute noch vorliegen. Für eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller nichts dargetan.

Aus § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ergibt sich, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausgeht, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet. Der Hinweis des Antragstellers, dass seine Tätigkeit eine konkrete Gefährdung der Interessen Rechtsuchender ausschließe, ist nicht geeignet, die Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entkräften. Der Antragsteller trägt insoweit vor, zukünftig weiterhin selbstständig tätig sein zu wollen, allerdings nur beratend. Er wolle allenfalls Vertretungsmandate in der Weise führen, dass er Betriebsräte in Einigungsstellenverfahren vertreten wolle. Selbst wenn der Antragsteller nur in dieser Weise tätig wird, handelt es sich um eine freiwillige Selbstbeschränkung des Rechtsanwaltes selbst, die für Dritte nicht kontrollierbar und jederzeit abänderbar ist. Der Vortrag reicht insoweit in keiner Weise aus, von der Vermutung der Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden abzuweichen. Da der Antragsteller nur vorträgt, Beratungsmandate auf Kollegen übertragen zu wollen, folgt daraus, dass er im Übrigen beratend selbstständig in eigener Kanzlei tätig zu sein beabsichtigt. Insoweit fehlt es an dem Einfluss des Antragstellers entzogenen Vorkehrungen, die sicherstellen, dass aus Beratungsmandaten keine Vertretungsmandate werden, wobei es hier im Übrigen an jedwedem Vortrag fehlt, über wen die Mandate abgerechnet werden sollen. Wenn der Antragsteller beratend tätig wird, muss er diese Mandate in irgendeiner Weise abrechnen, so dass er über Konten verfügen muss, auf die wiederum in Vertretungsangelegenheiten Fremdgelder gelangen können. Der Vortrag des Antragstellers ist nach alledem nicht geeignet, die Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entkräften. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Ausnahmefalles entsprechend den Kriterien des Bundesgerichtshofes sind nicht ansatzweise ersichtlich (vgl. dazu BGH AnwZ [B] 101/05 vom 25.06.2007 mit weiteren Nachweisen). Da allein bereits die selbstständige Tätigkeit des Antragstellers einen Ausnahmefall ausschließt, kommt es vorliegend nicht darauf an, dass der Antragsteller sich in seiner langjährigen Berufstätigkeit nichts hat zu Schulden kommen lassen und Mandanten nicht zu seinen Gläubigern gehören. Der nachträglich vorgelegte Praxisvertragsentwurf fasst den Vortrag des Antragstellers schriftlich zusammen. Insbesondere ist er danach weiterhin selbstständig tätig. Es handelt sich um freiwillige Selbstbeschränkungen, die von dem Kooperationspartner nicht kontrolliert werden können. Der Vertragsentwurf ist daher von der Antragsgegnerin nicht akzeptiert worden. Einen weiteren Vertragsentwurf hat der Antragsteller bis heute nicht vorgelegt.

Zudem fehlt es bis heute an jedem Vortrag seitens des Antragstellers, dass und in welcher Weise er sich bemüht, die Forderungen aus der Welt zu schaffen.

Anhaltspunkte für einen Verfahrensfehler bestehen nicht. Der Antragsteller ist ordnungsgemäß angehört und zudem aufgrund seiner weiteren Nachfrage auf die Rechtslage hingewiesen worden.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 201 Abs. 1 BRAO, 13 a FGG.

Die Festsetzung des Geschäftswertes entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senates.






AGH Celle:
Beschluss v. 21.09.2009
Az: AGH 6/08


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