Oberlandesgericht Karlsruhe:
Urteil vom 9. November 2006
Aktenzeichen: 4 U 174/05

(OLG Karlsruhe: Urteil v. 09.11.2006, Az.: 4 U 174/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden, dass die Beratung einer Bank bei der Errichtung eines Testaments eine unzulässige Rechtsberatung darstellt. Auch wenn die Bank den Testamentsentwurf von einem Rechtsanwalt prüfen lässt, bleibt die Beratung durch die Bank unzulässig. Das Landgericht Freiburg hatte daher zu Recht die Beklagte auf Unterlassung und zur Zahlung von Abmahnkosten verurteilt. Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt und argumentiert, dass ihr Handeln auf wirtschaftlichem Gebiet lag und die eigentliche Rechtsberatung dem Rechtsanwalt vorbehalten war. Die Berufung wurde jedoch vom Oberlandesgericht Karlsruhe zurückgewiesen. Das Gericht stellt fest, dass die Tätigkeiten der Bank, wie die Beratung in Fragen der Testamentserrichtung und die Erstellung von Testamentsentwürfen, als Rechtsbesorgungen im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes anzusehen sind. Die Geschäftsmäßigkeit der Rechtsbesorgung bei Banken wird zudem vermutet. Die Bank kann sich nicht auf die Zulässigkeit ihres Handelns im Rahmen der Testamentsvollstreckung berufen, da dies keine Nebenleistung zur Testamentserrichtung ist. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass der Verstoß der Beklagten gegen das Rechtsberatungsgesetz den Wettbewerb erheblich beeinträchtigt. Die Klage der Rechtsanwaltskammer war daher nicht verjährt und die Beklagte muss das Unterlassungsgebot befolgen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt ebenfalls die Beklagte. Eine Revision wurde nicht zugelassen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Karlsruhe: Urteil v. 09.11.2006, Az: 4 U 174/05


Die Beratung einer Bank bei der Errichtung eines Testaments stellt eine nach dem Rechtsberatungsgesetz unzulässige Rechtsberatung dar. Dies gilt auch dann, wenn sie den aufgrund der Angaben des Bankkunden selbst erstellten Entwurf durch einen von ihr in eigenem Namen beauftragten Rechtsanwalt prüfen lässt.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Freiburg vom 28. Oktober 2005 - 10 O 37/05 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin - eine Rechtsanwaltskammer - nimmt die Beklagte - eine deutsche Großbank - wegen unlauteren Wettbewerbs in Form eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz (RBerG) auf Unterlassung in Anspruch.

Eine Kundin der Beklagten hatte ein Unternehmen veräußert und wollte einen Teil ihres Vermögens auf ihren Sohn übertragen. Auf Anregung eines Mitarbeiters der F.-Filiale der Beklagten wurde vereinbart, dass der Mitarbeiter der Frankfurter Zentrale der Beklagten, Herr L, ein Jurist, mit ihr die Verwaltung ihres Vermögens für den Fall ihres Todes oder des Vorversterbens ihres Sohnes besprechen solle. Auf der Grundlage dieses Gesprächs erstellte Herr L je einen Entwurf für ein Testament und eine Stiftungssatzung (Anl. K 2 und 3). Anschließend leitete er die beiden Entwürfe an einen Rechtsanwalt zur Prüfung weiter. Nach erfolgter Prüfung übersandte der Rechtsanwalt die Entwürfe mit Schreiben vom 11.07.2003 (Anl. B 2) an die Kundin. Am 08.09.2004 fand nochmals ein Gespräch zwischen Herrn L und der Kundin statt. Auf ihren Wunsch hin arbeitete er Barvermächtnisse in den Testamentsentwurf ein und modifizierte die Stiftungssatzung dahingehend, dass die Zwecke der Stiftung möglichst im Raum F. verwirklicht werden sollen, und übersandte ihr die beiden Entwürfe mit Schreiben vom 16.09.2004 (Anl. K 1).

Wegen der Einzelheiten wird auf die Feststellungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Entsprechend dem Antrag der Klägerin verurteilte das Landgericht Freiburg die Beklagte

1. unter Androhung von Ordnungsmitteln, es zu unterlassen, auf dem Gebiet des Erbrechts beratend und/oder rechtsbesorgend für Dritte tätig zu werden, indem sie diese in Fragen von deren Testamentserrichtung inhaltlich berät, Testamentsentwürfe erstellt und/oder überarbeitet sowie Satzungen für Stiftungen erstellt, die Dritte im Zusammenhang mit ihren letztwilligen Verfügungen errichten wollen;

2. zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 150 EUR.

Mit der Berufung rügt die Beklagte, dass das Urteil des Landgerichts auf Rechtsfehlern beruhe.

Die Beklagte habe keine fremde Rechtsangelegenheit i.S.d. Art. 1 § 1 RBerG besorgt. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit habe vielmehr auf wirtschaftlichem Gebiet gelegen. Die eigentliche Rechtsbesorgung sei dem eingeschalteten Rechtsanwalt vorbehalten geblieben. Die nachträglichen Ergänzungen seien rein tatsächlicher Art gewesen und hätten sich in dem von dem Rechtsanwalt vorgegebenen Rahmen gehalten.

Die Entscheidung des Landgerichts verletze die Beklagte in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.

Selbst wenn ein Verstoß gegen Art. 1 § 1 RBerG vorliegen sollte, sei die Tätigkeit der Beklagten gem. Art. 1 § 5 RBerG zulässig, da sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der von ihr erlaubterweise angebotenen Testamentsvollstreckung stehe.

Im übrigen sei ein unterstellter Verstoß nicht geeignet, zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs i.S.d. § 3 UWG zu führen.

Schließlich sei der Unterlassungsanspruch bei Klageeinreichung am 30.03.2005 bereits verjährt gewesen. Bei der Berechnung der Verjährungsfrist des § 11 UWG sei nämlich auf die Kenntniserlangung des Mitglieds der Klägerin Rechtsanwalt Dr. J. am 26.09.2004 und nicht auf dessen Mitteilung an die Klägerin Anfang Februar 2005 abzustellen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise, den Urteilstenor durch eine zeitliche Beschränkung bis zum Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes zu ergänzen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.

1. Zutreffend hat das Landgericht einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gem. § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG bejaht.

a) Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt derjenige unlauter im Sinne des § 3 UWG, der einer gesetzlichen Bestimmung zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Zu den Vorschriften, die im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Verbraucher, auch das Verhalten von Unternehmen bestimmen, zählt Art. 1 § 1 RBerG (vgl. etwa BGH GRUR 2005, 353, 354 - Testamentsvollstreckung durch Banken -; BGH GRUR 2005, 604, 605 - Fördermittelberatung -).

b) Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GRUR 1997, 914, 915 - Die Besten II -; BGH GRUR 2003, 886 - Erbenermittler -) ist die klagende Rechtsanwaltskammer gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt, da sie ein wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten im Verhältnis zu ihren Mitgliedern geltend macht.

c) Die Beklagte hat gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG verstoßen.

Nach Art. 1 § 1 RBerG darf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich der Rechtsberatung geschäftsmäßig nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt worden ist.

i) Über eine solche Erlaubnis verfügte die Beklagte unstreitig nicht.

Von der Erlaubnispflicht ist eine juristische Person, die wie die beklagte Bank Rechtsangelegenheiten für ihre Kunden erledigen will, auch dann nicht befreit, wenn sie hierfür einen Volljuristen beschäftigt (vgl. 3 der Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes vom 13.12.1935). Vertragspartner des Kunden wird nämlich nicht der Angestellte, sondern die Bank. Während ein selbständiger Rechtsanwalt den Mandanten unabhängig berät, verfolgt der Angestellte einer Bank deren Interessen, beispielsweise bei einer erbrechtlichen Beratung, dass die Bank in dem zu errichtenden Testament zur Testamentsvollstreckerin ernannt werden will. Deshalb wird die Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG einer juristischen Person auch nur in Ausnahmefällen erteilt (§ 10 der Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes vom 13.12.1935).

ii) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei den ihr im Urteil des Landgerichts untersagten Tätigkeiten, nämlich der Beratung über inhaltliche Fragen der Testamentserrichtung, der Erstellung und Überarbeitung von Testamentsentwürfen und der Erstellung von Satzungen für Stiftungen in Hinblick auf den Erbfall nicht um die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange, sondern um Rechtsbesorgungen im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG.

Eine nach Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG erlaubnispflichtige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten liegt vor, wenn eine geschäftsmäßige Tätigkeit darauf gerichtet oder geeignet ist, konkrete fremde Rechte zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten. Zur Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung ist angesichts dessen, dass heutzutage nahezu alle Lebensbereiche rechtlich durchdrungen sind und daher eine wirtschaftliche Betätigung kaum ohne rechtsgeschäftliches Handeln möglich ist oder ohne rechtliche Wirkung bleibt, auf den Kern und Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen. Erforderlich ist eine abwägende Beurteilung des beanstandeten Verhaltens danach, ob es sich bei ihm um Rechtsbesorgung oder um eine Tätigkeit handelt, die ohne Beeinträchtigung ihrer Qualität oder der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege auch von anderen Dienstleistern erfüllt werden kann. In diesem Zusammenhang ist insbesondere von Bedeutung, ob der Auftraggeber im Rahmen der Geschäftsbesorgung eine besondere rechtliche Prüfung des Inhalt des Geschäfts oder der mit diesem verbundenen Risiken wünscht oder zumindest erkennbar erwartet. Die dementsprechende Erwartung richtet sich im Zweifel nach der Person und der Qualifikation des Geschäftsbesorgers, nach den verkehrstypischen Gepflogenheiten und nach den objektiven Maßstäben des jeweiligen Geschäfts. Eine nach dem Rechtsberatungsgesetz erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung liegt vor, wenn die ordnungsgemäße Erfüllung der Tätigkeit eine umfassende Beratung auf mindestens einem Teilgebiet des Rechts auf der Grundlage von Kenntnissen und Fertigkeiten erfordert, die durch ein Studium oder durch langjährige Berufserfahrung vermittelt werden. Dem stehen solche Tätigkeiten wirtschaftlicher Art gegenüber, bei denen eine besondere rechtliche Prüfung weder verkehrsüblich noch im Einzelfall offensichtlich geboten noch vom Auftraggeber ausdrücklich gewünscht ist, sondern die notwendige rechtliche Betätigung in für die angesprochenen Verkehrskreise so geläufigen Bahnen verläuft, dass sie nicht mehr als ein Handeln auf dem Gebiet des Rechts empfunden wird (vgl. BGH GRUR 2003, 886 - Erbenermittler -; BGH GRUR 2005, 353 - Testamentsvollstreckung durch Banken -; Hefermehl/Köhler/Bornkamm - Köhler, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006, § 4 UWG Rdnr. 11.64 mit weiteren Nachweisen).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist festzustellen, dass der Schwerpunkt der der Beklagten vom Landgericht untersagten Tätigkeiten auf rechtlichem Gebiet liegt.

Die inhaltliche Beratung in Fragen der Testamentserrichtung und Erstellung und Überarbeitung von Entwürfen von Testamenten und damit in Zusammenhang stehender Stiftungssatzungen dienen der rechtlichen Umsetzung des Willens des Erblassers. Dies ist kein wirtschaftlicher Vorgang, sondern Rechtsgestaltung. Jemand, der solche Dienstleistungen in Anspruch nimmt, sucht den Dienstleister nicht wegen der Frage auf, wem er was zuwenden will, sondern vielmehr wegen dessen rechtlichen Sachverstands. Der Mandant will erreichen, dass seine Vorstellungen, was mit dem Erbe geschehen soll, in rechtlich funktionierender Weise umgesetzt werden. Angesichts der Kompliziertheit der gesetzlichen Regelungen zum Erbrecht und der Vielfalt testamentarischer Gestaltungsmöglichkeiten je nach den zu ermittelnden Zielvorstellungen des Erblassers werden dabei hohe Anforderungen an die juristische Qualifikation des Dienstleisters gestellt. Nicht umsonst bestimmt das Gesetz in § 2231 BGB, dass ein ordentliches Testament, sofern es der Erblasser nicht selbst abfasst, vor dem Notar zu errichten ist.

iii) Tatsächlich ist die Beklagte durch ihren Angestellten L in der beanstandeten Weise auf dem Gebiet des Erbrechts beratend und rechtsbesorgend für eine Dritte tätig geworden.

Unstreitig hat Herr L zunächst den Willen der Kundin, was mit ihrem Nachlaß geschehen soll, ermittelt und auf dieser Grundlage einen Testamentsentwurf nebst Satzung einer nach ihrem Ableben zu errichtenden Stiftung gefertigt. Zu einem späteren Zeitpunkt hat er die Entwürfe mit der Kundin besprochen und daraufhin den Testamentsentwurf überarbeitet - so seine eigenen Worte im Schreiben vom 16.09.2004 -, indem er Barvermächtnisse eingefügt hat.

Diese rechtsberatenden bzw. rechtsbesorgenden Tätigkeiten der Beklagten werden nicht dadurch, dass Herr L die Entwürfe von Testament und Stiftungssatzung einem Rechtsanwalt zur Prüfung übermittelte, zu einer Rechtsberatung bzw. Rechtsbesorgung dieses Rechtsanwalts.

Beratung und Erstellung bzw. Überarbeitung der Entwürfe einerseits und rechtliche Prüfung andererseits sind zwei unterschiedliche Dienstleistungen, die auch in rechtlich jeweils eigenständigen Vertragsverhältnissen erbracht wurden. Vertragspartner der Kundin war die Beklagte, wohingegen der Rechtsanwalt nicht im Auftrag der Kundin, sondern der Beklagten tätig wurde.

Die Beklagte ist auch nicht etwa mit einem Angestellten des Rechtsanwalts zu vergleichen, der für diesen lediglich Vorarbeiten ausführt. Indem Herr L den Willen der Kundin ermittelte und auf dieser Grundlage einen Testamentsentwurf nebst Stiftungssatzung fertigte, determinierte er die vorzunehmende Rechtsgestaltung. Die nachfolgende rechtliche Prüfung konnte demgegenüber nur einer Fehlerkontrolle dienen. Denn der Rechtsanwalt musste sich auf die Angaben von Herrn L zu den persönlichen Verhältnissen, den Zielen und Gestaltungswünschen der Kundin verlassen. Er hatte keinen persönlichen Kontakt zu der Kundin.

iv) Die Geschäftsmäßigkeit der Rechtsbesorgung, wie sie Art. 1 § 1 Nr. 1 RBerG voraussetzt - ist bei einer Bank stets zu vermuten (§ 344 Abs. 1 HGB; anders z.B. bei der Rechtsberatung in Einzelfällen durch einen pensionierten Richter, BVerfG NJW 2004, 2662). Die Geschäftsmäßigkeit des Handelns der Beklagten ist im vorliegenden Fall aber auch unstreitig; sie beruft sich mit Nachdruck auf Art. 12 Abs. 1 GG.

d) Die von der Beklagten erbrachten Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Testamentserrichtung ihrer Kundin waren nicht gem. Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG zulässig.

Nach Art. 1 § 5 Nr. 1RBerG greifen die Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes nicht ein, wenn ein kaufmännisches oder sonstiges gewerbliches Unternehmen für seine Kunden rechtliche Angelegenheiten erledigt, die mit einem Geschäft des Gewerbebetriebes in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Diese Regelung soll sicherstellen, dass Berufe, die ohne gleichzeitige Rechtsberatung nicht ausgeübt werden können, nicht am Rechtsberatungsgesetz scheitern. Sie setzt nicht voraus, dass die berufliche Tätigkeit ohne die Rechtsberatung schlechthin unmöglich wäre, sondern gilt auch dann, wenn sie sonst nicht sachgemäß erledigt werden könnte (vgl. BGH GRUR 2003, 886, 888 - Erbenermittler - mit weiteren Nachweisen).

Die erbrechtliche Beratung und die Errichtung und Überarbeitung von Entwürfen für Testamente und für damit in Zusammenhang stehende Stiftungssatzungen haben mit Bankgeschäften jedoch nichts zu tun. Letztere sind in § 1 des Gesetzes über das Kreditwesen definiert. Sie beinhalten Einlagengeschäfte, Zahlungsverkehrsgeschäfte, Kreditgeschäfte und Wertpapiergeschäfte. Die beanstandeten Tätigkeiten der Beklagten lassen sich nicht hierunter subsumieren.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass sie ihren Kunden - erlaubterweise (vgl. BGH GRUR 2005, 353 - Testamentsvollstreckung durch Banken) - Testamentsvollstreckungen anbietet. Denn weder die erbrechtliche Beratung, noch die Erstellung oder Überarbeitung von Testamentsentwürfen und damit in Zusammenhang stehender Stiftungssatzungen sind mit der Testamentsvollstreckung einhergehende Nebenleistungen. Um die Testamentsvollstreckung sachgerecht durchzuführen, bedarf es keiner Beteiligung des Testamentsvollstreckers bei der Errichtung des Testaments. Das Interesse einer Bank, auf diese Weise Kunden für eine Testamentsvollstreckung zu akquirieren, ist nicht von Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG geschützt.

e) Der Verstoß der Beklagten gegen das Rechtsberatungsgesetz ist geeignet, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, § 3 UWG.

Bei Verstößen gegen Art. 1 § 1 RBerG ist im Hinblick darauf, dass der darin geregelte Erlaubnisvorbehalt für rechtsbesorgende Tätigkeiten nicht nur berufsständischen Interessen, sondern auch dem allgemeinen Interesse an einer zuverlässigen Rechtspflege dient, die Erheblichkeit im Sinne des § 3 UWG grundsätzlich zu bejahen (vgl. BGH GRUR 2004, 253 - Rechtsberatung durch Automobilclub -).

Dürfte die Beklagte als Bank an Testamentserrichtungen mitwirken, dürfte sie - anders als ein Rechtsanwalt, der dem Standesrecht untersteht - dafür werben. Sie könnte, wie im vorliegenden Fall geschehen, ihre Kunden gezielt auf ein solches Leistungsangebot ansprechen. Sie würde bei der Beauftragung von Rechtsanwälten, die ihre Entwürfe prüfen, die Auswahl treffen. Darüber hinaus besteht im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung eine erhebliche Nachahmungsgefahr. Die Beklagte hat insoweit in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass die Bankenbranche das Ergebnis des vorliegenden Verfahrens mit Interesse verfolge. Dies alles ist geeignet, zu nicht unerheblichen Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zu Mitbewerbern - u.a. den Mitgliedern der Klägerin - zu führen.

f) Aufgrund des bereits geschehenen Verstoßes wird die gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG erforderliche Wiederholungsgefahr vermutet (vgl. z.B. Hefermehl/Köhler/Bornkamm - Bornkamm, a.a.O., § 8 UWG Rdnr. 1.33 mit Nachweisen zur Rechtsprechung).

Der Senat ist aber auch davon überzeugt, dass es ohne die Unterlassungsklage nicht bei dem streitgegenständlichen Einzelfall geblieben wäre, sondern dass die Beklagte auch künftig Kunden auf ihr Testament ansprechen und, wie im vorliegenden Fall geschehen, verfahren wollte. Das folgt, auch wenn die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass ihre Rechtsausführungen nur der Rechtsverteidigung dienen, aus ihrem Argument, ihr sonstiges Geschäft erfordere diese Art von Rechtsberatung bzw. -besorgung. Dementsprechend fühlt sie sich durch das Unterlassungsgebot schwerwiegend in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG verletzt und hat die Zulassung der Revision beantragt, da die Sache eine übergeordnete Bedeutung habe.

g) Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, der Beklagten die im Tenor des angefochtenen Urteils umschriebenen Mitwirkungshandlungen bei der Testamentserrichtung zu untersagen.

i) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass der Erlaubnisvorbehalt für die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten gem. Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG verfassungsgemäß ist (vgl. zuletzt BVerfG NJW 2002, 3531 und NJW 2004, 2662 mit weiteren Nachweisen).

ii) Der Schutzzweck des Rechtsberatungsgesetzes, im Interesse der Allgemeinheit für eine zuverlässige Rechtspflege zu sorgen, gebietet das gegenüber der Beklagten ausgesprochene Verbot.

Als Bank betreibt die Beklagte ein Gewerbe und nimmt ihre eigenen Interessen wahr. Ein von ihr beauftragter Rechtsanwalt vertritt ebenfalls ihre Interessen. Der Kunde hat teilweise andere Interessen, die mit den Interessen der Bank in Konflikt geraten können. Beispielsweise hat die Bank ein Interesse an der entgeltlichen Übernahme von Testamentsvollstreckungen; für den Kunden stellt sich hingegen die Frage, ob in seinem Fall eine Testamentsvollstreckung überhaupt notwendig ist und ob er die Bank zur Testamentsvollstreckerin ernennen soll. Um hier eine sachgerechte, unabhängige und Interessenkollisionen vermeidende Rechtsbesorgung zu gewährleisten, ist es erforderlich, dass diese durch einen vom Kunden beauftragten Rechtsanwalt erfolgt, für den - anders als für die Bank - das Standesrecht und die Gebührenordnung gelten und der ein Organ der Rechtspflege ist.

iii) Das Verbot belastet die Beklagte auch nicht unverhältnismäßig.

Anders als zum Beispiel bei der Fördermittelberatung (vgl. BGH GRUR 2005, 604), bei der wirtschaftliche und rechtliche Fragen untrennbar ineinandergreifen, werden die Bankgeschäfte der Beklagten durch das Verbot, bei der Testamentserrichtung mitzuwirken, nicht im mindesten tangiert.

iv) Eine andere Betrachtung ist schließlich nicht dadurch geboten, dass ein Regierungsentwurf für ein neues Rechtsdienstleistungsgesetz vorliegt, das das Rechtsberatungsgesetz ersetzen soll (Bundesratsdrucksache 623/06).

Der Rechtsstreit ist auf der Grundlage des geltenden Rechts zu entscheiden.

Entgegen der Meinung der Beklagten lässt sich aus dem Regierungsentwurf auch kein Vorstellungswandel ableiten, der zu einer geänderten Auslegung der Generalklausel des § 3 UWG führt. Denn es ist derzeit noch ungewiß, ob, wann und mit welchem Inhalt das Rechtsdienstleistungsgesetz in Kraft treten wird. Bislang befindet es sich noch in der Diskussion, deren Ausgang der Senat nicht zu prognostizieren und deshalb der Gesetzesauslegung auch nicht zugrundezulegen vermag.

h) Der Unterlassungsanspruch der Klägerin war bei Klageerhebung noch nicht verjährt.

Die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 11 Abs. 1 UWG beginnt gem. § 11 Abs. 2 Nr. 2 UWG, wenn der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Hinsichtlich der Kenntniserlangung kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten auf die Kenntnis der Beklagten und nicht auf die ihres Mitglieds Rechtsanwalt Dr. J an.

Denn Gläubigerin des Unterlassungsanspruchs ist die Klägerin. Sie macht nicht Ansprüche ihrer Mitglieder, sondern einen eigenen Anspruch geltend, wie sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ergibt.

Die Kenntnis ihres Mitglieds ist ihr auch nicht zuzurechnen. Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze (vgl. z.B. Hefermehl/Köhler/Bornkamm - Köhler, a.a.O., § 11 Rdnr. 1.27 mit weiteren Nachweisen). Nach dem Rechtsgedanken des § 166 BGB kommt es bei Körperschaften des öffentlichen Rechts wie der Klägerin auf die Kenntnis des nach der innerbetrieblichen Organisation zuständigen Bediensteten an (vgl. BGHZ 134, 343). Hingegen ist nicht jedes beliebige Mitglied einer Körperschaft des öffentlichen Rechts als deren Wissensvertreter anzusehen.

2. Es besteht kein Grund, das Unterlassungsgebot - wie von der Beklagten beantragt, zeitlich bis zum Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes zu beschränken.

Abgesehen davon, dass ungewiss ist, ob und wenn ja mit welchem Inhalt das Rechtsdienstleistungsgesetz in Kraft treten wird, besteht naturgemäß bei jedem Unterlassungsurteil die Möglichkeit, dass das Unterlassungsgebot durch eine nachträgliche Gesetzesänderung obsolet wird. Notfalls muß dies im Wege der Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO geltend gemacht werden (vgl. z.B. Zöller - Herget, Zivilprozessordnung, 25. Aufl. 2005, § 767 Rdnr. 12 Stichwort Gesetzesänderung mit Nachweisen zur Rechtsprechung).

3. Der Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.

Die Beklagte hat die vom Landgericht der Klägerin zugesprochenen 150 EUR der Höhe nach nicht beanstandet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit wurde gem. §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO angeordnet.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO (vgl. BGH NJW 2003, 65) liegen nicht vor.






OLG Karlsruhe:
Urteil v. 09.11.2006
Az: 4 U 174/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/0682084686a8/OLG-Karlsruhe_Urteil_vom_9-November-2006_Az_4-U-174-05




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