Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. November 2009
Aktenzeichen: 30 W (pat) 32/09

(BPatG: Beschluss v. 19.11.2009, Az.: 30 W (pat) 32/09)

Tenor

1.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patentund Markenamts vom 19. Januar 2009 aufgehoben.

2.

Der Antragstellerin wird die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Inanspruchnahme der ausländischen Priorität vom 13. November 2007 (Italien NA 20070001390) gewährt.

Gründe

I.

Mit der vorliegenden Telefax-Anmeldung vom 15. April 2008 wurde die farbige Eintragung der Marke dialogo umano als Wort-/Bildmarke mit den Farben "lachs, rosa, hellblau auf weißem Grund" unter Inanspruchnahme der ausländischen Priorität vom 13. November 2007 (Italien NA 20070001390) durch die Inlandsvertreter der Anmelderin beantragt. Die dem Telefax beigefügte Wiedergabe der Marke ging in schwarzweißer Darstellung beim Patentamt ein. Das Original der Anmeldung mit der farbigen Darstellung der Marke ging nach Erhalt des Aktenzeichens des Patentamts im Stammdatenauszug vom 15. Mai 2008, am 30. Mai 2008 beim Patentamt ein.

Mit Schreiben vom 16. Juli 2008 wies das Patentamt darauf hin, dass die Inanspruchnahme der Priorität der früheren italienischen Anmeldung vom 13. November 2007 verwirkt sei, weil die inländische Nachanmeldung nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Auslandsanmeldung erfolgt sei (Art. 4 C PVÜ). Auf der per Telefax eingegangenen schwarzweißen Markendarstellung sei die Verteilung der in der Anmeldung angegebenen Farben nicht erkennbar und Teile der Wort-/Bildmarke seien verwirbelt.

Mit Schriftsatz vom 15. September 2008, eingegangen am folgenden Tag, beantragte die Anmelderin durch ihre Inlandsvertreter die Zuerkennung der Auslandspriorität und hilfsweise Wiedereinsetzung in die Prioritätsfrist. Dazu wurde vorgetragen, an der Fristversäumung treffe sie bzw. ihre Inlandsvertreter kein Verschulden; der seit mehr als drei Jahrzehnten in der Kanzlei sehr zuverlässig tätigen, regelmäßig geschulten und überprüften Büroleiterin Frau E... der Inlandsvertreter sei beim Versand ein Fehler unterlaufen, der nicht zurechenbar sei; die Büroleiterin habe die Weisung, Anträge von Farbmarken nicht per Telefax einzureichen, im Verlauf der internen Bearbeitungsschritte nach Unterschrift des Anmeldeformulars durch den Patentanwalt aus unerklärlichen Gründen beim Versand versehentlich nicht mehr beachtet, sondern sei zuletzt von einer SchwarzWeiß-Marke ausgegangen, bei denen das Original weisungsgemäß erst nach Erhalt der Empfangsbestätigung des Patentamts eingereicht werde; mit der weisungswidrigen Absendung per Telefax habe Frau E... die Prioritätsfrist als "erledigt" ausgetragen; dieser Fehler sei auch bei den regelmäßigen Überprüfungen im Wege der Stichprobe nicht erfasst worden. Die mit der Nachreichung des Originals am 30. Mai 2008 betraute Patentanwaltsfachangestellte Frau Z..., der eine permanent durchzuführende Prüfung nicht obliege, habe diesen Vorgang ohne weitere Prüfung der Unterlagen bearbeitet und die fehlerhafte Einreichung per Telefax aus unerklärlichen Gründen nicht bemerkt.

Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patentund Markenamts hat mit Beschluss vom 19. Januar 2009 den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig zurückgewiesen, weil die Wiedereinsetzung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses beantragt worden sei. Bereits bei Versendung des Originals der Anmeldung am 30. Mai 2008 hätte erkannt werden müssen, dass versehentlich eine Telefax-Anmeldung vorausgegangen war.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 10. Februar 2009 eingegangene Beschwerde der Antragstellerin. Sie verweist zunächst darauf, dass ihr zu der erst im angefochtenen Beschluss mitgeteilten Annahme des Patentamts, dass sie bereits am 30. Mai 2008 die vorangegangene, weisungswidrige Telefax-Anmeldung habe erkennen müssen, keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei. Weiter führt sie aus: Bereits im Wiedereinsetzungsgesuch sei vorgetragen, dass nach der Behandlung als Schwarz-Weiß-Anmeldung durch Frau E... von einer fristgerechten Inanspruchnahme der Priorität ausgegangen worden sei; bei Nachreichung des Originals seien von der Patentanwaltsfachangestellten Frau Z... weitere Einträge nicht überprüft und der Vorabversand per Telefax nicht bemerkt worden; auch von Seiten des Patentamts sei erst mit Schreiben vom 16. Juli 2008 ein Hinweis auf Mängel der Anmeldung erfolgt. Mit näheren Ausführungen ist die Antragstellerin der Auffassung, dass die beantragte Wiedereinsetzung wegen unverschuldeter Fristversäumung zu gewähren sei.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts vom 19. Januar 2009 aufzuheben und die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Inanspruchnahme der ausländischen Priorität zu gewähren.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt und die im Amtsverfahren eingereichten eidesstattlichen Versicherungen der Büroleiterin Frau E... und der Patentanwaltsfachangestellten Frau Z... vom 29. Juni 2009 im vorliegenden Verfahren Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet.

Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist erhält gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 MarkenG auf Antrag, wer ohne Verschulden verhindert war, dem Patentamt oder dem Patentgericht gegenüber eine Frist einzuhalten, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat.

Die Antragstellerin hat die am 13. Mai 2008 abgelaufene Frist zur Inanspruchnahme der Priorität der ausländischen Voranmeldung gemäß Art. 4 C PVÜ i. V. m. § 34 Abs. 3 MarkenG versäumt. Denn die per Telefax eingereichte, in groben Schwarz-Weiß-Formen gehaltene inländische Nachanmeldung war hinsichtlich der Darstellung der Marke nicht identisch mit der farbigen, Pastelltönen enthaltenden Voranmeldung (vgl. Art. VI quinquies C II PVÜ). Nachdem die Nachreichung der der Voranmeldung entsprechenden farbigen Wiedergabe erst nach Ablauf der Prioritätsfrist erfolgte, hat das gemäß § 34 Abs. 3 Satz 4 MarkenG i. V. m. Art. 4 D IV Satz 2 PVÜ zur Folge, dass der Prioritätsanspruch verwirkt ist. Der gegen die Versäumung der Prioritätsfrist gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung ist zulässig und begründet.

Die Antragstellerin hat hinreichend dargetan und auch glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden verhindert war, die Frist zur Inanspruchnahme der Priorität der ausländischen Voranmeldung einzuhalten (vgl. § 91 Abs. 1 und 3 MarkenG). Ohne Verschulden ist eine Fristversäumung erfolgt, wenn die übliche Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall zumutbar war. Verschulden von Vertretern ist wie eigenes Verschulden zu werten; Versehen von bloßen Hilfskräften, insbesondere Büropersonal, muss sich der Betroffene nicht zurechnen lassen, sofern er bei der Auswahl und Beaufsichtigung dieser Hilfskräfte keine Obliegenheitsverletzung begangen hat (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG 9. Aufl. § 91 Rdn. 11, 13; 15 m. w. N.).

Nach dem von der Antragstellerin glaubhaft gemachten Geschehensablauf liegt ein nicht zurechenbarer Fehler von Hilfskräften ihrer Vertreter vor.

Das Anmelden einer Marke fällt allerdings in den eigenen Verantwortungsbereich der patentanwaltlichen Tätigkeit; dies bedeutet indessen nicht, dass sich der Anwalt nicht eines -geschulten und zuverlässigen -Büropersonals bedienen und die Anmeldung vorbereiten lassen und es beim Versand einsetzen darf. Die glaubhaft gemachte berufliche Qualifikation und Erfahrung sowie regelmäßige kanzleiinterne Schulung der Büroleiterin der Inlandsvertreter, Frau E..., mit über dreißigjähriger Beschäftigung dort erlaubte die Übertragung der hier maßgeblichen Vorbereitungsarbeiten und den Versand im Zusammenhang mit der inländischen Nachanmeldung unter Inanspruchnahme der Priorität der ausländischen Voranmeldung. Weiterhin ist ihre durchweg sorgfältige Arbeit und Zuverlässigkeit sowie eine regelmäßige begleitende Überwachung glaubhaft dargelegt. Außerdem ist der Bearbeitungsablauf für Anmeldungen unter Inanspruchnahme ausländischer Prioritäten in der Vertreterkanzlei nach dem Vortrag der Vertreter wie nach dem Inhalt der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Frau E... und der Frau Z... so organisiert, dass Fehler bei normalem Ablauf nicht auftreten können und die Wahrung von Fristen gewährleistet ist. Wie von Frau E... weiter eidesstattlich versichert, hat sie bei der Bearbeitung zunächst die Anmeldung gemäß den Weisungen für Farbanmeldungen vorbereitet. Den Darlegungen des Inlandsvertreters sowie der eidesstattlichen Versicherung der Frau E... ist weiter zu entnehmen, dass die zur Unterschrift vorgelegten Anmeldungsunterlagen zutreffend erstellt waren und insbesondere die Sparte "Telefax vorab am" unausgefüllt geblieben ist und nach Prüfung vom Patentanwalt unterschrieben worden sind. Nach Unterschrift durch den Patentanwalt habe sie aus unerklärlichen Gründen die Nachanmeldung aber letztlich als Schwarz-Weiß-Anmeldung bearbeitet und weisungswidrig per Telefax abgeschickt. Zudem ist der eidesstattlichen Versicherung der Patentanwaltsfachangestellten Frau Z... weiter zu entnehmen, dass sie im Rahmen der ihr obliegenden Tätigkeiten bei der Nachreichung des Originals der Anmeldung das Versehen der Vorabeinreichung per Telefax aus unerklärlichen Gründen nicht bemerkt habe.

Es liegt damit ein Versehen vom Büropersonal vor, das der Anmelderin bzw. ihren Vertretern nicht zuzurechnen ist.

Aus der eidesstattlichen Versicherung der Frau Z... ergibt sich darüber hinaus, dass die Wiedereinsetzungsfrist gewahrt ist. Diese am 30. Mai 2008 mit der Nachreichung des Originals der Anmeldung befasste Angestellte hat den Fehler der Telefaxanmeldung nicht bemerkt. Kenntnis von der Fristversäumung haben die Inlandsvertreter damit erst mit Zugang der Mitteilung des Patentamts vom 16. Juli 2008 erhalten. Der am 16. September 2008 eingegangene Wiedereinsetzungsantrag ist damit fristgerecht gestellt worden.

Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr hat der Senat geprüft. Zwar ist das Patentamt, ohne der Anmelderin zuvor rechtliches Gehör zu gewähren, davon ausgegangen, dass die Wiedereinsetzungsfrist nicht gewahrt ist. Indessen ist mit der Beschwerde zunächst im Hauptantrag beantragt worden, die Anmeldung in schwarzweiß als ausreichend anzuerkennen, was, wie ausgeführt, nicht gewährt werden konnte. Insoweit kam eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach allgemeinen Grundsätzen nicht in Betracht. Erst im Verlauf des Beschwerdeverfahrens ist auf Hinweis des Senats der Wiedereinsetzungsantrag als Hauptantrag gestellt worden.

Dr. Vogel von Falckenstein Winter Paetzold Cl






BPatG:
Beschluss v. 19.11.2009
Az: 30 W (pat) 32/09


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