Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Dezember 2002
Aktenzeichen: 29 W (pat) 355/00

(BPatG: Beschluss v. 04.12.2002, Az.: 29 W (pat) 355/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. August 2000 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 16. August 2000 die Anmeldung der Wortmarke

"TextilWirtschaft sports"

für die Waren und Dienstleistungen "Druckereierzeugnisse (Fachzeitschriften)" und "Werbung" wegen des Bestehens eines Freihaltungsbedürfnisses mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Zeichen für die beanspruchten Druckschriften und für die Werbung lediglich darauf hinweise, dass sie den Geschäftszweig der Sportbekleidung betreffe. Die geltend gemachte Voreintragung der Marke "TextilWirtschaft" aus dem Jahr 1979 sei auf Grund einer Verkehrsdurchsetzung erfolgt. Diesbezügliches habe sie für die vorliegende Neuanmeldung nicht vorgetragen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Auffassung, dass der angemeldeten Wortfolge kein Eintragungshindernis entgegenstehe. Bei der Prüfung der Unterscheidungskraft sei ein großzügiger Maßstab anzulegen. Aus der Tatsache, dass Modezeitschriften an der Welt der Mode angelehnte Titel verwendeten, könne nicht geschlossen werden, dass es sich hierbei stets um beschreibende Angaben handle, zumal Titelschutz bereits bei geringfügigen Abweichungen von beschreibenden Worten und Beschaffenheitsangaben entstehe. "TextilWirtschaft" sei zudem ein 1979 aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragenes Zeichen, an dessen Schutzfähigkeit der Bestandteil "sports" teilnehme. Bei der Würdigung des Gesamteindrucks der Marke ergebe sich die Kennzeichnungskraft aus der sprachregelwidrigen Großschreibung des "W" in "TextilWirtschaft", der sprachregelwidrigen Kleinschreibung des Substantivs "Sport" in Verbindung mit dem zusätzlichen "s" bzw. aus dem Umstand, dass das deutsche Adjektiv "sportlich" heißen müsse. Auch gebe es in der Rechtsprechung zahlreiche Beispiele für die Schutzfähigkeit vergleichbarer Zeitschriftentitel. Im Übrigen sei auch der durch Art. 5 des Grundgesetzes garantierte Schutz für Presseunternehmen und deren Tätigkeit - wozu auch die Titelwahl gehöre - zu berücksichtigen. Effektiver Schutz könne erst durch die Eintragung des Druckschriftentitels als Marke erreicht werden. Da heute Titel für Presseerzeugnisse nicht mehr primär als Kennzeichen im Sinne des § 8 Abs. 2 MarkenG, sondern als mediale Funktionsbezeichnungen zu verstehen seien, gebiete es Art. 5 GG, diese auch als Marken einzutragen.

Im Beschwerdeverfahren hat die Anmelderin das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis auf "Textil-Fachzeitschriften für die Textilindustrie, den Textil-Handel und die Handelsvertreter" eingeschränkt.

Sie beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg, da das Zeichen für die nach der zulässigen Einschränkung noch vom Beschwerdeverfahren betroffenen Waren auf Grund der Verkehrsdurchsetzung des Bestandteils "Textilwirtschaft" die erforderliche Unterscheidungskraft aufweist und kein Freihaltebedürfnis besteht (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 MarkenG).

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Denn Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer geläufigen Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH MarkenR 2001, 368 ff - "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten" m.w.N.). Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr (u.a.) zur Bezeichnung der Beschaffenheit oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Hiervon ausgehend besteht "TextilWirtschaft sports" ausschließlich aus Angaben, die den Gegenstand der beanspruchten Waren beschreiben. Dementsprechend fehlt dem Zeichen auch die originäre Unterscheidungskraft, denn es besteht aus zwei nicht unterscheidungskräftigen Bestandteilen, die auch in ihrer maßgeblichen Gesamtheit keinen kennzeichnungskräftigen Begriff ergeben.

Das angemeldete Zeichen setzt sich aus dem deutschen Wort "Textilwirtschaft" und dem aus dem Englischen stammenden Begriff "sports" zusammen. Der Bestandteil "TextilWirtschaft" bezeichnet ohne weiteres verständlich den Wirtschaftszweig, für den die beanspruchten Druckschriften bestimmt sind, woran die werbeübliche Binnengroßschreibung des "W" nichts ändert. "Sports" ist weder eine sprachregelwidrige Form des deutschen Worts "Sport" noch des Adjektivs "sportlich", sondern der englische Begriff für "Sport" (PONS Collins Großwörterbuch Deutsch Englisch English German) und wird von den beteiligten Fachkreisen mit dieser Bedeutung ohne weiteres verstanden, zumal der Begriff "sportswear" für legere, sportliche Kleidung bereits allgemein Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat (Wahrig, Deutsches Wörterbuch 7. Aufl. 2001). Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, beschreibt "TextilWirtschaft sports" damit für die beanspruchten Druckschriften den Gegenstand, mit dem sie sich befassen, nämlich den Geschäftszweig der Sportbekleidung und weist damit für die beanspruchten Waren einen im Vordergrund stehenden Sachinhalt auf.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Anmelderin die Bezeichnung auch als Zeitschriftentitel verwendet. Die Eintragbarkeit von Titeln bemisst sich grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln. An die markenrechtliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bestehen strengere Anforderungen als an die Unterscheidungskraft von Werktiteln gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG. Werktitel dienen im allgemeinen nur der Unterscheidung eines Werks von einem anderen und enthalten in der Regel keinen Hinweis auf den Hersteller oder Inhaber des Werks und damit auf eine bestimmte betriebliche Herkunft. Zudem entsteht der Titelschutz ohne weitere Prüfung mit der tatsächlichen Benutzungsaufnahme, endet aber auch unmittelbar mit der Aufgabe des Gebrauchs, während der Markenschutz eine differenziert zu beurteilende zeitliche Begrenzung hat. Aus der Schutzfähigkeit einer Bezeichnung als Titel kann daher nicht auf die Schutzfähigkeit als Marke geschlossen werden (BGH GRUR 2000, 882 - Bücher für eine bessere Welt).

2. Ebenso wenig kann sich die Anmelderin mit Erfolg mit dem Ziel, aus der Pressefreiheit eine Pflicht zur Eintragung als Marke herzuleiten, auf den Schutz von Art. 5 GG stützen. Der Begriff der Unterscheidungskraft eines Zeichens in seiner Funktion als betrieblicher Herkunftshinweis ist aufgrund seines eindeutigen Zwecks, im unverfälschten Wettbewerb der verschiedenen Hersteller oder Dienstleistungserbringer untereinander die Unterscheidung voneinander zu gewährleisten, einer solchen Auslegung nicht zugänglich. § 8 Abs. 2 MarkenG tangiert den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG nicht. Das Ziel des Schutzes der Pressefreiheit liegt in der Gewährleistung der Meinungsvielfalt als Wesensgehalt einer freien Presse und freier Medien und nicht im Schutz eines Presse- bzw. Medienunternehmens gegenüber Konkurrenten, es sei denn Monopolbildungen auf dem Mediensektor führen zu Beeinträchtigungen der Freiheit der Presse und damit zu Einschränkungen der Informations- und Meinungsfreiheit als solcher (Model/ Müller, Grundgesetz, 10. Aufl., Art. 5 Rn 12; v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl., Art. 5 Rn 24 S. 254). Dies ist jedoch nicht der Fall bei Anwendung der Vorschriften des Markengesetzes auf Zeitungs- oder Zeitschriftentitel im Eintragungsverfahren. Durch sie sind die vorgenannten allgemeinen Ziele nicht in grundrechtswidriger Weise tangiert. Weder wird durch die Versagung von Markenschutz die Möglichkeit der Verlage bei der Titelauswahl ihrer Druckschriften beschränkt oder die sonstige Gestaltung oder der Vertrieb beeinträchtigt noch die Verteidigung der pressespezifischen Rechte behindert. Selbst wenn man davon ausgehen könnte, dass für die Frage des Markenschutzes von Zeitschriftentiteln Art. 5 GG einschlägig wäre, wäre zu berücksichtigen, dass die Schutzversagungsgründe des Markengesetzes in diesem Zusammenhang lediglich die immanenten Schranken gem Art. 5 Abs. 2 GG regelten (vgl. BPatG Beschluss vom 14. August 2002 i.S. 29 W (pat) 31/01).

3. Dies bedarf jedoch nicht der Vertiefung. Denn die Schutzfähigkeit der angemeldeten Wortfolge ergibt sich daraus, dass der Zeichenbestandteil "Textilwirtschaft", der für die Anmelderin mit der Nummer 98 41 52 für "Textil-Fachzeitschriften für den Textil-Einzelhandel und -großhandel für die Textil-Industrie und die -Handelsvertreter" als durchgesetztes Zeichen eingetragen ist. Bei der Beurteilung eines aus mehreren Elementen bestehenden Zeichens ist ausreichend, dass ein Bestandteil die erforderliche Unterscheidungskraft aufweist, sofern dieser Bestandteil im Gesamtzeichen nicht völlig zurücktritt (BPatGE 26, 96 ff - BEKA Robusta, Althammer/Ströbele Markengesetz 6. Auflage 2000, Rn 144 ff, 183 zu § 8 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr steht der Bestandteil "TextilWirtschaft" innerhalb der Wortfolge deutlich im Vordergrund, während "sports" einen lediglich sekundären Hinweis auf den speziellen Inhalt darstellt. Dass die Eintragung des Begriffs "Textilwirtschaft" bereits 1979 erfolgte, steht der Kennzeichnungskraft nicht entgegen. Zwar besteht der Schutz für einen grundsätzlich schutzunfähigen Begriff, der nur deshalb eingetragen wurde, weil er sich im Verkehr für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen durchgesetzt hat, nur solange, wie diese Zurechnung besteht (BGH Urteil vom 10. Juli 1956 I ZR 106/54 - Bücherdienst zur Verkehrsgeltung). Dass insoweit innerhalb der angesprochenen Fachkreise seit 1979 eine Änderung eingetreten sein könnte, ist jedoch für den Senat nicht ersichtlich. Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor. Vielmehr hat die Internetrecherche des Senats unter dem Suchbegriff "TextilWirtschaft" im Zusammenhang mit Druckerzeugnissen ausschließlich Hinweise auf die Anmelderin ergeben. Die Zeitschrift fungiert als offizielles Organ des Bundesverbandes des Deutschen Textileinzelhandels e.V. und der Europäischen Vereinigung der Spitzenverbände des Textileinzelhandels.

Auf Grund des zu Gunsten der Anmelderin überwundenen Freihaltungsbedürfnisses für den Bestandteil "Textilwirtschaft" besteht auch kein Freihaltungsbedürfnis für die anmeldete Wortfolge in ihrer Gesamtheit.

Grabrucker Baumgärtner Richterin Pagenberg ist in Urlaub und kann daher nicht unterzeichnen.

Grabrucker Fa






BPatG:
Beschluss v. 04.12.2002
Az: 29 W (pat) 355/00


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