Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Februar 2002
Aktenzeichen: 26 W (pat) 106/01

(BPatG: Beschluss v. 20.02.2002, Az.: 26 W (pat) 106/01)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren

"kleine handbetätigte Geräte und Behälter für Haushalt und Küche aus Kunststoff"

eingetragene Marke D 53 843/21 Wz NOBLESSE ist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren Marke 2 057 717 Cuisine Noblessedie ua für die Waren

"Behälter für Haushalt, Küche und Badezimmer, insbesondere Abfalleimer, Kosmetikeimer, Wäschebehälter, Aufbewahrungsdosen (nicht aus Metall oder plattiert); kleine handbetätigte Geräte für Haushalt, Küche und Badezimmer (soweit in Klassen 8 und 21 enthalten)"

geschützt ist.

Die Markenstelle für Klasse 21 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluß vom 9. Mai 2001 im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, daß trotz Identität der beiderseitigen Waren keine Verwechslungsgefahr bestehe, weil zwischen den Marken keine markenrechtlich erhebliche Ähnlichkeit vorliege.

In ihrer Gesamtheit wiesen die Marken keine relevanten Übereinstimmungen auf, da die Widerspruchsmarke aus zwei Wörtern bestehe und sie mit der angegriffenen Marke nur in dem zweiten Wort übereinstimme. Zu Verwechslungen könnte es deshalb nur kommen, wenn beträchtliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise die Widerspruchsmarke auf ihr Element "Noblesse" verkürzen würden. Hiervon könne jedoch nicht ausgegangen werden. Die Widerspruchsmarke bestehe aus zwei Begriffen, die beide nicht ohne beschreibenden Bezug zu den geschützten Waren seien. So weise der Begriff "Cuisine" darauf hin, daß die Waren in Bezug zur Küche, also der Kochkunst, stünden, während der Begriff "Noblesse" auf das Besondere, Vornehme der Waren hindeute. Für den angesprochenen Verkehr bestehe mithin kein Bedürfnis, gerade einen der beiden Begriffe zur Benennung der Marke zu nutzen. In ihrer Kennzeichnungskraft seien beide Begriffe gleich schwach. Hingegen ergäbe die konkrete Kombination der beiden französischen Substantive keinen unmittelbaren Sinn. In der Aneinanderreihung der beiden Substantive liege daher gerade die konkrete Eigenart der Marke, die ihre Kennzeichnungskraft ausmache. Eine Reduzierung der Marke auf einen ihrer Bestandteile sei daher nicht möglich. Da die Kennzeichnungen den erforderlichen Abstand einhielten, könne es trotz Warenidentität zu keiner erheblichen Anzahl von Verwechslungen kommen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Ihrer Ansicht nach hält die angegriffene Marke angesichts der möglichen Identität der beiderseitigen Waren nicht den erforderlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke ein. Anders als von der Markenstelle angenommen, komme dem Markenbestandteil "Noblesse" in der Widerspruchsmarke eine selbständig schutzfähige Bedeutung zu, denn dieser Bestandteil präge die Widerspruchsmarke, weil er eine eigenständige kennzeichnende Funktion aufweise. Während der Bestandteil "Cuisine" hinsichtlich der Waren "Küchen- und Haushaltsgeräten" nur eine durchschnittliche bzw keine Kennzeichnungskraft aufweise, komme dem Markenbestandteil "Noblesse" eine vergleichsweise hohe Kennzeichnungsstärke zu. Für diese Annahme spreche der anerkannte Erfahrungssatz, daß der Verkehr dazu neige, Kennzeichen in einer die Merkbarkeit und Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen. Insofern sei das französische Wort "Cuisine" verhältnismäßig schwierig auszusprechen, während "Noblesse" dagegen keine Schwierigkeiten bereite. Anders als "Cuisine" habe "Noblesse" mit der Bedeutung, "Adel", "Würde" und "Großmut" für die in Frage stehenden Waren keinerlei beschreibende Wirkung. Zwar handle es sich bei "Noblesse" um ein Substantiv, in Verbindung mit dem für die betreffenden Waren beschreibenden Markenbestandteil "Cuisine" erhalte "Noblesse" aber einen attributiven und damit prägenden Charakter. Aus Gründen der Bequemlichkeit oder der bewußten Vereinfachung gäben insbesondere längere Bezeichnungen Veranlassung, nach einem den Gesamteindruck prägenden, kennzeichnungskräftigen Bestandteil zu suchen. Schließlich habe die Markenstelle nicht berücksichtigt, daß die betreffenden Waren von einem breiten Publikum gekauft würden, denen Unterschiede weniger auffielen, und daß den Durchschnittsverbrauchern die Unterschiede weniger auffielen als die Übereinstimmungen und die übereinstimmenden Merkmale stärker als die Unterschiede hervortreten würden. Daneben bestehe auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr, weil im Bereich der Gastronomie der Begriff "Cuisine" weit verbreitet sei (Nouvelle Cuisine, Cuisine Francaise), so daß dem Bestandteil "Noblesse" ein Hinweischarakter im Sinne einer Serienmarke zukomme.

Demgemäß beantragt sie sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die kostenpflichtige Zurückweisung der Beschwerde.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluß unter Hinweis auf ein vergleichbares Widerspruchsverfahren, in dem die Widersprechende im Anmeldeverfahren den entgegengesetzten Standpunkt eingenommen habe. Soweit die Widersprechende eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke behaupte, die ohnehin nur der Gesamtmarke zugute käme, werde dies ausdrücklich bestritten. Im übrigen könne es sich bei den beiderseitigen Waren auch um hochpreisige Produkte handeln, die mit erhöhter Aufmerksamkeit erworben würden. Schließlich sei der Verkehr daran gewöhnt, dem Markenbestandteil "Cuisine" in Verbindung mit einem anderen Element als Gesamtbegriff zu begegnen. Niemand käme zB bei "Nouvelle Cuisine", "Cuisine Francaise" darauf, sich etwa an "Nouvelle" oder "Francaise" zu orientieren.

Nachdem die Widersprechende in ihrem eigenen Anmeldeverfahren habe feststellen müssen, daß ihre Marke Schutz allein wegen der Bestätigung fehlender Verwechslungsgefahr mit dem Bestandteil "NOBLESSE" erhalten habe, sei ihr die Aussichtslosigkeit ihres jetzigen Widerspruchs bereits bei Einlegung bewußt gewesen, so daß es der Billigkeit entspreche, ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als unbegründet, denn auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen der jüngeren Marke "NOBLESSE" und der Widerspruchsmarke "Cuisine Noblesse" keine Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Gefahr markenrechtlich erheblicher Verwechslungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, die zueinander in einer Wechselbeziehung stehen, umfassend zu beurteilen. Zu den maßgeblichen Umständen gehört insbesondere die Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren sowie die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 1995, 216, 219 - Oxygenol II).

Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit ist im vorliegenden Fall von Warenidentität auszugehen, denn beide Kennzeichnungen sind ua für "kleine handbetätigte Geräte für Haushalt, Küche ..." bestimmt. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "Cuisine Noblesse" wird angesichts der vorgelegten Umsatzaufstellung zugunsten der Widersprechenden als erhöht angenommen, wobei die gesteigerte Kennzeichnungskraft allerdings nur für die Gesamtmarke gelten kann. Selbst wenn an den Abstand der sich gegenüberstehenden Marken danach erhebliche Anforderungen zu stellen sind, ist dieser gewahrt.

Bei der Prüfung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Kennzeichen ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen (vgl EuGH aaO - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND mwNachw). Insoweit weichen die sich gegenüberstehenden Bezeichnungen "NOBLESSE" und "Cuisine Noblesse" so deutlich voneinander ab, daß Verwechslungen ausgeschlossen sind.

Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Übereinstimmung prägender Markenbestandteile besteht ebenfalls nicht. Zwar kann ausnahmsweise einem einzelnen Markenbestandteil eine besondere, das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft zugemessen werden, wenn diesem Bestandteil in der Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt und er deshalb geeignet ist, die Erinnerung an das Gesamtzeichen wachzurufen, während die weiteren Elemente der Marke nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Mithin setzt die Feststellung der Prägung des Gesamteindrucks eines mehrteiligen Zeichens durch einen Bestandteil voraus, daß die weiteren Bestandteile so in den Hintergrund treten, daß sie für den Verkehr an Bedeutung verlieren und zum Gesamteindruck des Zeichens nicht beitragen (vgl BGH WRP 2000, 173 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Bei dieser Beurteilung ist von einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren abzustellen (EuGH GRUR Int 1999, 734 - Lloyd; BGH aaO - ATTACHÉ/TISSERAND).

Entgegen der von der Widersprechenden vertretenen Auffassung kann nicht davon ausgegangen werden, daß dem Zeichenteil "Noblesse" eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt. Zwar trifft es zu, daß der Bestandteil "Noblesse" mit seiner Bedeutung "Adel", "Würde", "Großmut" in bezug auf die hier in Rede stehenden "Geräte und Behälter für den Haushalt" keine eindeutig beschreibende Aussage darstellt, dies trifft aber auch auf den weiteren Bestandteil "Cuisine" zu, denn auch dieser Markenbestandteil läßt mehrere Deutungen zu. So läßt er nicht erkennen, ob die damit gekennzeichneten Küchenbedarfsartikel zur Ausstattung einer Küche oder zur kunstgerechten Anfertigung bestimmter Speisen dienen sollen. Als unklare, verschwommene Angabe ist dieser Markenbestandteil daher zu einer hinreichend konkreten Beschreibung von Küchenbedarfsartikeln ungeeignet, zumal auch ein erheblicher Teil der betreffenden Waren von vornherein kaum geeignet sein dürfte, zu einer "würdigen Küche" beizutragen oder einen Bezug zur "Kochkunst" aufzuweisen. Dem nicht eindeutig beschreibenden Begriff "Cuisine" kommt deshalb im Vergleich zu dem weiteren Bestandteil "Noblesse" keine untergeordnete Bedeutung zu. Gegen eine selbständig kennzeichnende Stellung des Bestandteils "Noblesse" in der Widerspruchsmarke spricht auch, daß einem großen Teil der durchschnittlich informierten und aufmerksamen Verbraucher die ebenfalls mit "Cuisine" gebildeten Gesamtbegriffe wie "Nouvelle Cuisine", "Cuisine Francaise", "Cuisine Bourgeoise" und "Bonne Cuisine" bekannt sind und sie deshalb auch die ebenso gebildete Widerspruchsmarke "Cuisine Noblesse" als Einheit ansehen, bei der der Bestandteil "Cuisine" durch das weitere Element "Noblesse" ergänzt wird. Für eine "Prägung" der Widerspruchsmarke durch den Bestandteil "Noblesse" spricht auch nicht etwa eine schwierigere Aussprache von "Cuisine", zumal dieser französische Begriff aufgrund der genannten Wortkombinationen gerade im Zusammenhang mit der "Kochkunst" häufig vorkommt und damit auch den inländischen Verbrauchern ohne wesentliche Französischkenntnisse geläufig sein dürfte. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß der angesprochene Verkehr auch wegen der relativen Kürze der Widerspruchsmarke keine Veranlassung hat, sie gerade auf das an zweiter Stelle stehende Element "Noblesse" zu verkürzen.

Die Gefahr assoziativer Verwechslungen der Marke (§ 9 Abs 1 Nr 2 letzter Halbs MarkenG) ist ebenfalls zu verneinen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß dem Bestandteil "Noblesse" ein Hinweischarakter auf die Inhaberin der älteren Marke zukommt. Weder hat die Widersprechende den Verkehr bereits durch die Benutzung mehrerer eigener, entsprechend gebildeter Serienmarken an dieses Wort als Stammbestandteil gewöhnt, noch liegen sonstige Umstände vor, die für den erforderlichen Hinweischarakter sprechen könnten.

Eine mittelbare Verwechslungsgefahr vermag auch nicht der Hinweis der Widersprechenden auf den Umstand zu begründen, daß der Begriff "Cuisine" im Bereich der Gastronomie weit verbreitet sei. Bei den Begriffen wie "Nouvelle Cuisine", "Cuisine Francaise" handelt es sich um allgemeine, feststehende Gesamtbegriffe; dem Bestandteil "Noblesse" allein kommt deshalb kein Hinweischarakter auf die Widersprechende zu.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs 1 MarkenG bestand kein Anlaß. Auszugehen ist von dem Grundsatz, daß jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst trägt. Ein Abweichen von diesem Grundsatz wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn ein Verhalten vorliegen würde, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Hierfür lagen jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Das Einnehmen eines gegensätzlichen Standpunkts in einem anderen Verfahren gegenüber der Markenstelle läßt die Einlegung des Widerspruchs im vorliegenden Verfahren noch nicht unbillig erscheinen, zumal eine Entscheidung des Bundespatentgerichts zur Frage der Verwechslungsgefahr bei Einlegung des Rechtsmittels noch nicht vorlag.

Kraft Richterin Eder ist infolge Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert.

Kraft Dr. Hock Fa






BPatG:
Beschluss v. 20.02.2002
Az: 26 W (pat) 106/01


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