Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Dezember 2010
Aktenzeichen: 35 W (pat) 19/10

(BPatG: Beschluss v. 20.12.2010, Az.: 35 W (pat) 19/10)

Tenor

1.

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamts vom 7. Juli 2010 aufgehoben und die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Antragstellerin auferlegt.

2.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

I.

Der Antragsgegner war Inhaber des am 20. Juni 2008 angemeldeten und am 25. September 2008 eingetragenen Gebrauchsmusters ... mit der Bezeichnung "... ", das die Antragstellerin mit Löschungsantrag vom 3. August 2009 angegriffen hat.

Der Antragsgegner, dem der Löschungsantrag am 9. Oktober 2009 zugestellt worden ist, hat mit Schreiben vom 3. November 2009, das per Fax beim Deutschen Patentund Markenamt am selben Tag eingegangen ist, auf das Streitgebrauchsmuster -auch für die Vergangenheit -verzichtet und weiterhin ausdrücklich erklärt, dass dem Löschungsantrag nicht widersprochen werde.

Die Antragstellerin hat beantragt, dem Antragsgegner die Verfahrenskosten aufzuerlegen, weil er trotz Kenntnis der Schutzunfähigkeit das Streitgebrauchsmuster und einer Löschungsandrohung im Rahmen von Verletzungsstreitigkeiten nicht auf das Streitgebrauchsmuster verzichtet und so die Stellung des Löschungsantrags erforderlich gemacht habe.

Mit Beschluss vom 7. Juli 2010 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamts dem Antragsgegner als der unterlegenen Partei die Kosten des Verfahrens auferlegt. Der Antragsgegner habe trotz der Löschungsandrohung durch die Antragstellerin im Schriftsatz vom 26. Mai 2009 erst nach Stellung des Löschungsantrags auf das Streitgebrauchsmuster verzichtet. Da der Antragsgegner somit Veranlassung zur Stellung des Löschungsantrags gegeben habe, seien ihm die Kosten des Löschungsverfahrens aufzuerlegen, obwohl er dem Löschungsantrag nicht widersprochen habe. § 93 ZPO finde bei dieser Sachlage keine Anwendung.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Die Beschwerde wird damit begründet, der Schriftsatz der Antragstellerin vom 26. Mai 2009 habe seinem Wortlaut und Sinn nach keine unbedingte Löschungsaufforderung enthalten, sondern sei im Rahmen Verletzungsstreitigkeiten erfolgt. In diesem Zusammenhang sei auch eine Bemerkung im Schriftsatz der Antragstellerin vom 9. Juli 2009 zu sehen, die auf eine Löschungsandrohung Bezug nehme und auch nicht die Antragstellerin betreffe.

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und der Antragstellerin die Kosten des Löschungsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

Die Antragstellerin legt einen umfangreichen Schriftwechsel mit dem Antragsgegner vor, der in außergerichtlichen wettbewerbsund schadensersatzrechtlichen Streitigkeiten betreffend eine Verletzung des Streitgebrauchsmusters geführt worden ist, darunter die Schriftsätze vom 26. Mai 2009 und vom 9. Juli 2009. Die Antragstellerin ist der Ansicht, aus diesen Schriftsätzen habe der Antragsgegner eine ernsthafte Löschungsandrohung entnehmen können und Gelegenheit gehabt, die Löschung des Streitgebrauchsmusters zu beantragen. Dies habe er aber nicht getan und somit Veranlassung zur Stellung des Löschungsantrags gegeben. Die Gebrauchsmusterabteilung habe dem Antragsgegner daher die Kosten des Löschungsverfahrens zu Recht auferlegt.

Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Die Beschwerde ist formund fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg, denn nach Auffassung des Senats hat die Antragstellerin gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG und § 93 ZPO die Verfahrenskosten zu tragen.

Wie die Gebrauchsmusterabteilung zutreffend berücksichtigt hat, gilt im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren für die Kostenentscheidung neben dem Unterliegensprinzip des § 91 ZPO auch die Regelung des § 93 ZPO, wonach bei sofortigem Anerkenntnis in der Regel die Kosten dem Kläger (hier: Löschungsantragstellerin) aufzuerlegen sind, sofern dieser durch sein Verhalten nicht Veranlassung zur Klage (hier: Stellung des Löschungsantrags) gegeben hat. Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner nach Erhalt des Löschungsantrags innerhalb der Widerspruchsfrist diesem nicht widersprochen und auf das Streitgebrauchsmuster -auch für die Vergangenheit verzichtet, was einem sofortigen Anerkenntnis gleichkommt (vgl. zu allem Bühring, Gebrauchsmustergesetz, 7. Aufl., § 17 Rn. 60 ff.; Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., Rn. 21a, 24 zu § 17 GebrMG), was grundsätzlich zur Kostenfolge des § 93 ZPO führt.

Eine Anwendung des § 93 ZPO kommt allerdings nicht in Betracht, da der Antragsgegner durch sein Verhalten keinen Anlass zur Stellung des Löschungsantrags gegeben hat.

Nach der Rechtsprechung ist es, um die Rechtsfolge des § 93 ZPO zu vermeiden, erforderlich, dass der Gebrauchsmusterinhaber vor Stellung des Löschungsantrags ernstlich, klar und bestimmt unter Nennung der Gründe, die einen Löschungsanspruch rechtfertigen könnten, und mit ausreichender Fristsetzung schriftlich zur freiwilligen Aufgabe des Gebrauchsmusters aufgefordert wird, d. h., dass eine unbedingte Löschungsandrohung erfolgt ist (vgl. Bühring, a. a. O., § 17 Rn. 67 ff.; Benkard, a. a. O., Rn. 21a, 22 zu § 17 GebrMG). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Der Schriftsatz des Vertreters der Antragstellerin vom 26. Mai 2009 enthält zwar die allgemeine Ankündigung eines Löschungsantrags und nennt auch die Gründe, weshalb die Antragstellerin das Streitgebrauchsmuster für schutzunfähig hält, es fehlt aber an einer konkreten Aufforderung zur freiwilligen Aufgabe des Schutzrechts. Der Schriftsatz enthält vielmehr eine Androhung im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Unterlassungsund Schadensersatzansprüchen wegen unberechtigter Abmahnungen. Nur hierauf bezieht sich die Fristsetzung. Eine konkrete Fristsetzug zur Aufgabe des Streitgebrauchsmusters kann dagegen dem Schreiben nicht entnommen werden. Auch die Erwähnung einer Löschungsandrohung im Schriftsatz vom 9. Juli 2009 erlaubt keine Rückschlüsse auf eine hinreichend ernsthafte Androhung mit Fristsetzung. In dem zitierten Schriftsatz ist nur von einer "angekündigten Löschung des Gebrauchsmusters" die Rede.

Allerdings kann die Aufforderung zur freiwilligen Aufgabe entbehrlich sein, wenn sie mit Sicherheit ohne Erfolg geblieben wäre. Dies ist hier aber ebenfalls weder vorgetragen worden noch ersichtlich. An die Darlegung der voraussichtlichen Erfolglosigkeit sind strenge Anforderungen zu stellen. So ist Erfolglosigkeit noch nicht anzunehmen, wenn eine Verletzungsklage nur angedroht wird oder wenn aus dem Gebrauchsmuster lediglich eine Verwarnung, d.h. ein ernsthaftes und endgültiges Begehren auf Unterlassung der Benutzung des Gebrauchsmustergegenstands erfolgt (BPatGE 22, 57, 60; Bühring a. a. O., Rn. 84 f.; vgl. dazu auch Busse, Patentgesetz, 6. Aufl., Rn. 49 zu § 17 GebrMG; Benkard, a. a. O., Rn. 23 zu § 17 GebrMG; für das Nichtigkeitsverfahren BPatG GRUR-RR 2009, 325, 326).

Wie bereits oben ausgeführt, ist dem Schriftwechsel der Beteiligten, der nach der Löschungsandrohung weitergeführt worden ist, zu entnehmen, dass zwischen den Beteiligten in erster Linie über Unterlassungsund Schadensersatzansprüche wegen unberechtigter Abmahnungen sowie über wettbewerbsrechtliche Tatbestände gestritten wurde und dass der Antragsgegner der Antragstellerin mehrmals eine Lizenz an dem Streitgebrauchsmuster gegen ein geringes Entgelt angeboten hat. Dieser Streitverlauf bietet somit noch keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass eine ernsthafte und endgültige Aufforderung zur freiwilligen Aufgabe des Streitgebrauchsmusters mit gleichzeitiger konkreter Löschungsandrohung nebst Fristsetzung mit Sicherheit ohne Erfolg geblieben wäre.

2. Die Beschwerdegegnerin hat als Unterlegene die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG, § 84 Abs. 2 PatG, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

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BPatG:
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Az: 35 W (pat) 19/10


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