Landgericht Detmold:
Beschluss vom 3. Februar 2009
Aktenzeichen: 4 Qs 172/08

(LG Detmold: Beschluss v. 03.02.2009, Az.: 4 Qs 172/08)

Unterdurchschnittliche Dauer der Hauptverhandlung von 13 bzw. 20 Minuten rechtfertigt als Bemessungskriterium "Umfang der Anwaltstätigkeit" und sonstigen im Ergebnis durchschnittlichen Bemessungskriterien die Unterschreitung der Mittelgebühr der Terminsgebühr als Rahmengebühr auf 1/4 bzw. 1/3 des Gebührenrahmens

Tenor

Die Beschwerde wird verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Durch Bußgeldbescheid vom 17. Januar 2008 - Az. 099.72929.5 - setzte der Landrat des Kreises Lippe gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 61 km/h (§§ 41 Abs. 2, 49 StVO; §§ 24, 25 Abs. 2 a StVG; 11.3.9 BKat; § 4 Abs. 1 BKatV) eine Geldbuße in Höhe von 275,00 EUR fest. Zugleich wurde gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer von zwei Monaten verhängt und die Eintragung von vier Punkten in das Verkehrszentralregister angeordnet. Gegen den Bußgeldbescheid legte der Betroffene Einspruch ein.

Am 18. April 2008 fand ein erster Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht E statt. Nachdem der durch den Beschwerdeführer anwaltlich vertretene Betroffene bestritten hatte, das Fahrzeug zur Tatzeit geführt zu haben, endete der Termin nach 13 Minuten ohne Vernehmung der geladenen zwei Zeugen. Das Amtsgericht gab daraufhin ein anthropologisches Vergleichsgutachten in Auftrag. Nach einem weiteren 20-minütigen Hauptverhandlungstermin am 18. Juni 2008, in dem der Sachverständige sein Gutachten mündlich erstattete, wurde der Betroffene freigesprochen. Die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen erlegte das Amtsgericht der Landeskasse auf. Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 20. Juni 2008 beantragte der Beschwerdeführer Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 927,61 EUR zur Erstattung festzusetzen. Dabei brachte er für die Vertretung des Betroffenen in den beiden Hauptverhandlungsterminen - ausgehend von dem Gebührenrahmen der Nr. 5110 VV RVG - jeweils eine mittlere Terminsgebühr in Höhe von 215,00 EUR zuzüglich anteiliger Umsatzsteuer, d.h. Terminsgebühren in Höhe von insgesamt 511,70 EUR brutto in Ansatz.

Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Rechtspflegerin bei dem Amtsgericht Detmold die angemeldeten Terminsgebühren um einen Betrag in Höhe von 213,21 EUR einschließlich Umsatzsteuer gekürzt und die dem Betroffenen aus der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen - im Übrigen antragsgemäß - auf insgesamt 714,40 EUR festgesetzt. Die Absetzung hat sie damit begründet, dass die angemeldeten Mittelgebühren unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 RVG - namentlich der Schwierigkeit und des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit, der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Betroffenen und insbesondere der deutlich unterdurchschnittlichen Terminsdauer von 13 bzw. 20 Minuten - als unbillig anzusehen seien. Demgegenüber rechtfertige allein das zweimonatige Fahrverbot für sich genommen nicht den Ansatz einer Mittelgebühr. Für die 13-minütige Hauptverhandlung am 18. April 2008 hat die Rechtspflegerin, entsprechend 1/4 des Gebührenrahmens, eine Terminsgebühr in Höhe von 107,50 EUR und für den 20-minütigen Hauptverhandlungstermin am 18. Juni 2008, entsprechend 1/3 des Gebührenrahmens, eine Terminsgebühr in Höhe von 143,33 EUR zuzüglich anteiliger Umsatzsteuer für angemessen gehalten.

Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsmittel. Er beruft sich auf eine falsche und unvollständige Gewichtung der Bemessungskriterien des § 14 RVG. So sei die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit aufgrund der Identitätsproblematik und des Sachverständigengutachtens als überdurchschnittlich einzustufen; die Einholung eines Sachverständigengutachtens habe Ausnahmecharakter. Bei dem Umfang des anwaltlichen Mandats müsse zudem der Zeitaufwand für die Terminsvorbereitung und insbesondere der Zeitaufwand für die Anreise des Verteidigers von seinem Kanzleisitz in C nach E und die Rückreise (für beide Termine jeweils zwei Stunden reine Fahrtzeit) Berücksichtigung finden. Letzterer werde durch das Tage- und Abwesenheitsgeld nach VV 7005 Nr. 1 RVG nicht annähernd angemessen vergütet. Hinzu komme, dass die Angelegenheit für den Betroffenen wegen des Fahrverbots von zwei Monaten eine überragende Bedeutung gehabt habe.

II.

Dem Rechtsmittel ist kein Erfolg beschieden.

Die gemäß § 46 OWiG, § 464 b Abs. 3 StPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 ZPO, §§ 304 Abs. 2, 311 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Die von der Rechtspflegerin durch den angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss vorgenommene Absetzung der Terminsgebühren ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht hat dazu im Rahmen des Beschwerdeverfahrens unter anderem folgendes ausgeführt:

"Im Rahmen der Tätigkeit des Verteidigers in den Hauptverhandlungen vor dem Amtsgericht - Einzelstrafrichter - E am 18. April 2008 und am 18. Juni 2008 sind die angemeldeten Terminsgebühren nach Nr. 5110 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) entstanden. Die Höhe dieser Gebühren ist unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 RVG zu beurteilen.

Bereits bei einer Dauer der Hauptverhandlung von 30 Minuten und sonstigen durchschnittlichen Merkmalen bleibt die neuere Rechtsprechung zur Terminsgebühr nach Einführung des RVG überwiegend unter der Mittelgebühr. Vorliegend dauerte die Hauptverhandlung am 18. April 2008 lediglich 13 Minuten und ist daher als unterdurchschnittlich zu beurteilen.

Gleiches gilt für die 20-minütige Hauptverhandlung am 18. Juni 2008. Durchschnittliche Hauptverhandlungstermine vor dem Amtsgericht dauern grundsätzlich länger.

Zur nahezu pünktlich begonnenen Hauptverhandlung am 18. April 2008 waren zwei Zeugen geladen, die unvernommen entlassen wurden. In der pünktlich begonnenen Hauptverhandlung am 18. Juni 2008 war lediglich ein Sachverständiger geladen, der sein Gutachten mündlich erstattet hat.

Diese Tatsachen weisen gerade mit Blick auf die Dauer der Hauptverhandlung auf die Unterdurchschnittlichkeit des Aufwands der anwaltlichen Tätigkeit in den Hauptverhandlungen als Kriterium des § 14 RVG hin.

Die weiteren Kriterien des § 14 RVG sind bezogen auf die anwaltliche Tätigkeit als in dieser (zweiten) Hauptverhandlung als durchschnittlich bis unterdurchschnittlich einzustufen. Grundsätzlich bestimmt der Rechtsanwalt die Höhe der Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 RVG nach billigem Ermessen. Diese Bestimmung ist allerdings nicht verbindlich, wenn sie nach Ansicht des zahlungspflichtigen Dritten unbillig ist. Zahlungspflichtiger Dritter ist im vorliegenden Fall die Landeskasse, die gemäß Nr. 145 RiStBV am Kostenfestsetzungsverfahren zu beteiligen ist. Unbilligkeit liegt nach wohl unstreitiger Auffassung dann vor, wenn die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr um mehr als 20 % über der vom erstattungspflichtigen Dritten als angemessen angesehenen Höhe der Gebühr liegt.

Das Kriterium des § 14 RVG "Vermögens- und Eikommensverhältnisse des Auftraggebers" ist hinsichtlich des Betroffenen übereinstimmend mit dem Beschwerdeführer als durchschnittlich zu beurteilen.

Gleiches gilt für das Kriterium "Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit" (durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit), welches sogar als leicht unterdurchschnittlich bewertet werden kann. Die Angelegenheit wies keine rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten auf. Fraglich war lediglich, ob der Betroffene das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Ordnungswidrigkeit gefahren hat.

Lediglich das weitere Kriterium "Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber" ist als leicht überdurchschnittlich zu beurteilen, rechtfertigt aber für sich allein nicht zwingend den Ansatz der Mittelgebühr. Dabei begründet das angedrohte Fahrverbot und die damit verbundenen Eintragungen in das Verkehrszentralregister nicht zwangsläufig pauschal den Ansatz der Mittelgebühr.

Soweit der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 5. November 2008 ausführt, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens für eine überdurchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit spricht, kann diesem nicht gefolgt werden. Vielmehr ist in Verkehrsordnungswidrigkeiten mit anwaltlicher Verteidigung die Einholung (oder zumindest die Beantragung der Einholung) eines Sachverständigengutachtens nahezu Standard geworden. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass nur die anwaltliche Tätigkeit in diesem Hauptverhandlungstermin für die Bemessung der hierfür entstandenen Terminsgebühr zu bewerten ist.

Soweit der Beschwerdeführer ausführt, dass der Zeitaufwand der Terminsvorbereitung und der Geschäftsreisen zur Wahrnehmung der Hauptverhandlungen im Rahmen des Kriteriums "Umfang der anwaltlichen Tätigkeit" zu berücksichtigen sei, ist dies unzutreffend. Die Reisezeit für Fahrten vom Sitz der Kanzlei des Beschwerdeführers zum Gericht und zurück werden durch die Tage- und Abwesenheitspauschale bei einer Geschäftsreise nach Nr. 7005 VV RVG abgegolten. Die Terminsgebühren entstehen - anders als ehemals §§ 105, 83 BRAGO - für die Teilnahme des Rechtsanwalts an den Hauptverhandlungen und nicht für die Vorbereitung derselbigen. Diese Tätigkeiten des Rechtsanwalts werden durch die jeweilige Verfahrensgebühr abgegolten. Die Bemessung einer bestimmten Höhe weiterer entstandener Gebühren führt dabei nicht zwangsläufig zu einer gleichen Bemessung der Terminsgebühren.

Unter Berücksichtigung des unterdurchschnittlichen Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit und damit der Dauer der Hauptverhandlung als Hauptkriterium der Höhe der Terminsgebühr und der übrigen Kriterien des § 14 RVG sehe ich vorliegend bezüglich der anwaltlichen Tätigkeit in der 13-minütigen Hauptverhandlung am 18. April 2008 eine Terminsgebühr in Höhe von 107,50 EUR (1/4 des Gebührenrahmens) und für die Tätigkeit des Rechtsanwalts in dem Hauptverhandlungstermin am 18. Juni 2008 eine Terminsgebühr in Höhe von 143,33 EUR (1/3 des Gebührenrahmens) als gerechtfertigt und angemessen an. Der Ansatz dieser Gebühr wird durch die angemeldete Terminsgebühren in Höhe von jeweils 215,00 EUR um deutlich mehr als 20 % überschritten, so dass die durch den Rechtsanwalt bestimmte Höhe der Terminsgebühren damit als unbillig anzusehen und daher nicht verbindlich ist. Die Gebühren sind daher unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtssprechung zur Höhe der Terminsgebühr - wie geschehen - neu zu bestimmen. Die Ermäßigung der angemeldeten Terminsgebühren ist daher zutreffend erfolgt."

Die Kammer tritt der ausführlichen Stellungnahme des Bezirksrevisors bei. Unter Zugrundelegung der gemäß § 14 RVG relevanten Bemessungskriterien sind die nunmehr festgesetzten Terminsgebühren der Höhe nach angemessen. Nach Auffassung der Kammer sind Umfang und Schwierigkeit der vorliegend zu bewertenden Anwaltstätigkeit als unterdurchschnittlich einzustufen. Beide Hauptverhandlungstermine waren mit 13 und 20 Minuten nur von kurzer Dauer. Die Bußgeldangelegenheit wies keine tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf. In der Sache ging es um einen einfach gelagerten Sachverhalt, bei dem lediglich die Frage zu klären war, ob der Betroffene das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt hat. Die Einholung eines anthropologischen Vergleichsgutachtens gehört in Bußgeldverfahren zur gängigen Praxis. Die Gutachtenerstattung erfolgte mündlich in dem Termin am 18. Juni 2008 und hat - wie die Terminsdauer von 20 Minuten und der daraufhin ergangene Freispruch zeigen - zu einem schnellen Ergebnis geführt. Weitere Erhebungen sind danach offensichtlich nicht mehr erforderlich gewesen. Eine andere Gebührenbemessung rechtfertigen - worauf der Bezirksrevisor zu Recht verwiesen hat - weder die von dem Beschwerdeführer angeführten Reisezeiten noch das angedrohte zweimonatige Fahrverbot. Die Terminsgebühren dienen gebührenrechtlich nicht dem Ausgleich der von dem Beschwerdeführer für zu niedrig befundenen Tage- und Abwesenheitspauschale. Ebenso kann das Fahrverbot als einziger, leicht überdurchschnittlich zu bewertender Bemessungsfaktor hier nicht die Rahmenmittelgebühr begründen. Letzteres gilt umso mehr, als es bereits an einem Vortrag zu den konkreten Auswirkungen des Fahrverbots für den Betroffenen fehlt.

Die weitere Beschwerde war nicht zuzulassen.






LG Detmold:
Beschluss v. 03.02.2009
Az: 4 Qs 172/08


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