Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Oktober 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 117/04

(BPatG: Beschluss v. 18.10.2005, Az.: 27 W (pat) 117/04)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Markenabteilung 9.1 des Deutschen Patentamts vom 25. Februar 2004 aufgehoben.

2. Der Antragstellerin wird die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr mit dem Zuschlag gewährt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Inhaberin der am 26. Oktober 1992 angemeldeten und am 25. Februar 1993 in das Markenregister eingetragenen Wortmarke 2 031 027. Die Gebühr für die Verlängerung der Schutzdauer ist weder bei Fälligkeit am letzten Tag der Schutzdauer noch zwei Monate danach, also bis zum 31. Dezember 2002, bezahlt worden. Die Antragstellerin firmierte bis zum Frühjahr 2003 als "Agentur Singhoff GmbH Textilvertrieb" mit Sitz Robert-Koch-Straße 10, 6096 Raunheim (neue Postleitzahl: 65479).

Mit Schreiben des Patentamts vom 26. Februar 2003 betreffend "Information über den Ablauf der Schutzdauer", gerichtet an "Dorothea Singhoff, Fa. Schumacher, Robert-Koch-Str. 10, 65479 Raunheim", wurde darauf hingewiesen, dass die Verlängerungsgebühr von 600,-€ zuzüglich Zuschlag von 50,-€, insgesamt 650,-€, noch bis zum 30. April 2003 gezahlt werden könne. Das Schreiben ging an die Dienststelle Jena des Deutschen Patent- und Markenamts zurück mit dem Vermerk der Deutschen Post "Empfänger/Firma unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln".

Mit Schriftsatz ihrer früheren Bevollmächtigten vom 16. April 2003, beim Patentamt eingegangen am 17. April 2003, teilten diese die Änderung des Firmennamens und der Anschrift der Antragstellerin mit und beantragten die entsprechende Änderung im Register. Mit Schreiben vom 19. Juni 2003, zugestellt am 23. Juni 2003, teilte die Markenabteilung den Bevollmächtigten mit, die Marke 2 031 027 könne nicht mehr umgeschrieben werden, da die Schutzdauer dieser Marke am 26. Oktober 2002 abgelaufen und innerhalb der Nachfrist nicht verlängert worden sei.

Mit Schreiben vom 18. August 2003, beim Patentamt eingegangen am 22. August 2003, wandte sich die Antragstellerin selbst an die Markenstelle und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wobei sie erläuterte, dass nach der Verlegung des Firmensitzes von Raunheim nach Mannheim ein Teil der Verwaltung, unter anderem die der Marken, in Raunheim verblieben und von Frau Marianne Singhoff, der Mutter des Inhabers der Antragstellerin, betreut worden sei, und zwar stets zuverlässig und ohne Beanstandungen. Infolge gesundheitlicher Beeinträchtigungen von Frau Singhoff aufgrund einer Krebserkrankung sei es zu der Nichtzustellung der Information über den Ablauf der Schutzdauer vom 26. Februar 2003 gekommen.

Bereits am 13. August 2003 hatte die Antragstellerin die Gebühr nebst Zuschlag überwiesen, die Zahlung wurde am 18. August 2003 vom Patentamt als eingegangen gebucht.

Die Markenabteilung 9.1 des Deutschen Patent- Markenamts hat mit Beschluss vom 20. Januar 2004 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen, weil die Zahlungsfrist nicht unverschuldet versäumt worden sei. Die Tatsache, dass das Schreiben der Markenabteilung die Antragstellerin nicht erreicht habe, sei bedeutungslos, weil mit Inkrafttreten des Patentkostengesetzes die Markeninhaber selbst für die Wahrnehmung der Zahlungsfristen verantwortlich seien, die Antragstellerin aber eingeräumt habe, die Fristen aus den Augen verloren zu haben.

Gegen diese am 26. Januar 2004 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 25. Februar 2004 eingegangene Beschwerde der Antragstellerin. Sie ist der Auffassung, dass die beantragte Wiedereinsetzung wegen unverschuldeter Fristversäumung zu gewähren sei. Sie trägt vor, die Aussage in dem vom Inhaber der Antragstellerin selbst formulierten Wiedereinsetzungsantrag, man habe die Fristen aus den Augen verloren, habe sich ausschließlich auf die Firmeninhaber als Personen bezogen, keineswegs auf die mit diesen Aufgaben intern beauftragte Frau Marianne Singhoff, was schon daraus erkennbar sei, dass in allen anderen Fällen die Zahlungen fristgerecht erfolgt seien. Von der versäumten Frist habe sie erstmals am 23. Juni 2003 mit Eingang des Schreibens der Markenstelle vom 19. Juni 2003 Kenntnis erhalten. Zur weiteren Glaubhaftmachung der bereits im Wiedereinsetzungsantrag angesprochenen Krebserkrankung der Frau Marianne Singhoff und der infolge der einzunehmenden Medikamente nicht auszuschließenden nicht vorhersehbaren temporären Konzentrationsstörungen legt sie zwei ärztliche Atteste vor.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des Deutschen Patentamt- und Markenamts vom 20. Januar 2004 aufzuheben und die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr mit dem Zuschlag zu gewähren.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet.

Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist erhält gemäß § 91 Abs 1 Satz 1 MarkenG auf Antrag, wer ohne Verschulden verhindert war, dem Patentamt oder dem Patentgericht gegenüber eine Frist einzuhalten, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat.

Die Antragstellerin hat die am Mittwoch, den 30. April 2003, abgelaufene Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr mit Zuschlag versäumt mit der Folge, dass gemäß § 47 Abs 6 MarkenG die Eintragung der Marke zu löschen war. Der gegen die Versäumung dieser Frist binnen zwei Monaten nach Kenntniserlangung von der Versäumung (§ 91 Abs 2 MarkenG) unter Nachholung der Gebührenzahlung gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung ist zulässig und begründet.

Die Antragstellerin hat hinreichend dargetan und auch glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden verhindert war, die Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr mit dem Zuschlag einzuhalten (vgl § 91 Abs 1 und 3 MarkenG). Ohne Verschulden ist eine Fristversäumung erfolgt, wenn die übliche Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall zumutbar war. Verschulden von Vertretern ist wie eigenes Verschulden zu werten; Versehen von bloßen Hilfskräften, insbesondere Büropersonal, muss sich der Betroffene nicht zurechnen lassen, sofern er bei der Auswahl und Beaufsichtigung dieser Hilfskräfte keine Obliegenheitsverletzung begangen hat (vgl Ströbele/Hacker MarkenG 7. Aufl § 91 Rdn 16; 18 mwN).

Wenngleich die infolge Falschadressierung unterbliebene Zustellung der Information über den Ablauf der Schutzdauer, wie die Markenstelle zutreffend dargelegt hat, rechtlich unbeachtlich ist, liegt gleichwohl nach dem von der Antragstellerin glaubhaft gemachten Geschehensablauf ein nicht zurechenbarer Fehler der mit der Verwaltung der Markenangelegenheiten betrauten Frau Marianne Singhoff vor. Die glaubhaft gemachte langjährige Erfahrung von Frau Singhoff erlaubte die Übertragung der hier maßgeblichen Aufgaben im Zusammenhang mit der Gebührenzahlung. Aus der weiter dargelegten sorgfältigen Arbeit und Zuverlässigkeit lässt sich auch eine ständige begleitende Überwachung entnehmen. Es ist nach alledem davon auszugehen, dass die Verwaltung der Markenangelegenheiten der Antragstellerin so organisiert war, dass Fristversäumnisse bei normalem Ablauf nicht vorkommen konnten.

Wie sich aus den zulässigerweise (vgl Ströbele/Hacker aaO Rdn 33; BPatG 25 W (pat) 160/01, veröffentlicht auf PAVIS-CD-ROM) zur weiteren Glaubhaftmachung des ursprünglichen Vorbringens im Wiedereinsetzungsgesuch nachgereichten ärztlichen Attesten nebst weiteren Erläuterungen ergibt, stand die ansonsten zuverlässig arbeitende und insoweit auch hinreichend überwachte Frau Marianne Singhoff zum Zeitpunkt des Fälligwerdens der Gebührenzahlung unter dem Einfluss von Medikamenten, die Konzentrationsstörungen verursachen könnten, die sie zuvor nicht eingenommen hatte, so dass weder sie noch die ihre Arbeit überwachenden Inhaber der Antragstellerin mit darauf beruhenden Leistungsausfällen hatten rechnen müssen. Dadurch konnte es zu dem Übersehen der Frist kommen, ohne dass dem ein Verstoß gegen die Pflicht zur Beachtung der zumutbaren Sorgfalt zugrunde gelegen hätte (vgl BGH WRP 1999, 438 - Konzentrationsstörung). Vielmehr lag eine unverschuldete krankheitsbedingte Fehleinschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit vor (vgl BGH NJW 1992, 1898).

Dr. Albrecht Schwarz Dr. van Raden WA






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