Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 18. Juli 2008
Aktenzeichen: 22 S 120/08

(LG Düsseldorf: Urteil v. 18.07.2008, Az.: 22 S 120/08)

Tenor

Die Berufung der Antragsgegner gegen das am 4. März 2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf - 52 C 1130/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Antragsgegner.

Gründe

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Entscheidungserhebliche Ergänzungen tatsächlicher Art sind in der Berufungsinstanz nicht erfolgt.

Mit der Berufung erstreben die Antragsgegner die Abweisung der Klage.

Die Berufung ist zulässig.

Die Antragsgegner machen geltend, mit der im Streit befindlichen Äußerung habe sich lediglich der Antragsgegner zu 1) gegen einen ihn persönlich betreffenden Angriff der Gegenseite zur Wehr gesetzt. Deshalb sei die Äußerung dem Antragsgegner zu 2), der lediglich als Anwalt des Antragsgegners zu 1) gehandelt habe, nicht zuzurechnen.

Abgesehen davon könne ein Unterlassungsanspruch gegen Behauptungen, die zur Rechtsverfolgung in einem gerichtlichen Verfahren aufgestellt worden seien, nicht mit Erfolg erhoben werden. Von diesem Grundsatz abweichende Ausnahmen seien vorliegend nicht gegeben. Dazu machen sie weitere Ausführungen.

Soweit die aufgestellte Behauptung eine Tatsachenbehauptung sei, sei sie zutreffend. Soweit auch der § 356 StGB genannt worden sei, handele es sich lediglich um eine Wertung. Dies sei durch die Trennwirkung des "und hierdurch" sichtbar geworden.

Das sind die Rügen von Rechtsverletzungen durch das Amtsgericht i.S. von § 546 ZPO, die - träfen sie zu - entscheidungserheblich wären, so dass eine formal ordnungsgemäße Begründung i.S. von § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO gegeben ist. Auf die Richtigkeit oder auch nur Schlüssigkeit kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Frage der Zulässigkeit nicht an. Dies ist vielmehr eine Frage der Begründetheit.

Die Berufung ist unbegründet.

Dem Antragsteller steht gegenüber dem Antragsgegner zu 1) der zuerkannte Unterlassungsanspruch nach §§ 823, 1004 BGB zu.

Die von dem Antragsteller monierte schriftsätzliche Äußerung des Antragsgegners zu 1) stellt eine Tatsachenbehauptung dar. Sie lässt sich nicht in eine Tatsachenbehauptung und eine Wertung aufspalten. Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, hängt davon, wie sie unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenommenen Durchschnittleser verstanden wird, wobei eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht zulässig ist, sondern der sprachliche Kontext und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen sind (vgl. BGH NJW 2005, 279, 281, 282). Von diesem Grundsatz ausgehend stellt sich die Äußerung für einen Durchschnittsleser als die Behauptung dar, das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 27. September 2007 - 39 C 161/07 - enthalte die Feststellung, der Antragsteller habe fortwährend die wiederstreitenden Interessen der dortigen Schuldnerin sowie der dortigen Antragsgegnerin vertreten und hierdurch gegen § 43 a Abs. 3 - gemeint ist offenkundig Abs. 4 - BRAO, § 356 StGB verstoßen. Für einen unvoreingenommenen Durchschnittsleser ist nicht ansatzweise erkennbar, dass es sich bei der Nennung des § 356 StGB um eine zusätzliche persönliche Wertung des Antragsgegners zu 1) handeln soll. Vielmehr liest sich die Äußerung wie eine einheitliche Wiedergabe des Inhalts des Urteil des Amtsgerichts Wuppertal.

Diese Tatsachenbehauptung ist nachweisbar falsch. In dem Urteil des Amtsgerichts Wuppertal ist an keiner Stelle die Rede von einem Verstoß des Antragstellers gegen § 356 StGB. Der Antragsgegner zu 1) kann sich auch nicht damit herausreden, § 356 StGB sei praktisch gleichbedeutend mit § 43 a Abs. 4 BRAO. Dies ist keinesfalls der Fall. Vergleichbar sind nur die objektiven Tatbestände. Für einen Verstoß gegen § 356 StGB muss jedoch auch der subjektive Tatbestand verwirklicht sein. Gerade in diesem Bereich aber besteht eine Vielzahl von Exculpationsmöglichkeiten. Hinsichtlich der umfangreichen Rechtsprechung und Kommentierung zur Irrtumsproblematik wird auf die Darstellung bei Fischer, StGB, 55. Aufl., § 356 Rnr. 14 verwiesen.

Durch die Hinzufügung des § 356 StGB hat der Antragsgegner zu 1) den Eindruck erweckt, das Amtsgericht Wuppertal habe auch den subjektiven Tatbestand dieser Vorschrift festgestellt. Dies ist für einen Rechtsanwalt eine erhebliche ehrverletzende Behauptung, die nicht hinzunehmen ist, sondern eine Unterlassungsanspruch rechtfertigt. Parteiverrat ist einer der schwersten Verfehlungen, die man einem Rechtsanwalt vorwerfen kann.

Der Unterlassungsanspruch ist auch entgegen der Ansicht des Antragsgegners zu 1) nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Behauptung in einem gerichtlichen Verfahren aufgestellt worden ist. Zwar können ehrkränkende Äußerungen in einem Gerichtsverfahren in der Regel nicht mit Ehrenschutzklagen abgewehrt werden (vgl. BGH NJW 2005, 279). Allerdings gilt dies nur, wenn die Behauptung mit Blick auf die konkrete Prozesssituation zur Rechtswahrung geeignet und erforderlich erscheint (vgl. BVerfG NJW 1991, 29). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Für die Entscheidung in dem Verfahren vor dem OLG Düsseldorf - I - Sch 14/07 - ist es völlig gleichgültig, welche Ausführungen das AG Wuppertal in dem Verfahren 39 C 161/07 gemacht hatte. Die Streitgegenstände beider Verfahren haben nicht das Geringste miteinander zu tun. Streitgegenstand des Verfahrens 39 C 161/07 war die Klage des Rechtsanwalts XXX aus abgetretenem Recht der Rechtsanwaltssozietät XXX Rechtsanwälte gegen den Antragsgegner zu 1) als Insolvenzverwalter über das Vermögen der XXX Erste Verwaltungs-GmbH auf Feststellung einer Honorarforderung zur Insolvenztabelle. Streitgegenstand vor dem OLG Düsseldorf - I - Sch 14/07 - ist die Klage des Antragsgegners zu 1) als Insolvenzverwalter der oben genannten GmbH gegen die XXX GmbH & Co. KG auf Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens. Deshalb war die falsche ehrenrührige Behauptung des Antragsgegners zu 1) in diesem Verfahren zu Rechtswahrung weder geeignet, noch erforderlich, sondern für die von dem OLG Düsseldorf zu treffende Entscheidung völlig unerheblich. Ob es sich dabei um eine "Retourkutsche" des Antragsgegners zu 1) auf eine zuvor ungehörige Ausführung des Verfahrensbevollmächtigten der gegnerischen Partei gehandelt hatte, ist für die von der Kammer zu treffende Entscheidung unerheblich. Dies rechtfertigt nicht die Aufstellung einer nachweisbar falschen Tatsachenbehauptung.

Die Ausführungen des Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil zur Wiederholungsgefahr sind mit Gründen i.S. von § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht angegriffen worden.

Dem Antragsteller steht auch gegenüber dem Antragsgegner zu 2) der zuerkannte Unterlassungsanspruch nach §§ 823, 1004 BGB zu.

Zwar trifft es zu, dass ein Rechtsanwalt nicht ohne Weiteres dafür belangt werden kann, wenn er auf Anweisung seines Mandanten in einem Rechtsstreit etwas Falsches vorträgt (vgl. BVerfG NJW 2003, 3263). Dies hat jedenfalls dann zu gelten, wenn er von ihm nicht geprüfte Informationen seines Mandanten in gehöriger Form weitergibt (vgl. BverfG aaO S. 3264). Diese Voraussetzung war aber vorliegend nicht gegeben. Der Antragsgegner zu 2) musste als Rechtsanwalt erkennen, dass es sich bei der aufgestellten Behauptung um eine ehrenrührige Tatsache handelte. Auch musste für ihn ohne Weiteres erkennbar gewesen sein, dass diese ehrenrührige Behauptung nicht zur Rechtswahrung in dem Verfahren vor dem OLG Düsseldorf geeignet oder erforderlich war. Deshalb hätte es ihm als Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners zu 1) auch unter Berücksichtigung des § 43 Abs. 3 BRAO oblegen zu überprüfen, ob diese aufgestellte Behauptungen den Tatsachen entsprach. Diese Überprüfung wäre für ihn auch höchst einfach gewesen. Ein einfacher Blick in das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal - sollte ihm der Inhalt dieses Urteils nicht schon ohnehin bekannt gewesen sein, hätte genügt, um die Unrichtigkeit der Behauptung festzustellen. Dies war von ihm zu verlangen, da es sich um ein Urteil handelt, welches in der Kanzlei der Antragsgegner vorhanden war. Dann aber wäre er nach § 43 a Abs. 3 BRAO gehindert gewesen, diese Behauptung in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf aufzustellen. Trägt ein Anwalt den Inhalt von Urteilen wissentlich falsch vor, stellt dies eine unrichtige Tatsachenbehauptung i.S. von § 43 a Abs. 3 BRAO dar (vgl. Feurich/Braun, BRAO, 5. Aufl., § 43 a Rnr. 39).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 2.500,00 EUR.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 18.07.2008
Az: 22 S 120/08


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