Sozialgericht Cottbus:
Beschluss vom 17. August 2011
Aktenzeichen: S 30 SF 205/11 E

(SG Cottbus: Beschluss v. 17.08.2011, Az.: S 30 SF 205/11 E)

Eine Gebühr nach VVRVG 7000 setzt nicht nur die ordnungsgemäße Auswahl von zu kopierenden Dokumenten voraus, sondern auch, dass das Verfahren insgesamt sachgemäß betrieben wird.

Tenor

1.) Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

2.) Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Erinnerungsverfahrens nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über den Anfall von Kopiekosten (Dokumentenpauschale) für die sachgemäße Beabreitung der Rechtssache.

Das der Kostenfestsetzung vorangegangene Verfahren wurde durch Vergleich mehrerer Verfahren erledigt. In dem Hauptsacheverfahren hier wurde die Klage nicht begründet. Auch der PKH Antrag wurde nicht begründet und in Folge dessen auch verworfen. Das Verfahren wurde, trotz mehrfacher Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens zu keiner Zeit begründet. Der schließlich geschlossene Vergleich beruhte auf der Einschätzung der Sach- und Rechtslage der vorsitzenden Richterin in der Kammer der Hauptsache.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9. Mai 2011 wurden die Gebühren, abgesehen von der hier noch streitigen Dokumentenpauschale, antragsgemäß festgesetzt. Der Beschluss wurde unter dem 27. Mai 2011 dem Bevollmächtigten der Klägerin bekannt gegeben.

Die Klägerin hat gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss wegen der Nichtfestsetzung der Gebühren für Ablichtungen unter dem 21. Juni 2011 das Gericht angerufen. Sie ist der Auffassung die gefertigten 417 Kopien der Verwaltungsakte seien für die sachgemäße Bearbeitung der Rechtssache notwendig gewesen. Insofern sei auch nicht jede Seite kopiert worden, sondern nur das Notwendigste. Die gefertigten Kopien wurden dem Gericht zu weiteren Überprüfung überlassen und lagen bei der Entscheidung vor.

Eine Anschlusserinnerung wurde nicht eingelegt.

Die Kammer hat den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt.

II.

1.

Die Erinnerung der Klägerin ist zulässig. Nach § 197 Absatz 2, in Verbindung mit § 178 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten das Gericht angerufen werden. Das statthafte Rechtsmittel ist daher die Erinnerung. Es ergibt sich zwar keine ausdrückliche Verweisung auf § 178 SGG, diese ergibt sich aber aus der Systematik des SGG und dem Wortlaut des § 178 SGG. Die maßgebliche Monatsfrist ist offenkundig gewahrt worden. Die Erinnerung erfolgte schriftlich.

Die Gebührenvorschriften des VV RVG sind nach dem RVG anwendbar. Nach der Übergangsvorschrift des § 60 Absatz 1 RVG ist das RVG anzuwenden, wenn die unbedingte Auftragserteilung ab dem 1. Juli 2004 erfolgte. Ausweislich der Vollmacht ist der Bevollmächtigte, nach dem 1. Juli 2004 beauftragt worden. Eine Anwendung der Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsvergütungsordnung (BRAGO) scheidet daher aus.

2.

Streitgegenständlich ist allein die Frage ob und in welcher Höhe Gebühren für das Fertigen von Kopien angefallen sind. Mangels Anschlusserinnerung ist eine Abweichung vom festgesetzten Gesamtbetrag zu Lasten der Erinnerungsführerin nicht möglich (Verbot der sog. reformatio in peius; vgl. dazu auch schon SG Cottbus S 30 SF 89/10).

Nach VV RVG 7000 fallen Gebühren für die Fertigung von Ablichtungen aus Behördenakten an, wenn und soweit diese (Ablichtungen) zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten waren. Bei der Bewertung welche Kopien für die sachgemäße Bearbeitung der Rechtssache notwendig sind hat der Anwalt grundsätzlich einen weiten Beurteilungsspielraum.

Soweit der Bevollmächtigte hier vorträgt es seien von den 417 Seiten der Verwaltungsakte nicht alle Seiten kopiert worden, dürfte dies schlicht unzutreffend sein, da die überlassene Aktenkopie exakt 417 Seiten umfasst. Nicht eine einzige Seite der Verwaltungsakte scheint zu fehlen. Der Bevollmächtigte ging sogar soweit seine eigenen Schriftsätze zu kopieren. Insofern ist das Vorbringen des Anwaltes, er habe Ermessen dahingehend ausgeübt welche Aktenbestandteile er benötigen würde, schlicht falsch.

Auf die Beurteilung dessen was für die Bearbeitung des Falles ggf. notwendig war kommt es hier letztlich aber nicht an. Der Bevollmächtigte hat zu keiner Zeit im Verfahren zu erkennen gegeben, dass dieses von ihm überhaupt ordnungsgemäß bearbeitet wurde. Weder die Klage, noch der PKH-Antrag wurden überhaupt jemals begründet. Das Verfahren wurde durch die jeweiligen Vorsitzenden Richter durch insgesamt zwei Betreibensaufforderungen nach § 102 Absatz 2 SGG überhaupt nur €am Laufen gehalten€. Wenn schon eine ordnungsgemäße Auseinandersetzung mit dem Verfahren an keiner Stelle des Verfahrens erkennbar ist, können erst recht keine Kopien für diese €Tätigkeit€ notwendig geworden sein.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kammer hat hier eine Kostenentscheidung zu treffen, da nach § 193 SGG sämtliche außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits ersetzt werden können. Dazu gehört auch eine mögliche Gebühr des Anwaltes für das Betreiben des Erinnerungsverfahrens.

Das Erinnerungsverfahren stellt im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren eine gesonderte Angelegenheit im Sinne des § 18 Nr. 5 RVG dar, für das dem Mandanten weitere (Rechtsanwalts)kosten entstehen (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen L 2 B 40/04 vom 15. 09. 2005, AnwBl 2006, 146; LSG Rheinland-Pfalz L 6 B 221/06 vom 30. 11. 2006 SB, jeweils für das Beschwerdeverfahren; nach Nr. 3501 VV RVG werden Beschwerde und Erinnerung gleich gestellt, so auch Rohwer-Kahlmann SGG 4. Aufl., 42. Lieferung 2004, § 197 Rn 18; Schneider, KostRsp. Nr. 1 § 18 Nr. 5 RVG Lieferung 264, Stand Februar 2007; Schneider Wolf, RVG, 3. Aufl. § 16 Rn 108ff.; Mock/N. Schneider/Wahlen in AnwaltKommentar RVG § 16 Rn 116). Es ist daher eine Kostengrundentscheidung auch für das Erinnerungsverfahren zu treffen (aA VG Regensburg RN 11 S 03.2905 vom 01.07.2005). Die entgegenstehende Auffassung des VG Regensburg ist hingegen abzulehnen. Das VG Regensburg stellt insofern fehlerhaft alleine auf den (offensichtlich fehlerhaften) Wortlaut des Gesetzes ab, wonach nur bei der Erinnerung über die Entscheidung des Rechtspflegers Gebühren nach dem Teil 3 VV RVG als besondere Angelegenheit im Sinne des § 18 Nr. 5 RVG anfallen können. Das VG hätte bei der Auslegung des Wortlauts die Systematik des RVG und des dazugehörenden Gebührenverzeichnisses, sowie die Besonderheiten des SGG beachten müssen (ein anderes Beispiel für ein offensichtliches Redaktionelles Versehen ist die Bezeichnung €Parteien€ (statt Beteiligter) in der VV RVG 3106, welches auch nicht dafür sorgt, dass eine Terminsgebühr nicht entsteht, sondern geflissentlich von allen Beteiligten in Kostenverfahren bislang völlig ignoriert wurde). Das SGG kennt die Person des Rechtspflegers nicht. Trotzdem wird in Nr. 3501 VV RVG ein Gebührentatbestand, ausdrücklich für das sozialgerichtliche Verfahren, für den Rechtsbehelf der Erinnerung statuiert. Es ist daher der Begriff des Rechtspflegers in sozialgerichtlichen Fällen im Sinne des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu verstehen und zu lesen. Dafür sprechen auch jüngste Entscheidungen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die, vergleichbar der Sozialgerichtsbarkeit, keinen Rechtspfleger kennt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Fällen der Verwaltungsgerichtsbarkeit entscheiden, dass auch die Erinnerungen gegen die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle andere Angelegenheiten im Sinne des § 18 Nr. 5 RVG sind (BVerwG 4 Kst 1002/07 vom 18.06.2007, sowie 4 Kst 1001/07 vom 21.06.2007).

Diese Entscheidung ist gemäß § 197 Absatz 2 SGG endgültig und damit unanfechtbar, dies gilt nach § 193 Absatz 3 Nr. 3 SGG auch für die getroffene Kostengrundentscheidung.






SG Cottbus:
Beschluss v. 17.08.2011
Az: S 30 SF 205/11 E


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