Verwaltungsgericht Hamburg:
Beschluss vom 10. September 2010
Aktenzeichen: 15 K 1352/10

(VG Hamburg: Beschluss v. 10.09.2010, Az.: 15 K 1352/10)

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe sowie die Beiordnung eines Rechtsanwalts für einen Rechtsstreit, in dem er von der Beklagten Auskunft über den Berufshaftpflichtversicherer sowie die Angabe der Versicherungsnummer des Beigeladenen beansprucht.

Der Beigeladene, ein Mitglied der Beklagten, war vor einiger Zeit unentgeltlich als Rechtsanwalt für den Kläger tätig und hat ihn im Jahr 2006 in einem bereits zuvor laufenden strafrechtlichen Verfahren vertreten. Dem Kläger wurde Beleidigung in zahlreichen Fällen vorgeworfen. Nachdem er zu einem Hauptverhandlungstermin unentschuldigt nicht erschienen war, erging am 6. März 2006 gegen ihn ein Haftbefehl des Amtsgerichts ... Am 7. April 2006 wurde er aufgrund dieses Haftbefehls zunächst in der JVA ... und anschließend in der JVA ... inhaftiert. Um den Bestand des Haftbefehls wurde in der Folge über mehrere Monate gestritten. Am 13. April 2006 wurde der Haftbefehl des Amtsgerichts ... vom Landgericht ... unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Die Staatsanwaltschaft beantragte jedoch, den Haftbefehl gegen den Kläger wieder in Vollzug zu setzen. In diesem Zusammenhang hatte der Beigeladene zumindest einen Schriftsatz an das Landgericht ... gefertigt, mit dem er die Aufhebung des gegen den Kläger ergangenen Haftbefehls beantragt hatte. Am 23. November 2006 beschloss das Landgericht ..., den Haftbefehl wieder in Vollzug zu setzen, woraufhin der Kläger in der JVA ... inhaftiert wurde. Das Oberlandesgericht ... setzte den Haftbefehl am 18. ... 2007 unter Auflagen wieder außer Vollzug: Gegen den Kläger bestehe zwar dringender Tatverdacht der Beleidigung in 24 Fällen; jedoch begründe die zu erwartende Verurteilung keinen hinreichenden Fluchtanreiz, um eine weitere Haft zu rechtfertigen. Denn der Kläger dürfe mit einer deutlichen Verringerung des Strafmaßes rechnen, unter anderem weil strafmildernde Umstände, so seine gutachterlich festgestellte verminderte Zurechnungsfähigkeit, nicht berücksichtigt worden seien.

Später stellte der Beigeladene seine Tätigkeit für den Kläger ein.

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 wandte sich der Kläger an die Beklagte und teilte mit, dass ihm aufgrund einer Pflichtverletzung des Beigeladenen im Rahmen eines Mandatsverhältnisses ein Schaden entstanden sei. Diesen wolle er gegenüber der Haftpflichtversicherung des Beigeladenen geltend machen. Daher benötige er die Angabe des Versicherers und der Versicherungsnummer des Beigeladenen, auf deren Mitteilung er einen Anspruch aus § 51 Abs. 6 BRAO habe.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2009 an den Kläger und den Beigeladenen teilte die Beklagte mit, dass die begehrten Auskünfte nur erteilt werden könnten, wenn der Kläger seinen Anspruch gegen den Beigeladenen schlüssig darlege, der Beigeladene trotz Nachfrage die Versicherung nicht nenne und diese auch nicht bereits anderweitig informiert sei.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2009 wiederholte der Kläger sein Auskunftsbegehren. Der Beigeladene habe €durch sein verbotenes exzessives Verteidigerverhalten€ €Freiheitsberaubung infolge brachialem Unterlassen€ begangen und ihm die €Freiheit über zwei Jahre entzogen€. Er habe bereits erfolglos versucht, seine Ansprüche direkt gegen den Beigeladenen geltend zu machen. Nun beabsichtige er, sich an den Versicherer des Beigeladenen zu wenden.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2009 erklärte der Kläger, dass er die Weigerung der Beklagten für willkürlich halte. Er habe schlüssige Ausführungen zum Schadenshergang gemacht. Er ermächtige zudem den Beigeladenen, das an ihn gerichtete Anspruchsschreiben des Klägers an die Beklagte zu geben. Der Beigeladene sei trotz ihm erteilter unwiderruflicher Vollmacht untätig geblieben und dadurch sei er geschädigt worden. Dass die Beklagte weiterhin untätig bleibe, führe er auf sachfremde Erwägungen zurück (€Offenbar hat er [der Beigeladene] Sie gekauft o.ä. gegen mich zu sein.€).

Mit Schreiben vom 13. Januar 2010 bat die Beklagte den Beigeladenen, das vom Kläger genannten €Anspruchsschreiben€ vorzulegen.

Mit Schreiben vom 21. Januar 2010 antwortete der Beigeladene, dass er etwa drei Jahre lang ohne Entgelt für den Kläger tätig gewesen sei und ihn in verschiedenen, umfangreichen Verfahren unter anderem vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten habe. Angesichts der Menge der dabei angefallenen Korrespondenz mit dem Kläger sei er nicht gewillt, ein einzelnes Schreiben, das ihm auch nicht bekannt sei, herauszusuchen. Der Kläger sei ein €böswilliger Querulant€, dem unter keinen rechtlichen Gesichtspunkten Ansprüche gegen ihn zustünden. Ein solches Anliegen, das sowohl den Adressaten wie auch den Betroffenen ehrenrührig angehe, sei nicht zu bescheiden. Dem Schreiben fügte der Beigeladene einen Schriftsatz bei, den er für den Kläger im August 2006 an das Landgericht ... gerichtet hatte, sowie einen Beschluss des Oberlandesgerichts ... aus dem Januar 2007.

Der Kläger erklärte hierauf mit Schreiben vom 31. Januar 2010, er habe gegenüber der Beklagten seinen Anspruch gegen den Beigeladenen bereits begründet. Dieser habe seine Inhaftierung geduldet, weil er persönliche Kontakte zum Oberlandesgericht ... habe. Da die Beklagte nicht über das Bestehen des Anspruchs zu befinden habe, sei sie auch nicht befugt, Einzelheiten zum Anspruch gegen den Beigeladenen zu erfragen. Mit der Übersendung eines Schriftsatzes und des Beschlusses des Oberlandesgerichts ... habe der Beigeladene außerdem das Mandatgeheimnis verletzt. Beide Dokumente seien daher aus der Akte zu entfernen und ihm zu übersenden. Das Schreiben des Beigeladenen vom 21. Januar 2010 enthalte des Weiteren viele unwahre Angaben. Der Beigeladene lüge, betrüge und täusche. So bestehe das Mandatverhältnis weiter, der Beigeladene sei jedoch seit mehreren Jahren untätig geblieben. Dies habe auch zu seiner Inhaftierung geführt, die erst durch die Einschaltung eines anderen Anwalts beendet worden sei. Auch sei der Beigeladene nicht in dem von ihm behaupteten Umfang tätig geworden und habe seine, des Klägers, Korrekturen an Schriftsätzen nicht berücksichtigt. Von einem Haftprüfungstermin habe der Beigeladene ihn nicht informiert und er sei dort auch selbst nicht erschienen. Vor dem Bundesverfassungsgericht habe sich die Tätigkeit des Beigeladenen auf ein kurzes Schreiben beschränkt und auch in den anderen Verfahren sei seine Tätigkeit auf €einfachstes Recht€ beschränkt geblieben. Für diese Tätigkeiten habe er dem Beigeladenen mehrfach Geld angeboten, was dieser jedoch abgelehnt habe. Daher habe er lediglich Auslagen in Höhe von 12,00 € beglichen. Erneut fordere er die Beklagte auf, ihm den Haftpflichtversicherer des Beigeladenen mitzuteilen.

Am 3. März 2010 entschied der Vorstand der Beklagten, die Auskunft nicht zu erteilen. Mit Bescheid vom 19. März 2010 teilte die Beklagte dem Kläger diese Entscheidung mit. Voraussetzung des Auskunftsanspruchs sei, dass ein Schadensersatzanspruch zumindest schlüssig dargelegt werde. Aus den Schreiben des Klägers habe sich jedoch kein Anhaltspunkt dafür ergeben, dass ein Anspruch überhaupt dem Grunde nach bestehen könnte. Daher komme es nicht darauf an, ob Eingaben zu bescheiden seien, die sowohl den Adressaten wie auch den Betroffenen ehrenrührig angingen.

Mit Schreiben vom 24. März 2010 rügte der Beklagte zunächst, dass ihm der Bescheid der Beklagten vom 19. März 2010 nicht förmlich zugestellt und dass er auch nicht ordnungsgemäß unterschrieben worden sei. Er habe seinen Anspruch auf die begehrte Auskunft ausführlich dargelegt und fordere die Beklagte nochmals auf, diesen zu erfüllen.

Mit Schreiben vom 19. April 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie sein Schreiben vom 24. März 2010 als Widerspruch gegen ihre Entscheidung verstehe.

Am 5. Mai 2010 entschied der Vorstand der Beklagten, den Widerspruch zurückzuweisen, da der Kläger weder neue Tatsachen noch rechtlich erhebliche Argumente vorgetragen habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2010, zugestellt am 20. Mai 2010, teilte die Beklagte dem Kläger diese Entscheidung mit: Der fristgerecht eingelegte Widerspruch habe keinen Erfolg, da der Auskunftsanspruch die schlüssige Darlegung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Rechtsanwalt voraussetze und der Kläger diese nicht erbracht habe.

Der Kläger hat am 26. Mai 2010 Klage beim Verwaltungsgericht Hamburg auf Auskunft erhoben und für diese Rechtsverfolgung Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten beantragt: Das Vorgehen der Beklagten verstoße gegen Recht und Gesetz und verfolge unerlaubte verfahrensfremde Gründe.

Die Beklagte tritt dem Begehren entgegen und macht geltend: Die Bekanntgabe der vom Kläger begehrten Informationen könne allein auf § 51 Abs. 6 S. 2 BRAO gestützt werden. Aus der Norm ergebe sich, dass die Auskunft nur erteilt werde, wenn sie zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen begehrt werde. Vorausgesetzt werde ein berechtigtes Interesse des Auskunft Begehrenden, das nur vorliege, wenn ein vermeintlicher Ersatzanspruch schlüssig dargelegt sei. Sie werde nicht erteilt, wenn nach dem Vortrag ein Schadensersatzanspruch unter keinem Gesichtspunkt ersichtlich ist. Ansatzpunkte für einen Anspruch gegen den Beigeladenen seien vom Kläger trotz entsprechender Hinweise nicht gegeben worden. Stattdessen hätten sich die Ausführungen des Klägers auf €Polemiken€ beschränkt. Da die Voraussetzungen des § 51 Abs. 6 S. 2 BRAO nicht erfüllt seien, könne aufgrund der umfassenden Verschwiegenheitspflicht der Beklagten die begehrte Auskunft nicht erteilt werden, so dass dahinstehen könne, ob das Begehren des Klägers trotz der enthaltenen ehrenrührigen Ausführungen überhaupt zu bescheiden gewesen sei.

Mit Beschluss vom 2. Juli 2010 hat das Gericht den Beigeladenen zu dem Rechtsstreit beigeladen. Dieser stellt keinen Antrag, weist aber darauf hin, dass das Bild des Klägers, der sich von der Justiz verfolgt fühle, durch Denunziation und versuchte Einschüchterung gekennzeichnet sei.

Mit Schreiben vom 12. Juli 2010 hat der Kläger das Gericht um die Übersendung von Fotokopien der gesamten dem Gericht vorgelegten Unterlagen gebeten.

Mit Schreiben vom 15. Juli 2010 hat das Gericht den Kläger aufgefordert mitzuteilen, woraus er seinen Lebensunterhalt bestreite, da er nach dem von ihm eingereichten Formular zur Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse weder Einnahmen noch Vermögen habe. Außerdem hat es dem Kläger mitgeteilt, dass eine vollständige Kopie der Sachakte etwa 80 € kosten werde und bot an, stattdessen die Akte zur Einsichtnahme durch ihn an das Amtsgericht ... zu übersenden.

Hierauf hat der Kläger erklärt, dass seine finanziellen Verhältnisse das Gericht nichts angingen und mit dem Klageverfahren nichts zu tun hätten. Auch habe er einen Anspruch auf unentgeltliche Übersendung von Kopien der Akten.

Mit Schreiben vom 4. August 2010 hat das Gericht dem Kläger mitgeteilt, dass die Verwaltungsgerichtsordnung keinen Anspruch auf kostenlose Übersendung von Fotokopien gebe und auch eine Übersendung der Originalakte an seine Privatadresse nicht zulässig sei. Das Gericht bat um Mitteilung, wie hinsichtlich der Akteneinsicht weiter verfahren werden solle. Es teilte dem Kläger außerdem mit, dass er selbstverständlich nicht verpflichtet sei, Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen zu machen. Damit verzichte er allerdings auch auf eine etwaige Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da das Gericht seine Bedürftigkeit nicht beurteilen könne.

Hierauf hat der Kläger dem Gericht unter dem 7. August 2010 mitgeteilt, dass er unverschuldet bedürftig geworden sei. Er kenne aber viele gute Menschen, die ihm zu essen und zu trinken gäben, auch sei er erfolgreicher Versicherungsmakler. Er bestehe nach wie vor auf der kostenlosen Übersendung von Fotokopien der gesamten Akte. Dass dies nach wie vor nicht geschehen sei, lasse auf €plötzliche Parteilichkeit€ der Vorsitzenden schließen, offenbar gebe es €verbotenen Druck€. Ein gleichzeitig gestellter Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende ist mit Beschluss der Kammer vom 7. September 2010 zurückgewiesen worden.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe (unten 1.) noch auf Beiordnung eines Anwalts (unten 2.). Ihm wurde auch vor dieser Entscheidung hinreichend rechtliches Gehör gewährt, so dass hinsichtlich der Prozesskostenhilfe Entscheidungsreife gegeben ist (unten 3.).

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe.

Die Gewährung von Prozesskostenhilfe setzt gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 S. 1 ZPO voraus, dass eine Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Ob der Kläger tatsächlich nicht in der Lage ist, die notwendigen Kosten des Rechtsstreits selbst zu tragen, vermag das Gericht nicht abschließend zu beurteilen, da sich der Kläger weigert, schlüssig dazu vorzutragen, wovon er derzeit seinen Lebensunterhalt bestreitet, und dies auf geeignete Weise zu belegen und glaubhaft zu machen (§ 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 S. 1 und § 118 Abs. 2 S. 1 ZPO). Dem muss jedoch an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden, da die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Erfolgsaussicht (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO) bietet.

Zwar dürfen, um Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen wie Bemittelten, an die Beurteilung der Erfolgsaussichten keine überspannten Anforderungen gestellt werden(vgl. BVerfG, Beschluss vom 4.2.2004, NJW 2004, 1789 f., Juris Rn. 8; OVG Hamburg, Beschluss vom 22.5.2007, 3 Bs 94/07).Die Prüfung der Erfolgsaussichten darf insbesondere nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Denn das Prozesskostenhilfe-Verfahren will den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Zur Gewährung von Prozesskostenhilfe ist es daher nicht erforderlich, dass der Prozesserfolg schon gewiss ist. Es genügt vielmehr, dass mehr als nur entfernte Erfolgschancen bestehen (BVerwG, Beschluss vom 5.1.1994, Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 33, Juris Rn. 3).

Dies ist hier aber nicht der Fall:

Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Mitteilung des Berufshaftpflichtversicherers und der Versicherungsnummer des Beigeladenen ist § 51 Abs. 6 S. 2 BRAO. Ein solcher Anspruch besteht hier jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind deshalb mutmaßlich rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

Bei dem geltend gemachten Auskunftsanspruch nach § 51 Abs. 6 S. 2 BRAO handelt es sich um einen Anspruch auf Erlass eines Verwaltungsaktes(vgl. Anwaltsgerichtshof Stuttgart, Beschluss vom 8.1.2008, AGH 34/07, NJW 2008, 19167 f., Juris Rn. 6),der von zwei Voraussetzungen abhängt: Einerseits muss die begehrte Auskunft zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen dienen, andererseits darf der betroffene Rechtsanwalt kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Nichterteilung der Auskunft haben.

Das Gericht zweifelt zwar nicht daran, dass der Kläger die Auskunft fordert, um beim Versicherer des Beigeladenen Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Das schutzwürdige Interesse des Beigeladenen daran, dass der Kläger keine Auskunft über seinen Berufshaftpflichtversicherer erhält, überwiegt aber das Interesse des Klägers an der Auskunft.

Der Beigeladene hat ein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Auskunft nicht erteilt wird. Grundsätzlich unterfällt auch das Versicherungsverhältnis dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Versicherten, also dem Schutz der Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG(vgl. BT-Drs. 16/513, Seite 24). Speziell bei der Berufshaftpflicht der Rechtsanwälte gewinnt dieses abstrakte Interesse an der Herrschaft über die eigenen Daten dadurch Gewicht, dass der unmittelbare Kontakt zwischen einem Anspruchssteller und dem Versicherer für den Rechtsanwalt von erheblichem Nachteil sein kann. So ist denkbar, dass der Versicherer einen Rechtsanwalt dann, wenn dieser viele Vorgänge verursacht, die zwar letztendlich nicht zu einer Leistungspflicht führen, aber aufgrund langwieriger Korrespondenz mit angeblich Geschädigten erheblichen Aufwand bereiten, als zu kostenträchtig einstuft und deshalb anstrebt, die Prämien zu erhöhen oder sich bei nächster Gelegenheit ganz von ihm zu trennen. Hinzu kommt, dass der Versicherer in solchen Fällen mit einer Vielzahl von Vorwürfen gegen den versicherten Rechtsanwalt konfrontiert wird, die sein Bild von diesem und auch den Umgang mit ihm prägen werden. Gerade bei querulatorischen und distanzlosen Mandanten sind Vorwürfe zu befürchten, die nicht nur sachlich unzutreffend, sondern auch beleidigend sind. Grundsätzlich wird ein Rechtsanwalt deshalb kein Interesse daran haben, dass sich jeder geschädigt fühlende Mandant sofort direkt an seinen Haftpflichtversicherer wendet. Auch der Anwalt selbst ist in Fällen, in denen er von einer Verantwortlichkeit gegenüber dem Dritten nicht ausgehen muss, seinem Versicherer nicht nach § 104 Abs. 1 VVG anzeigepflichtig. Im Übrigen gibt es für Rechtsanwälte bei kleineren Schadenssummen ohnehin oft kein Interesse, die Haftpflichtversicherung damit zu befassen, da diese erst nach dem Erreichen einer Selbstbeteiligung des Anwalts eintritt.

Dieses schützenswerte Interesse des Beigeladenen, das angesichts der in den Schriftsätzen des Klägers zu Tage tretenden Argumentationsstrukturen und der dortigen Wortwahl besonderes Gewicht bekommt, überwiegt dessen Interesse an der begehrten Auskunft. Denn der Kläger bedarf der Kenntnis des Haftpflichtversicherers nicht, um einen etwaigen Schadensersatzanspruch gegen den Beigeladenen effektiv durchsetzen zu können.

Insoweit bedarf hier keiner Erörterung, in welchem Umfang ein um Auskunft nachsuchender Mandant verpflichtet ist, seinen Schadensersatzanspruch gegenüber der Rechtsanwaltskammer zu konkretisieren und substantiiert zu begründen. Da nicht die Kammer berufen ist, über den Anspruch zu befinden, können insoweit keine hohen Anforderungen gestellt werden(vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 17.6.2008, 6 K 399/08, Juris Rn. 22; Dahns, NJW 2007, 1553[1556]).Auf die Substanz des geltend gemachten Schadensersatzanspruches kommt es jedoch nicht an, wenn dieser € wie auch hier € ohnehin nicht direkt gegen den Versicherer geltend gemacht werden kann und der Anspruchssteller auch sonst keinen rechtlichen Vorteil aus einem direkten Kontakt zum Haftpflichtversicherer hat. Dann nämlich hat der Anspruchssteller kein schutzwürdiges Interesse an der Benennung des Haftpflichtversicherers, so dass das oben bereits festgestellte schützenswerte Interesse des Rechtsanwalts stets das subjektiv vorhandene Interesse des Mandanten an der Auskunft überwiegt.

Aus der Entstehungsgeschichte und der Systematik des Auskunftsanspruchs nach § 51 Abs. 6 S. 2 BRAO folgt, dass es gesetzgeberische Absicht war, diesen Anspruch nur dann zu gewähren, wenn die verlangte Auskunft der Rechtsanwaltskammer zur Verfolgung etwaiger Rechte eines Mandanten wirklicherforderlichist(BT-Drs. 16/513, Seite 24).Nachdem lange umstritten war, ob und in welchen Fällen die Rechtsanwaltskammern verpflichtet waren, einem Geschädigten den Versicherer des betroffenen Anwalts mitzuteilen (Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Auflage 2003, § 51 Rn. 29), sollte mit § 51 Abs. 6 S. 2 BRAO zum Schutz der geschädigten Mandanten ein solcher Anspruch ausdrücklich normiert werden, damit die Schutzfunktion der Pflichtversicherung nicht leerlaufe(BT-Drucksache 15/5223, Seite 17). So nennt der Gesetzgeber(BT-Drs. a.a.O.)als Anlass seines Tätigwerdens jene €besonders problematischen Fälle€, €in denen der Geschädigte vom Rechtsanwalt selbst weder Schadensersatz noch diejenigen Informationen über dessen Haftpflichtversicherung erlangen kann, die erforderlich sind, um auf den Freistellungsanspruch des Anwalts gegenüber der Versicherung zugreifen zu können€.

Mittlerweile - das Versicherungsvertragsgesetz wurde mit Wirkung ab 2008 novelliert und ein Direktanspruch des Geschädigten wurde normiert - kann ein Auskunftsanspruch gegen die Rechtsanwaltskammer regelmäßig nur dann anerkannt werden, wenn der Geschädigte das Recht hat, seinen Schadensersatzanspruch direkt gegenüber den Versicherer geltend zu machen(vgl. bereits Dahns, NJW 2007, 1553[1556])und diesen nicht kennt, da sein Rechtsanwalt die Auskunft verweigert hat. Ansonsten ist er gehalten, sich direkt an den Rechtsanwalt zu wenden, dort seinen Schaden geltend zu machen und in jenen Fällen, in denen dieser hierauf gar nicht reagiert oder aber die Schadensersatzforderungen bestreitet, um gerichtliche Hilfe nachzusuchen und den Anwalt zu verklagen(vgl. dazu auch VG Stuttgart, Urteil vom 17.6.2008, 6 K 399/08, Juris Rn. 24). Zwar ist die Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte eine Pflichtversicherung, die auch dem Schutze geschädigter Mandanten dient, da sie die Rechtsanwälte finanziell in den Stand setzt, Schadensersatzansprüche der Mandantschaft zu erfüllen. Direkte Ansprüche eines Geschädigten gegen den Versicherer gibt es gleichwohl auch nach der Gesetzesnovelle nur in seltenen Fällen: Der insoweit maßgebliche § 115 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 VVG sieht einen direkten Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer eines Rechtsanwaltes nur dann vor, wenn Zahlungsunfähigkeit des Rechtsanwalts vorliegt oder sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Wahlrecht indes, ob sich ein Geschädigter an den Schädiger oder an dessen Haftpflichtversicherer wendet, gibt es nach § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG nur bei der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung.

Schon die Gesetzesbegründung(BT-Drs. 16/513, Seite 24)nennt € noch unter Geltung des alten Versicherungsvertragsgesetzes € als Voraussetzung für einen Auskunftsanspruch ausdrücklich die Fälle des untergetauchten oder aber zahlungsunfähigen Rechtsanwaltes. Nur als systematische Fehlerwägung des Gesetzgebers kann hingegen gewertet werden, dass nach der Gesetzesbegründung (a.a.O.) ein Auskunftsanspruch auch dann gerechtfertigt sein soll, wenn dem Geschädigten die Anzeige nach § 158d VVG obliegt. Diese Vorschrift galt im Rahmen des alten Versicherungsvertragsgesetzes noch bis Ende des Jahres 2007, in welchem § 51 Abs. 6 S. 2 BRAO in Kraft trat. Heute findet sie ihre Entsprechung in § 119 VVG. Zwar war in § 158d Abs. 1 VVG a.F. die Obliegenheit des Geschädigten normiert, binnen zwei Wochen dem Versicherer schriftlich anzuzeigen, wenn er einen Anspruch gegen den Versicherungsnehmer geltend macht. Eine Folge des Verstoßes gegen diese Obliegenheit, die der Geschädigte ohnehin nur rechtzeitig erfüllen kann, wenn er den Versicherer bereits kennt, sah das Gesetz nicht vor(vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 31.10.2007, 5 U 510/06, ZfSch 2008, 219 ff., Juris Rn. 40).Entsprechendes gilt für das neue Recht (§ 120 VVG). Da diese Obliegenheit einerseits jeden Geschädigten trifft, der gegenüber einem Rechtsanwalt einen Schaden geltend macht, andererseits aber ein Verstoß gegen sie rechtlich folgenlos bleibt, ist sie nicht geeignet, im Einzelfall ein schützenswertes Interesse an der Bekanntgabe des Haftpflichtversicherers eines Anwaltes zu begründen.

Da der Beigeladene unzweifelhaft präsent ist und auch nichts gegen seine Zahlungsfähigkeit spricht, kann der Kläger nicht direkt auf dessen Haftpflichtversicherer durchgreifen. Er muss diesen deshalb auch nicht kennen.

Im Übrigen gibt es auch keine weiteren Umstände des Falles, die gleichwohl einen Auskunftsanspruch begründen könnten. Insbesondere ist nicht zu erwarten, dass eine kostenaufwändige Klage gegen den jegliche Ansprüche bestreitenden Beigeladenen möglicherweise dadurch entbehrlich werden könnte, dass der Haftpflichtversicherer ohne entsprechende Rechtspflicht auf direktem Wege einen Schadensersatzanspruch des Klägers anerkennen und Schadensersatz leisten würde. Denn ein solches darf er nicht, da dieses zulasten des Versicherungsnehmers ginge. Die Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers hängt nach § 100 VVG vom Anspruch des Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer ab. Letzterem darf nicht die Möglichkeit genommen werden, einem solchen Anspruch wirksam entgegenzutreten, zumal jeder von der Versicherung regulierte Schadensfall die Gefahr einer Kündigung oder das Risiko von Prämienerhöhungen nach sich zieht.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Beiordnung eines Anwalts.

Die Beiordnung eines Anwalts im Verwaltungsverfahren richtet sich nach § 166 VwGO i.V.m. § 121 ZPO. Die vom Kläger genannte Norm des § 67 Abs. 2 S. 2 VwGO ermöglicht es dem Gericht nicht, einen Rechtsanwalt zur Vertretung des Klägers zu bestellen, sondern regelt nur, welche Qualifikation für die Vertretungsbefugnis vor dem Verwaltungsgericht erforderlich ist. Nach § 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO wird einem Beteiligten in einem Verfahren ohne Anwaltszwang ein von der Partei ausgewählter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn die Vertretung erforderlich erscheint. Gemäß § 67 Abs. 1 VwGO kann vor dem Verwaltungsgericht der Rechtsstreit von den Beteiligten selbst geführt werden. Ob eine Vertretung hier im konkreten Fall erforderlich erscheint, kann allerdings dahinstehen, denn weitere Voraussetzung für die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist stets die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, die aus den oben genannten Gründen mangels Erfolgsaussicht der Klage abzulehnen ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger zitierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts(BVerfG, Beschluss vom 19.10.1977, 2 BvR 462/77, BVerfGE 46, 202 ff.), da sich diese Entscheidung allein auf das strafgerichtliche Verfahren bezieht.

3. Der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe zum jetzigen Zeitpunkt steht schließlich nicht entgegen, dass dem Kläger bislang kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden und deshalb die Sache noch nicht entscheidungsreif wäre. Zwar hat der Kläger bisher keine Akteneinsicht genommen, obwohl er eine solche beantragt hat. Dies liegt jedoch daran, dass seinem Ersuchen in der beantragten Form aus rechtlichen Gründen nicht entsprochen werden kann und der Kläger die Akteneinsicht in der rechtlich möglichen und ihm angebotenen Form offenbar nicht wahrnehmen will.

Der Kläger ersuchte um Akteneinsicht durch entweder die Übersendung der Originalakten oder unentgeltlicher Fotokopien des gesamten Akteninhalts an ihn. Beides ist nach § 100 Abs. 2 VwGO nicht zulässig. Die Originalakte kann gemäß § 100 Abs. 2 S. 2 VwGO nur einer nach § 67 Abs. 2 S. 1 und 2 Nr. 3 bis 6 VwGO bevollmächtigten Person übergeben werden. Der nicht anwaltlich vertretene Kläger fällt nicht in diesen Personenkreis. Fotokopien der Akte werden nach § 100 Abs. 2 S. 1 VwGO nur entgeltlich angefertigt und übersandt.

Daher kann dem Kläger Akteneinsicht nur durch entgeltliche Übersendung von Fotokopien (§ 100 Abs. 2 S. 1 VwGO) oder durch die persönliche Einsichtnahme in den Räumen des seinem Wohnsitz am nächsten liegenden Amtsgerichts ... (§ 100 Abs. 1 VwGO) - oder auch einem anderen Gericht seiner Wahl - gewährt werden. Beides hat ihm das Verwaltungsgericht mit Schreiben vom 15. Juli und 4. August 2010 erläutert und angeboten. Der Kläger hat die ihm eröffneten Möglichkeiten der Akteneinsicht allerdings bisher nicht wahrgenommen und auch nicht erkennen lassen, dass er diese überhaupt akzeptiere und demnächst auf rechtlich zulässige Weise Akteneinsicht nehmen wolle.






VG Hamburg:
Beschluss v. 10.09.2010
Az: 15 K 1352/10


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