Landesarbeitsgericht Köln:
Urteil vom 29. September 2014
Aktenzeichen: 2 Sa 181/14

(LAG Köln: Urteil v. 29.09.2014, Az.: 2 Sa 181/14)

Ergibt die Auswertung der elektronisch gespeicherten Arbeitsvorgänge, dass innerhalb von 10 Arbeitstagen mehrere Stunden Arbeitszeit zu viel in die manuell geführte Arbeitszeiterfassung eingetragen wurden, kann dies eine außerordentliche Kündigung ohne Abmahnung rechtfertigen.

Das Speichern des Bearbeiters und des letzten Änderungsdatums einer Datei verstößt nicht gegen das BDSchG, wenn die Speicherung erforderlich ist, um bei einer online-Datenbank überprüfen zu können, wer wann welche Eingaben gemacht hat. Es ist das berechtigte Interesse des Arbeitgebers, Fehleingaben, die zu erheblichen Schäden bei den Nutzern der Datenbank führen können, dem jeweiligen Sachbearbeiter zuordnen zu können, sowie den aktuellen Bearbeitungsstand feststellen zu können.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.11.20121 - 6 Ca 1025/13 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 18.01.2013, einer ordentlichen Kündigung vom 30.01.2013 zum 30.06.2013 sowie um Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug.

Die am 1958, geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 01.07.1998 bei der Beklagten, die ausschließlich der Auszubildenden mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, als Bürokraft tätig. Die Beklagte pflegt eine Krankenhausdatenbank, in der die öffentlich rechtlich genehmigten Entgeltvereinbarungen der Krankenhäuser eingegeben werden. Diese Eingabearbeiten gehörten zu den wesentlichen Tätigkeiten der Klägerin. Einzugeben war jeweils der Schlüssel (eine Zeichenfolge) für das betreffende Krankenhaus, der Schlüssel (ebenfalls eine Zeichenfolge) für die betroffene Leistung des Krankenhauses und der hierzu vereinbarte Entgeltsatz.

Zuletzt arbeitete die Klägerin aufgrund besonderer Vereinbarung über Telearbeit an 3 Wochentagen von zuhause aus.

Als die Klägerin Freizeitausgleich zum Abbau von Überstunden beantragte, nahm die Beklagte eine Überprüfung der Arbeitszeiten der Klägerin vor, weil die Überstunden nicht während der Arbeitstage im Büro angefallen waren. Die häuslichen Arbeitszeiten trug die Klägerin manuell in die von der Beklagten geführte Arbeitszeitdatei ein.

Am 04.12.2012 erfolgte ein erstes Gespräch mit der Klägerin. Die Klägerin schilderte, dass sie zuhause nicht immer zu den Zeiten, in denen nach der Gleitzeitordnung Arbeitszeit zulässig war, arbeitete. Die gegenüber der Beklagten angegebene Menge der Arbeitsstunden entspräche aber einer von der Klägerin zuhause geführten Excel-Tabelle. Diese übermittelte die Klägerin mit Mail vom 05.12.2012. Am 13.12.2012 fand ein zweites Gespräch mit der Klägerin statt. Hierbei erläuterte sie, dass sie die zuhause gearbeiteten Stunden nicht 1 : 1, also in gleicher Menge in die betriebliche Arbeitszeitauswertung eingebe, wie sie am konkreten Arbeitstag angefallen seien, sondern dass sie nach ihrem persönlichen Bedarf zuhause Überstunden speichere und gegebenenfalls einen positiven Saldo nach ihren persönlichen Bedürfnissen in die betriebliche Arbeitszeitdatei eingebe, um dann zeitnah Überstundenausgleich zu erhalten.

Die Beklagte wertete danach die elektronisch gespeicherten Eingabezeiten für die häuslichen Dateneingaben in die Krankenhausentgeltvereinbarungsdatei aus. Sie kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Klägerin in der Zeit vom 05.11. bis 16.11.2012 50,56 Stunden in die betriebliche Arbeitszeitliste eingegeben hatte, dass die Klägerin nach eigener Tabelle 43,26 Stunden gearbeitet hatte, dass die Zeitstempel der elektronischen Auswertung der vom häuslichen Arbeitsplatz getätigten Dateneingaben jedoch lediglich eine Arbeitszeit von 24,50 Stunden ergaben.

Die Beklagte behauptet hierzu, sie habe in der Addition alle Eingaben berücksichtigt, die in keinem größeren Abstand als 15 Minuten vorgenommen wurden. Zusätzlich habe sie für die 6 Heimarbeitstage noch je eine Viertelstunde Vor- und Nachbearbeitungszeit addiert, komme aber gleichwohl nur zu einer Arbeitszeit von 27,5 Stunden an 6 Heimarbeitstagen. Die Beklagte übersandte der Klägerin den Ausdruck der zeitlichen Lage der Dateneingaben und forderte die Klägerin gleichzeitig mit Schreiben vom 20.12.2012 auf, schriftlich Stellung zu nehmen bis zum 08.01.2013.

Mit Schreiben vom 07.01.2013 antworteten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin und führten aus, dass die Klägerin entsprechend ihrer Stellenbeschreibung mit weiteren Tätigkeiten beschäftigt gewesen sei.

Mit Schreiben vom 14. Januar 2013 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur außerordentlichen und ordentlichen Kündigung an. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung u. a. mit der Begründung, dass die Zeitstempel der Datenbankeingabe als Zeitnachweis für die erbrachte Arbeitsleistung nicht heranzuziehen seien und die Arbeit außerhalb des betrieblichen Gleitzeitrahmens keinen Kündigungsgrund darstellen könne.

Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam, da dem Betriebsrat der Kündigungszeitpunkt der ordentlichen Kündigung nicht ordnungsgemäß mitgeteilt worden sei. Dem Betriebsrat seien auch die im Rahmen des Heimarbeitsplatzes zu erledigenden Aufgaben nicht zutreffend dargestellt worden. Die Errechnung der Arbeitszeiten dürfe nicht anhand der Datei durchgeführt werden. Die Verwertung sei unzulässig, da die Datenspeicherung § 32 BDSG widerspreche. Zudem sei das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht gewahrt.

Weiter behauptet die Klägerin, zwischen zwei Speichervorgängen könnten durchaus längere Zeiträume als 15 Minuten liegen, da sie zwischen den Datenbankeingaben auch zuhause Recherchearbeiten vornehmen müsse. In diesem Fall müsse die Klägerin Entgeltvereinbarungen im Archiv oder im Internet suchen, um die entsprechenden Nummern in die Datenbank eingeben zu können. Sie habe auch in der fraglichen Zeit zuhause die neuen Regelungen des PsychEntgeltG gelesen. Hierzu legt die Klägerin einen Ausdruck eines Verordnungsentwurfs vom 14.11.2012 vor.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, mit der Angabe der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Kündigungsfristen den Betriebsrat ausreichend informiert zu haben. Eine eventuell nicht beachtete Mitbestimmung des Betriebsrats aus § 87 BetrVG hindere die Verwertung des Zeitstempelausdrucks im Prozess nicht. Die Speicherung dieser Daten sei erforderlich gewesen, um nachvollziehen zu können, welcher Arbeitnehmer zu welchem Zeitpunkt welche Änderung an der Datenbank, die von mehreren Arbeitnehmern gepflegt wird, vorgenommen habe.

Die Beklagte erläutert den Inhalt der Liste der Zeitstempel (Bl. 56 - 96 d. A.) wie folgt: Die Registernummer sei der Schlüssel des jeweiligen Krankenhauses. Die Entgeltnummer sei der Schlüssel für die konkrete vom Krankenhaus erbrachte Leistung. Die nächsten beiden Spalten stellen die Geltungszeiträume der jeweiligen Vergütungssätze dar. Jeder konkreten Entgeltnummer sei dann ein konkreter Entgeltbetrag aus dem einzugebenden Datensatz zu zuordnen. Auf der rechten Seite des Ausdrucks befinde sich unter der Überschrift C-Date das Datum, zu dem die konkrete Datei erstmals angelegt wurde. Die Spalte C-User enthalte den Mitarbeiter, der die Datei angelegt habe. Unter M-Date werde die letzte Speicherung der Datei protokolliert. Durch weitere andere oder neue Eingaben in derselben Datei werde das M-Date jeweils erneut überschrieben. In der Spalte M-User befinde sich der Name des eingebenden Mitarbeiters, der die letzte Speicherung zu diesem Datensatz vorgenommen habe.

Der Mitarbeiter M , der einerseits Vorgesetzter der Klägerin und gleichzeitig auch Betriebsratsmitglied ist, habe eine Datenbankrecherche für die Heimarbeitstage der Klägerin in der Zeit vom 05.11. bis 16.11.2012 vorgenommen. Er habe dabei alle Datenspeicherungen in diese Datensammlung, die an den Heimarbeitstagen der Klägerin unter dem M-User der Klägerin gespeichert wurden, ausgedruckt. Damit enthalte die Liste der Zeitstempel alle Speicheraktivitäten der Klägerin unabhängig davon, ob sie die Datei soeben erst neu angelegt habe und dabei als C-User in der Liste aufgeführt ist oder ob die Datei bereits zuvor angelegt war.

Herr M habe sodann alle Zeiten zwischen M-Dates (von der Klägerin ausgelösten Speichervorgängen), die mehr als 15 Minuten betragen, von der Gesamtzeit der ersten bis zur letzten Eingabe eines Tages abgerechnet und jeweils zur Arbeitsvorbereitung und zum Arbeitsabschluss eine weitere Viertelstunde addiert. Daraus ergebe sich die Gesamtarbeitszeit von 27,5 Stunden anstelle der von der Klägerin angegebenen 43,26 Stunden.

Es sei auch nicht Aufgabe der Klägerin gewesen, zuhause andere Tätigkeiten als Dateneingaben zu erbringen. Vorbereitende Arbeiten wie die Suche nach den Entgeltvereinbarungen, die nicht den Genehmigungsbescheiden beigefügt waren, die Suche nach neuen Schlüsseln seien nicht vom Heimarbeitsplatz der Klägerin aus, sondern vom Büroarbeitsplatz aus vorzunehmen gewesen. Soweit die Entgeltvereinbarungen nicht in Papierform vorlägen, seien diese in einer anderen Datenbank gespeichert. In Fällen, in denen dies nicht der Fall sei, habe die Klägerin keine häuslichen Recherchearbeiten zu erledigen, da die Krankenhäuser dann durch die Beklagte aufgefordert würden, die Entgeltvereinbarungen vorzulegen oder zu übermitteln. In der überprüften Zeit habe die Klägerin auch nur zweimal nach neuen Leistungsschlüsseln recherchieren müssen. Diese Recherchen seien vom dienstlichen Arbeitsplatz aus erfolgt.

Die Verordnung über pauschalierende Entgelte, Psychiatrie und Psychosomatik 2013 sei tatsächlich erst am 19.11.2012 in Kraft getreten. Herr M habe die Klägerin erst nach diesem Datum aufgefordert, sich mit dem Inhalt vertraut zu machen, da zuvor der Entwurf der Verordnung nicht verbindlich gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage in vollem Umfange zugesprochen und dabei zugrundegelegt, dass nicht ausreichend klargeworden sei, wie sich die Differenz der durch Herrn M errechneten Arbeitszeit und der von der Klägerin angegebenen Arbeitszeit ergebe.

Mit der Berufung beantragt die Beklagte,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.11.2013 abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Gericht hat über die Erstellung der Zeitstempelliste, deren Inhalte und Bedeutung sowie den regelmäßigen Arbeitsablauf der Klägerin Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen M . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie des weiteren Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige und fristgerechte Berufung der Klägerin ist in vollem Umfange begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist gemäß § 626 BGB außerordentlichen mit Zugang der Kündigung vom 18.01.2013 beendet worden.

Die Kündigung ist zunächst nicht wegen mangelnder Betriebsratsanhörung unwirksam. Hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung spielt dabei die Frage, ob die ordentliche Kündigungsfrist mit einem Datum bezeichnet werden muss oder dem Betriebsrat lediglich die Rechtsgrundlagen für die Fristberechnung zur Kenntnis gebracht werden müssen keine Rolle, denn dem Betriebsrat war hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung klar, dass diese mit Zugang der Kündigungserklärung wirksam werden soll.

Die Betriebsratsanhörung war auch nicht wegen einer mangelhaften Sachverhaltsdarstellung unwirksam. Die Arbeitgeberin hat dem Betriebsrat den von ihr recherchierten und der Kündigung zugrundegelegten Sachverhalt vollständig vorgetragen. Sie hat subjektiv determiniert das mitgeteilt, was sie zum Ausspruch der Kündigung bewog. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Betriebsrat die Klägerin vor Abgabe seiner eigenen Stellungnahme angehört hat. Hierbei vor Ausspruch der Kündigung gewonnene eigene Erkenntnisse konnte der Betriebsrat in seine Beurteilung des Kündigungssachverhalts einfließen lassen. Eine arbeitgeberseitige Fehlinformation, die die gesamte Betriebsratsanhörung unwirksam erscheinen lassen könnte, ist damit nicht festzustellen.

Die Täuschung des Arbeitgebers darüber, dass ein Arbeitnehmer gearbeitet habe, während tatsächlich keine Arbeitsleistung erbracht wurde, stellt regelmäßig einen Grund dar, der geeignet ist, das Arbeitsverhältnis durch Arbeitgeberkündigung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist zu beenden.

Nach durchgeführter Beweisaufnahme geht die erkennende Kammer davon aus, dass dieser Sachverhalt vorliegend gegeben ist und dass die Klägerin in einem Zeitraum von 6 Arbeitstagen gegenüber ihrem Arbeitgeber 15,76 Stunden zu viel an Arbeitszeit angegeben hat.

Dabei würde es nach Ansicht der Kammer nicht ausreichen, dass die Klägerin lediglich Arbeitszeiten, die außerhalb des betrieblichen Gleitzeitrahmens lagen zeitlich verlegt hat und hierdurch vorgegeben hat, ihre Arbeitszeit innerhalb des Gleitzeitrahmens erbracht zu haben. Auch würde es nach Ansicht der Kammer alleine nicht ausreichen, dass die Klägerin zuhause eine abweichende Excel-Tabelle geführt hat und die nach dieser Tabelle von der Klägerin festgehaltenen Stunden zu anderen Zeiten im Betrieb als Arbeitsleistung in die dortige Zeiterfassung eingegeben hat. Die Klägerin hat zwar versucht, sich hierdurch Vorteile zu sichern, da durch die gesteuerte Bekanntgabe der (behaupteten) Überstunden ein Verfall dieser Überstunden nicht eintreten konnte. Gleichwohl erscheint dieser Sachverhalt nicht derart schwerwiegend, dass dies die sofortige Beendigung oder die ordentliche Beendigung ohne Abmahnung rechtfertigen würde. Denn für diesen Sachverhalt lässt sich nicht feststellen, dass die Arbeitnehmerin mit krimineller Energie den Arbeitgeber über die Menge der tatsächlichen Arbeitszeit täuschen wollte. Allenfalls liegt ein Täuschen über die Lage der tatsächlichen Arbeitszeit vor.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme und Auswertung der Zeitstempelliste hat die erkennende Kammer die hinreichende Gewissheit, dass die Klägerin die Beklagte über die Menge der von ihr am Heimarbeitsplatz durchgeführten Arbeiten täuschen wollte.

Dabei ist das Gericht zunächst nicht gehindert, die ausgedruckte Liste der Zeitstempel im Verfahren zu verwerten. Ein solches Verwertungsverbot ergibt sich zum einen nicht daraus, dass hinsichtlich der automatisierten Datenverarbeitung ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 BetrVG bestand. Auch dann, wenn die Art der Datenverarbeitung bereits vor der erstmaligen Konstitution eines Betriebsrats im Betrieb durchgeführt wurde, steht dem Betriebsrat das Mitbestimmungsrecht zur automatischen Datenverarbeitung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu. Allerdings folgt hieraus nicht die Unverwertbarkeit der erhobenen Daten im Prozess (BAG vom 13.12.2007 - 2 AZR 537/06 -).

Ebenso wenig folgt ein Verwertungsverbot aus § 32 BDSG. Die Beklagte hat grundsätzlich ein Interesse daran, die von ihr als ihr Geschäftszweck gespeicherten Daten, die in einer Datenbank gepflegt werden, zu der mehrere Personen schreibenden Zugang haben, dem einzelnen Mitarbeiter zuordnen zu können und auch anhand des Speicherdatums feststellen zu können, ob die eingegebenen Daten tatsächlich dem aktuellen durch die Speicherung dokumentierten Zeitpunkt entsprechen. Die Beklagte stellt die Dateien mit den Entgeltvereinbarungen ihren Mitgliedern zu Abrechnungszwecken zur Verfügung. Die Pflege der Datenbank ist damit eine wesentliche geschäftliche Aufgabe der Beklagten. Sind die Dateneingaben fehlerhaft oder nicht aktuell, so können bei den Nutzern der Datenbank erhebliche wirtschaftliche Schäden entstehen. Es ist deshalb für die Durchführung der Arbeitsverhältnisse der mit der Dateneingabe befassten Mitarbeiter erforderlich, Fehler in der Dateneingabe, die sich sowohl auf die Inhalte als auch auf den Gültigkeitszeitraum der eingegebenen Daten beziehen, kontrollieren und vermeiden zu können. Nur dann, wenn identifiziert werden kann, wer Fehleingaben gemacht hat, kann die Beklagte arbeitsrechtlich tätig werden und die erforderliche Qualität der Dateneingaben wirklich sicherstellen. Die erkennende Kammer hält deshalb auch unter Berücksichtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung die vorgenommene Abspeicherung des sog. M-Date und des M-User für zulässig.

Vorliegend ist gleichwohl abzuwägen, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin den Vorrang gegenüber der Auswertung der automatisiert erhobenen Datenlisten verdient. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte aufgrund der von der Klägerin eingereichten Zeitaufschreibungen und der in der gleichen Zeit erledigten Arbeitsmenge den konkreten Verdacht hatte, dass die angegebenen Arbeitszeiten nicht zutreffend sind. Der Verdacht wurde auch nicht dadurch widerlegt, dass die Klägerin eingeräumt hat, andere Arbeitszeiten gegenüber der Arbeitgeberin angegeben zu haben, als in ihrer privaten Excel-Tabelle an tatsächlicher von ihr behauptete Arbeitszeit nieder gelegt war. Nachdem der Verdacht entstanden war, ergab sich für die Beklagte keine andere Überprüfungsmöglichkeit als die elektronische Auswertung der Datenbankeingaben. In einem solchen konkreten Verdachtsfall steht das Persönlichkeitsrecht hinter der Möglichkeit der Datenermittlung zurück. Das vorrangige Ziel des Datenschutzes ist nicht der Täterschutz.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme ergibt sich damit für die Kammer folgendes Bild: Die vorgelegte Liste der Datenbankeingaben enthält alle von der Klägerin an ihrem Heimarbeitsplatz vorgenommenen Datenbankeingaben. Die von dem Zeugen geschilderte Arbeitsorganisation sah vor, dass die Klägerin an ihrem Heimarbeitsplatz im Wesentlichen Dateneingaben vornehmen sollte. An ihrem Büroarbeitsplatz hatte sie dafür Sorge zu tragen, dass die zuhause zu bearbeitenden Genehmigungsbescheide vollständig waren, also die häuslichen Tätigkeiten vorzubereiten. Zu der ordnungsgemäßen Arbeitsvorbereitung gehörte deshalb die Kontrolle des Genehmigungsbescheides darauf, ob die einzugebenden Daten in Papierform oder als Datei zugänglich waren, die genehmigten Entgeltvereinbarungen vorlagen, um in die Datenbank übertragen zu werden. Danach sind beispielsweise am 07.11.2007 in der Zeit von 6.38 Uhr bis 10.09 Uhr keinerlei Dateneingaben von der Klägerin vorgenommen worden. Es handelt sich um 191 Minuten, in denen keine Arbeitsleistung in der Datenbank feststellbar ist. Für den entsprechenden Tag hat die Klägerin lediglich 63 Minuten Pause angegeben.

Die Klägerin konnte auch weder diese Arbeitsunterbrechungen noch andere längere Arbeitsunterbrechungen erklären. Nachdem die Klägerin angegeben hat, die Verordnung über die Neuregelung der Entgelte Psychiatrie und Psychosomatik am 14.11.2012 gelesen zu haben, wäre für den 12.11.2012 erklärungsbedürftig gewesen, welche Tätigkeiten die Klägerin konkret von 8.49 Uhr bis 12.31 Uhr, von 13.07 Uhr bis 14.22 Uhr und von 16.16 Uhr bis 16.36 Uhr verrichtet hat. Laut eigener Liste hat sie an diesem Tag nur 45 Minuten Pause gemacht. Sie hat angegeben, um 7.39 Uhr die Arbeit aufgenommen zu haben, die erste Eingabe war aber erst um 8.32 Uhr. Der Klägerin war bereits durch die Kündigungsanhörung zeitnah Gelegenheit gegeben worden, zu den Unterbrechungen in der Dateneingabe Stellung zu nehmen.

Die von dem Zeugen M geschilderten Arbeitsaufgaben und Strukturen der Datenbankeingabe haben bei der Kammer zu der Überzeugung geführt, dass eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung der Klägerin nicht darin bestehen konnte, zuhause darauf zu warten, dass eventuell fehlende Dateien mit Entgeltvereinbarungen der Klägerin per E-Mail zugesandt werden. Vielmehr hätte sie in dieser Zeit andere Dateneingaben vornehmen müssen und können bzw. im Vorfeld bei der Planung ihrer häuslichen Tätigkeiten darauf achten müssen, dass jedem Genehmigungsbescheid die erforderlichen Entgeltvereinbarungen bereits beigefügt waren oder diese zugänglich waren.

Aufgrund der von dem Zeugen M geschilderten Überprüfung der Dateistempel ergibt sich auch, dass die Anforderung an die Klägerin, einzelne Unterbrechungszeiten zu erklären nicht unzumutbar war, denn sie betraf nur die Zeiten, bei denen die einzelnen Speichervorgänge länger als 15 Minuten auseinanderlagen. Für die vom Arbeitsgericht angenommene Hypothese, die Klägerin habe zunächst eine Unzahl Dateien aufgemacht und dann hintereinander geschlossen, spricht nichts. Nicht nur hat die Klägerin selber nicht behauptet, so gearbeitet zu haben. Vielmehr ergibt sich aus den unzähligen neuangelegten Dateien (C-Date), dass regelmäßig eine Eingabezeit von nur wenigen Sekunden von der Neuanlage einer Datei bis zu deren letzter Abspeicherung benötigt wird.

Das Gericht hat keine Anhaltspunkte gesehen, dem Zeugen M nicht zu glauben. Die Darstellung der Arbeitsabläufe war plausibel und ist insbesondere von der Klägerin in der Stellungnahmefrist, die ihr auch zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme gesetzt wurde, nicht angegriffen worden.

Auch bei der vorzunehmenden individuellen Abwägung der Kündigungsgründe gelangt das Gericht zu der Überzeugung, dass es der Beklagten unzumutbar war, die ordentliche Kündigungsfrist abzuwarten und das Arbeitsverhältnis länger als bis zum Zugang der außerordentlichen Kündigung aufrecht zu erhalten. Zwar ist die Versuchung, Arbeitszeiten vorzutäuschen, wenn diese nicht effektiv kontrolliert werden können, bei einem Heimarbeitsplatz besonders groß. Trotzdem durfte die Klägerin nicht annehmen, ihr Arbeitgeber werde eine falsche Angabe von Arbeitszeiten, also die Abrechnung von Freizeit als Arbeitszeit hinnehmen oder allenfalls mit einer Abmahnung reagieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend nicht nur um wenige Minuten handelt, die beim Stechkartenbetrug auch schon für die Rechtfertigung einer fristlosen Kündigung ausgereicht haben. Vielmehr hat die Klägerin sich in erheblichem Maße Zeitguthaben durch Falschangaben "erarbeitet", um sodann nach Belieben Freistellungstage geltend machen zu können.

Die Beendigung der Möglichkeit, Dateneingaben am Heimarbeitsplatz vorzunehmen, stellt auch nicht ein milderes Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung dar. Nachdem die Klägerin durch ihre Vorgehensweise das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung erschüttert hat, hätte die Beklagte die Klägerin auch am betrieblichen Arbeitsplatz ununterbrochen kontrollieren müssen, um sichergehen zu können, dass in der vereinbarten Arbeitszeit tatsächlich Arbeitsleistung erbracht wird. Die Verletzung des Vertrauens in die korrekte Arbeitserfüllung durch die Klägerin ist so schwerwiegend, dass auch unter Berücksichtigung des hohen Lebensalters, einer nicht übermäßig günstigen Prognose hinsichtlich einer neuen Arbeitsstelle und der langjährigen Betriebszugehörigkeit das arbeitgeberseitige Interesse an der sofortigen Beendigung des Vertragsverhältnisses überwiegt.

Die Kündigung ist auch nicht gemäß § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Beklagte hat hinreichend schnell recherchiert und die erforderliche Sachverhaltsaufklärung zügig betrieben. Die der Klägerin nach dem Ausdruck der Zeitstempelliste eingeräumte Stellungnahmefrist war wegen der Weihnachtsfeiertage und des Jahreswechsels nicht zu lang bemessen.

Nach alldem war das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen.






LAG Köln:
Urteil v. 29.09.2014
Az: 2 Sa 181/14


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